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Von Medien kaum hinterfragt

Konstruktive Kritik am Neoliberalismus liest und hört man kaum. Dessen global bedenkliche Folgen sind nur selten Gegenstand medialer Analysen. Ein Anlass dafür ist und wäre die umstrittene Verleihung des Hayek-Preises an den politisch weit rechts stehenden neoliberalen argentinischen Präsidenten Javier Milei.

Wolfgang Koppler *

Der neue argentinische Präsident Javier Milei wurde nun in Hamburg von der Hayek-Gesellschaft mit der Friedrich von Hayek-Medaille ausgezeichnet. Was prompt Proteste vor Ort und bei uns sogar einen kritischen Artikel des teils neoliberalen Standard auslöste.

Milei, der politisch zur argentinischen Rechten gehört und dessen Lieblingsutensil im Wahlkampf die Kettensäge war, hat bis jetzt – abgesehen von einem momentanen Rückgang der Inflation – eher wenig Erfolge vorzuweisen. Die Wirtschaft steckt in einer Rezession, die Massenarmut verschärft sich und mit ihr die politische Spaltung und Lähmung des Landes. Milei ist sicher nicht der Verursacher der argentinischen Probleme, aber mit seinem Radikalkurs, der wie – so oft – am Neoliberalismus der Chicagoboys des Milton Friedman (die Assoziation zu “fired man“ drängt sich geradezu auf) aus den 80-er Jahren orientiert ist, wird er die politische und wirtschaftliche Krise wohl nur verschärfen.

Dass die Hayek-Jünger solches bejubeln, spricht Bände. Dass Hayek selbst von seinen Schülern einst kritisches Denken auch gegenüber ihm selbst gefordert hatte, ist längst vergessen. Die Anbetung irgendwelcher Meister liegt ja im gegenwärtigen Trend. Und im Trend liegt im Wesentlichen auch der Laissez-Faire-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts: Mehr privat – weniger Staat. Da sind sich Blaue, Schwarze und Lifstyle-Linke einig. Alles andere gerät in den Verdacht von Kommunismus und Planwirtschaft. Wurde letztere oft mit Staatskapitalismus gleichgesetzt, so stört sich nunmehr niemand am globalen Monopolkapitalismus, in dem einige wenige Player den Ton angeben und von gesunder Konkurrenz keine Rede sein kann.

Derartiges hat sich Hayek wohl ebenso wenig träumen lassen wie die auf hemmungsloser Spekulation basierende Finanzkrise von 2008, die letztlich durch staatliche Intervention aufgefangen werden musste. Und die etwa in Europa nur durch jahrzehntelange Nullzinspolitik der EZB aufgefangen werden musste, die im Ergebnis eine gewaltige Vermögenssteuer für die breite Masse darstellte. Ansonsten hätte man nämlich zur Ankurbelung der Wirtschaft Steuererhöhungen und staatliche Investitionen etwa in den sozialen Wohnbau vornehmen müssen. Ein No-Go für liberale Ideologen.

Interessant, dass in Sachen Klimawandel sehr wohl in die Wirtschaft eingegriffen wird. Wenn es gar nicht mehr anders geht.

Dass Derartiges von den Medien nicht wirklich hinterfragt wird, ist ein Armutszeugnis für den gegenwärtigen Journalismus. Stattdessen war Barbara Kolm, die Chefin des österreichischen Hayek-Institutes, Jahre lang ein gern gesehener Gast in der Diskussionssendung „Im Zentrum“. Zur Finanzkrise 2008 fiel ihr längere Zeit gar nichts und dann das Wort „Eigenverantwortung“ ein. Wo will man die in einer Gesellschaft finden, die den Egoismus zu ihrem Motor erklärt hat?

www.msn.com/de-at/nachrichten/ausland/argentinischer-präsident-milei-wird-in-hamburg-mit-hayek-medaille-geehrt

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien