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In memoriam Fritz Edlinger

Fritz Edlinger ist in der Nacht auf Donnerstag völlig unerwartet verstorben. Der Tod des engagierten Nahostexperten und Chefredakteurs der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL hat eine große publizistische und politische Lücke aufgerissen.

Udo Bachmair

Fritz Edlinger ist von Freunden, zu denen auch ich mich zählen durfte, immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, kürzer zu treten und sich mehr zu schonen. Doch er hat sich davon nicht abhalten lassen. Er ist gleichsam Tag und Nacht mit nahezu übermenschlichem Einsatz seiner journalistischen und politischen Leidenschaft nachgegangen. Mit unermüdlich scheinender Energie widmete er sich seinen Lieblingsthemen Friedens- und Neutralitätspolitik sowie der Solidarität mit dem schwer in Mitleidenschaft gezogenen palästinensischen Volk.

In unseren zahlreichen Gesprächen, in denen ich auch seine positive menschliche Seite schätzen gelernt habe, hat er auch hin und wieder Dampf abgelassen über Dinge und Entwicklungen, die ihn immer wieder geärgert haben: So etwa darüber, dass jede noch so berechtigte Kritik am überschießend brutalen Vorgehen Israels in Gaza in Politik und Medien oft mit der Keule des Antisemitismus-Vorwurfs begegnet wird. Sorge bereitete ihm in jenen Fragen, die ihn besonders bewegten, auch seine eigene Partei, die SPÖ.

Fritz war enttäuscht, dass die Sozialdemokratie bzgl. Krieg und Frieden- betreffend die Ukraine und Gaza- ihren humanitären und brückenbauenden Grundwerten nicht gerecht werde. Die SPÖ habe sich unmissverständlich auf die Seite Israels gestellt, und sich auch im Ukrainekrieg einseitig zugunsten des ukrainischen Regimes und der NATO positioniert. Dabei wäre Österreich als neutraler Staat sowie als UNO-Standort prädestiniert dafür, wie zu Kreiskys Zeiten als Mediator zu fungieren und eine Bühne für Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zu bieten.

Insgesamt war Fritz ein Optimist und ewig Hoffender, dass sich Humanität und Frieden letztlich doch durchsetzen mögen. Mit ihm verlieren wir einen unermüdlichen Kämpfer für ein neutrales Österreich, ein freies Palästina und ein tolerantes Miteinander. Auch ganz persönlich werde ich Fritz sehr vermissen. Was bleibt, sind Erinnerungen an Fritz als eine auch menschlich außergewöhnliche Persönlichkeit, an spannende Gespräche mit ihm, oft gespickt mit seinem ganz eigenen Humor.

Ja, und last but not least wird mir die besonders wertschätzende Haltung zueinander stets in Erinnerung bleiben.

Fritz Edlinger hat sich im Übrigen auch für unsere Vereinigung für Medienkultur verdient gemacht. Er war des Öfteren (Podiums-)Gast bei Veranstaltungen und Diskussionsrunden und hat Aufzeichnungen davon im Youtube-Kanal von INTERNATIONAL verbreitet. Auch dafür gebührt ihm Dank.

Neutralität in kriegerischen Zeiten

Gut besuchte Podiumsdiskussion in Wien unter Mitwirkung der Vereinigung für Medienkultur

Udo Bachmair

„Neutralität in Zeiten von Krisen und Kriegen“ war das Thema einer viel beachteten Podiumsdiskussion* im Kultur- und Veranstaltungszentrum Amerlinghaus in Wien. Veranstaltet wurde der Diskussionsabend von den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg sowie der Vereinigung für Medienkultur.

Bemerkenswerterweise war im Wahlkampf für die NR-Wahl das Thema „Krieg 8nd Frieden“ sowie die Rolle der österreichischen Neutralität kaum ein Thema. Dabei wäre Österreich als neutraler Staat und UNO-Standort prädestiniert dafür, als diplomatischer Mediator und Initiator von Gesprächen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten aktiv zu werden. Doch eine einseitige Außenpolitik der schwarz-grünen Außenpolitik in den vergangenen Jahren – weit entfernt von Bruno Kreiskys nützlichen und erfolgreichen diplomatischen Aktivitäten – hat den Geist der Neutralität weitgehend untergraben.

Die Chance auf eine effektive friedensorientierte Außenpolitik ist ähnlich der Tatenlosigkeit der EU-Kommission sträflich vernachlässigt worden.
Darauf aufmerksam zu machen haben sich jüngst vor allem SPÖ-Chef Andi Babler und KPÖ-Vorsitzender Tobias Schweiger bemüht, allerdings weitgehend ignoriert von den heimischen Medien. Babler und Schweiger plädieren uneingeschränkt für die Sinnhaftigkeit und Aufrechterhaltung der Neutralität. Von Expertenseite sieht vor allem der renommierte Politikwissenschafter Heinz Gärtner die Neutralität Österreichs als Sicherheitsgarantie für unser Land.

Mitglieder der Initiative Engagierte Neutralität wie Bundesheer-General Günther Greindl, seinerzeit Oberbefehlshaber der österreichischen UNO-Truppe auf dem Golan, oder die beherzte Diplomatin und Ex-Botschafterin Gaby Matzner sowie der bei den Gewerkschaftern gegen Krieg besonders aktive Wilfried Leisch bekräftigten in der erwähnten Veranstaltung ihre klare Pro-Neutralitäts- und Anti-NATO-Position. Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur, gab u.a. zu bedenken, dass Politik und Medien nach der NR-Wahl Befürwortern eines NATO-Beitritt Österreichs mehr Raum für entsprechende Propaganda öffnen könnten.

Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion im Amerlinghaus, genauer gesagt der Anfangsstatements, sind unter folgendem Link abrufbar:

www.youtube.com/watch?app=desktop&v=NixOIY2N8bQ

Möglichkeit einer Karthasis

Der Antrag des Internationalen Strafgerichtshofes auf Haftbefehl gegen Israels Kriegs-Premier Netanjahu hat eine Welle von Empörung und Unverständnis in österreichischen Medien ausgelöst.

Walter Baier *

Der Spin, den die österreichischen Medien ihren Berichten über den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes gegen Benjamin Netanjahu geben, ist, nicht über dessen Begründung, das heißt die im Gaza-Streifen von der israelischen Armee begangenen Verbrechen zu reden, sondern über die Schutzbehauptungen des Beschuldigten. Dabei ist das Argument, dass durch den gleichzeitig erlassenen Haftbefehl gegen die Hamas-Führer eine Gleichsetzung erfolge, in zweierlei Hinsicht falsch. Erstens, weil bei der Unzahl der täglich ausgestellten Haftbefehle bisher niemand auf die abstruse Idee gekommen ist, es sei eine Gleichartigkeit der verfolgten Delikte unterstellt. Und zweitens, weil Massenmord eben Massenmord, Kriegsverbrechen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eben Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind. Punkt. Der Versuch davon abzulenken, kommt einem Eingeständnis der Sachverhalte gleich.

Im Falle Netanjahus reden wir von der politischen Verantwortung für 35.000 tote Palästinenser*innen, zwei Drittel Zivilist*innen, darunter 10.000 getötete Kinder, dem Erdboden gleichgemachte Städte und eine auf viele Jahre unbewohnbare Landschaft. Ob dies von der internationalen Gemeinschaft als ein Völkermord qualifiziert wird, wird der Internationale Strafgerichtshof demnächst entscheiden. Allein, dass diese Beschuldigung vom Gericht als plausibel zugelassen wurde, zeigt, was Netanjahu aus Israel gemacht hat.
Die Haftbefehle gegen die Verantwortlichen sind in beiden Fällen sachlich gerechtfertigt. Israel und die wahren Freund*innen des israelischen Volks sollten sie als Möglichkeit einer notwendigen Katharsis verstehen.

* Dr. Walter Baier ist Friedensaktivist und Politiker sowie Autor zahlreicher Veröffentlichungen vorwiegend zu Themen des Sozialismus. Seit 2022 ist er Vorsitzender der Europäischen Linken.

Mit der Keule des Antisemitismus

Langsam wird es unerträglich. Jeder Versuch, eine sachliche Debatte über den Krieg Israels gegen Gaza zu führen, wird abgewürgt von der sattsam bekannten Antisemitismus-Keule.

Udo Bachmair

Jede noch so berechtigte Kritik an der gewaltsamen Überreaktion Israels auf das ebenfalls zu verurteilende grausame Massaker der Hamas gilt als antisemitisch. Sogar ein gemäßigter humanistischer Intellektueller wie der jüdische Philosoph Omri Boehm, der gestern auf dem Judenplatz besonders versöhnliche Worte fand, wird als antisemitisch verunglimpft. Vor dem Hintergrund eines indirekten Gewaltaufrufs seitens des früheren Chefs der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Musicant, Eier auf den Redner zu werfen. Dabei will Boehm nichts anderes als einen gemeinsamen Staat mit Gleichberechtigung für Israelis und Palästinenser, um damit der ewig scheinenden Gewaltspirale ein Ende zu setzen.

Das interessierte eine kleine Schar proisraelischer AktivistInnen nicht, die mit Transparenten, die die Sicht auf den Redner verstellten sowie Fernsehjournalisten an ihrer Arbeit hinderten, von der Rede Boehms abzulenken versuchten. Man stelle sich umgekehrt vor, jemand hätte mit palästinensischen Losungen eine Veranstaltung und journalistische Arbeit gestört, die Polizei wäre sofort eingeschritten.. Es ist wahrlich unerträglich, jeglicher Kritik am brutalen militärischen Vorgehen Israels in Gaza, das mittlerweile weit über 30.000 Todesopfer gefordert hat, mit der Keule des Antisemitismus zu begegnen.

Vor diesem Hintergrund sind besonnene und differenzierende Stimmen gerade in hoch emotionalisierten Zeiten wie diesen nötiger denn je. Stellvertretend dafür ein Facebook-Eintrag des Politikwissenschafters und Kulturanthropologen Univ. Prof. Thomas Schmidinger kürzlich auf Facebook:

Derzeit zeigt sich sehr deutlich, dass aus der Shoah und den anderen Verbrechen der Nazis sehr unterschiedliche Lehren gezogen werden können. Einerseits kann man daraus die universalistische Konsequenz ziehen, dass man immer und überall gegen Unterdrückung und Verfolgung ethnischer, religiöser, sozialer oder sexueller Gruppen auftritt und weltweit für die Menschenrechte aller Menschen konsequent eintritt. Andererseits kann man daraus die partikularistische Konsequenz ziehen, dass der jüdische Staat Israel immer und überall Recht hat und die Handlungen der Regierung dieses Staates jedenfalls zu verteidigen sind. Der politische Mainstream in Österreich und Deutschland hat sich offensichtlich parteiübergreifend für letzteres entschieden und geht dabei so weit, auch die Versuche der israelischen Rechtsregierung, Kritik an deren Politik grundsätzlich mit dem Verdacht des Antisemitismus abzuschmettern, zu übernehmen.

