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Frankreich brennt

Sind Franzosen neue Trendsetter?

Hans H ö g l

Ein Feuilletonbeitrag macht transparent, was Tages-Journalismus übersieht, rückt Bekanntes in ein anderes Licht, macht Verborgenes sichtbar. So das Medien-Schmankerl von Pascal Bruckner, einem Autor und Philosophen, der in Paris lebt:

Frankreich erlebt eine Flut tragischer und brutaler Ereignisse. Die Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr stiegen explosionsartig an, im Jahr 2020 sind 4.900 Polizisten verletzt worden, 3800 waren es im 2004. Bei Demos werden Büros, Banken, Versicherungen verwüstet, und niemand empört sich darüber. Unzählige Präfekturen wurden niedergebrannt. Es gibt Angriffe auf Feuerwehrleute, zunehmend seit 2005 – oder Übergriffe auf Krankenhauspersonal und Lehrkräfte.

In Amiens wurde ein Großneffe von Brigitte Macron von einem Mob fast umgebracht. Pascal Bruckner deutete dies als schleichende Zersetzung von Alltagsnormen, beschleunigt durch eine unpopuläre Rentenreform. Das habe laut Bruckner diverse Gründe: Der Bürger von moderner Demokratie sei wie ein verwöhntes Kind, das eine antiautoritäre und eine auf die geringsten Bedürfnisse eingehende Erziehung erhalten habe. Als Kunde sei er König, dessen Wünsche seien auf dem Marktplatz heilig. Bis ins Erwachsenenalter bleibe „Seine Majestät das Baby“, dem man alles schuldig wäre.

Der Autor Jérome Fourquet übernahm dafür ein Wort des Soziologen Norbert Elias aus dem Jahr 1938, nämlich „décivilisation“, was auch Präsident Macron aufgriff. Der Beitrag fand sich in der „Neuen Zürcher“ am 22. Juni, und auf einen anderen Kontext bezogen brachte eine Psychologin in dem eher links positionierte Zürcher Tages-Anzeiger für das Verhalten junger Leute eine ähnliche Deutung. Das Verhaltensprofil in Frankreich geht weit über deutsche und österreichische Jugendproteste hinaus.

So lautet heute am 23.6.2023 die Schlagzeile in der „Krone“: „Jugend wütend und im Stich gelassen“. Drei von vier fühlen sich von der Politik nicht vertreten (S. 1). Die „Krone“ nennt folgende NGOs: Fridays for Future, Letzte Generation, Extinction Rebellion und Black Lives Matter. Die „Krone“ bringt sechs Interviews von jungen Leuten aus Höheren Schulen und einen Lehrling (16). Eine HAK-Schülerin sagt: „Ich denke, dass die Jugend von heute stark verärgert ist, weil wir uns alle vernachlässigt fühlen“. Uns wurde die Zukunft erschwert. Oder Lorenz (18) HTL-Schüler meint: „Wir Jungen werden hinsichtlich der Klimakatastrophe am meisten betroffen sein“…

Katastrophen-Tsunami. Sind wir noch zu retten?

Hans Högl. Eine Zeitdiagnose

„Klima-Notstand! Sind wir noch zu retten?“ Darüber diskutierte der sehr verdienstvolle Ö-1-Redakteur Johannes Kaup mit der Klimaexpertin Helga Kromp-Kolb und einer Sprecherin von „Fridays for Future“. Das war „Im Zeitraum“ am 12. Februar im Wiener Radiokulturhaus. Ja, was war das für eine Zeit! In diesen Greta-Wochen versank die Welt in dem Klima-Medien-Tsunami. Jetzt prasselt auf uns wochen-, monatelang die Corona-Katastrophe in all ihren Facetten. Was ist die nächste Katastrophe? Die Budgetkrise kann sich dafür eignen.

Mein Sukkus: Vielleicht gibt es trotz des Katastrophismus andere Themen? Wie wär`s, Herr Chefredakteur, indem sie diverse Themen für ihre Mitarbeitern anregen? Auch wir als Publikum können dies ändern: Indem wir nicht jedes Detail, jede Sendung dazu rezipieren. Die Publikumsforschung kennt dies am nächsten Tag, und Medien ändern ihre Strategie. Wir sind Medien!

Ich erinnere an das Geschrei eines Militärs vor Weinachten 2019. Er warnte vor dem Untergang des Bundesheeres, wenn nicht schleunigst Milliarden dem Heer zugeschanzt werden. Wir taumeln von einem Extrem in das nächste. Ja, es gibt große Klima-und Corona-Probleme; doch systemisches Denken ist gefragt.