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Nicht immer sind sie Wohltäter: Steve Bannon in Haft

Wohltätigkeitssammler -auch bei Konzerten – soll man prüfen, nicht generell verdächtigen. Vorsicht ist am Platz. Diese Erwägung traf ich öfters. Die Fälle Bannon und World Vision zeigen es.

Hans Högl

Stephen Bannon – früher Chefstratege von Donald Trump – ist der Veruntreuung von Spendengeldern angeklagt und verhaftet worden. Bannon wird vorgeworfen, sich aus dem Spendenfonds «We Build the Wall» bedient zu haben, der 25 Millionen Dollar für den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko gesammelt hatte. Bannon soll davon mehrere hunderttausend Dollar für die Bezahlung persönlicher Rechnungen missbraucht haben.

Das ist Steve Bannon: Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker, Medienunternehmer und Propagandist der Tea Party leitete 2016 die Wahlkampagne von Donald Trump. Nach dessen Wahl wurde er zum «Chefstrategen» ernannt. Nach acht Monaten kam es zu Trennung. Seitdem kämpft Bannon mit seiner rechtsnationalen Stiftung «Die Bewegung» gegen das Establishment“, allen voran gegen die EU. Sie ist für ihn der Prototyp eines tyrannischen, bürokratischen und bürgerfernen Machtapparates. Bannon sieht den «jüdisch-christlichen Westen» im Innern durch den Atheismus und von außen durch die Horden des «islamischen Faschismus» bedroht.

Der Bericht in der nzz online 21.8.2020 zeigt, dass die Neue Zürcher zuverlässig berichtet, auch wenn es Ihrer Blattlinie im Ganzen nicht entspricht. Dass sich Medien gegenseitig negativ punzieren, erfuhr ich in München.

Es gilt bei Wohltätern zu prüfen, ob sie sich nicht selbst überaus bedienen. Bei „World Vision“ (Österreich) waren es vornehme Personen, die mit Spendengeldern mit der teuren „Concorde“ in Entwicklungsländer geflogen sind und wegen luxuriösen Lebens angeklagt wurden.

Ist der Mensch nur eine Maschine?

Hans Högl
Sehr geehrte Redakteure der Sendung „Ex Libris“. Heute Sonntag,  8. April 2018  um 16 Uhr.
Sie hatten recht, das neue Buch über La Mettrie zu besprechen. Wer je philosophische Vorlesungen besuchte, kennt die Hauptaussagen von La Mettrie.  Ich will mich kurz fassen, denn eigentlich müsste Folgendes intensiv  diskutiert werden. Die Redakteure haben mit klarem Bewusstsein und Absicht dieses Buch zur Besprechung gewählt,  ausgesucht unter einer Fülle anderer Bücher, die nicht besprochen wurden. Also sie trafen ganz bewusst eine Auswahl, es war kein Mechanismus, im Sinne von La Mettrie, keine „Maschine“ hat sie dazu gedrängt. Also Ihre Wahl war ein bewusster Akt, ein Willensakt, womit sie de facto  die Hauptaussage des Buches von La Mettrie widerlegen. 
 
Der Autor des Buches bzw. der Interviewer bedauerte, dass Vertreter der  katholischen Religion gegen das Buch auftraten und  auch  Philosophen der Aufklärung. So weit so richtig. Aber es fiel in der Sendung der  Nebensatz: Ohne Religionen  gäbe es keine Kriege. Also keine Kriege bei Atheismus!   Dies ist ein Hypothese,  die in letzter Zeit gern so nebenbei gesagt wird.
 
Haben Sie je das Buch von René Girard „Das Heilige und die Gewalt“ gelesen?   Der berühmte Autor weist darauf hin, dass mindestens  seit der Französischen Revolution  die meisten Kriege in einer und von einer säkularen Welt geführt wurden und von Menschen ohne Religion im eigentlichen Sinne.  Religion wurde oft missbraucht, aber die Kriege wurden aus kalkulierten Interessen (also wiederum aus Willensakten) geführt. Seit der Neuzeit ist der Einfluss der westlichen Religionen geringfügig. Oder basiert denn die Welt der Finanzen und der Waffenindustrie  auf  ethischen und religiösen Interessen? Diese Welt ist  säkular im Vollsinn des Wortes und weit ab von jeder Religion, sie ist a-religiös, und Kriegstreiber sind verantwortungslos gegenüber Menschen.     
 
Da trägt keine Religion eine Verantwortung!   Die Kriege der Neuzeit, nicht nur des Faschismus,  haben säkulare W u r z el n,  und das „Schwarzbuch des Kommunismus“ sollten  Intellektuelle  kennen (Piper, Umfang 987 Seiten).  Französische Intellektuelle waren zutiefst betroffen von den unglaublichen Gräueln im Namen einer atheistischen Weltanschauung und zogen darum ihre  Konsequenzen.  Österreich ist nach einem Diktum von Napoleon immer verspätet dran…um eine Armee, um eine Idee..Dies bedeutet dennoch,  dass Vieles in der Gesellschaftskritik zutreffend ist und bleibt. .  
 
