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R. Coudenhove-Kalergi -Buchtipp

Prof. Dr. Walter Göhring, Wien

Am 27. Juli vor 44 Jahren ist Richard Coudenhove-Kalergi (1894-1972) in Schruns in  Vorarlberg verstorben. Er ist eine der mutigsten und interessantesten Persönlichkeiten, die zwei Weltkriege erlebt hat.Trotz Verfolgung und Angriffen ist er seiner Idee, als Visionär und Aktivist zu einem Wegbereiter der Europäischen Union zu werden, stets treu geblieben. Meine soeben erschienene Publikation ist eine Aufarbeitung der Gesamtprozess dieser Entwicklung des 20.Jahrhunderts.

Unbelastet vom Sog der Gedankenwelt der Nachkriegszeit des 1.Weltkrieges sowie der Unreife der jungen Demokratien beginnt Coudenhove optimistisch sowohl lösungsorientiert seinen oft einsamen Weg um ein geeintes friedliches Paneuropa. Weder die Angriffe auf ihn durch die Nationalsozialisten, noch die Abwendung Mussolinis von ihm können ihn von diesem Ziel abhalten. 1938 muss er in Begleitung seiner Frau  in die Schweiz und von dort in die USA emigrieren. 1946 nach Europa zurückgekehrt muss er praktisch von neuem anfangen, Widerstände und Intrigen durchstehen. Auch geht es jetzt um das Problem des zweigeteilten Europa.

Seine Botschaft lautet: Paneuropa ist Ganzeuropa (gelegentlich auch Großeuropa bezeichnet) mit einer gemeinsamen Währung, einer gemeinsamen Militärorganisation, einer gemeinsamen Außengrenze und einer gemeinsamen Wirtschaftsstruktur usw.

Codenhoves Ringen um Mitgestaltung, aktives Suchen nach Gleichgesinnten, denen er zuarbeiten kann, sind deutliche Kennzeichen, eines Denkers, der auch immer wieder strategisch aktiv wird. Exemplarische Beispiele dafür sind: Sich hoch aktiv in der Frage um die Aussöhnung von Deutschland und Frankreich als Kernpunkt für den wichtigsten Schritt Richtung EU einzubringen. Darin dokumentiert sich auch das Vertrauensverhältnis mit General De Gaulle, das sich bis zu einer Freundschaft entwickelt.  Seine Idee und deren Umsetzung zur Installierung der Parlamentarier Union und damit die Öffnung der Schiene zum Europarat, sowie mit seiner Einbringung in die Weiterentwicklung ist er Spurenleger für viele Parlamentarier oder Staatsmänner geworden. Viele Politiker, wie De Gaulle, Kreisky seit seiner Jugend und Helmut Kohl bekennen sich auch dazu.

Der Zündstoff, den er mit seinem Paneuropa – Memorandum 1926 im Zusammenhang mit dem 1. Wiener Paneuropa Kongress in die Breite streute und 1966, der neuen Zeit entsprechend weiter entwickelt hat, sind vielfach einfach übernommen worden. Die Kette geht weiter über die Frage Sowjetunion, Initiative für die Europahymne, die Europa Fahne bis knapp vor seinem Tod zu dem Handschlag zwischen Bruno Kreisky und Otto Habsburg und damit dem Ende der Unruhen 1972.

Allein die hier dargestellten Blitzlichter erhellen schon, was Coudenhove für die Zukunft, wohl wissend, dass er das angestrebte Ziel nicht erreichen können wird, und wie es einer seiner „Schüler“ umschreibt, dass es ihnen gelungen ist, Coudenhoves Vorgabe, mit der Gründung der Europäischen Union zu erfüllen. 1972, kurz nach der Wiener Tagung stirbt Richard Coudenhove – Kalergi.

