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Szenario für den Frieden

Politik und Medien lassen Ideen und Konzepte, wie man den unheilvollen Ukrainekrieg beenden könnte, schmerzlich vermissen. Im Folgenden der Versuch eines Szenarios, das aus der Sicht unseres Gastautors zum erwünschten Ziel führen könnte.

Wolfgang Koppler*

Eine interessante Meldung vor kurzem in der Kleinen Zeitung : Unter dem Titel „Selenskyj spricht über eine Krimlösung“ deutet der ukrainische Präsident an, unter Umständen auf die Krim verzichten zu können: „Wenn wir an den Verwaltungsgrenzen sind, denke ich, kann man politisch die Demilitarisierung Russlands auf dem Gebiet der Halbinsel erwägen“.

Er vergibt sich damit nichts. Denn unter „Demilitarisierung der Krim“ könnte man sogar die Forderung nach einem Verzicht auf den Flottenstützpunkt Sewastopol verstehen, wozu Russland niemals bereits wäre. Aber „die Demilitarisierung Russlands auf dem Gebiet der Halbinsel“ bedeutet wohl, dass die staatliche Souveränität hinsichtlich der Krim Gegenstand von Verhandlungen sein könnte.

Dies nach den Worten Selenskyjs allerdings erst, wenn die ukrainischen Truppen an den „Verwaltungsgrenzen“, als an der Grenze zur Krim angelangt sind. Eine blutige Angelegenheit, bei der wahrscheinlich noch einmal mehr als 100.000 Soldaten sterben oder für ihr Leben gezeichnet werden. Und zahlreiche Zivilisten – Männer, Frauen und Kinder. Von den ungeheuren Zerstörungen und weltweiten Kollateralschäden einmal abgesehen.

Warum fasst man nicht endlich das ins Auge, was auf der Hand liegt ? Nämlich die im Mai 2022 bereits ziemlich weit verhandelte Neutralität der Ukraine mit Sicherheitsgarantien (wobei hier Briten und Amerikaner endlich dazu bereit sein müssten), Verzicht auf die Krim sowie eine Autonomie von Donbass und Luhansk bei gleichzeitiger Demilitarisierung dieser Gebiete. Damit könnte jede Seite ihr Gesicht waren. Kein Verzicht auf Staatsgebiet mit Ausnahme der Krim. Eine Sicherheitsgarantie allenfalls der USA, Großbritanniens und der Türkei, die wesentlich weniger Spannungen verursachen würde als ein NATO-Beitritt der Ukraine, aber wohl ähnlich oder sogar mehr Sicherheit bieten würde, zumal der militärische Status der Ukraine für Russland wesentlich mehr Bedeutung hätte als Gebietsgewinne. Wie schon aus den Forderungen Russlands vor Beginn des Krieges zu ersehen ist.

Und die Demilitarisierung von Donbass und Luhansk (sowie eventuell von Cherson und Saporischschja) würde eine Pufferzone schaffen, die in beiderseitigem Interesse läge. Die russischen Truppen könnten sich ebenso aus den umkämpften Gebieten zurückziehen wie die ukrainischen. Zusammen mit einem echten Friedensvertrag statt eingefrorener Waffenstillstandslinien.

Aber der in Wirklichkeit ziemlich sinnlose NATO-Beitritt der Ukraine ist wohl wichtiger. Und Gerechtigkeit und Durchsetzung von Interessen um jeden Preis. Aber wäre es nicht sinnvoller, Menschenleben zu retten und weitere Kollateralschäden zu verhindern ? In der Ukraine und vielen anderen Ländern, die mit dem Krieg nichts zu tun haben ?

Doch auch im Westen gilt nach wie vor: Wo wir sind, herrscht Chaos. Aber wir können nicht überall sein. Immerhin: In Libyen, in Afghanistan, im Irak haben wir schon allerhand erreicht. Also warum nicht auf diesem Weg weitermachen, wenn der von uns ebenfalls zu verantwortende ökologische Kollaps zu lange auf sich warten lässt ?

Dazu eine Schlagzeile aus dem Live-Ticker der heutigen Frankfurter Rundschau: Kiew erhält offenbar Zustimmung, die Krim zu vernichten. Besser lässt sich die auch von den Medien aufgeheizte Kriegsstimmung nicht mehr charakterisieren. Man möge sich vielleicht dazu noch das äußerst devot geführte Interview mit Podoljak in der Zib2 vom letzten Donnerstag in Erinnerung rufen.

https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg-news-russland-moskau-kiew-gegenoffensive-kaempfe-ticker-zr-92484991.html

* Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Werben für gewaltlose Politik

Wer hätte das vor wenigen Wochen noch gedacht, dass Gewalt und Krieg in Europa wieder die Oberhand gewinnen würden.

Udo Bachmair

Es ist wahrlich unfassbar, nach einer langen Friedensphase nun zurückgeworfen zu sein auf kriegerische Konfliktlösung offenbar jenseits jeglichen zivilisatorischen Fortschritts, den man bis vor kurzem noch als existent und erreicht betrachtet hatte.

Der Aggressor im Ukraine-Krieg ist klar zu benennen. Es ist Russlands Präsident Wladimir Putin. Doch seine völkerrechtswidrige Invasion der Ukraine ist nicht zu verstehen ohne eine bereits jahrelang zuvor vom Westen und der NATO massiv betriebene Feindbildpflege. Russland ist von westlicher Propaganda in Politik und Medien beharrlich zum Feindbild Nummer 1 aufgebaut worden.

Die provokative NATO-Erweiterung bis an die Grenzen Russlands hat auch nicht gerade zur Besänftigung russischer Ängste beigetragen. Ganz im Gegenteil: Angesichts des aggressiven Charakters der NATO, wie die letzten 3 Jahrzehnte zeigen – Beispiele Irak über Jugoslawien bis Libyen – erscheint russische Besorgnis nicht unverständlich.

Machen wir uns nichts vor: Auf beiden Seiten eines Krieges wird Propaganda als Mittel der Kriegsführung eingesetzt. Unabhängig davon, ob Propaganda aus einem westlich demokratischen Bereich oder einem autoritär geführten Staat wie Russland kommt. Warum etwa US-Propaganda „wahrer“ sein sollte, Beispiel die Fakes zur Begründung des Angriffskrieges auf den Irak, entzieht sich jeder vernünftigen Beurteilung,

Was nun Gebot der Stunde ist, ist weitere Eskalation des Ukraine-Krieges, weitere Tote, weiteres Leid zu verhindern. Das kann nicht durch weitere Aufrüstung der Ukraine und den Einsatz tausender Söldner aus dem Ausland erreicht werden, sondern durch diplomatische Beweglichkeit. Diese aber lassen beide Kriegsparteien vermissen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wichtig und sinnvoll in Zeiten wie diesen sind besonnene Stimmen aus Politik und Medien mit unermüdlichem Werben für eine gewaltlose Politik. Eine dieser Stimmen ist die von Sepp Wall-Strasser, Theologe und Wirtschaftswissenschafter. Der SPÖ-Bürgermeister der oberösterreichischen Stadt Gallneukirchen hat eine entsprechende Botschaft via Facebook verbreitet:

„Viele fordern jetzt, Putin zu töten ( „Kopfgelder“ ; Timoschenko „er ist das absolute Böse, wir sind das Licht“ => das Böse muss ausgerottet werden; Forderung eines regime-change,…). Sollte dies passieren, müssen wir damit rechnen, dass dieses Riesenreich in unkontrollierbare Auseinandersetzungen, und, von nationalistischen, rechtsextrem und/oder religiös-fundamentalistisch motivierten Bewegungen und Parteien angetriebenen Kämpfen im kriegerischen Chaos endet. Ein Libyen oder Syrien von Moskau bis Wladivostok… Hirn-und strategieloser können solche Forderungen nicht sein. Es müssen JETZT Schritte für nichtkriegerische Lösungen gefunden werden.

Die Fortsetzung der Dämonisierung und Heroisierung verschlimmert die Lage von Tag zu Tag. Und was gewinnt die Welt dabei? Auch nach Millionen Toten muss irgendjemand zu verhandeln beginnen. Nur weiss niemand, wer bis dahin überlebt hat, und – falls es „Freiheit“ gibt- für wen? Bereits seit Jahren denkt Politik – sowohl „westliche“ wie „östliche“ lmmer mehr in militärischen Kategorien. Dies fällt uns jetzt auf den Kopf. Verhandeln, friedliche Koexistenz, empathische Politik, Zugestehen von historisch bedingten Ängsten und Interessen werden als Schwäche ausgelegt. So kommt es zu „Kränkungen“ und Demütigungen (die nach Haller regelmäßig ihren Ausweg in der Rache suchen). „Recht haben/kriegen“ klafft da auseinander/ kann zum Gegensatz werden zu einer Politik der klugen Lösungen.

Wie sehr sich die Stimmung seit der Nachkriegszeit geändert und die Politik verrannt hat zeigt das Beispiel Deutschland. Während man nach zwei Weltkriegen besorgt war, dass Deutschlands Politik in aller Zukunft auf Demilitarisierung ausgerichtet sei, musste es sich in den letzten Monaten in die Ecke treiben lassen, wieso es KEINE Waffen liefere. Und dann gab es standing Ovations für das größte Aufrüstungsprogramm ever… Dieser Krieg heute ist das Erbe von 30 Jahre unvernünftiger Politik. Wir können es kaum noch ändern. Aber die fatalen Entscheidungen dieser Tage legen die Grundsteine für die Katastrophen von morgen.

Wir sind immer großteils die Erben der Politiken der vergangenen Jahre. Daher müssen wir uns lösen von deren Fesseln und auf eine Politik der nichtkriegerischen und gewaltfreien Politik zurückkommen, wie sie in Ansätzen nach dem Trauma des 2. Weltkrieges doch größere Teile der Politik beherrscht hat. Heutiger Mainstream lässt Politiker wie Roosevelt, Palme, Brandt und Kreisky gar nicht mehr zu. Gesiegt haben die, die ihrem Land die Position „Number ONE“ versprechen, das „Kämpfen bis zum letzten Mann“, die Rettung der heiligen Heimaterde… Vielleicht kann uns eine neue Form der Friedensbewegung, die wir jetzt beginnen müssen, noch retten. Aber es wäre das erste Mal, dass so eine sich durchsetzt VOR der großen Katastrophe. Vielleicht rettet uns diesmal schlicht und einfach die banale Tatsache, dass Biden und den USA der Krieg mit Russland nicht reinpasst, weil sie sich auf die Konfrontation mit China eingestellt haben.“