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Regierungsdruck verstärkt Sorge um Pressefreiheit

Der Tag der „Pressefreiheit“ hat eine bedenkliche Entwicklung in Erinnerung gerufen. Österreich ist bezüglich Pressefreiheit von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ deutlich zurückgestuft worden. Die Verteidigung von Pressefreiheit und journalistischer Qualität erscheint daher wichtiger denn je.

Udo Bachmair

Als positives Beispiel gelten die Ö1-Journale. Deren Qualität hat sich trotz des Drucks der Regierung auf den ORF zum Glück nicht verändert. Ausgewogenheit in der Ö1-Information hat eine bereits lange Tradition. Es kann allgemein weder von überaus regierungsfreundlicher noch von regierungskritischer Berichterstattung gesprochen werden. Bei Auslandsthemen hingegen vermisst man mitunter entsprechende Objektivität. Seien es der Syrien-Konflikt, das Thema Russland/Ukraine oder jüngst die Vorgänge in Venezuela: Es dominieren Wording und Inhalte auf Basis US-naher westlicher Agenturen.

Es stellt sich die immer virulenter werdende Frage: Wie steht es insgesamt um Pressefreiheit und Meinungspluralismus in unserem Land ? Sie erscheinen manchen Medienbeobachtern nicht bedroht. Noch, könnte man sagen. Auch in Ungarn ist die Entwicklung zunächst als nicht wirklich bedrohlich empfunden worden. Doch langsam hat die Regierungskontrolle über Medien Zug um Zug Fahrt aufgenommen. Das haben mir vor kurzem auch ungarische Experten bestätigt. Ähnlich die zu befürchtende Entwicklung in Österreich.

So ist es in einer liberalen Demokratie wohl einzigartig, dass der Aufsichtsratsvorsitzende eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks unabhängige Journalisten wegen „Unbotmäßigkeit“ mit Kündigung bedroht. Da rede ich nicht vornehmlich von den jüngsten Vorkommnissen rund um den vorbildlich investigativen ZiB 2- Anchorman Armin Wolf. Auch nicht von ORF-Auslandskorrespondenten, die seitens der FPÖ-Regierungspartei allen Ernstes mit Hinauswurf bedroht wurden. Ich meine vor allem jene ORF-Journalisten, die dem Druck weniger gewachsen sind und aus Existenzgründen mitunter zur Selbstzensur greifen, wie ich vor allem von jungen ORF-Kolleg*innen erfahre.

Ja, es stimmt, auch frühere Regierungen haben auf ORF-Postenbesetzungen Einfluss genommen, doch seitens einer Regierungspartei den ORF generell zu diskreditieren oder deren Journalisten der Lüge zu bezichtigen, ist eine ganz neue „Qualität“ von „Medienpolitik“. Dabei kann sich die Regierung wahrlich nicht über unfreundliche Berichterstattung etwa in der reichweitesten ORF-Sendung, der ZIB 1, beklagen. Kaum ein Tag vergeht ohne Präsenz von Kurz, Strache oder Kickl. Deren Selbstinszenierung gemäß einer strengen „message control“ hat noch keine andere österreichische Regierung in solch perfekter Vollendung geschafft. Die ZIB 1 muss jedenfalls für die jeweils Herrschenden „stimmen“..

Presse- , Medien- und Meinungsfreiheit werden allein schon durch eine demokratiepolitisch bedenkliche Medienlandschaft in diesem Lande eingeschränkt. Auf der einen Seite ein höchst dominanter Boulevard, auf der anderen Seite eine klägliche Minderheit an seriösen Qualitätsblättern. Von diesen wiederum sind einige wenige konsequent regierungskritisch, unter ihnen der STANDARD oder der FALTER, beide eher linksliberale Blätter. Letzterer hat sich vor allem mit Aufdeckungsjournalismus einen besonderen Namen erworben. Auch wenn der FALTER von rechten Glossisten als „linkslinkes Bolschewistenblattl“ ( Krone- Mann Jeannee ) heruntergemacht wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Pressefreiheit in diesem Land ist noch keineswegs „abgeschafft“ – das behauptet auch niemand ernsthaft – sie ist jedoch ziemlich bedroht. Das hängt unmittelbar auch mit dem Gesamtzustand unserer Demokratie zusammen. Einer eher schwachen Opposition steht eine sich bestens vermarktende Regierung gegenüber, die zu Lasten des Steuerzahlers auch eine gewaltige Informations- bzw. Propagandaabteilung aufgebaut hat. Damit werden Versuche begünstigt, die Medienlandschaft Zug um Zug ( a la Ungarn ?) unter Kontrolle zu bringen. Doch bleiben wir optimistisch. Die Qualität im Speziellen der Ö1-Journale, des Senders Ö 1 insgesamt wird hoffentlich so lang wie möglich unangetastet bleiben.

