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Diplomatie mehr denn je gefordert

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist wie viele andere Kriege auch ein Informationskrieg. Propaganda für die eine oder andere Seite überwiegt je nach Standpunkt und Interessenslage. Westliche Politik und Medien haben sich nach jahrzehntelanger antirussischer Feindbildpflege konsequenterweise voll auf die Seite Kiews geschlagen und plädieren mehrheitlich für die Lieferung immer schwererer Waffen. Dabei überbieten sie einander an Kriegsrhetorik. Friedensrhetorik ist kaum zu vernehmen. Vor diesem Hintergrund ist bzw. wäre eine differenzierte und deeskalierende Annäherung an diese komplexe Causa höchst nötig und sinnvoll. Ein eher positives Beispiel dafür hat nun die Politikwissenschafterin Nina Chruschtschowa geliefert. Sie war jüngst Interview-Gast in der ZiB 2
(Einleitungstext Udo Bachmair)

Wolfgang Koppler *

Nina, Chruschtschowa, die Enkelin von Nikita Chruschtschow, die seit den 90-er Jahren in der USA lebt und zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nach Österreich eingeladen wurde, war mir zwar schon seit längerem bekannt, ebenso ihre auch dem Westen gegenüber kritische Haltung. Trotzdem fürchtete ich angesichts der aufgeheizten Stimmung und des öffentlichen Druckes, dass auch sie langsam mürbe gemacht worden wäre.

Ich war angenehm überrascht. Dass sie den Angriffskrieg ablehnt, hat sie schon früher deutlich gemacht, indem sie betont hat, ihr Großvater hätte diesen Krieg niemals angefangen.

Sie lehnt aber die Kategorien Gut und Böse ab und sieht eine Mitverantwortung der USA und Europas. Die Diplomatie hätte nach den ersten Kriegsmonaten ausgesetzt, obwohl sie gerade in einem Krieg mehr denn je gefordert sei. Den Besuch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba in Peking bzw. die Vermittlungsbemühungen Chinas sah sie positiv und ließ aufhorchen, als sie meinte, dass es nun auch in der Ukraine Erwartungen gebe, den Krieg vielleicht bis Jahresende zu beenden.

Sie zeigte sich aber realistisch genug, die Chancen auf eine Friedenslösung aus heutiger Sicht als gering einzuschätzen. Die Haltung auf beiden Seiten hätte sich (Anm: nach Jahren unablässiger Kriegsführung und Propaganda) verhärtet und Putin sähe sich derzeit im Vorteil, zumal die Sanktionen nicht die vom Westen erhoffte Wirkung gezeitigt hätten.

Trotzdem sah sie Verhandlungen nicht als aussichtslos an, wobei sie es vermied, konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Wohl deswegen, weil man im derzeitigen Stadium nichts präjudizieren sollte. Die Parteien müssen selbst den Kompromiss erarbeiten und ihre Schmerzgrenzen feststellen. Sie ließ aber anklingen, dass weder das Thema Neutralität noch Gebietsfragen unüberwindbare Hindernisse darstellten.

Angenehm wieder einmal die zurückhaltende und nur die wirklich notwendigen Fragen stellende ZiB 2-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann. Mich störte lediglich die Bezeichnung „Kommunistenchef“ für Chruschtschow. Dem verstorbenen Staats- und Parteichef verdanken wir immerhin den Staatsvertrag, der in der sowjetischen Führung gar nicht so unumstritten war. Auch sein letztlich eleganter Kompromiss der zugegebenermaßen von ihm ausgelösten Kubakrise sollte nicht vergessen werden, da er zeigt, wie man mit ein bisschen Kreativität und Flexibilität auch aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herauskommt: Man entschloss sich hinter den Kulissen, nicht nur die russischen Raketen aus Kuba, sondern auch die amerikanischen aus der Türkei abzuziehen. Was im Westen lange Zeit verschwiegen wurde.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Von Helden, Heiligen und Dämonen

Manche von uns sehnen sich nach Helden und Heiligen. Dem entsprechend sind die Medien voll von diesen. Superheroes bevölkern Comics, Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und Internet. Und auch die passenden Dämonen werden von den Medien frei Haus geliefert.

Gastbeitrag von Wolfgang Koppler *

Nicht nur Boulevardmedien, auch Qualitätsmedien lieben es, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Während beispielsweise manche Boulevardmedien die „Ausländer“ für alles verantwortlich machen, ob Kriminalität, Arbeitslosigkeit oder Umweltzerstörung und das Heil in eher einfachgestrickten Jungpolitikern suchen, teilen Qualitätsmedien die Welt im Wesentlichen in Nazis und Gutmenschen (oder sagen wir mal in „politisch korrekt und politisch unkorrekt“) ein und übersehen geflissentlich, dass unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, also wir alle, sehr viel zu dem Elend beiträgt, welches die Flüchtlingsbewegungen erst verursacht. So haben etwa Dürren oft sehr viel mit dem Klimawandel zu tun und dieser wiederum mit unserem Energiehunger und unserer Lebensweise. Aber sich etwa mit Konsumsucht, SUVs, Auslandsreisen, erpresserischen Handelsabkommen und Profitgier unserer Wirtschaft auseinanderzusetzen könnte ja die Leser und Inserenten verärgern…

Eine andere Ursache von Flüchtlingsbewegungen sind Kriege. Diese eignen sich besonders gut für das Schwarz-Weiß-Denken und die Einteilung der Welt in Gut und Böse. Im Ukrainekrieg tritt dies besonders krass zutage. Da der Angreifer nicht – wie im Irakkrieg – aus dem Westen kommt und das Opfer hier eine – wenn auch stark von Oligarchen beeinflusste – Demokratie ist, scheint alles auf den ersten Blick sehr einfach. Keine Verhandlungen und immer mehr, immer teurere Waffen. Ohne Rücksicht auf Menschenleben, Missernten und Hunger in weiten Teilen der Welt. Und natürlich Aufrüstung und eine weitere Ausdehnung der NATO. Obwohl so gut wie alle Militärexperten der Ansicht sind, dass die russische Armee an den Grenzen Ihrer Möglichkeiten angelangt sei, wird sogar noch die Angst vor einem russischen Einmarsch im Baltikum, Polen oder Finnland geschürt. Während gleichzeitig den Hungernden im Südsudan mangels Spendenbereitschaft der großen Geberländer laut UNO die Essensrationen gekürzt werden.

Wie lässt sich eine derart kindergartenhaft vereinfachte Weltsicht selbst bei Intellektuellen erklären ?

Zu Schwarmverhalten, Neigung zu Vereinfachungen und bipolarem Denken sowie Ausrichtung an Stimmungen von Leserschaft und Inserenten kommt etwas hinzu, was wir oft nicht sehen wollen (zumindest nicht in uns selbst): Die menschliche Aggression. Wir gehen im Allgemeinen davon aus, dass nur Kriminelle und Geisteskranke wirklich gefährlich aggressiv sein können, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der Aggressionen vor allem bei Intellektuellen nur verdeckt zutage treten. Es werden zwar Leute fertig gemacht. Aber natürlich nur subtil und im Sinne der Sanktionierung irgendeines vorgeblich nicht adäquaten Verhaltens. Der Fall des von den Medien zeitweise verhöhnten Peter Michael Lingens ist dafür ein beredtes Beispiel. Physische Gewalt tritt selten auf und einen Krieg und dessen Brutalitäten vermögen wir uns gar nicht wirklich vorzustellen.

Wir sind ja die gute Generation. Im Gegensatz zu unseren Großeltern, der so genannten „Tätergeneration“. Dass der Steinzeitmensch und auch die Barbarei immer noch ins uns steckt, ist uns weit weniger bewusst, als der Nachkriegsgeneration, die bezeichnenderweise für Helden nicht viel übrig hatte, wie etwa George Bernhard Shaws noch nach dem Krieg öfters gespielte Antiheld Bluntschli zeigt.

Vergessen ist Freud und vor allem sein Spätwerk. Im „Unbehagen in der Kultur“ aus dem Jahr 1930 zeigt er auf, wie die nur notdürftig kulturell umgeformten Triebe immer wieder aufbrechen und der Mensch letztlich nur die Wahl hat, die in ihm schlummernde Aggression gegen andere oder gegen sich selbst zu richten. Vergessen ist auch Stefan Zweigs „Welt von gestern“, wo er anschaulich schildert, wie sich fast urplötzlich die Kriegsstimmung von 1914 aufbaute. Vielleicht wäre der Dritte Weltkrieg wirklich die Lösung. Dann hätte die Erde endlich ihre Ruhe von uns.

So, jetzt war einmal ich schwarz-weiß unterwegs. Natürlich gibt es auch Leute, die wenig bedankt Schwerarbeit verrichten. Leute, die die von uns abgeschobenen Eltern im Heim betreuen, die etwa Tag für Tag die Hölle einer Demenzstation durchleben. Leute, die unseren Müll wegräumen, Leute, die in der Gluthitze unsere Dächer reparieren. Und wirklich Engagierte wie Ute Bock, Otto Tausig (der vielbelächelte Mann mit dem Körberl) oder auch Elke Kahr, die sich inzwischen auch Respekt bei einigen Bürgerlichen erworben hat. Aber es werden immer weniger.

Der Mainstream sind in Wirklichkeit Sprühnebelduschen und mit „schmutzigem“ Strom betriebene Elektroautos gegen den Klimawandel. Und Aufrüstung für den Frieden. Denn Verhandlungen sind unmoralisch. Und wenn es noch so viele Tote kostet.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien

Gut und böse im Kampf um Syrien

Feindbild Russland wiederbelebt

Udo Bachmair

Antirussische Verschwörungstheoretiker haben nun wieder Hochsaison. Wie schon beim Ukraine-Konflikt überbieten einander westliche Medien auch in der komplexen Causa Syrien mit entsprechenden Ressentiments: „Putin hat einen Plan, nämlich die Schwächung Europas, weil er einzelnen Nationalstaaten eher seinen Willen aufzwingen kann…“ urteilt etwa der KURIER -Chefredakteur. Und ein STANDARD-Kommentar hält fest: „Putin gibt den Bösewicht überzeugend…“.

Auch viele deutsche Medien sind wieder eingeschwenkt auf Schwarz-Weiß-Malerei in ihrer Berichterstattung. Entgegen dem Auftrag, differenziert und verantwortungsvoll zu berichten, spielt auch der ORF wieder einmal auf dem Klavier außenpolitischer Einseitigkeit. So wird in den reichweitenstarken ZIB1-Sendungen immer wieder ausschließlich Russland verdächtigt, den Syrienkonflikt weiter zu eskalieren und für neue Flüchtlingsströme zu sorgen.

Willkommene Grundlage für die neue antirussische Kampagne westlicher Medien sind russische Bombenangriffe zur Unterstützung der syrischen Armee. Jedes Bombardement, das einen Blutzoll auch unter der Zivilbevölkerung fordert, ist ausnahmslos zu verurteilen. Es fällt jedoch auf, dass Journalisten da oft mit zweierlei Maßstäben messen : Wenn die USA bombardieren, ist es gut, wenn das Russland tut, eindeutig böse. Das gibt Gelegenheit, auch am Feindbild Putin eifrig weiterzuarbeiten…

Aber wie weit soll die Polarisierung noch getrieben werden? Entspricht das journalistischer Ethik und Verantwortung?

Im Sinne eines Friedens in Europa kann und darf es aber nur einen Dialog mit und nicht gegen Russland geben. Unabhängig von berechtigter Kritik an manchen demokratiepolitischen und menschenrechtlichen Fehlentwicklungen innerhalb Russlands. Ein von Medien unterstützter außenpolitischer Propagandakampf hingegen schürt eine weitere Verhärtung der Fronten auch im Syrienkonflikt.

Eine Erinnerung an dieser Stelle an die

Podiumsdiskussion zum Brennpunkt Syrien

am 3. März 19 Uhr in der Bankgasse 8, A-1010 Wien zum Thema

„Das syrische Drama. Auswege aus dem Dilemma“.

( Details entnehmen Sie bitte der Ankündigung unter „Jüngste Beiträge“ und „Veranstaltungen“ unserer Website www.medienkultur.at )