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Neutralität in kriegerischen Zeiten

Gut besuchte Podiumsdiskussion in Wien unter Mitwirkung der Vereinigung für Medienkultur

Udo Bachmair

„Neutralität in Zeiten von Krisen und Kriegen“ war das Thema einer viel beachteten Podiumsdiskussion* im Kultur- und Veranstaltungszentrum Amerlinghaus in Wien. Veranstaltet wurde der Diskussionsabend von den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg sowie der Vereinigung für Medienkultur.

Bemerkenswerterweise war im Wahlkampf für die NR-Wahl das Thema „Krieg 8nd Frieden“ sowie die Rolle der österreichischen Neutralität kaum ein Thema. Dabei wäre Österreich als neutraler Staat und UNO-Standort prädestiniert dafür, als diplomatischer Mediator und Initiator von Gesprächen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten aktiv zu werden. Doch eine einseitige Außenpolitik der schwarz-grünen Außenpolitik in den vergangenen Jahren – weit entfernt von Bruno Kreiskys nützlichen und erfolgreichen diplomatischen Aktivitäten – hat den Geist der Neutralität weitgehend untergraben.

Die Chance auf eine effektive friedensorientierte Außenpolitik ist ähnlich der Tatenlosigkeit der EU-Kommission sträflich vernachlässigt worden.
Darauf aufmerksam zu machen haben sich jüngst vor allem SPÖ-Chef Andi Babler und KPÖ-Vorsitzender Tobias Schweiger bemüht, allerdings weitgehend ignoriert von den heimischen Medien. Babler und Schweiger plädieren uneingeschränkt für die Sinnhaftigkeit und Aufrechterhaltung der Neutralität. Von Expertenseite sieht vor allem der renommierte Politikwissenschafter Heinz Gärtner die Neutralität Österreichs als Sicherheitsgarantie für unser Land.

Mitglieder der Initiative Engagierte Neutralität wie Bundesheer-General Günther Greindl, seinerzeit Oberbefehlshaber der österreichischen UNO-Truppe auf dem Golan, oder die beherzte Diplomatin und Ex-Botschafterin Gaby Matzner sowie der bei den Gewerkschaftern gegen Krieg besonders aktive Wilfried Leisch bekräftigten in der erwähnten Veranstaltung ihre klare Pro-Neutralitäts- und Anti-NATO-Position. Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur, gab u.a. zu bedenken, dass Politik und Medien nach der NR-Wahl Befürwortern eines NATO-Beitritt Österreichs mehr Raum für entsprechende Propaganda öffnen könnten.

Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion im Amerlinghaus, genauer gesagt der Anfangsstatements, sind unter folgendem Link abrufbar:

www.youtube.com/watch?app=desktop&v=NixOIY2N8bQ

Was nicht bzw. wie gesagt wird

In der Causa Nahost haben sich ähnlich der aktuellen Außenpolitik auch die meisten Medien Österreichs, unter ihnen der ORF, dem proisraelischen Mainstream verschrieben. Das Leid der Palästinenser bleibt weitgehend ausgespart. Die folgende Medienkritik bezieht sich auf einen jüngst veröffentlichten ORF-Beitrag.

Gabriele Matzner *

Unter dem Titel „US-Sanktionen gegen israelische Siedler“ berichtet ORF-online am 1. Februar ausführlich über Erklärungen von US-Präsident Biden und US-Außenminister Blinken über amerikanische Bemühungen, die von israelischen Siedlern in der West-Bank ausgeübten Angriffe auf palästinensische Zivilisten einzudämmen.

An dem Bericht ist zwar prima facie nichts direkt falsch, wichtig ist aber zu bemerken, was nicht gesagt wird und wie manches gesagt wird, also auf die Wortwahl zu achten.

Es entsteht der meines Erachtens zweifelhafte Eindruck (z.B. durch die Worte „deutliches Zeichen“), dass die USA ohnehin alles Mögliche tun, um solche Israelis zu zähmen, zumindest die schlimmsten Exzesse zu verhindern. Das ist im Grunde natürlich nicht der Fall. Ohne US-Waffen und Deckung im UN-Sicherheitsrat könnte Israel nicht so agieren, bzw. müsste viel mehr tun, um solche Verbrechen zu unterbinden.