 Walter Göhring,  Zeithistoriker, habilitiert an der Universität Warschau, Leitung und Aufbau diverser pädagogischer und historischer Institutionen in Österreich, seit 2006 freier Journalist. Buchtipp: Richard Coudenhove-Kalergi-Ein Leben für Paneuropa,Verlag Kremayr & Scheriau. Schautafeln für Schulen

Neues Buch über Visionär Europas: Richard Coudenhove-Kalergi

H a n s   H ö g l

Das neue Buch von Walter Göhring über Richard Coudenhove-Kalergi stellt diesen ins Zentrum. Er widmete dem Thema Europa 50 Jahre seines Lebens. Doch davon verliert die EU-Broschüre Die Gründerväter der EU kein Wort. Dagegen hebt Walter Göhring über Richard Coudenhove-Kalergi (=RCK) hervor: „Diesem stillen und zähen Wirken RCKs während der Kriegsjahre 1940 – 1945 ist es größtenteils zu danken, dass die leitenden Staatsmänner Amerikas sowie dessen öffentliche Meinung vertraut wurden mit dem Wesen und Zielen der Paneuropa-Idee“ (p. 146).

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte RCKs Paneuropa-Idee eine Renaissance. 1947 gründete er die Europäische Parlamentarier-Union (EPU), deren Generalsekretär er wurde. Der Kongress in Gstaad 1947, organisiert von RCK, wird „zur Initialzündung zur Gründung der Europäischen Union“, und die Ideen dieser Pioniere finden sich bei der Gründung des Europarates 1949 wieder (p. 155 ff.). 1949 konnte die EPU die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung durchsetzen – der europäische Parlamentarismus war geboren.

RCK bahnte die Begegnung von de Gaulle und Adenauer in Reims an und inspirierte so den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1963 (p. 1 u. 192 f.), und RCK wurde als einziger  Nicht-Politiker zu den Versöhnungsfeierlichkeiten in Reims eingeladen.

Auch EU-Symbole regte RCK an: als Europahymne die „Ode an die Freude“ aus Beethovens IX. Symphonie) (p. 185) und die Europafahne mit 12 Sternen auf blauem Hintergrund (p. 187). Zwischen 1960 -1968 gibt es einen Aktivitäten-Marathon RCKS. Alleine wegen dieser Fakten hätte es RCK verdient, in die genannte EU- Broschüre aufgenommen zu werden.

Walter Göhring hebt hervor, wie sein Friedenspublizist Alfred Hermann Fried den jungen RCK beeinflusste: „Das Lehrbuch für ihn (RCK), mit dem er sich genauestens auseinandergesetzt hat, ist Alfred Hermann Frieds Panamerika.“ Zu breit geriet dem Autor die Verwurzelung von RCK im Freimaurertum.

Zur Unparteilichkeit der Paneuropäischen Union: Der Autor zeigt den Bezug von Österreichs Sozialdemokraten zur Paneuropäischen Union auf, so war der junge Bruno Kreisky ein frühes Mitglied. Dargelegt werden auch Bezüge von RKC zu Seipel (p.76 ff.). Und es ist Dollfuß, der die Amtswohnung des Bundeskanzlers in der Hofburg der Paneuropäischen Union zur Verfügung stellt (p. 83). RCK durchschaut anfangs nicht klar die schrittweise Umsetzung von Hitlers Konzept der „Lebensraumerweiterung“ (p. 127).

Die Kriegsjahre verbringt RCK überwiegend in den USA. Historisch bedeutend sind die Phasen nach dem 2. Weltkrieg mit intensiver, internationaler Hintergrundarbeit und unermüdlichem Wirken von RCK. Auch dem großen Beitrag der Frauen im Umfeld von RCK wird Aufmerksamkeit geschenkt.

In das Werk schlichen sich einige Fehler und Verwechslungen ein, so bei den Bildunterschriften und bei den Frauen, die im Leben von RCK von Bedeutung sind. Heinrich Drimmel legte 1967 seine Tätigkeit bei Paneuropa zurück. Dafür werden unterschiedliche Gründe angegeben: Zum einen seien es Ereignisse, die insbesondere mit Karl Renner zu tun (p. 199) hatten, zum anderen sei es „wegen Otto Habsburg“ (p. 212) gewesen.  Unklar ist, warum der Autor dem Projekt „Groß-Europa“ von Herbert Kraus (p. 254-264) so breite Aufmerksamkeit schenkt.