Der Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Thema einer Podiumsdiskussion am 27.4. ab 17 Uhr und am 1.5. ab 21 Uhr in Radio Klassik Stephansdom ( www.radioklassik.at )

Udo Bachmair

Neue Angriffe von Vertretern der Regierungspartei FPÖ auf unabhängige ORF-Journalisten, wie jüngst wieder auf Armin Wolf, sorgen wieder für Schlagzeilen. Diese auch demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung focusiert erneut auch auf die Wichtigkeit der Existenz eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Bekanntlich bedroht die Koalition den ORF nicht nur mit unermüdlichen Angriffen auf kritischen Journalismus, sondern auch mit dem Entzug nötiger finanzieller Unterstützung. Die Abschaffung der Rundfunkgebühren ist zwar offiziell auf die lange Bank geschoben, doch die Drohkulisse bleibt aufrecht.

Der mit Unterstützung des „Regierungsorgans“ Kronen Zeitung beharrlich geführte Kampf gegen den ORF ist u.a. Gegenstand einer von Golli Marboe geleiteten Diskussion heute in der Sendung „Content“ von Radio Klassik Stephansdom in Kooperation mit Inspiris Film und VsUM ( Verein zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien ).

Es diskutieren Walter Famler, Generalsekretär des Kulturvereins Wien „Alte Schmiede“ und ORF-Publikumsrat für die Liste „Jetzt“ sowie Udo Bachmair, Ex-ORF-Redakteur und Präsident der Vereinigung für Medienkultur.

Einige der aufgeworfenen Fragestellungen :

Wie kann der ORF in einem Land der Boulevard und Gratiszeitungen das Publikum auch weiterhin mit seriösen und authentischen Informationen versorgen?

Was muss der Gesetzgeber beachten, um einer „Orbanisierung“ entgegen zu wirken, damit hierzulande keine Medienmonopolisierung entsteht, wie das in Ungarn der Fall ist ?

Die Radiofassung der Diskussion gestaltet Stefan Hauser.

www.radioklassik.at/content-das-medienmagazin-der-oeffentlich-rechtliche-rundfunk-in-oesterreich/

Nein zum UN-Migrationspakt : Großer Imageschaden für Österreich

Boulevard und Regierung verharmlosen die Folgen 

Udo Bachmair *

Auf die „Krone“ ist Verlass. Auch in der Debatte um den UNO-Migrationspakt. Waren aus dem Boulevard-Blatt noch vor kurzem auch sanft kritische Töne zu vernehmen, so ist das rechtspopulistische Massenblatt nun wieder voll auf Kurz/Strache-Kurs. Eines der Indizien dafür ist eine wieder einmal völlig einseitige Auswahl von Leserbriefen (siehe u.a. die jüngste Sonntagsausgabe der „Krone“)

Hand in Hand mit der Kronenzeitung setzt die rechtspopulistische Bundesregierung offenbar ganz auf mangelnde Hintergrundinformationen der Bevölkerung. So verfängt die einfache „Erzählung“, mit einem Nein zum Migrationspakt habe Österreich seine Souveränität und Eigenständigkeit in der Migrations-und Flüchtlingsfrage gerettet.

Dass der Migrationspakt nicht rechtsverbindlich, sondern ein Regelwerk zur globalen Lösung der Migrations- und Flüchtlingsfrage ist, wird weitgehend verschwiegen. Dass in dieser besonders heiklen und emotional aufgeheizten Causa auch menschenrechtliche Aspekte nicht übersehen werden sollten, läuft dem rechten Zeitgeist zuwider.

