Schlagwort-Archive: Demokratie à la Schweiz

Die österreichische Seele und ein Mehr an Demokratie

Hans Högl:
Überlegungen zum Kommentar von Tassilo Wallentin am 22.9. in der „Krone“

Der scharfzüngige Dr. Tassilo Wallentin macht es sich recht leicht: er instruiert uns, die direkte Demokratie à la Schweiz anzunehmen. Als wären wir Österreicher so politikbeflissen. „Österreich braucht die direkte Demokratie nach Schweizer Modell!“ verkündet Dr. Wallentin ultimativ am vergangenen Sonntag.Viele von uns wünschen das, noch mehr t u n so als ob.

Doch ja, mit Parteien sind wir nicht zufrieden. Aber sie sind nicht die ganze Demokratie. Nun – was ist zu tun, wenn wir uns in Schweizer Demokraten verwandeln? Wer es will, muss öfters wählen- vier mal im Jahr. So ist es in der Schweiz. Mehr als vier Wahltermine haben die Leute auch nicht gern, sagt mein Schweizer Bekannter. Aber nicht alle Schweizer sehen Ihren Demokratie-Schatz: Bei der Volksabstimmung am 11.2. 2019 hat nur jeder Dritte gewählt (genau: 37 %). Das ist nicht schön, auch nicht für die Schweizer Demokratie.

Nur in ein paar Landgemeinden wird noch mit Handheben abgestimmt. Vor einer Abstimmung bekommt der Schweizer Bürger 3 Wahlzetteln für 3 Bereiche: für seine Gemeinde, für den Kanton und für die gesamte Schweiz. Seine Wahl trifft er oft postalisch. Am Tag der Wahl werden die Briefkuverts geöffnet oder man geht direkt zur Wahlurne.

Und dass jeder Wiener, jede Wienerin vier mal im Jahr wählen gehen soll! Na` geh! Da sind die Gesetze umzubauen, und es braucht eine österreichischen Seele ohne monarchistische „Gene“. Das geht nicht so schnell mit uns. Das braucht Jahrzehnte! Nur net` hudeln! Übersehen wird: Eine Schweizer Volksabstimmung kann sich über zwei bis vier Jahre hinziehen. Vorher wird viel und ernsthaft und langsam alles erörtert und nicht nur Schmäh geführt.

Dr. Wallentin kritisiert die Parteien. Und er hat recht. Aber wie ist es denn in der Schweiz? Es gibt dort noch mehr Parteien, sogar Grünliberale. Wir können weder in der Familie noch am Stammtisch die diversen Meinungen abschaffen und auch nicht die Interessensgruppen. Das sollen ja die Parteien sein. Leider lieben sie sich selber manchmal zu viel.

Doch jedem Kind ist klar, dass die Parteien nicht selbst bestimmen dürften, ob und wieviel an Förderung sie vom Staat bekommen. Das müsste ein Weisenrat entscheiden oder oder zumindest der Rechnungshof genau kontrollieren Ja, das Wort Partei ist in Verruf gekommen, aber so schlecht geht es uns in Österreich meistens auch nicht! Oder? Oder wollen wir eine Einheitspartei, Dr. Wallentin?

Mir gefällt der Bürgerrat in Vorarlberg. Da werden ganz bunt Menschen aus dem Ländle nach Zufall ausgewählt, die sich dann anderthalb Tage mit Landesthemen befassen. Und das Resumé wird dem Land vorgelegt, und es prüft das und antwortet dem Bürgerrat. Auch in Deutschland wird ein Bürgerrat erprobt.

Wer direkte Demokratie will , muss viel Zeit investieren

Diktatur-Gerede in der „Kronen-Zeitung“

Leben wir denn in einer Diktatur? So äußern sich fallweise Leserbriefe im Boulevard. Was Diktatur ist, wird an einem Exempel des Nazismus dargestellt.

Hans Högl

Der folgende Bericht eines Zeitzeugen demonstriert, was Diktatur in der Zeit des Nationalsozialismus bedeutet hat. Kleinste Vergehen zogen massive Strafen nach sich. Davon kann in heutigen Demokratien keine Rede sein.

Mein 85-jähriger Bruder war Schulfreund von Anton („Toni“) Göschlbauer aus Asperhofen. Toni war bei Brand-Laaben im westlichen Wienerwald verheiratet. Er ist schon lange verstorben. Mein Bruder erfuhr erst bei Tonis 70. Geburtstag Folgendes aus der Zeit des Nationalsozialismus. Es ereignete sich in Asperhofen bei Neulengbach, Nieder-Österreich, etwa 40 km westlich von Wien. Jeder Bub musste bei der Hitlerjugend (HJ) teilnehmen. Toni fehlte einige Male. Da wurde er zur Rede gestellt, musste als Bub offiziell auf dem Gemeindeamt in Asperhofen erscheinen und einen Lebenslauf von Adolf Hitler schreiben. Dann ermahnte ihn der Ortsgendarm mit Namen R., künftig zu 100 % bei den Treffen der HJ teilzunehmen. Wenn er noch einmal fehlt, wird sein Vater zum Militär in den Krieg eingezogen. Der Gendarm R. hat nach 1945 den Ort verlassen…

Dies ist ein glaubwürdiges Zeugnis aus der Zeit des Nazismus. Ich fasse es nicht, dass ich dann und wann im Massenblatt bei der Leserbriefseite der “ Krone“ den Satz las: „Wir sind ja in einer Diktatur. Die EU ist eine Diktatur!“ Wie ist es möglich ist, dass Menschen heute Derartiges schreiben! Reichen Ihre Kenntnisse nur soweit, dass das Wort Demokratie Volksherrschaft heißt? Haben denn nur Schweizer Demokratie? Gibt es nicht auch legitimerweise repräsentative und präsidiale Demokratie? In den genannten Demokratiemodellen herrscht im Prinzip Rechtsstaatlichkeit. Bei den angeführten Leserbriefschreibern und nicht nur bei ihnen fehlt es fundamental an politischer Bildung.Und vielleicht ist es doch gut, dass in der vielgelesenen Leserbrief-Rubrik der „Krone“ mit dem Titel „Das freie Wort“ solche Äußerungen getroffen werden dürfen. So ist ersichtlich, wie Menschen wirklich denken.