Wenn auch gemäßigte jüdische KritikerInnen der israelischen Kriegsführung in Gaza bereits delegitimiert werden und von österreichischen und deutschen PolitikerInnen unter Antisemitismusverdacht gestellt werden, dann läuft meines Erachtens in dieser Debatte etwas gewaltig schief. Dieser deutsch-österreichische Sonderweg scheint mir nichts anderes als ein identitätspolitischer Versuch zu sein, sich seiner eigenen historischen Verantwortung durch Externalisierung des Antisemitismusvorwurfes zu entledigen.

Si vis pacem para pacem

Kriegsberichterstattung und Propaganda, Neutralität und Streben nach Frieden: einige der Aspekte, die das Spannungsfeld von Politik und Medien mehr denn je charakterisieren.

Udo Bachmair *

Kriegsrhetorik in Politik und Medien greift immer weiter um sich. Vor diesem Hintergrund mutiert Frieden zunehmend zu einem negativ geladenen Begriff. Er wird vorwiegend in Kombination mit Begriffen wie Diktatfrieden oder Friedensdiktat verwendet. In der veröffentlichten Meinung dominiert die ausschließliche Sinnhaftigkeit aller militärischen Lösungen. Das veranschaulichen die aktuellen Beispiele der Kriege in der Ukraine und Gaza besonders deutlich.

Grundsätzlich erscheint klar: Kriegspropaganda betreiben immer beide Seiten eines Konflikts.

Gleichgeschaltet wirkende westliche Medien und auch zahllose PolitikerInnen gehen davon aus, dass nur Russland Kriegspropaganda betreibt, nicht aber auch die Ukraine.
Daraus resultiert jener durch diverse Studien bereits mehrfach belegte Eindruck, dass in der Kriegsberichterstattung vieler unserer Medien, besonders aber der deutschen, ukrainische Kriegsrhetorik und Propaganda oft als faktenbasierte Inhalte präsentiert werden, gemischt mit einem sich weiter radikalisierenden Wording. Friedensrhetorik hingegen wird als naiv abgetan, eine solche würde Aggressoren, wie Putin, nur weiter ermuntern.

Am Anfang des Ukraine-Krieges war noch die territoriale Integrität der Ukraine oder Hilfe vor Ort im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Danach wurde medial zunehmend vermittelt, dass ein Sieg der Ukraine unbedingt nötig sei, die Existenz und der Fortbestand ganz Europas würden ansonsten auf dem Spiel stehen. Damit auch „unsere westlichen Werte“. Aber man fragt sich, ob denn die Ukraine diesbezüglich tatsächlich als Vorbild dienen könne, ein Staat, der hinsichtlich Korruption oder Pressefreiheit weltweit die hintersten Ränge belegt.
Ungeachtet dessen wird ein Sieg gegen Putin von Politik und Medien gleichsam zur Pflicht erkoren.

Damit entfällt folgerichtig jede Verpflichtung zu Bemühungen für Waffenstillstandsgespräche und eine baldige friedliche Lösung.
Eine Forderung, die kürzlich auch der Papst erhoben hat – und er musste sich vom traditionell antirussischen Standard-Journalisten Hans Rauscher umgehend als Unterstützer eines Aggressors rügen lassen u.a. mit der Äußerung:

„Der Heilige Vater weiß nicht, wovon er da redet“

In derselben Zeitung feuerte Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie die Rüstungskonzerne an mit den Worten:

„Die Rüstungsindustrie könnte durchaus mehr produzieren!“.

Speziell in Deutschland verdichtet sich der Eindruck, dass die meisten Medien, ausgerechnet auch die öffentlich-rechtlichen, die zur Objektivität auch der außenpolitischen Berichterstattung verpflichtet wären, die Politik vor sich hertreiben, immer mehr und immer weiter aufzurüsten.
Beispiel der Druck auf Kanzler Olav Scholz, unbedingt schwere Panzer an Kiew zu liefern, eine Forderung, der er nach einigem Zögern schließlich doch nachgekommen ist.
Oder jüngst: Noch zögert Scholz, die weit reichenden gegen Russland gerichteten Taurus-Raketen zu liefern. Er trotzt damit dem Druck der konservativen Opposition sowie vor allem auch dem Boulevard, wie der allmächtigen BILD-Zeitung.

Eine Frage der Zeit, bis Scholz wieder in die Knie geht..?

Schließlich kommt Druck auch aus seiner Ampelkoalition, aus der FDP, allen voran seitens der mittlerweile als hartnäckige Kriegstreiberin kritisierten Chefin des außenpolitischen Bundestagsausschusses, Strack -Zimmermann. Besonders auch seitens der Grünen, allen voran der im Selbstverständnis nach wie vor grünen Außenministerin Annalena Bärbock. Sie hat sich in den Augen von Beobachtern als kriegsbegeisterte militaristische Hardlinerin entpuppt. Sie scheint vergessen zu haben, dass die Grünen sich früher einmal als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben – eine Absurdität, ein Hohn sondergleichen, wenn man ihre aktuelle Haltung betrachtet.
Ganz zu schweigen von der EVP-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen, die ebenfalls den Eindruck einer militaristischen Einpeitscherin erweckt, ohne auch nur einen einzigen Lösungsvorschlag präsentieren zu können.

Jedenfalls muss Frau Von der Leyen auch jene fahrlässige Untätigkeit der Europäischen Union insgesamt bezüglich Bemühungen um eine diplomatische Lösung und eine Beendigung des Blutvergießens angelastet werden. Im Sinne der Waffenlobby und im Interesse von NATO und USA fehlt offenbar jeglicher Wille, weiterer intensiver Aufrüstung abzuschwören und zumindest zu versuchen, mit Moskau diplomatisch oder persönlich in Kontakt zu treten. Optimismus über eine wohlwollende Gesprächsbereitschaft Putins hält sich zurzeit freilich in Grenzen.