Wo bleiben die besorgten Stimmen in der ÖVP, die sich dem christlich-sozialen Grundsätzen verpflichtet fühlen ? Außer von Otmar Karas, ÖVP-Europapolitiker oder den Ex-ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehner und Erhard Busek war da bisher wenig zu hören. Ja, und wo bleibt die Linke ? Die hat sich völlig abgemeldet. Aber das ist ein eigenes abendfüllendes Thema..

Dabei wäre es lohnend, in der Öffentlichkeit unermüdlich die „Erzählung“ zu vermitteln, dass sich Österreich mit einem Boykott des UNO-Migrationspakts und damit der UNO insgesamt weiter isoliert. Die Folgen: Ein enormer Imageschaden für Österreich, dessen außenpolitische Vermittlerfunktion nach den goldenen Kreisky-Zeiten endgültig verloren scheint.

Lautstarke Gegenkräfte zur Orbanisierung Österreichs sind derzeit eher bei den NEOS als bei der SPÖ zu registrieren. Bei den Sozialdemokraten bleibt der große Aufschrei gegen das immer raschere Abgleiten Österreichs ins rechte Schmuddeleck der EU aus. Damit vergibt die neue SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner eine große Chance. Doch die Hoffnung lebt.

Nicht zuletzt die bange Frage: Wozu brauchen wir einen Bundespräsidenten, der ( mit grimmigem Blick ) das Nein zur UNO letztlich abnickt, auch wenn es dem Staatsganzen Schaden zufügt ? Ausgerechnet Van der Bellen ? Haben ihn Grüne, bürgerlich Liberale, Sozialdemokraten, die Zivilgesellschaft etc. dafür gewählt, dass er bloß ein paar harmlose Worte des Protests absondert ?

Was bleibt, sind ein paar Printmedien wie der Falter, Der Standard, die Presse, der Kurier, die Kleine Zeitung, die Oberösterreichicshen Nachrichten, die Salzburger Nachrichten sowie die Ö1-Journale, die seriös negative Konseuenzen für unser Land analysieren, die mit einem Nein zum Migrationspakt verbunden sind.

Doch die Meinungshoheit bei der Masse der Bevölkerung, die ihre „Informationen“ vornehmlich aus dem Boulevard und der regierungsfreundlichen ZIB 1 bezieht, haben längst Kurz, Strache und „Krone“ erobert. Für eine Gegenbewegung ist es noch nicht zu spät.

  • Der Beitrag ist leicht gekürzt auch in der Tageszeitung DER STANDARD erschienen

Großkonzerne: Initiative fordert Ende der Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe

Udo Bachmair

Österreich gilt als Steueroase. Großkonzerne hinterziehen Steuern in Höhe von fast einer Milliarde Euro. So verschieben Google, Apple, Amazon etc. ihre teils gigantischen Profite ganz einfach in Länder, wo sie weniger bis keine Steuern zahlen müssen. Und eines dieser Länder ist Österreich..

Bevölkerung und Medien nehmen davon jedoch kaum Notiz. Empört hingegen zeigen sich der Boulevard und vom rechten Zeitgeist geprägte Menschen über angeblich so hohe Kosten für Flüchtlinge. Diese „kosten“ uns allerdings nur einen Bruchteil dessen, was dem Staat durch „Steuervermeidung“ der Konzerne entgeht.

Doch die Hoffnung lebt. Es könnte bald Schluss sein damit. Das EU-Parlament will Konzerne gesetzlich verpflichten, alle Gewinne und gezahlten Steuern pro Land zu veröffentlichen. So können diese Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, endlich faire Steuern zu zahlen.

Es liegt nun nicht zuletzt an EU-Ratspräsident Sebastian Kurz, ein entsprechendes Gesetz auch wirklich umzusetzen. Ob er als „Konzernkanzler“ (SPÖ-Chef Kern) diesen Wunsch jedoch mit Leidenschaft erfüllen wird, bleibt abzuwarten..

Die Plattform „Aufstehn“ hat eine Initiative ins Leben gerufen, mit der sowohl Kurz als auch sein Finanzminister aufgefordert werden, Steuervermeidung in Milliardenhöhe endlich zu stoppen.  

