Schlagwort-Archive: Globalisierung

Risiken der Weltgesellschaft

Hans Högl. Hinweis auf das Buch von Ulrich Beck: Risikogesellschaft (1986)

Es macht perplex, wie hellsichtig der Soziologe Ulrich Beck 1986 auch die Schattenseiten der Globalisierung für die Weltgesellschaft sieht: die Gefahren der atomaren Rüstung und die ökologischen. Sinngemäß betrifft dies auch weltweite Gefahren durch gefährliche Viren.

Ulrich Beck: „Die Potenzierung der Risiken lässt die Weltgesellschaft zur einer Gefahrengemeinde schrumpfen“.
„Der Machtgewinn des technisch-ökonomischen Fortschritts wird immer mehr überschattet durch die Produktion von Risiken.“Diese lassen sich nur in einem frühen Stadium als latente Nebenwirkungen legitimieren. Die Risikoproduktion lässt sich nicht mehr lokal und gruppenspezifisch beschränken, sondern enthält eine Globalisierungstendenz.

Warnung vor Übertreibung bei Globalisierung

Kevin O`Rourke,  Prof. Univ.Oxford

Hier fasse ich zentrale die Passagen eines  außergewöhnlichen Interviews  dieses  irischen Prof. für Wirtschaftsgeschichte zusammen (Hans Högl).

Frage: Wie erklären Sie den Unmut der Wähler für die globale wirtschaftliche Integration? Beispiele sind der Brexit-Entscheid  und die Wahl von Trump: „Es wäre sonderbar, wenn wir den Unmut nicht hätten.So stagnieren in den USA die Löhne der Mittelklasse seit bald vier Jahrzehnten, während die wirtschaftliche Ungleichheit wächst.“ Diese Entwicklung  kann durch die Öffnung der Schwellenländer (wie China) erklärt werden  und durch die Bevorzugung der Banken (Bankenkrise).

Warum manifestiert sich die Unzufriedenheit besonders in den USA und Großbritannien? Anwort: In diesen Ländern hat sich das Pendel am stärksten zum Markt und weg vom Staat bewegt. Die sozialen Netze wurden immer löchriger…Es wäre wichtig, das zu sichern, was wir haben. Nicht noch mehr Privatisierung nicht noch weniger Steuern der globalen Konzerne.

„Wenn man fordert, es brauche eine Politik völlig offener Grenzen in Europa, birgt dies die Gefahr, bei faschistischen Regierungen zu enden. ..Wer die Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen und  Asylbewerbern erfüllen will, darf bei der Migrationspolitik nicht utopisch werden. Es gilt politische Sensibilität zu zeigen. Das können aber Ökonomen aber oft nicht besonders gut.“

Ferner kritisiert der Autor folgende  Auffassung: Höhere Gewinne  durch die Globalisierung seien am Schluss für alle besser. Das ist der Irrtum des sogenannten  Kaldor Hicks Kriterium. „Jeder Ökonomiestudent sollte verpflichtet sein, zehn mal vor dem Zubettgehen zu sagen: Kaldor Hicks is not a fix“. Dieses Kriterium trifft am ehesten in skandinavischen Ländern mit hohen progressiven Steuern zu,  wo auch soziale Absicherung gegeben ist (NZZ, 2017-11-22).

 

 

 

 

 

US-Hintergrund-Analyse in ORF-Reportagen

Hans H ö g l

Am Tag der Präsidentschaftswahl in den USA wurde in ORF 2 Hannelore Veits Reportage über Brennpunkte in den USA ausgestrahlt. Das ORF- Team begab sich an den Mississippi, wo Afro-Amerikaner ihre Situation in einer  Runde bewerteten und fanden, auch mit Barack Obama habe sich für sie kaum etwas geändert. Auch die Betroffenheit der Hispanics über die haltlosen Vorwürfe von Donald Trump kam zum Ausdruck.

Und dem Publikum wurde gezeigt, worin die Unzufriedenheit in breiten Kreisen der USA wurzelt. Auf die Frage, was die Leute am meisten stört, ist zu hören: „Nichts funktioniert, die Straßen, die Brücken sind kaputt, die öffentliche Versorgung ist mangelhaft, unter der veralteten Infrastruktur des Landes leidet am meisten die schwächste Bevölkerung, die Menschen die keine Lobby haben.

Arbeiter im Kohlenabbau sind überaus unzufrieden, sprachen sich offen für Trump aus. Auch mir sagte heute ein österreichischer Maurerpolier: Ich versteh` nicht, was die Leute gegen Trump haben. Leute dieser Schicht stoßen sich nicht an der unglaublich derben Wortwahl von Donald Trump. Und es interessiert sie nicht das Problem, wie ein Mann aus Ohio in einem Ö-1 Journal sagte, dass in Washington diskutiert wird, wo ein Transsexueller auf die Toilette gehen soll. Das sind Probleme, die in abgehobenen Journalistenkreisen aufgegriffen werden.