Aber Versuche wären’s doch wert !

Putin machts natürlich seinen Gegnern mit seiner völkerrechtswidrigen Aggression in der Ukraine leicht – und so läge es auch an ihm, erneut Verhandlungsbereitschaft zu zeigen, auch wenn ihm der Westen noch so sehr die kalte Schulter zeigt.
Zuviel Porzellan wurde auch seitens des Westens und der gefährlichen Erweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands zerschlagen. Jede Bereitschaft und Fähigkeit scheint dafür zu fehlen, sich auch in den Kriegsgegner Russland hineindenken zu können. So wird die subjektiv gefühlte und aus Sicht Moskaus ernstzunehmende Bedrohung durch die NATO-Erweiterung ebenfalls als bloße Propaganda abgetan.

Einseitigkeit in Bezug auf die Beurteilung des Ukrainekrieges bzw. der Mangel an differenzierten und differenzierenden Betrachtungsweisen in Politik und Medien erscheinen besonders schmerzlich dann, wenn sie in einem neutralen Staat wie Österreich gang und gäbe sind.–

Leider muss sich da auch mein altes Unternehmen ORF manche Kritik gefallen lassen. So werden überwiegend Experten und Expertinnen in Ö1-Journale, ZiB 2-Sendungen oder Punkt.Eins.-Sendungen eingeladen, die undifferenziert proukrainisch und militaristisch argumentieren. So werden auch die zahlreichen Hintergründe, die mit zum Ausbruch des Krieges 2014 bzw. 2022 geführt haben, weitgehend ignoriert.

Die meisten JournalistInnen-KollegInnen fühlen sich im Strom des antirussischen Mainstreams wahrscheinlich wohler, einzelne, die Waffenstillstandsverhandlungen oder Friedensgespräche fordern, werden als Putinversteher gebrandmarkt, die angeblich nur dem Kriegsherrn in Moskau in die Hände spielen wollen. Sie geben ihren Widerstand gegen den Mainstream meist bald auf.
Einer der vorbildlichen Ausnahmen unter den ORF-Redakteuren, Christian Wehrschütz, wird sich auch nicht mehr lange halten können, denn leider wird nicht nur in Kiew, sondern auch hierzulande gegen ihn Stimmung gemacht und ihm dadurch der Weg in die Pension erleichtert.

Es ist ja nicht so, dass pauschal alle JournalistInnen sich nicht zumindest bemühen würden, auch in heiklen außenpolitischen Fragen einigermaßen objektiv und seriös zu berichten. Vielen ist einfach nicht bewusst, dass sie sich für eine Seite (pro Ukraine, pro Israel) vor den Karren spannen lassen. Unter der Devise: Die Einen sind gut, die Anderen nur böse.
Davon lebt freilich der Boulevard, leider aber auch sogenannte seriöse Medien wie der ORF oder der Standard etc.
So ist und bleibt das bereits lange aufgebaute Feindbild Russland unverrückbar. –

Ein Grundproblem besteht u.a. darin, dass die außenpolitischen Ressorts, auch die im ORF, personell ausgedünnt worden sind, sodass oft weder Zeit noch Energien mehr bestehen für die Verwendung auch ausreichend alternativer Quellen. So bekommen MedienkonsumentInnen zu einem großen Teil serviert, was die beiden großen westlichen Agenturen mit ihrem speziellen Wording und ihrer US-orientierten Sicht der Welt vermitteln und vorbeten.

Die andere Seite der Propaganda, die der russische TV-Kanal „Russia today“ betreibt, ist der westlichen Zensur zum Opfer gefallen und nicht mehr empfangbar. Demokratiepolitisch und im Sinne der Meinungsvielfalt problematisch. Dabei wäre es doch interessant und aufgeklärten MediennutzerInnen zumutbar, auch die andere Seite zu hören, auch wenn Propagandainhalte überwiegen.

Umso lauter polemisieren manche PolitikerInnen und heimische Medien gegen die Nützlichkeit der Neutralität Österreichs. In Kommentaren etwa der Zeitungen Standard oder Kurier wird mehr oder weniger unverhohlen Stimmung aufbereitet für einen Beitritt Österreichs zur NATO.
Dabei hätte Österreich hätte als neutrales Land große Chancen, Vertreter der Kriegsparteien an einen Tisch zu holen. Wien als UNO-Standort, Wien als Austragungsort internationaler Konferenzen, wäre prädestiniert dafür.

Nur: Österreichs Neutralität hat Schaden gelitten durch eine österreichische Außenpolitik, die den Namen nicht verdient, die sich bei globalen Konflikten jeweils relativ einseitig positioniert.
Nicht nur in der Ukrainefrage – etwa wenn das Parlament Selenskyj zu einer seiner Propagandareden einlädt – oder wenn auf dem Gebäude des Bundeskanzleramts ausschließlich die israelische Fahne gehisst und nicht auch Empathie für das Leid der palästinensischen Bevölkerung symbolisiert wird –

All das ist freilich nicht ein formaler Verstoß gegen die immerwährende bewaffnete Neutralität, jedoch gegen den Geist der Neutralität gerichtet.

Sollte eine weitere Aushöhlung der Neutralität erfolgen oder gar ein NATO-Beitritt Österreichs Realität werden, wäre eine mediative und friedensstiftende Rolle Österreichs wie zu Zeiten Bruno Kreiskys jedenfalls endgültig verspielt.