Hier klicken und Appell an Sebastian Kurz unterzeichnen

 

 

 

 

 

 

 

Journalismus auf den Punkt gebracht

 

Hans Högl. Rezension

Wo der Journalismus steht, das bringt Heinz Pürer auf den Punkt. Er lehrte bis 2012 Publizistik in München und verfasste das Buch „Journalismusforschung“ (Konstanz 2015, TB). Zeitgeschichte prägte drei Journalisten-Generationen: die Berichterstatter nach dem Krieg, den Anwaltstypus ab 1970, die Nachrichtenjäger ab 1990 (S. 46). Im Buch geht es um Berufslage, Medieninhalte, Ethik, Online- u. Boulevard-Journalismus. Und um dessen acht Konzepte – so um objektive Vermittlung, Kritik, Marketing-Journalismus und investigativen.

Das Internet eröffnet neue Zugänge: Es gibt den Laien-, Bürger- und Online-Journalismus. Schon um 2003 wurden 7.800 Online-Journalisten gezählt, davon waren 4.400 festangestellt (S. 111). Auch deutsche Klagen über prekäre Arbeitsbedingungen sind jetzt zu hören. Professioneller Journalismus hat sein Monopol verloren. Mitspieler sind: Parteien, Wirtschaft, Einzelne. Für das Publikum ist es leichter, reziprok den Profis zu antworten. Und versus „Informationsmüll“ fehlt flächendeckende Qualitätssicherung.

Ausführlich erörtert Pürer den Boulevard: Seine Themen, seine Sprache, die Graphik und diskursive Strategien (S. 122). Boulevard geriert sich als Schützer der kleinen, machtlosen Leute und produziert Gefühle wie Jubel, Angst, Empörung über Mächtige. Da fühlt sich der kleine Mann selbst im Besitz der Macht. Über Österreichs „Krone“ schrieb Stefan Weber (1995), über die deutsche „Unterhaltungsrepublik“ Margreth Lünenburg (2012). Dem „Journalismus light“ prophezeite 1999 ein Chefredakteur keine dauerhafte Zukunft (S. 126). Wir hoffen noch.

Differenziert erörtert der Autor, wie Nachrichten ausgewählt werden, und er spart das Thema Medien-Ethik nicht aus. In der Praxis dominiert ja das Medien-Recht. Und zur Medien-Ethik zählt auch die Verantwortung der Medien-Institution selbst.

Das Buch ist klar im Aufbau, dicht und doch gut lesbar und breit fundiert – mit Sach- u. Personenindex, Bibliographie, Links von Medienberufen. 177 Seiten, utb-TB.

Rechtsruck in Österreich: Ist der Boulevard verantwortlich dafür ?

Udo Bachmair

Welchen Anteil am  Rechtsruck in Österreich haben die Medien ? Medienkritiker gehen davon aus, dass vor allem der Boulevard zum Wahlerfolg der rechtspopulistischen Kräfte beigetragen hat. Im Sog des rechten Zeitgeistes, der auch andere EU-Länder erfasst hat, haben Zeitungen wie „Krone“ oder „Österreich“ seit langem bereits den fruchtbaren Boden für Positionen rechts bis weit rechts der Mitte aufbereitet. Beispiele die überdramatisierte Flüchtlingscausa mit Kriminalisierung von Asylwerbern kombiniert mit konsequenter Pflege des Feindbilds Islam. Parallel dazu die Kampagne für den nach rechts gerückten Volkspartei-Jungstar Kurz und FPÖ-Chef Strache und gegen SPÖ-Obmann Kern. All das dürfte ein Klima mit beeinflusst haben, das bei der Nationalratswahl das entsprechende Resultat gebracht hat.

Sind also die Medien schuld am Wahlergebnis, wie etwa auch Kanzler Kern behauptete, der es gewagt hatte, „Österreich“ als Krawallblatt zu kritisieren ? Tragen sie, die Medien, tatsächlich die Verantwortung für den Sieg der nunmehr vom christlich-sozialen Flügel befreiten neuen Volkspartei ? Inwieweit sind sie zudem verantwortlich für den weiteren Aufstieg der FPÖ, die nun in der Lage sein wird, auch radikale Burschenschaftler in wichtige Funktionen sensibler Bereiche des Staates zu hieven ?

