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„Homo Deus“ und gefährdete Humanität. Isralischer Autor Y. Harari in Wien

Hans Högl- Buchrezension.1.Teil

Kürzlich traf der israelische Autor Yuval Harari bei seiner Europatour in Wien ausgewählte Kreise und wir erfuhren in Medien wiederum Beiläufiges, doch keine Hintergründe wie hier: denn ich studierte sein weltweit verbreitetes Buch „Homo Deus“ auf Englisch und Deutsch mit 576 Seiten! Harari spricht von Datareligion, bietet höchst Interessantes, stellt aber auch Grundlegendes in Frage, so die Willensfreiheit, den Humanismus, die Demokratie. Hier der 1. Teil meiner Lektüre und Rezension.

Harari, Yuval Noah: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen, München 2017. Englisch: Homo Deus. A Brief History of Tomorrow, 2016.

Wissenschafter der Neurophysiologie haben begonnen, die Schuldhaftigkeit des Menschen in seinen Handlungen ernsthaft in Frage zu stellen. Hierbei wird verneint, dass der Geist selbständig handelt, und er wird nur als rein körperlich verstanden. Sicherlich: Wir können heute durch Medikamente Erkrankungen des Gehirns von Depression bis Schizophrenie positiv beeinflussen. Gerhard Roth schreibt in seinem Buch „Fühlen, Denken, Handeln“ (Suhrkamp 2002), dass wir nicht tun, was wir wollen, sondern wir tun, was vorgegeben ist“. Demnach ist die Schlussfolgerung: „Willensfreiheit ist eine Illusion“.

Richtig ist, dass gewisse Selbstbilder vom Menschen überzogen, erschüttert sind. Dennoch gilt das Gegenargument: Wird mir die Wichtigkeit einer Entscheidung bewusst, entscheide ich gegebenenfalls anders als erwartet, also ist meine Handlung nicht voraussagbar. Wissenschaftsgläubigkeit führt manchmal zum Determinismus, d.h. alles ist festgelegt. Zugespitzt gesagt: Der Mensch wäre danach eine geistlose Maschine. Wer den Menschen bloß als Computermodell sieht, betrachtet ihn als verfeinerte Maschine.

Ist man überzeugt, dass es eine Welt des Geistigen gibt und dass der Mensch mehr ist als biologische Natur, so ragt er in die Geisteswelt hinein, dann ist auch ein freier Wille denkmöglich. Dennoch: Die Wissenshaft gibt zahlreiche Hinweise, dass unsere Entscheidungen von inneren und äußeren Faktoren beeinflußt werden und legen uns die Antwort „Nein“ zur Willensfreiheit nahe. Unser endgültige Stellungnahme hängt davon ab, welcher Stimme wir größere Bedeutung beimessen.

Zuerst Digitalisierung allgemein:Keine Frage: Die Entwicklung des Internets ist eine geniale Leistung der Ingenieure – auch dass Geräte immer kleiner möglich sind. Es sind fast Wunderwerke – wie z.B. Smartphones. Digitalisierung heißt in der lateinischen Bedeutung des Wortes soviel wie „Verfingerung“. Tatsächlich ist die Menschheit in allen Winkeln der Welt zu einer tastendrückenden und fingerwischenden Spezies geworden. Gleich ob wir Raketen lenken, Gedichte schreiben, Baukräne steuern, Organe untersuchen, den Sternenhimmel scannen, Blutdruck messen, Musik hören oder die nächste Tankstelle aufsuchen. Wir sind Fingerwesen geworden. (NZZ, 2018.06.23)

Es geht um Daten – immer und überall. Darum spricht Yuval Harari von Datenreligion. Sehr viele Menschen nützen das Internet in allen Lebenslagen, können sich nichts merken, wissen nichts, googeln alles. Nur sehr wenige schaffen es, davon auch nur zeitweise loszukommen oder zumindest einen vernünftigen, kontrollierten Umgang mit dem Internet zu finden.
Smombie war das Jugendwort des Jahres 2015, zusammengesetzt aus Smartphone und Zombie. Es meint Menschen, die durch ihren ständigen Blick auf das Smartphone so stark abgelenkt sind, dass sie Ihre Umgebung kaum noch wahrnehmen.

Digital Mensch bleiben

Hans Högl:

          Rezension des Buches „Digital Mensch bleiben“

Der Titel des Büchleins ist sehr zutreffend. Im Blick auf die Digitalisierung unserer Lebenswelt ist dieses kleinformatige Buch entstanden. Es ist flüssig zu lesen, inhaltlich fundiert, und dies alles auf 136 Seiten. Der Aufbau folgt dem Dreischritt: Sehen, Urteilen, Handeln. Impulse für den Text sind allgegenwärtiges Verhalten und der Bestseller von Yuval Harari: Homo Deus über die Data-Religion. Der erste Teil handelt von den Anfängen des Computers und vom Werden des Internets über die militärische zur universitären Nutzung.

Wir deuten nur Einiges an:

Die beiden Gründer von Google Larry Page und Sergey Brin erfuhren eine bemerkenswerte Basisbildung in einer Montessori-Schule. Deren Konzept ist nicht primär Wissensaneignung, sondern Lernen durch Neugier und Fragen. Vor allem Kreativität wird betont. Die Gründer von Google: „Wir haben dort gelernt, unabhängig zu denken und ungewöhnliche Wege zu gehen“. Sie wollen nicht Geld mit Geld verdienen – wie die Finanzwelt, sondern Menschen von Nutzen sein. Sie haben Mut zum Versuch und Irren: „Learn fast and fail fast“ und verstehen sich als Weltverbesserer.

Der Buchautor ist für den vernünftigen Gebrauch der digitalen Welt, und er geriert sich weder als Computer-Apokalyptiker noch Euphoriker. Data sind Teil unserer Welt. Der Autor bejaht, wenn Computer und Medizin sinnvoll kooperieren. Die Menschenrechte können uns helfen, Grenzen zu ziehen: Der Mensch ist mehr als Maschine, die Teile mehr als das Ganze. Volker Jung begründet dies eher biblisch als philosophisch und hinterfragt den Erlösungsglauben einiger Vertreter, wonach wir alle glücklich und unsterblich würden und aus Menschen Cyborgs – also ein Update von Menschen, die über Biotechnologie göttliche Fähigkeiten erlangen. Dies wird Transhumanismus genannt.

Der letzten Abschnitt fragt, was nun zu tun sei. Die Tipps sind einleuchtend, aber etwas unbefriedigend. In der schulischen Oberstufe könnten gemeinsam die Quellen des Internets geprüft werden, denn viele Nutzer vermögen nicht zwischen zuverlässiger und irreführender Information zu unterscheiden und werden Opfer von Desinformation.

Die Schrift ist geeignet für breite Kreise –  wegen der Kürze und klaren Sprache und für  den Ethik-, Deutsch- und Religionsunterricht.

Der Autor distanziert sich mit Empathie von der Quasi-Data-Religion und unablässigen, digitalen Bindung, denn die Digitalisierung laufe Gefahr den Menschen seiner selbst zu berauben. – Das Netz verlangt globale Politik. Aber die Regierungsschildkröte kann mit dem technologischen Hasen nicht Schritt halten, wie Yuval Harari in „Homo Deus“ schreibt. Der Buchautor ist evangelischer Kirchenpräsident in Hessen und „Medienbischof.

Volker Jung: Digital Mensch bleiben, München 2018. Claudius Verlag.