Werden wir nicht müde, da klar dagegenzuhalten !

* Der Beitrag entspricht einer leicht gekürzten Textgrundlage für ein Referat, das Udo Bachmair bei einer Veranstaltung der „GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg“ am 13.3.2024 im Amerlinghaus in Wien gehalten hat

Hier die Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung :

Zitat der Woche

Israels Krieg gegen Gaza wütet weiter. Ungeachtet der Bemühungen sogar der Israelschutzmacht USA, das israelische Kriegsregime zum Einlenken zu bewegen. Besorgnis lässt sich ablesen auch aus einem (jüngst im KURIER entdeckten) Zitat, ausgewählt von

Udo Bachmair

„Die Entmenschlichung,
die Israel beim Massaker der Hamas erlebt hat,
kann kein Freibrief sein,
um selbst andere zu entmenschlichen“

sagt US-Außenminister Anthony Blinken zur Weigerung von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und dessen rechtsradikalen Ministerkollegen, die Lage in Gaza zu „beruhigen“.

Bekanntlich hat der Krieg Israels gegen Gaza bereits mehr als 27.000 Menschenleben gefordert, unter ihnen einen großen Anteil an Kindern. Mit der nun angekündigten militärischen Aggression im Raum Rafah ist ein weiterer hoher Blutzoll zu befürchten

Die Bemerkung Blinkens ist auch insofern bemerkenswert, als die USA bei den von der NATO geführten Angriffskriegen selbst ebenfalls kaum Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen haben.

Lautes Schweigen

Gaza in Schutt und Asche, unermessliches Leid der Zivilbevölkerung, mehr als 20.000 Todesopfer, unter ihnen zahlreiche Kinder: Politik und Medien lassen Mitgefühl und Kritik vermissen. Es herrscht „Lautes Schweigen“, wie es die deutsche Tageszeitung TAZ kürzlich auf den Punkt gebracht hat.

Udo Bachmair

Zu Israels brutaler Kriegsführung in Gaza fehlen Politikerinnen und Politikern offenbar die Worte. Im Gegensatz zum Ukraine-Krieg und zum Hamas-Massaker, zwei verurteilungswürdige Verbrechen, zu dem sich Medien und Politik zu recht empört äußern, herrscht zum Angriffskrieg gegen Gaza „lautes Schweigen“. Unter anderen drückten weder der deutsche noch der österreichische Bundespräsident in ihren Neujahrsansprachen Bedauern oder gar Kritik am israelischen Kriegsregime aus.

Das „laute Schweigen“ beklagt auf brillante und treffende Weise auch ein Kommentar der renommierten deutschen Tageszeitung TAZ*. Darin zitiert Autor Daniel Bax u.a. die US Agentur Associated Press. Sie spricht von einem Negativrekord sondergleichen. So gehöre die Aggression Israels im Gazastreifen schon jetzt „zu den tödlichsten und zerstörerischsten der jüngeren Geschichte“ In knapp drei Monaten habe Israels Armee mehr Zerstörung angerichtet als Assads Armee im syrischen Aleppo in den vier Jahren zwischen 2012 und 2016, Russlands Armee im ukrainischen Mariupol oder die US-geführte Koalition in ihrem dreijährigen Feldzug gegen den IS in Mossul und Rakka.

Der Kommentator der TAZ bezieht sich auch auf den US-Sender CNN. Fast die Hälfte der Bomben, die Israels Armee über Gaza abwerfe, seien sogenannte „dumme“, unpräzise Bomben, die viele Zivilisten töteten. Die New York Times berichtete, Israels Armee habe einige dieser „dummen“ 2.000-Pfund-Bomben über Gebieten abgeworfen, die sie vorher zu angeblich sicheren Schutzzonen für die Zivilbevölkerung erklärt habe, auch über Flüchtlingslagern.

Solche Recherchen sucht man in deutschen und österreichischen Leitmedien vergeblich. „Statt ihre Leserinnen und Leser zu informieren, missionieren sie. Als vierte Gewalt fallen sie aus“, lautet der TAZ-Befund.

Wie anders in anderen Teilen der Welt über Israels Kriegsführung gedacht wird, zeigt Südafrikas Vorstoß, das Land jetzt wegen „Völkermord“ vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen. Südafrikas 84-seitige Anklageschrift versucht zu belegen, dass es sich bei der massiven Zerstörung und den vielen Toten im Gazastreifen um das Ergebnis einer gezielten Strategie handle.

Dabei wäre ein sofortiger humanitärer Waffenstillstand ein Gebot der Stunde. Als einer von ganz wenigen Staaten stimmte Österreich in der UNO-Vollversammlung bekannterweise gegen eine Feuerpause. Eine Schande für einen neutralen Staat, der künftig nicht mehr mit einem Wohlwollen der internationalen Gemeinschaft rechnen kann, Ort internationaler Konferenzen zu sein.

Auch eine gemeinsame europäische Außenpolitik liegt in Trümmern, wie Jean Asselborn, Luxemburgs Ex-Außenminister beklagt. Er warnte daher schon vor einem Monat: „Die Geschichte wird uns das nicht verzeihen.“

Fest steht aber laut TAZ-Kommentator Daniel Bax schon jetzt, dass es im Gaza-Krieg „deutliche Anzeichen für massive Kriegsverbrechen gibt – nicht nur seitens der Hamas bei ihrem Massaker am 7. Oktober und ihren ständigen Raketenangriffen, sondern auch seitens der israelischen Armee, durch die kollektive Bestrafung und ihr Dauerbombardement der Zivilbevölkerung von Gaza.“ Selbst US-Präsident Joe Biden hat das israelische Kriegskabinett davor gewarnt, sich durch ihr „willkürliches Bombardement“ zu isolieren.