Fragen wie diese müssen sich Teile des österreichischen Journalismus gefallen lassen. Am besten wäre es, die Medien würden sie selbst stellen, befindet Univ. Prof. Fritz Hausjell.  Als Anregung dafür stellt der renommierte Wiener Publizistikwissenschafter – er ist u.a. auch Beiratsmitglied der Vereinigung für Medienkultur  – zehn Thesen auf, die in der ZEIT Nr. 44/2017 unter folgendem Titel erschienen sind :

Prinz und Prinzessin

Hat schlechte Presse Kanzler Christian Kern den Wahlsieg gekostet ?

These 1: Entgegen dem äußeren Anschein war der Journalismus in diesem Wahlkampf aufdeckungsschwach. Denn die Enthüllung der Aktivitäten von Kern-Berater Tal Silberstein und seiner Söldnertruppe, welche die letzten Wahlkampfwochen dominierte, erfolgte nicht durch journalistische Methoden, also durch Recherche. Das belastende Material war vielmehr von politischen Akteuren organisiert und dann ausgewählten Medien auf dem Tablett serviert worden. Ein ähnlicher Mechanismus sorgte auch dafür, dass den Medien andere Dokumente zugespielt wurden. Investigativer Journalismus hätte den Umstand, dass hier die jeweils politisch gegnerische Seite massiv ihre Finger im Spiel hatte, thematisieren müssen. Das ist nicht erfolgt. Daher müssen sich die betreffenden Medien den Vorwurf der Instrumentalisierung gefallen lassen.

These 2: Journalismus ist mitunter sträflich ahistorisch. Etliche Medien, selbst solche, die meinen, den Investigativjournalismus gepachtet zu haben, erklärten diesen Wahlkampf nach der politisch angeschobenen Aufdeckung der Silberstein-Aktivitäten zum „schmutzigsten Wahlkampf aller Zeiten“. Das veranlasste ÖVP und FPÖ, sich selbst als die „sauberen“ Wahlkämpfer zu inszenieren. Erst spät und zaghaft begannen dann einzelne Medien an Experten die Fragen zu stellen, ob nicht schon in früheren Wahlkämpfen hinterhältig gearbeitet worden war.

These 3: Sebastian Kurz bekam seit seiner Machtübernahme in der ÖVP eine sehr große mediale Bühne, die journalistisch fast nie infrage gestellt wurde. Die von APA-Defacto ermittelten Daten zeigen Woche für Woche, welche Politiker die Medien dominieren. Vor dem Rücktritt Reinhold Mitterlehners als Vizekanzler und ÖVP-Parteichef lag Kanzler Christian Kern in den Wochenrankings zumeist auf dem ersten Platz. Ab der zweiten Maiwoche führte dann aber mit zwei Ausnahmen immer Sebastian Kurz die Hitliste der Politikernennungen an. Sind also viele Journalisten einer PR-Strategie der „neuen ÖVP“ auf den Leim gegangen, oder waren das politische Marketing der anderen Parteien einfach so viel schlechter?

These 4: Der Wahlerfolg von Sebastian Kurz fußt auch auf einem Siegeszug im Bereich der optischen Inszenierung. Dass die Selbstdarstellung auf Social-Media-Kanälen und Wahlveranstaltungen für alle Parteien leicht ist, versteht sich. Dass aber bei der Verwendung von Fotos in Print- und Onlinemedien sich vor allem die „neue ÖVP“ so stark durchsetzte, wirft ein schlechtes Licht auf zahlreiche Medien. Pressefotografen wurden nun auch etwa beim Sondierungsgespräch von Kern und Kurz ausgesperrt, den Medien anschließend handverlesene Bilder zur Verfügung gestellt.