In einer anderen Reportage von Hannelore Veit kam das verseuchte Trinkwasser in der Stadt Flint in den Blick, es sah gelb wie Hühnersuppe aus, wie eine Interviewte sagte. Die Leute bekamen Ausschläge. Die Behörden betonten aber, das Wasser wäre gefahrlos zu trinken. Gezeigt wurde eine Pastorin, die in ihrer Gemeinde ein großes Lager an Wasser-Plastikflaschen für die Menschen anlegte. Auch hier ein ungewohntes Bild – anders als die Klischees um die Evangelikalen. Als General Motors in Flint die Produktion ins Ausland verlagerte, hat sich die Einwohnerzahl von Flint halbiert. Dies sind Andeutungen dafür, dass 40 Millionen Amerikaner unter der Armutsgrenze leben.

Wir wollen nicht weiter ins Detail gehen. In der Neuen Zürcher konnte bereits vor Wochen gelesen werden von der großen Unzufriedenheit in den weißen Unter- und Mittelschichten, von den  weißen Arbeitern, die Donald Trump anzusprechen imstande ist (NZZ, 31.Oktober 2016). Gratulation dem ORF und insbesondere dem Team um Hannelore Veit. Es war ein journalistischer Höhepunkt. Und es war, als hätte H. Veits Team etwas erahnt von einem möglichen Sieg Donald Trumps. Michael Moore nannte schon früh mehrere Argumente, die für einen Sieg Trumps sprachen.

 

 

 

Van der Bellen. Übersehenes in Medien

Hans H ö g l

Aus rund 100 Stunden Gespräch im Wiener Café Ritter entstand das Buch: Van der Bellen, Die Kunst der Freiheit. Darin  ist weithin Unbekanntes zu erfahren und davon nun in Kurzform.

In der Zeit  Peter des Großen kamen niederländische Vorfahren von VdB nach Russland.  Um 1917 kämpften Verwandte seiner Familie auf Seite der bürgerlichen Weißen gegen die Bolschewiken. VdB wuchs als Kind estnisch-russischer Flüchtlinge im Kaunertal in Tirol auf. Sein Vater war Russe, die Mutter Estin.   VdB:  Mein  Vater und meine Mutter stimmten im Anti-Stalinismus überein. Ich sollte als Kind unbedingt den Weg in Innsbruck am sowjetischen Konsulat vorbei meiden – zu gefährlich (p. 36).

„Meine Eltern waren beide evangelisch. Wir sind höchstens zu Weihnachten in die Kirche gegangen“(p. 18) – und zwar nach Innsbruck. „Den Grund für meinen Kirchenaustritt erachte ich heute nicht als hinreichend“.

Der  Vater handelte  mit Import-Export-Waren. VdB habilitierte sich 1975 im Fach Finanzwissenschaft  und lehrte in Innsbruck und in Wien. Nun zum politischen Werdegang: Das erste Mal wählte er die ÖVP (p. 27) und in den Kreisky-Jahren die SPÖ. Er leitete eine Studie über die Rüstungindustrie  Österreichs und deren (geringe) Chancen.  Der junge Peter Pilz hatte ihn als Student dazu angeregt. Die Studie erweckte Unwillen in den Großparteien.

Bei den Protesten in Hainburg nahm VdB  nicht direkt teil, verfolgte diese  mit Interesse, für die Grünen zog er 1994 in den Nationalrat ein. Er war schon EU-Befürworter, als  die Grünen noch Gegner waren. VdB kritisiert  heute die Praxis des Europäischen Rates, also die Regierungschefs, die gelegentlich zusammenkommen und nicht immer effizient entscheiden.  VdB zeigt Sympathie für die Grünliberalen in der Schweiz, diese haben eine  Schnittmenge von liberalen und Umweltthemen.

VdB ist nicht einfachhin gegen Globalisierung (p.107), denn der Wirtschaftsaustausch über Staatsgrenzen hinweg hat hunderte Millionen Menschen aus der Armut befreit (p.107). Den TTIP-Kritikern stimmt er teilweise zu: „Private Schiedsgerichte entziehen sich auf gefährliche Art und Weise der öffentlichen Kontrolle“ (p. 109).

Im Buch wird deutlich, dass ihn die Frage Freiheit und Loyalität intensiv beschäftigt, und er kennt Bücher von Thomas Mann und Musil.  VdB schätzt die Kurse der Katholischen Sozialakademie (KSÖ) und wundert sich über taktlose Religionskritik eines NEOS-Mannes, und zwar über die Anbetung der Gottheit eines „fliegenden Spaghetti-Monsters“. Das lässt „ein Mindestgefühl an Takt vermissen“ (p.60).

Der Wirtschaftsprofessor hat nie den Opernball besucht. Die Neue Zürcher schrieb:  VdB  war nie ein typischer Grüner, er vertrat immer wieder von der Parteilinie abweichende Standpunkte (so befürwortet er Studiengebühren p.42), und er war wegen seiner professoralen Intellektualität auch für Bürgerliche wählbar.

NB:  Wir von der Medienkultur verfassen dies alles ehrenamtlich und ohne finanziellen Gewinn.  Einige von uns verfügen als Menschen über 60 plus über mehr Zeit. So habe ich das gesamte Buch von Anfang bis zum Ende gelesen. Seien Sie versichert- diese Sorgfalt finden Sie nicht überall in Medien….