Doch sowohl Deutschland als auch Österreich bleiben ohne Wenn und Aber bei ihrer Unterstützung der rechtsradikalen Regierung Israels.

„Der Rest der Welt hört ihr lautes Schweigen und sieht ihr bewusstes Wegschauen. Er nimmt deutsche Politikerinnen und Politiker nicht mehr ernst, wenn sie von Menschenrechten sprechen“, so die Schlussfolgerung der TAZ-Analyse.

• Der gesamte Essay von TAZ-Redakteur Daniel Bax ist unter folgendem Link abrufbar:

https://taz.de/Israels-Krieg-in-Gaza/!5981361/

Eine empfehlenswerte Zeitschrift, für die die brutale Kriegsführung Israels ebenfalls kein Tabu ist, ist INTERNATIONAL:

www.international.or.at

Ein böser Krieg

Mit unverminderter Brutalität führt Israel den Krieg gegen Gaza weiter. Politik und Medien verurteilen zu Recht die israelischen Opfer des besonders verabscheuungswürdigen Massakers der Hamas vom 7. Oktober. Sie lassen hingegen Empathie für die unzähligen palästinensischen Opfer im Gazastreifen weitgehend vermissen. Umso bemerkenswerter ist ein in der israelischen Tageszeitung Haaretz erschienener Kommentar mit dem Titel „Kein israelischer Soldat hat sich geweigert, an diesem bösen Krieg teilzunehmen“. Autor ist der bekannte israelische Journalist

Gideon Lewy *

Niemand ist aufgestanden. Soweit bekannt, wurde in der israelischen Armee seit Ausbruch des Krieges kein einziger Fall von Ungehorsam registriert, mit Ausnahme eines jungen Mannes vor seiner Rekrutierung.

Die Piloten bombardieren, wie sie noch nie bombardiert haben, die Betreiber von Drohnen töten per Fernsteuerung in nie gekanntem Ausmaß, die Artilleristen schießen mehr denn je, die Betreiber von schwerem technischem Gerät zerstören, wie sie noch nie zerstört haben, und sogar die Gefängniswärter misshandeln Gefangene, wie sie noch nie misshandelt haben – und niemand ist aufgestanden.

Unter den Hunderttausenden von Reserve- und Berufsoffizieren – lassen wir die regulären Soldaten aufgrund ihres Alters, ihres Status und ihrer Gehirnwäsche einmal außen vor – gibt es nicht einen einzigen Soldaten oder Offizier, Piloten oder Artilleristen, Fallschirmjäger, der gesagt hat: Das ist weit genug. Ich bin nicht bereit, weiterhin an dem Gemetzel teilzunehmen, nicht bereit, Partner bei der Verursachung des unmenschlichen Leids zu sein. Es ist auch kein einziger Gefängniswärter aufgestanden, um die Wahrheit darüber zu sagen, was zwischen den Sicherheitsgefängnissen Sde Teiman und Megiddo geschieht, und die Handschellen auf den Tisch zu legen.

Auf den ersten Blick sollte die Streitkräfte mit einem völlig einvernehmlichen Krieg zufrieden sein, ohne Hintergrundgeräusche. Aber das völlige Fehlen von Ungehorsam sollte uns zu denken geben; es deutet eher auf automatischen Gehorsam als auf gute Bürgerrechte hin. Ein derart brutaler Krieg, der noch keine Zweifel bei den Kombattanten hervorgerufen hat, zeugt von moralischer Blindheit. Die Piloten und Drohnenbetreiber sind eine Sache, sie sehen ihre Opfer als winzige Punkte auf einem Bildschirm. Aber die Soldaten und Offiziere in Gaza sehen, was wir getan haben. Die meisten von ihnen sind Reservisten, Eltern von Kindern.

Sie sehen mehr als eine Million Menschen, die in Rafah zusammengedrängt sind und alles verloren haben. Sie sehen die Leichen auf den Straßen, die Überreste des Lebens in den Ruinen, die Puppen der Kinder und ihre Betten, die zerfetzten Lumpen und die kaputten Möbel. Sind alle Soldaten der Meinung, dass die Hamas schuld ist, dass ganz Gaza zur Hamas gehört, dass sie all das verdient hat und dass dies Israel nützt?

Die Armee verwüstet eine ganze Region mitsamt ihren Bewohnern, und das stört das Gewissen unserer Streitkräfte nicht. Die Zumutbarkeitsklausel beunruhigt einige von ihnen mehr. Wo sind jetzt die 10.000 Soldaten, die wegen Benjamin Netanjahu und Yariv Levin mit Ungehorsam gedroht haben?

Sie sind damit beschäftigt, den Gazastreifen zu bombardieren, ihn platt zu machen, zu zerstören und seine Bewohner wahllos zu töten, darunter Tausende von Kindern. Wie konnte es dazu kommen, dass die Bombardierung des Hauses von Salah Shehadeh, bei der 14 Bewohner, darunter 11 Kinder, getötet wurden, zu dem „Pilotenbrief“ führte, in dem 27 Piloten erklärten, dass sie sich weigern würden, an Angriffsmissionen teilzunehmen – und jetzt, nicht einmal eine Postkarte von einem einzigen Piloten? Was ist seit 2003 mit unseren Piloten geschehen, und was ist mit den Soldaten?

