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Hilfe für bedrohte Journalist*innen

Die Polarisierung in der Gesellschaft nimmt nicht zuletzt angesichts der Corona-Causa zu. Vor diesem Hintergrund kommen auch Journalist*innen zunehmend in Bedrängnis.

Udo Bachmair

Angriffe gegen Journalist*innen im Netz, vereinzelt auch Attacken auf der Straße, am Rande von Demos, zeigen ein bedrohliches Szenario für die gesamte Medienbranche. Hinzu kommen Versuche, Journalist*innen schwerwiegende juristische Folgen anzudrohen. Demokratiepolitisch besonders bedenklich, denn kritische Berichterstattung wird dadurch nicht gerade begünstigt.

Der engagierte Presseclub Concordia, Kooperationspartner unserer Vereinigung für Medienkultur, sagt dieser Entwicklung vehement den Kampf an. Er hat den „Rechtsdienst Journalismus“ ins Leben gerufen. Diese einzigartige Initiative will gezielt zur rechtlichen Unterstützung von Journalist*innen beitragen, nicht zuletzt zu einer „Stärkung der freien Berichterstattung“

Wie soll dies nun konkret erreicht werden ? Der erste Schritt, so der Presseclub, liege in der „Selbstermächtigung von Journalist*innen durch Schärfung ihrer rechtlichen Kompetenzen“. Unterstützt von regelmäßig stattfindenden Schulungen im Medien- und Urheberrecht, um „Angriffsflächen von vornherein auszuschließen und unzulässige Einschüchterungsversuche zu identifizieren“

Auf einer zweiten Stufe bietet der „Rechtsdienst Journalismus“ individuelle Rechtsauskunft, insbesondere bei Bedrohung durch Einschüchterungsklagen sowie eine Beratung über Möglichkeiten, sich gegen psychische und physische Angriffe juristisch zu wehren. In ausgewählten Fällen missbräuchlicher Klagen wird gegebenenfalls auch finanzielle Hilfe geleistet.

Projektleitung und Kontakt:

w.strobl@concordia.at

Wenn sich Politiker ihre Zeitungen halten…

Politiker tendieren dazu, ihre Botschaften über den Boulevard ans Wahlvolk zu bringen. Einerseits verständlich, zumal Massenblätter hohe Reichweiten aufweisen. Andererseits jedoch demokratiepolitisch bedenklich, wenn seriöse differenzierende Medien dabei das Nachsehen haben. Problematisch besonders bei Regierungspolitikern, wenn sie sich ausschließlich Medien „halten“, die ihnen gewogen sind.

Udo Bachmair

Besonders professionell erweist sich Kanzler Sebastian Kurz, der immer wieder als „begnadeter Selbstinszenierer“ bezeichnet wird. Der österreichische Regierungschef hat sich gezielt zwei Massenzeitungen für seine Botschaften ausgesucht: Die Kronenzeitung sowie die ebenfalls Kurz-nahe Gazette „Österreich“. Der ORF und andere Qualitätsmedien müssen dann regelmäßig auf die vorgegebenen Themen „aufspringen“.

Kurioserweise hat die Problematik nun eine andere Boulevardzeitung aufgegriffen, nämlich „Heute“. Dieses Blatt sieht sich von Kurz zu kurz genommen. Chefredakteur Christian Nusser hat dazu für die Rubrik „Kopfnüsse“ folgende (leicht gekürzte) Analyse veröffentlicht, die ein Schlaglicht wirft auf das Verhältnis von Politik und (Boulevard-)Medien:

Der Kanzler wollte bis Ende August eigentlich schweigen. Gestern unterbrach der Kanzler das selbstauferlegte Schweigegelübde und lud Medien zu sich, um sich vor ihnen zu erleichtern. Er appellierte, „vorsichtig“ zu sein, warnte vor einem zweiten Lockdown, sagte, das Virus käme nunmehr „mit dem Auto nach Österreich“. Das ist ein sehr plakatives Bild, nicht ganz stimmig, denn das Virus nutzt natürlich auch andere Verkehrsmittel, Flugzeuge zum Beispiel, Ischgl besitzt darin Expertise. Der Kanzler bat für seine Verkündigung nicht alle Medien zu sich, nur ein paar Auserwählte wurden für würdig erachtet. Die Auserwählten versammelten sich im Kreiskyzimmer des Kanzleramtes vor dem blutleeren Nitsch, stellten sich mit ihren Kameras und Fotoapparaten auf oder hockten sich hin und warteten.

Der Kanzler trat aus der Tür des Hinterzimmers in den dunkel-holzgetäfelten Raum, sagte „Grüß Gott“ und noch einmal „Grüß Gott“, falls der Herrgott für einen Moment abgelenkt oder müde war, am Tag davor war schließlich Mariä Aufnahme in den Himmel und das war sicher viel Arbeit für ihn. Kurz nickte mit dem Kopf, damit die Cutter später wissen, wann sie den Vortrag schneiden müssen. Der Termin kam überraschend, für einige kam er gar nicht. „Heute“ gehörte nicht zu den Auserwählten, wurde also nicht darüber informiert, dass der Kanzler spricht, wir erfuhren erst fünf Minuten vor dem Stattfinden von dem Stattfinden, es war eine Kränkung.

In letzter Zeit passiert uns das häufiger, wir werden gern vergessen, ich weiß jetzt ein bisschen wie es dem „Falter“ geht. Ich ringe mit mir, ob es nicht auch eine Form der Auserwähltheit ist, nicht an den Thron gebeten zu werden, vielleicht muss ich das eine zeitlang beobachten und dann beurteilen, ob ich das mag oder nicht. Eine erste Analyse ergibt allerdings, dass ich es ganz und gar nicht leiden kann, wenn nach Gutdünken entschieden wird, wer zu Presseterminen zugelassen wird, in anderen Ländern spricht man da von Zensur, bei uns gern von Schlamperei. Vielleicht wird bei uns einmal aus lauter Schlamperei die Zensur eingeführt. „Hoppla“, werden sie dann sagen.

Die Informationspolitik der Regierung scheint grundsätzlich etwas in Richtung Originalität zu metamorphosen. Als wir gestern Vormittag im Bildungsministerium anriefen, wie es denn um die Herbstpläne für die Schule stünde, bekamen wir eine verblüffende Antwort. Heinz Faßmann werde sich Montag in einer Pressekonferenz dazu erklären. Allerdings werde er schon Sonntagabend in die ZiB2 gehen, um zu erklären, was er am Montag erklären will. Weil am Montag nämlich „Sommergespräche“ stattfinden, sind alle Stühle der ZiB2 besetzt, folglich keiner für den Minister frei. Deshalb verlegte Faßmann seinen Auftritt einen Tag nach vorne. Nur falls jemand glaubt, Verlautbarungen dieser Art und Güte würden sich nach dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung richten.

Das Anerbieten, doch den Medien eventuell vorab zu verraten, was der Minister in der ZiB2 und dann am Tag darauf dem journalistischen Fußvolk sagen will, wurde abschlägig beschieden. Man müsse sich bis zur Aufzeichnung des ZiB2-Interviews gedulden. Wir werden uns in der Redaktion in Hinkunft also mehr Fernseher anschaffen und die Ministersekretäre können uns dann zurufen, welche Sendungen wir uns anschauen sollen, damit wir in die Zeitungen schreiben können, was die Ministerriege den Bewegtbildkollegen verraten hat. Das ist noch nicht ganz Weißrussland und auch nicht Ungarn, aber die Richtung stimmt. Gab es den Satz schon oder ist der jetzt von mir?