Hans H ö g l
Vor 34 Jahren, am 21. Oktober 1992, listet „Die Presse“ Jörg Haiders zwölf Forderungen auf – zum Umgang der Regierung mit Ausländern und Zuwanderern. Diese Forderungen mündeten Ende Jänner 1993 in das Volksbegehren „Österreich zuerst“ – unterstützt von 416.531 Menschen (also damals nur von 7,35 Prozent der Wahlberechtigten).
Diese 12 Forderungen sind – verpackt in Juristendeutsch – fast völlig einseitig und de facto ähnlich der Schwarz – Weiß- und Feindbild-Propaganda der 30iger Jahre: So sind Maßnahmen gegen Sozialmissbrauch der Ausländer zu treffen; ausländische Straftäter sind abzuschieben; die Fremden- und Kriminalpolizei gilt es, aufzustocken; Haider fordert einen Einwanderungsstop für Ausländer; Zugewanderte dürfen nicht wählen: die Staatsbürgerschaft ist erst nach zehnjähriger Wartefrist zu erteilen; Deutschkurse sind vor dem Eintritt in die Pflichtschule anzubieten; in den Schulklassen darf es maximal einen 30-prozentigen Anteil von Schülern geben, die nicht Deutsch als Muttersprache haben.
Dieser Anteil an Wiener Pflichtschulen beträgt 2016 im Schnitt 45 %. Die 12 Positionen spiegeln wider, was 2015/16 angesichts der Kriegsflüchtlinge aus diffuser Angst aufgegriffen wird. Relativ neu ist, dass Straches FPÖ-Forderungen im Namen des Christentums formuliert werden. Aber hat nicht Jesus zu Werken der Barmherzigkeit und Achtung und Hilfe für die Fremden aufgerufen und appelliert, dem verachteten, fremden Mann aus Samaria zu helfen?
Für den Umgang mit den Fremden und Einwanderern und mit anderen Ländern kann jener hervorragend treffliche Satz gelten, den der russische Philosoph Nikolai Berdiajew formulierte:
Liebe das eigene Volk und achte die anderen Völker.
Dieses Wort drückt in der inter-nationalen Dimension das aus, was auch für richtig verstandene Nächsten-„Liebe“ gilt, nämlich eine heikle Balance zu finden zwischen dem Du und dem Selbst, dem Eigeninteresse und dem des Anderen. Dies ist weder Selbstaufgabe noch Selbstzentriertheit.
Auf der Ebene der Staaten bedeutet es Selbstachtung und Respekt vor anderen Völkern und Ethnien. In Skandinavien ist die Hochachtung des eigenen Landes selbstverständlich. Meine schwedischen Verwandten hissten die Landesfahne, als wir aus Österreich auf Besuch kamen. Aber Skandinaviens Geschichte hat nicht jene Belastungen wie wir in Mitteleuropa.
Der dramatische Mangel an Sprachverständnis und an politischer Bildung besteht darin, dass breite Kreise nicht gelernt haben, gedanklich zu differenzieren. In Österreich krallen sich noch zu viele an die Vergangenheit, in Deutschland kennen große Kreise nur die Extreme: entweder unablässige Selbstbeschuldigung oder die Hysterie vor eigenem Untergang.