Die Antwort ist scheinbar klar. Israel sagt, dass es nach dem Horror vom 7. Oktober alles tun darf, und dass alles, was es tut, würdig, moralisch und legal ist. Ungehorsam während des Krieges ist ein viel drastischerer Schritt als Ungehorsam in der Ausbildung und grenzt sogar an Verrat. Es könnte den Brüdern im Kampf schaden. Aber das völlige Fehlen von Ungehorsam nach etwa 90 Tagen böser Kriegsführung ist nichts, worüber man sich freuen kann. Es ist nicht gut. Vielleicht werden es in ein paar Jahren einige Leute bereuen. Vielleicht werden sich einige dafür schämen.

* Der Beitrag von Gideon Lewy ist (leicht gekürzt) der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 3.1.2024 entnommen. Den Text des Autors hat uns Adalbert Krims übermittelt. Die Einleitung stammt von Udo Bachmair.

Ukraine und Gaza : Beendet das Töten!

Gerade im Krieg zeigt sich, wie auch bei Intellektuellen in Wirklichkeit der Bauch regiert. Die vermeintliche Unmöglichkeit von Verhandlungen ist bloß Scheinrationalität.

Wolfgang Koppler *

In der gestrigen ORF- Nachrichtensendung ZiB2 wieder einmal ein Interview mit einem Experten zum Ukrainekrieg. Diesmal war es Stefan Lehne von Carnegie Europe, dem Brüsseler Ableger eines US-Thinktanks. Zuständig für EU-Außenpolitik wurde er zum jüngsten EU-Rat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine befragt. Angesichts der festgefahrenen Situation erkundigte sich Moderator Thür nach der Möglichkeit einer Friedenslösung- Putin wolle nicht, meint Lehne, „Sie haben ihn doch gerade im Beitrag gehört, es gibt keine Vermittlung“.

Was man im zuvor geschalteten Beitrag über eine Pressekonferenz Putins gehört hatte, war, dass dieser eine Neutralität und eine Entnazifizierung der Ukraine gefordert hatte. Ersteres wurde bereits im Frühjahr letzten Jahres verhandelt und „Denazifizierung“ ist eine mehr oder weniger stehende Redewendung Putins, die damals auch kein Hindernis für Verhandlungen war. Zudem gab es in den letzten Monate mehrere Signale seitens Putins, die auf Gesprächsbereitschaft hindeuten.

Wie schal und wenig stichhaltig die Behauptung von der Aussichtslosigkeit oder gar Unmöglichkeit von Verhandlungen ist, zeigt ein Artikel in Deutschlandfunk.de vom Februar heurigen Jahres unter dem Titel „Lässt sich der Frieden mit Russland verhandeln“. Als Argumente dient eigentlich nur die Behauptung, dass die die Ukraine „mit dem Rücken zur Wand und ihre Existenz als Staat auf dem Spiel“ stehe“ und der Verweis auf Kriegsverbrechen. In der Folge werden dann nur mehr die Ansichten und Befürchtungen der Kriegsparteien angeführt.

Weshalb die Existenz der Ukraine derzeit wirklich gefährdet sein soll, ist mir nicht ganz einsichtig. Vor allem aber stellt sich die Frage, weshalb ein Waffenstillstand und Verhandlungen die Ukraine mehr gefährden sollten als die Weiterführung des Krieges. Das Argument der Militärs, dass sich dann die russische Armee neu aufstellen bzw. erholen und ihre Position verbessern könne, gilt genauso für die Ukrainer. Weitere militärische Abenteuer sind angesichts der Schwächung Russlands ziemlich unwahrscheinlich. Und was Kriegsverbrechen betrifft, so ist dies ein rein emotionales „Argument“, zumal seit den Verbrechen von Butscha auf beiden Seiten Hunderttausende gestorben, verwundet und verstümmelt worden sind und auch Menschen in anderen Ländern unter diesem Krieg leiden. Reicht das Politik und Medien immer noch nicht ? Während hunderte Milliarden in diesen Krieg fließen, die im Klimaschutz und in der Entwicklungszusammenarbeit fehlen.

Und was die Angst vor einem Nachlassen der Unterstützung im Westen betrifft: Der derzeitige Abnützungskrieg schafft viel mehr Kriegsmüdigkeit und Unwillen als die Bereitschaft zu kreativen Lösungen. Die ja bis zur Befreiung von Kiew sehr wohl bestanden hat. Da wurde sogar während des Krieges verhandelt. Etwa über ein Neutralität mit Sicherheitsgarantien. Bis die ukrainische Führung die Verhandlungen abbrach.

Aber jetzt wäre es an der Zeit, das Töten zu beenden. Ob im Ukrainekrieg oder im Gazastreifen. Und die Scheinrationalität.
Warum sind Biden und Blinken im Fall des Ukrainekriegs so blind ?

Not in our names.

https://www.deutschlandfunk.de/verhandlungen-ukraine-russland-100.html

* Mag. Wolfgang lebt als Journalist und Jurist in Wien.

Journalistische Sprachregelung

„Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt. Zur internen Nutzung“ ist der Titel eines dem „Nachdenkseiten“-Autor Albrecht Müller vorliegenden Papier der ARD. Ein Papier voll mit Sprachregelungen für Journalistinnen und Journalistinnen der deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalt. Ein demokratie- und medienpolitischer Skandal, so die Kritik.

