Hans H ö g l. Eigenanalyse
Das gestrige Symposion an der Fachhochschule St. Pölten zur Medienethik erbrachte aufgrund breiter Konzeption eine Fülle an Erkenntnissen. Prof. Matthias Rath (PH-Ludwigsburg) unterschied zwischen wissenschaftlicher Medienethik und den journalistischen Prinzipien- und Standesregeln. Mag. Andreas Warzilek (Österr. Presserat) berichtete von scharfer Kritik Eva Dichands -von New York her – am Presserat. Eva Dichand ist Herausgeberin der Gratiszeitung „Heute“ und hat ein familiäres und Presse- Naheverhältnis zur „Krone“. Auch im Presserat ist die Flüchtlingsfrage Thema eins. Warzilek wünscht von Medienberichten die Wahrnehmung von Schattierungen. Dr. Andy Kaltenbrunner (Geschäftsführer im Wiener Medienhaus) betonte auf Basis von österreichischen Journalistenstudien den starken Trend von Gesinnungsjournalismus. Das bedeutet primär Anwaltsjournalismus und weniger solchen, der sich an tatsachenbetonten Medienformaten orientiert.
Prof. Matthias Karmasin und Prof. Larissa Karner (beide Univ. Klagenfurt) wiesen auf Irritationen, Widersprüche und Disruptionen in der Medienwelt hin. Larissa Karner vermisst in Flüchtlingsberichten die Balance. Vorschnell wurde v o r den Ereignissen in Köln jegliche Medienkritik als pegidalastig dargestellt. Sie betonte – aus evolutionstheoretischer Sicht- auch ein Kind würde gewarnt, in das Auto einer fremden Person einzusteigen. Und es gilt, auch die Emotionen der kleinen Leute aufs Erste ernst zu nehmen – gleich ob legitim oder nicht. Qualitätsjournalismus wird dann die Gefühle der Angst nicht anheizen, sondern versuchen, damit umzugehen, die Hintergründe von Emotionen der Angst vor Fremden aufzuarbeiten, aufzuklären.
Der Verfasser dieser Analyse erinnerte in der Diskussion an den Satz eines russischen Philosophen: „Liebe das eigene Volk und achte die anderen Völker“. Wie stark die patriotische Eigenliebe ausgeprägt ist, zeigt sich im Übermaß bei Sporterfolgen – in Österreich bei Skifahren – in Deutschland beim Fußball. Die „Neue Zürcher“ ortet in der Medien- und universitären Welt eine kulturalistische Engführung nach der Erklärung der Menschenrechte, nach dem 2. Weltkrieg, wo überwiegend der Holocaust und der Antisemitismus im Blick kam und somit Kritik an Ethnien und generell an Religionen wie dem Islam immunisierte. Das führt auch dazu, dass beispielsweise Missbrauchsfälle von Pakistani in England und Vorfälle in Schweden in Flüchtlingsquartieren in Institutionen und Medien auffällig tabuisiert wurden.
In diesem Sinne wird Qualitätsjournalismus auch begründete und unbegründete Ängste der breiten Bevölkerung zu beachten haben und auf Differenzen hinweisen und argumentieren, warum in Österreich Flüchtlinge aus Ungarn nach 1954 und Ex-Jugoslawien viel bereitwilliger und in bedeutend größerem Ausmaß aufgenommen wurden als solche aus der doch kulturell ferneren arabisch-islamischen Welt.
Eine bemerkenswerte Ö 1-Radiosendung war das Journal-Panorama vom Do, den 25. Februar um 18.30, in welcher das Thema Lügenpresse differenziert aufgegriffen wurde. Warum muss es zu extremer und skandalös einseitiger Medienkritik kommen, damit partiell begründete und sachlich legitime Medienkritik überhaupt ernst genommen wird? Für uns alle – für Politik, Einzelmenschen und Medien gilt: Es gibt Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Auch verdienstvolle Gesinnungsethiker können in der realen Welt bitter daran leiden, dass gute Gesinnung alleine negative Folgen hervorrufen kann. Siehe Beispiele aus gut gemeinter Entwicklungspolitik und im Fall der Flüchtlingsproblematik die massiven Trends zu populistischen Gruppierungen.