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Kein Machtwort zur Wiener Zeitung

Unzufriedenheit mit Alexander Van der Bellen wächst. Kein gutes Zeichen in Krisenzeiten wie diesen.

Udo Bachmair

Der Bundespräsident ist mit seiner Forderung ziemlich ins Fettnäpfchen getreten, österreichische Soldaten zu Entminungsdiensten in die kriegführende Ukraine zu entsenden. Gerade Van der Bellen als Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres müsste bewusst sein, dass er damit eine neutralitätspolitische Grauzone betritt. Ganz abgesehen von seinem Mangel an diplomatischer Zurückhaltung, die einem neutralen Staat würdig wäre. Damit verspielt VdB Chancen Österreichs, jemals wieder als Mediator bzw. als Ort von Friedensverhandlungen in Frage zu kommen.

Während diese Wortspende Van der Bellens weithin als überflüssig betrachtet wurde, hätte man sich von ihm hingegen einen Appell zur Rettung der Wiener Zeitung seit langem erwartet. Mit dem Ziel, die schwarz/grüne Regierung dringend davon abzuhalten, der ältesten Tageszeitung, die mittlerweile auch ein Kulturgut ist und außerdem für Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt steht, den Garaus zu machen.

Dazu Anneliese Rohrer, renommierte Journalistin, in ihrem jüngsten Presse-Kommentar :

„Es ist keine öffentliche Erklärung Van der Bellens zu finden, mit der er versucht hätte, die Regierung auf Alternativangebote zur Weiterführung der Zeitung zu verweisen. Das Gesetz muss er unterschreiben. Er hätte jedoch rechtzeitig seine Freunde bei den Grünen vom demokratiepolitischen Schaden ihrer Inkompetenz in Medienfragen überzeugen können. Dann wäre die Umgestaltung des Betriebs in eine Propaganda-Anstalt des Bundeskanzleramts zu verhindern gewesen. Denn das muss man mithilfe der Grünen erst einmal erfinden: Diese Regierung stellt der nächsten etwa unter einer Führung der FPÖ die Propagandastruktur freiwillig zur Verfügung.“

(Anneliese Rohrer in der Tageszeitung Die Presse vom 20.5.2023)

Solidarität statt Spaltung

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 und den Flüchtlingsströmen 2015 erscheint unsere Gesellschaft so gespalten wie schon lange nicht mehr. Ist das tatsächlich so ? Wenn ja, wie groß ist die Chance, miteinander wieder ins Gespräch zu kommen, über politische und ideologische Grenzen hinweg ? Fragen, mit denen sich zwei empfehlenswerte Bücher beschäftigen.

Udo Bachmair

Als Folge der Finanzkrise ab 2008 haben Zukunftsängste immer weitere Kreise der Bevölkerung erfasst. In dieser Phase war die politische Auseinandersetzung zunehmend von nationalistischen Tönen dominiert. Rechte und rechtsextreme Parteien konnten erfolgreich politisches Kleingeld aus den Sorgen der Menschen schlagen. Das funktionierte besonders auch 2015, jenem Jahr, in dem die Migration und die „Zuwanderung ins Sozialsystem“ ( unisono Ex-Kanzler Kurz und die FPÖ ) als Wurzel allen Übels gebrandmarkt wurden.

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben zweifellos zu einer Polarisierung beigetragen. Aber ist der Graben so tief, dass es keine Brücken mehr gibt zwischen den als „Anständige“ Definierten und als „Sozialschmarotzer“ Diffamierten, zwischen dem linken und dem rechten Lager ? Die Autoren des im Promedia-Verlag erschienen Buches „Umkämpfte Solidaritäten“ versuchen dieses politisch und medial oft bemühte Bild differenziert zu betrachten. Sie meinen, dass wir uns nicht dem Fatalismus hingeben sollten, der in dem Bild einer Spaltung tendenziell enthalten sei.

Grundthese der Autoren ist daher: Die Spaltungslinien in der Gesellschaft sind vielfältig und weniger polar als man annehmen würde. Im Zentrum steht der Begriff Solidarität, der sowohl Spaltungen bzw. Ausgrenzungen als auch Einschlüsse und Zusammenhalt in den Blick bekommt, sozusagen als die zwei Seiten derselben Medaille. Dadurch würde sich zeigen, dass Trennlinien zwischen „uns“ und den „anderen“, zwischen drinnen und draußen, nicht immer eindeutig verlaufen und durchaus mit Ambivalenzen und Widersprüchen verbunden sind.

„Umkämpfte Solidaritäten – Spaltungslinien in der Gegenwartsgesellschaft“
( Altreiter / Flecker u.a., erschienen im Promedia-Verlag )

Wie sind denn nun Spaltung und Polarisierung zu überwinden ? Diese Thematik ist Gegenstand auch eines weiteren jüngst erschienenen Werks, in dem gleich 51 prominente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien ihre Argumente zum Besten geben. Gespeist worden ist dieser vom Monatsmagazin „Datum“ herausgegeben Sammelband von einem mehrstündigen „Debatten-Happening“ aus Anlass des 15. Gründungsjubiläums der renommierten Monatszeitung.

Eine bunte Mischung aus Debattenbeiträgen von Barbara Coudenhove-Calergi, Hannes Androsch, Heinz Fischer, Annelise Rohrer bis zu Barbara Blaha und Niko Alm machen das komplexe Werk interessant und attraktiv.

„Wo sind wir hier eigentlich ? – Österreich im Gespräch“
( Apfl / Loudon / Zach, erschienen im Verlag Brandstätter )