Albrecht Müller *

Damit Sie dieses Papier schnell in Händen haben, verzichte ich auf eine ausführliche Wiedergabe. Auf Kommentierung kann ich verzichten. Die Texte sprechen für sich selbst und gegen das Demokratieverständnis der ARD:

Auf den Seiten 3 und 4 lesen wir das Folgende:

Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt (zur internen Nutzung)

Wie macht es die Tagesschau? (E-Mail-Auszüge)

„(…) nach unserem Austausch in der 10:30 Uhr heute noch mal ein Blick auf die Formulierungen in der Berichterstattung über Nahost. Wie bereits gestern geschrieben, müssen wir das von Tag zu Tag anschauen, beispielsweise ob und wie wir das Wort „Krieg“ verwenden. Heute gibt es diese Hinweise und Bitten:

Wir sprechen weiterhin von „Angriff/en aus Gaza auf Israel“ oder „Terrorangriff/e auf Israel“. Es kann aber auch „Krieg gegen Israel“ verwendet werden.

Was unbedingt vermieden werden muss, sind Worte wie „Gewaltspirale“ – und auch „Eskalation in Nahost“ beschreibt die aktuelle Lage seit Samstag nicht ausreichend. Die Situation ist komplexer.

Bitte passt auch auf wie wir das Wort „Angriff“ genau verwenden: In dieser Situation sind es „Gegenangriffe von Israel auf Gaza“. Es ist verkürzt zu sagen oder schreiben „Angriffe auf Israel und Gaza“.“

(…)

„Als Reminder zudem die Rundmail von gestern:

Unsere AG Sprache beschäftigt sich in diesen Tagen noch mal intensiv mit Begriffen und Beschreibungen zur Nahost-Berichterstattung. Bitte alle, die bei uns schreiben und oder moderieren einmal die Beispiele unten durchlesen. Damit vermeiden wir Missverständnisse oder Fehler. Außerdem bei Übernahme von Agenturtexten bitte genau überlegen, ob die Formulierungen von dpa und Co. korrekt sind. Die Kolleginnen und Kollegen machen auch nicht immer alles richtig…“

(…)

„Hamas-„Kämpfer“ bitte vermeiden!

Wie bereits von der Chefredaktion festgelegt, sollten wir nicht euphemistisch von Hamas-„Kämpfern“, sondern von Terroristen schreiben und sprechen. Als Synonyme bieten sich „militante Islamisten“, „militante Palästinenser“. „Terrormiliz“ oder ähnliches an.

Die antisemitische Hamas wird international weitgehend als terroristische Organisation eingestuft.

Auch unterscheidet die Hamas – im Gegensatz zur israelischen Armee – in ihren Aktionen nicht zwischen militärischen Zielen und Zivilisten. Erklärtes Ziel der Hamas ist vielmehr die „Vernichtung Israels“. Dazu bedient sie sich terroristischer Mittel, etwa durch das Verüben von Anschlägen, wahllosen Raketenbeschuss und ähnliches.

Gleiches gilt für Mitglieder des „Islamischen Dschihad“, die an dem Hamas-Angriff beteiligt sind.

((Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt (zur internen Nutzung)))

Radikaler Islam, Islamismus, militanter Islamismus

Die Hamas ist klar islamistisch ausgerichtet – ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen Staates.

Dieses Ziel teilen aber auch islamistische Organisationen, die nicht auf Terror setzen – etwa die Muslimbrüder in Ägypten oder die Ennahda-Partei in Tunesien. Die Hamas dagegen will dieses Ziel mit Gewalt durchsetzen. Wir empfehlen daher die Begriffe „militant-islamistisch“ oder „militante Islamisten“. Den Begriff Islamisten solo zu setzen, ist aber nicht falsch.

Bitte die „Gewaltspirale“ vermeiden

Die Floskel sagt wenig aus und geht in der Regel an den Realitäten vorbei. Im aktuellen Fall hat die Hamas Israel überraschend angegriffen – wir sollten daher auch vom „Hamas-Angriff auf Israel“ oder vom „Angriff auf Israel“ sprechen und schreiben.

Aktion und Reaktion

Mit der mutmaßlichen harten Reaktion der israelischen Armee wird sich in den kommenden Tagen der Fokus und damit auch unsere Berichterstattung auf den Gazastreifen und das Leid der dortigen Bevölkerung verschieben. Wir sollten dabei aber nicht ausblenden, dass die Hamas den aktuellen Konflikt begonnen hat.

Wer greift was an?

Die israelische Armee fliegt als Reaktion Angriffe im Gaza-Streifen. Ziele waren in der Vergangenheit stets militärische Einrichtungen der Hamas. Oft sterben dabei viele Zivilisten – die Hamas nutzt diese oft als menschliche Schutzschilde. Dennoch sollten wir stets klarmachen, dass es sich in der Regel um Angriffe auf militärische Ziele handelt.

In diesem Zusammenhang sollten wir auch auf die immer wieder auftauchenden euphemistischen „Luftschläge“ verzichten. Es handelt sich um Angriffe mit Raketen und Kampfjets.

*Albrecht Müller ist ein deutscher Volkswirt, Publizist und ehemaliger Politiker (SPD).

Der Beitrag ist der kritischen Website „Nachdenkseiten“ entnommen: https://www.nachdenkseiten.de/?p=105894

Zusatzbemerkung von Ex-ORF-Redakteur Udo Bachmair, hauptverantwortlich für die Vereinigung für Medienkultur:

Ob es eine interne schriftliche Sprachregelung auch für (laut Redaktionsstatut) „eigenverantwortliche“ ORF-Redakteure gibt, ist nicht bekannt. Das wäre wahrscheinlich nicht nötig, denn viele ORF-JournalistInnen scheinen ohnehin im Sinne des Mainstreams in der Nahost- und auch der Ukrainekriegsberichterstattung zu „funktionieren“…