US-Sanktionen gibt es nun gegen ganze 4 Siedler?! Das kann man wohl als Nebbich bezeichnen. Bei dieser Gelegenheit hätte der ORF erwähnen müssen, was diese Siedler, angeblich mit Unterstützung/Duldung des israelischen Militärs (Aufklärung, bitte!), seit Jahrzehnten und in den letzten Monaten verstärkt anrichten, man muss Zahlen nennen, um eine Vorstellung zu vermitteln!

A-propos Zahlen: Wenn man 400.000 Siedler nennt, sollte man auch angeben, wie viel Prozent Land sie vom Westjordanland (schon) einnehmen, und was das für die verbliebenen Palästinenser bedeutet. Zu sagen, die UNO halte die Siedlungspolitik auf der illegal besetzt gehaltenen West-Bank für völkerrechtswidrig, ist auch irreführend: sie ist völkerrechtswidrig. Punkt.

Schließlich: an der „siedlerfreundlichen“ Konferenz, die da samt den angeblich dort geäußerten Ungeheuerlichkeiten erwähnt wird, hat angeblich ein Drittel der israelischen Regierung, nicht nur der rechts-extremistische Sicherheits-Minister Ben-Gvir, teilgenommen, und das zwei Tage nach dem IGH-Urteil.

Dieser ORF-Bericht erscheint unangemessen unkritisch bzw. devot. Er entspricht nicht dem aufklärerischen Auftrag dieser wichtigen Institution.

* Gastautorin Dr. Gabriele Matzner, Diplomatin und Buchautorin, war österreichische Botschafterin in mehreren Ländern, zuletzt in London. Sie ist Sprecherin der Initiative Engagierte Neutralität und lebt in Wien.

Initiative Engagierte Neutralität

In Politik und Medien sind Tendenzen zu registrieren, die auf eine Aushöhlung der Neutralität Österreichs hinauslaufen. Diese wird in manchen Kommentaren und politischen Stellungnahmen als überholt und nicht mehr sinnvoll bezeichnet. Eine neue Initiative will nun dagegenhalten.

Udo Bachmair

„Initiative Engagierte Neutralität“ nennt sich eine neue Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Bedeutung und Nützlichkeit der immerwährenden Neutralität gerade in krisenhaften Zeiten wie diesen zu betonen und zu bekräftigen.

Im Vorfeld des Nationalfeiertages am 26. Oktober, dem Jahrestag der Unterzeichnung des Neutralitätsgesetzes, fordert die Initiative in einem Appell Bundesregierung und Parlament dazu auf, die Neutralität zu wahren und für eine engagierte Friedenspolitik zu nutzen.

Details des Appells werden in einer Pressekonferenz am Montag, 23.11. ab 10.30 Uhr im Presseclub Concordia präsentiert. JournalistInnen aus dem Bereich der Vereinigung für Medienkultur sind dazu natürlich ebenfalls eingeladen.

Podiumsteilnehmer der Pressekonferenz sind Ex-Botschafterin Gaby Matzner, der frühere Sozialminister Erwin Buchinger, der Politikwissenschaftler Heinz Gärtner, Bundesheergeneral i. R. Günther Greindl sowie Ex-NR-Abg. und Diplomat Wendelin Ettmayer. Moderiert wird die PK von Udo Bachmair, Ex-ORF-Journalist und Präsident der Vereinigung für Medienkultur.

Dem Appell haben sich bereits zahlreiche namhafte Persönlichkeiten angeschlossen, unter ihnen Christoph Leitl, Karl Blecha, Peter Jankowitsch, Irmtraut Karlsson, Heinrich Keller, Andrea Komlosy, Ali Kohlbacher, Ferdinand Lacina, Erwin Lanc, Fritz Edlinger, Alfred Noll, Madeleine Petrovic, Emmerich Talos, Adalbert Krims, Renata Schmidtkunz, Manfried Rauchensteiner, Peter Diem und viele andere mehr.