Also: Es ist zwar richtig,  überall dort Religionen zu kritisieren, wenn Sie schuldhaft zu Kriegen und Verbrechen beigetragen haben (z.B. bei Kreuzzügen),   aber Ihre Redaktion bzw. der Autor sollten es sich nicht zu einfach machen, für alles heute   Religionen schuldig zu machen (Im Übrigen: wenn irgendwer schuldig ist, dann ist dies ein Akt des Bewusstseins und widerspricht wiederum den Thesen von La Mettrie). Mit solchen Meinungen ist mann/frau manchmal  in guter Gesellschaft, irrt aber  dennoch.  Mit  besten Grüßen und grundsätzlich ein Dank für Ihr wertvolle Sendung  Prof. Dr. Hans Högl 

In Paris – Laizismus und Kirche. Eine Reportage

Hans H ö g l

„Mit Geld lässt sich in Paris alles kaufen“, schrieb Balzac mit scharfem Blick auf seine Mitbürger. Auch die Katholische Kirche ließ sich vom Ancien Régime „fördern“: Es war nett und schön für den Klerus, keine Steuern zu entrichten. Und die Kirche lohnte es dem König mit dem Segen von Gottes Gnaden. Darum rächten sich um 1789 die Revolutionäre an der Église. Der französische Laizismus entstand aus einem Kampf gegen die katholische Kirche als Macht. Und 1882 wurden die laizistischen Schulgesetze eingeführt.

Reiseberichte sind bezahlte Auftragswerke. Unserer nicht, und jene in Qualitätsblättern auch nicht. Eine erfahrene Journalistin sagte mir, wundert`s Dich: „Reisejournalismus gehört zu den korruptesten in der Branche.“ Mein sperriges Thema der Reportage: Laizität und Glaube.

Es ist spät am Vormittag, ich stehe am Platz vor Notre Dame und empfinde es als Geschenk, die geglückte Harmonie und die stimmigen Bauteile an der Stirnseite dieses Domes innerlich zu verkosten und bin der Letzte in der hundert Meter langen wartenden Menschentraube; aber dann geht es zügig voran. Am Haupttor kontrollieren drei bullige Schwarze Handtaschen und tasten den Körper nach Gefährlichem ab. Der Eintritt in den Dom ist frei. Anfangs bin ich verwundert, doch dann dämmert mir: Der französische Staat erhält die Kirchengebäude. Der Klerus lebt heute von Spenden der Gläubigen. Die Kirche ist arm und glaubwürdig. Napoleons nützte den zeitlosen Glanz und die religiöse Aura von Notre Dame und krönte sich hier selbst zum Kaiser.

Von der Metrostation Cité ist es zu Fuß nicht weit zum Centre Pompidou. Leider – Dienstag ist Ruhetag. Ich schlendere durch Nebengassen und erblicke die Außenwände der Kirche St. Martin. Der Staub der Zeit hat die Kirchenmauern geschwärzt. St. Martin wirkt beiseitegelassen, heruntergekommen und baufällig, aber der Innenraum ist echt passabel.

Etwas erstaunt mich – ein ziemlicher Auflauf von Leuten vor einem unscheinbaren Gebäude. Eine Menge Leute. Vor einer Schule, einer katholischen, dem Collège St. Jean Gabriel.  Kinder kommen vereinzelt aus dem Haus, einige mit Zeugnissen in der Hand. Rund jedes sechste französische Kind besucht in Frankreich eine katholische Privatschule, es sind 17 %, die Eltern zahlen Schulgeld, der Andrang ist übergroß.

Frankreich ist seit langem Missionsland. Die Säkularisierung hat breiteste Kreise erfasst. Das öffentliche Schulwesen ist laizistisch. Ohne Schulkreuze, ohne Gebet, ohne Religionsunterricht. Im Musée de l` Homme erstand ich die Broschüre „La République et ses Valeurs expliquées aux Enfants». Da wird Kindern erklärt, was ihre Rechte und Pflichten sind, wie sie gegen Gewalt und Rassismus auflehnen sollen, und es wird ihnen die Laizität der Schulen erklärt.

Da heißt es:   Religionen behaupten Dinge, was Wissenschaft nicht bewiesen hat, z.B. dass Gott existiert oder das Leben nach dem Tode. Die einen haben Glauben, die anderen sind „athée“ – so einfach ist das gestrickt. Auf eineinhalb kleinen Seiten geht`s im Stakkato-Schritt gleich über drei Religionen hinweg, den Islam, das Juden- und Christentum. Da Kinder so unbedarft über Weltreligionen die Schule verlassen, landen manche aus Ignoranz in den Fängen von Sekten, wie mir ein mir ein Franzose nachdenklich mitteilte. Die letzten Seiten der Broschüre handeln von Pressefreiheit. Ihre einzige Grenze: Sie dürfen nicht zu Hass und Mord aufzustacheln, aber Religionen können dem Spott ausgesetzt werden. Wie sich dies einprägte, zeigen Massenaufläufe bei Charlie Hebdo und im Slogan „Je suis Charlie“.

Schauplatzwechsel: Mit Mühe fand ich während der Euro ein brauchbares Quartier im Osten von Paris, bei der Porte Vincennes, genauer in St. Mandé. Die Wirtin des Bistro: „ In Paris kennt niemand unseren Stadtteil“. Der junge Mann in der Papeterie sagt mir: „Hier in St. Mandé ist es ruhig und die Wohnungen sind teuer. Es gibt keine Migranten.“ Ich sehe in einer Seitengasse die katholische Ortskirche. Äußerlich in gutem Zustand und mit hohem Turm. Samstag um 18 Uhr ist Abendmesse. Mir passt gerade der Zeitpunkt, um einen neugierigen Blick in sie zuwerfen. Ich erwartete –medial vorgefasst – in dem doch recht geräumigen Kirchenraum ein kleines Häufchen an Kirchgängern. So stellt man sich Frankreichs Kirche vor. Nichts dergleichen. Es hatten sich doch rund 150 Menschen und nicht wenige junge Paare eingefunden. Das hintere Viertel der Bänke war unbesetzt. Und mit inniger Verve wurden Lieder gesungen. Auch in St. Mandé entdecke ich im Pfarrblatt eine Reihe von katholischen Schulen verzeichnet. Die Jugend wird zur Pilgerfahrt nach Polen eingeladen. Dies als Impressionen von Paris.