Den Dank für die überaus intensive Mitarbeit des Zeitzeugen und Vertrauten von RCK, nämlich Lacy Milkovics, drückt der Autor sehr knapp schriftlich aus (p. 270). Es fehlt dessen Erwähnung im Namensregister, und es irritierte die fehlende Begrüßung bei der Buchpräsentation. Auch der Coudenhove-Festakt 2013 im Haus des Europäischen Parlaments, initiiert von der Vereinigung für Medienkultur, wurde nicht erwähnt (Vgl. Science@orf.at   23.10.2013). Dieser motivierte den Autor, sich auch mit RCK zu beschäftigen – abgesehen von Alfred Fried.

Nicht erwähnt wird, dass Jörg Haider einige Jahre Vize-Präsident der Paneuropäischen Union war.

Aufschlussreich sind im Werk die Kästchen, in denen Positionen von Parteien und Personen zur Paneuropa-Idee gegenübergestellt werden (p. 104), und recht übersichtlich sind die unterschiedlichen Perspektiven auf ein neues Europa in der Mitte der 1950er Jahre – von RCK, Charles de Gaulle und von Schuman, Spaak, Monnet (182). Alles in Allem rückt das Werk RCK  wieder in den Blick, und dies in einem angenehm flüssigen Stil.

RCK war Europäer par excellence: Altösterreicher von Geburt, dann tschechischer Staatsbürger (er bekam von Präsident Masaryk einen Diplomatenpass) und wurde Franzose und erhielt eine Pension im Range eines Botschafters, stillschweigend veranlasst durch Präsident De Gaulle.

Göhrings Buch bietet eine Reihe neuer Erkenntnisse, und das Werk ist eine zeitgeschichtliche Fundgrube. Walter Göhring ist Historiker, Publizist und Erwachsenbildner, und es entstanden parallel zum Buch pädagogisch wertvolle Ausstellungstafeln.

Walter Göhríng: Richard Coudenhove-Kalergi. Ein Leben für Paneuropa (Wien 2016, Verlag Kremayr & Scheriau). Quellenangaben und Namensregister, 288 Seiten.

Neues Buch über Richard Coudenhove-Kalergi. Replik zur Präsentation

Hans   H ö g l

Das  in der Diplomatischen Akademie präsentierte Buch hat den Titel:  Walter Göhring:  Richard Coudenhove-Kalergi. Ein Leben für Paneuropa, Wien 2016. Verlag Kremayr-Scheriau. 288 Seiten mit Literaturverzeichnis und Namensregister.

Über 100 Personen  kamen gestern zur Buchpräsentation. Leider  sprachen eine Reihe von  Vorrednern derart,  dass nicht primär die epochalen Ideen von  Richard Coudenhove-Kalergi  im Vordergrund standen. Ersparen wir  uns weitere Kommentare.

Wichtig war in der Diskussion der Hinweis  von Lacy Milcovics, dem langjährigen Sekretär und Vertrauten von Richard Coudenhove-Kalergi, dass weder auf Plätzen in Wien  noch  in Orten der Bundesländer  an  Coudenhove erinnert wird. NB. Lacy Milkovics wurde rund 25 mal vom  Autor zu Gesprächen aufgesucht. Es wäre angebracht gewesen, dies deutlich  hervorzuheben.

Das Podiumsgespräch war fast so etwas wie ein Abgesang auf die EU. Zu erinnern ist, dass Prozesse dieser epochalen Einigung sich nicht nur über Jahrzehnte hinziehen, sondern längere Zeiträume erfordern –  wie auch in den Vereinigten Staaten. Das scheint  diversen Redaktionen nicht bewusst zu sein. Ferner  ist einzuwenden, dass auch in den USA für die Bürger/innen ihr eigener Bundesstaat der wesentliche Bezugspunkt ist, sagen wir Ohio, und nicht das ferne Washington. Das gilt auch für die Europäer in Hinblick auf Brüssel.  Davon schreibt schon Tocqueville in seinem Klassiker über die Demokratie in Amerika.

In einem persönlichen Gespräch regte ich einem maßgeblichen ORF-Journalisten gegenüber an, dass bei den künftigen Auflistungen von Olympia-Sportmedaillen nicht nur die europäischen Länder separat  als Nationen  aufgelistet   werden sollten, sondern der Medaillen-Spiegel von der gesamten EU jenem von den  USA und Russland und China gegenübergestellt werden müsste – im Sinne eines starken Europas.