These 5: Politiker, die sich mit dem Boulevard ins Bett legen, werden von selbsterklärten Qualitätsmedien offenbar nur dann abgestraft, wenn sie rot sind. Bei früheren Wahlen ließ sich folgendes Phänomen beobachten: Wenn die SPÖ von Boulevardmedien freundlich in Wahlkämpfen publizistisch unterstützt wurde, hat ein Teil der sich Qualitätsmedien titulierenden Blätter die SPÖ nahezu reflexartig besonders kritisch begleitet, um das publizistische Boulevard-Übergewicht auszugleichen. In diesem Wahlkampf wurde die SPÖ von zwei Boulevardblättern geradezu durch die Öffentlichkeit geprügelt. Aber die anderen Medien versuchten nun nichts mehr auszutarieren.

These 6: Ein Teil des Boulevardjournalismus berichtete ungeniert offen parteiisch. Österreich zeichnete einerseits das Bild der mimosenhaften „Prinzessin“ Kern. Eine Woche vor der Wahl krönte das Krawallblatt auf der Titelseite Sebastian Kurz zu seinem Prinzregenten. Das waren nur die gröbsten Auswüchse dieser Kampagne.

These 7: Der journalistische Fakten-Check zeigte Wirkung. Die Überprüfung von Tatsachenbehauptungen nach den Wahlkonfrontationen im ORF führte dazu, dass Politiker weniger flunkerten als in früheren Duellen. Nicht gelungen ist indes in fast allen Medien das beharrliche Nachfragen. Das wurde besonders deutlich durch die nie befriedigend beantwortete Frage, wie die extrem hohen Einsparungen, die einige Parteien vorschlugen, konkret gegenfinanziert werden sollen.

These 8: Dieser Wahlkampf sei inhaltsarm gewesen, wurde bemängelt. Aber das lag schon auch an den Medien, die sich häufig daran ergötzten, täglich eine neue Umfrage zu präsentieren, und so Wahlkampfberichterstattung zum horse race journalism reduzierten. Und die es nicht schafften, die ÖVP-Strategie zu durchbrechen, möglichst wenige Inhalte und die nur häppchenweise zu kommunizieren.

These 9: Den Medien gelang es nicht, die von der ÖVP zu Beginn des Wahlkampfes stolz als Erneuerung präsentieren Quereinsteiger inhaltlich auszuleuchten. Die Partei schirmte diese Neuzugänge nach ihrer Präsentation erfolgreich ab und vermarktete sie genau dosiert. Medien, die möglicherweise kritische Fragen gestellt hätten, wurden zudem Interviews mehrfach verweigert. Leider haben Medien dieses einer Demokratie unwürdige Machtspiel nur selten transparent gemacht. Der Erfolg der ÖVP bei der Verfolgung ihrer PR-Strategien ist zugleich der Misserfolg des Journalismus. Es gelang nur fragmentarisch, hinreichend Einblicke in die Denkwelten der neuen ÖVP zu liefern.

These 10: Schließlich war die Inszenierung einer sanften FPÖ medial weitgehend erfolgreich. Nur in Ansätzen thematisierten Medien die Frage, ob hinter der sich seit einiger Zeit moderat gebenden Partei der Radikalismus gerade nur auf Schlummermodus gestellt worden war, um potenzielle Wähler nicht zu verschrecken. Bekam ein Teil der sonst so FPÖ-kritischen Berichterstattung hier eine Beißhemmung, weil die ÖVP und teils auch die SPÖ beim Thema Asyl selbst nach rechts gerückt waren?

Keine These, sondern bittere Erkenntnis: Der Fellner-Sender oe24TV hat sich bei dieser Wahl als Realsatirenprogramm etabliert.

 

Wahlkampf 2017: Rechtspopulisten in Politik und Boulevard geben den Ton an

Machtlos gegen den Rechtspopulismus ?

Udo Bachmair

Auch wenn der Wahlkampf für die Nationalratswahl zurzeit noch hochsommerlich dahinköchelt, wird er recht bald wieder von der „Flüchtlingskrise“ dominiert sein. Neben Straches FPÖ wird „Jungpopulist“ ( Der Spiegel ) Sebastian Kurz alles daransetzen, dieses Reizthema so intensiv wie möglich zu „bespielen“. Natürliche Verbündete sind dem Obmann einer einst christlichsozialen Partei der Boulevard, allen voran das Krawallblatt „Österreich“ und die rechtspopulistische Kronenzeitung. Sie lassen in Glossen, in ausgewalzten Kriminalstories, in denen überwiegend Ausländer verdächtigt werden, sowie in einseitig ausgewählten Leserbriefen nichts unversucht, einen Notstand als Folge der „Flüchtlingsströme“ herbeizuschreiben. Das Feindbild Asylwerber und Ausländer insgesamt wird in Schwarz-Weiß-Manier unermüdlich bekräftigt. Kein Wunder, dass auch Menschen, die noch nie in ihrem Leben konkrete Erfahrungen mit Migranten gemacht haben, mit Hass, Vorurteilen und Gewaltfantasien infiziert werden.

„Die hätte man alle über den Haufen schießen müssen“ – so äußerte sich jüngst etwa ein offenkundiger Rassist in einem Lokal in Bad Radkersburg, als es um die Frage ging, was man tun hätte sollen, als im Herbst 2015 zahlreiche Flüchtlinge – unter ihnen auch viele Frauen mit Kleinkindern – über die Murbrücke von Slowenien nach Österreich gekommen waren. Tags darauf bin ich in Eisenerz auf der Straße Ohrenzeuge aggressiver Wutausbrüche geworden: „Politiker, die zulassen, dass Asylwerber hier angesiedelt werden, gehören an die Wand gestellt…“ Äußerungen dieser Art lassen für die Zukunft Schlimmes erahnen, umso mehr dann, wenn Humanität, Empathie und Solidarit weiter an Wert verlieren. Angesichts dieser Entwicklung erscheint es umso verantwortungsloser, wenn Rechtspopulisten in Politik und Boulevardmedien die Lage weiter anheizen.

Aber wie dem grassierenden Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus und Rassismus begegnen ? Entsprechende Handreichungen bietet ein neues Buch des Soziologen und Populismus-Forschers Prof. Walter Ötsch. Titel: „Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung“, erschienen vor kurzem im Westend-Verlag. Zentrale These des Buches, das Ötsch gemeinsam mit der Falter-Journalistin Nina Horaczek verfasst hat: „Der Rechtspopulismus besitzt einen einfachen Kern: Hier sind WIR und dort sind die ANDEREN“. Es gibt nur Gute, wir das „Volk“ sowie Böse, das sind Ausländer, vor allem Moslems. Im Umgang mit rechten Demagogen rät Ötsch: „Nicht provozieren lassen. Eigene Inhalte in den Vordergrund stellen. Sachlichkeit mit Emotion verbinden. Positivbilder gegen Negativbilder stellen. Und nicht zuletzt: den Humor nicht vergessen.“ Letzteres fällt einem angesichts der wachsenden Aggressionen jedoch immer schwerer..

Freiheit ohne Verantwortung ? Verantwortung ohne Freiheit ?

Udo Bachmair

„Freiheit und Verantwortung“ – das ist die Losung des Reformationsjubiläums 2017. 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers. Ein Motto, dem sich Evangelische hierzulande besonders verpflichtet fühlen. Dabei wird Verantwortung nicht als Gegensatz zur Freiheit gesehen. Im Gegenteil: Nur ein freier Mensch kann Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Und umgekehrt wäre Freiheit, ohne mit Verantwortung gepaart zu sein, ethisch kaum vertretbar.

Freiheit und Verantwortung erscheinen auch unabdingbar für guten Journalismus. Dieser wird neben handwerklicher und inhaltlicher Qualität zusätzlich dann optimiert, wenn er auch medienethischen Kriterien genügt. Werden Medien und Journalistinnen und Journalisten ihrer großen Verantwortung genügend bewusst ? Eine der Fragen, die sich auch Marco Uschmann stellt, Chefredakteur der evangelischen Zeitschrift SAAT. Hier sein Beitrag:

Freiheit und Verantwortung – die 4. Macht im Staat

Marco Uschmann

Es geschah im Leitmedium Österreichs – dem ORF. In der ZIB 2, eine der meistgesehenen Nachrichtensendungen im Land, wird der scheidende Landeshauptmann Erwin Pröll am 27. März von Armin Wolf gefragt, ob er einen absolutistischen Arbeitsstil gepflegt hat. Pröll antwortet: „Mittlerweile sind wir Gott sei Dank in der Republik so weit, dass man nicht mehr alles und jedes glaubt, was in den Schreibstuben und Redaktionsstuben in Wien alles ausgekocht wird.“ Mit anderen Worten: Journalisten in Wien denken sich Geschichten aus. Pröll bezog sich auf die Berichte der Zeitung „Falter“ über Förderungen für eine Privatstiftung. Inzwischen klagen einander ÖVP und Falter über die Produktion und vermeintliche Verbreitung von „Fake News“ – also Falschmeldungen.

Es gibt weit dramatischere Beispiele dafür, wie sich die 4. Macht im Staat, also die Presse, ihrer Verantwortung bewusst geworden ist und sich nicht einschüchtern ließ: Herausragender Fall ist wohl die Watergate-Affäre. Sie ist geradezu ein Fanal und steht für den Triumph der Pressefreiheit, weil Journalisten Amtsmissbräuche Präsident Richard Nixons gegen seine politischen Gegner enthüllten. Freiheit ohne Verantwortung ? Verantwortung ohne Freiheit ? weiterlesen

Boulevard und Terror

Medien, die Terroristen in die Hände spielen

Udo Bachmair

Nach dem jüngsten Terroranschlag in London sind sie wieder allgegenwärtig: Die Bilder des Terrors. Sie fallen umso drastischer dann aus, wenn sie vom geschäftstüchtigen Boulevard verbreitet werden. Ohne Verantwortungsgefühl, ohne jegliche journalistische Ethik und Pietät. Seriösen Journalisten bleibt es vorbehalten, besonders auch auf die angstmachende Wirkung von Bildern und sensationsgeiler Berichterstattung aufmerksam zu machen. Zur diesbezüglichen Rolle der Medien KURIER-Redakteur Andreas Schwarz :

„Sie müssen berichten, immer häufiger, und besorgen unfreiwillig mit jedem Bild vom Ort des Geschehens das Geschäft der Terroristen – die Verbreitung von Angst. Billig-Blätter wie „Österreich“ veröffentlichen auch noch Fotos von Leichen der Opfer – das Geschäft mit dem Gruseln ist auch eines, nicht wahr? Die Ideologen hinter den radikalisierten Idioten und Mördern sagen: „Danke“.

Keine Berichterstattung geht nicht, leider. Eine verantwortungsvolle und zurückhaltende wäre aber auch eine Waffe gegen den Terror“

( Zitat aus KURIER 24.3.2017 )

Populisten als Extremisten

Neues Buch mit Rezepten gegen rechten Extremismus

Udo Bachmair

Wie ist der Vormarsch von Nationalisten und Extremisten in der EU zu stoppen ? Wie kann man ihnen Paroli bieten ? Antworten darauf versucht Heribert Prantl, renommierter Journalist der Süddeutschen Zeitung, in seinem jüngsten Buch mit dem Titel „Gebrauchsanleitung für Populisten“. Prantl diagnostiziert eine „diffuse Existenzangst“ vieler Menschen, die für Populisten einen fruchtbaren Boden aufbereitet. In einem heute im KURIER erscheinene Gespräch distanziert sich Prantl aber von dem verharmlosenden Begriff „Populisten“. Diese seien „in Wahrheit Extremisten“:

Das Wort „Populismus“ ist eine unzulässig verallgemeinernde Bezeichnung für eine gefährliche Sache – für eine extreme Politik, die auf Grund- und Menschenrechte, die auf die Achtung von Minderheiten pfeift. Le Pen und Co. sind Extremisten und Nationalisten. Sie schüren Hass, sie tun so, als seien nur ihre Anhänger das wahre Volk. Das ist höchst gefährlich.

Die „Populisten“ behaupten, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen, spalten jedoch die Gesellschaft, befindet Prantl:

Sie beginnen ihr Erniedrigungswerk mit der Verhöhnung aller bisherigen Politik, nennen es verächtlich „das System“. Dieses System aber ist unsere Demokratie, unser Rechtsstaat. Natürlich hat und macht dieser Fehler – aber der Nationalismus ist ein einziger großer Fehler

( Zitat aus KURIER, 24.3.2017 )