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Lautes Schweigen

Gaza in Schutt und Asche, unermessliches Leid der Zivilbevölkerung, mehr als 20.000 Todesopfer, unter ihnen zahlreiche Kinder: Politik und Medien lassen Mitgefühl und Kritik vermissen. Es herrscht „Lautes Schweigen“, wie es die deutsche Tageszeitung TAZ kürzlich auf den Punkt gebracht hat.

Udo Bachmair

Zu Israels brutaler Kriegsführung in Gaza fehlen Politikerinnen und Politikern offenbar die Worte. Im Gegensatz zum Ukraine-Krieg und zum Hamas-Massaker, zwei verurteilungswürdige Verbrechen, zu dem sich Medien und Politik zu recht empört äußern, herrscht zum Angriffskrieg gegen Gaza „lautes Schweigen“. Unter anderen drückten weder der deutsche noch der österreichische Bundespräsident in ihren Neujahrsansprachen Bedauern oder gar Kritik am israelischen Kriegsregime aus.

Das „laute Schweigen“ beklagt auf brillante und treffende Weise auch ein Kommentar der renommierten deutschen Tageszeitung TAZ*. Darin zitiert Autor Daniel Bax u.a. die US Agentur Associated Press. Sie spricht von einem Negativrekord sondergleichen. So gehöre die Aggression Israels im Gazastreifen schon jetzt „zu den tödlichsten und zerstörerischsten der jüngeren Geschichte“ In knapp drei Monaten habe Israels Armee mehr Zerstörung angerichtet als Assads Armee im syrischen Aleppo in den vier Jahren zwischen 2012 und 2016, Russlands Armee im ukrainischen Mariupol oder die US-geführte Koalition in ihrem dreijährigen Feldzug gegen den IS in Mossul und Rakka.

Der Kommentator der TAZ bezieht sich auch auf den US-Sender CNN. Fast die Hälfte der Bomben, die Israels Armee über Gaza abwerfe, seien sogenannte „dumme“, unpräzise Bomben, die viele Zivilisten töteten. Die New York Times berichtete, Israels Armee habe einige dieser „dummen“ 2.000-Pfund-Bomben über Gebieten abgeworfen, die sie vorher zu angeblich sicheren Schutzzonen für die Zivilbevölkerung erklärt habe, auch über Flüchtlingslagern.

Solche Recherchen sucht man in deutschen und österreichischen Leitmedien vergeblich. „Statt ihre Leserinnen und Leser zu informieren, missionieren sie. Als vierte Gewalt fallen sie aus“, lautet der TAZ-Befund.

Wie anders in anderen Teilen der Welt über Israels Kriegsführung gedacht wird, zeigt Südafrikas Vorstoß, das Land jetzt wegen „Völkermord“ vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen. Südafrikas 84-seitige Anklageschrift versucht zu belegen, dass es sich bei der massiven Zerstörung und den vielen Toten im Gazastreifen um das Ergebnis einer gezielten Strategie handle.

Dabei wäre ein sofortiger humanitärer Waffenstillstand ein Gebot der Stunde. Als einer von ganz wenigen Staaten stimmte Österreich in der UNO-Vollversammlung bekannterweise gegen eine Feuerpause. Eine Schande für einen neutralen Staat, der künftig nicht mehr mit einem Wohlwollen der internationalen Gemeinschaft rechnen kann, Ort internationaler Konferenzen zu sein.

Auch eine gemeinsame europäische Außenpolitik liegt in Trümmern, wie Jean Asselborn, Luxemburgs Ex-Außenminister beklagt. Er warnte daher schon vor einem Monat: „Die Geschichte wird uns das nicht verzeihen.“

Fest steht aber laut TAZ-Kommentator Daniel Bax schon jetzt, dass es im Gaza-Krieg „deutliche Anzeichen für massive Kriegsverbrechen gibt – nicht nur seitens der Hamas bei ihrem Massaker am 7. Oktober und ihren ständigen Raketenangriffen, sondern auch seitens der israelischen Armee, durch die kollektive Bestrafung und ihr Dauerbombardement der Zivilbevölkerung von Gaza.“ Selbst US-Präsident Joe Biden hat das israelische Kriegskabinett davor gewarnt, sich durch ihr „willkürliches Bombardement“ zu isolieren.

Doch sowohl Deutschland als auch Österreich bleiben ohne Wenn und Aber bei ihrer Unterstützung der rechtsradikalen Regierung Israels.

„Der Rest der Welt hört ihr lautes Schweigen und sieht ihr bewusstes Wegschauen. Er nimmt deutsche Politikerinnen und Politiker nicht mehr ernst, wenn sie von Menschenrechten sprechen“, so die Schlussfolgerung der TAZ-Analyse.

• Der gesamte Essay von TAZ-Redakteur Daniel Bax ist unter folgendem Link abrufbar:

https://taz.de/Israels-Krieg-in-Gaza/!5981361/

Eine empfehlenswerte Zeitschrift, für die die brutale Kriegsführung Israels ebenfalls kein Tabu ist, ist INTERNATIONAL:

www.international.or.at

Schwarzer Tag für die Neutralität

Das Abstimmungsverhalten Österreichs gegen eine UNO-Resolution, die sich für eine Feuerpause im Gaza-Krieg ausspricht, hat erneut Kritik an der Außenpolitik der Regierung ausgelöst, wenngleich das Thema medial bisher eher auf eine Randnotiz beschränkt bleibt..

Udo Bachmair

Die schwarz-grüne Regierung hat bei der UNO-Generalversammlung in New York zum zweiten Mal gegen einen humanitären Waffenstillstand im Krieg Israels gegen Gaza gestimmt. Im Gegensatz dazu haben alle anderen neutralen EU-Staaten (Irland, Malta, Zypern) die UNO-Resolution unterstützt. Auch die Schweiz und die früheren Neutralen Finnland und Schweden haben zugestimmt. Sogar die Deutschen, wie Österreich bedingungslose Unterstützer Israels, haben nicht ausdrücklich gegen die Resolution gestimmt, sie haben sich enthalten.

Es stellen sich dabei Fragen über Fragen: Warum stimmt ein kleines neutrales Land wie Österreich gegen einen humanitären Waffenstillstand? Wieviele Menschen sollen noch getötet werden, bevor sich das offizielle Österreich wieder auf unsere Tradition eines Vermittlerstaates zurückbesinnt? Was treibt unsere Außenpolitik an, Österreichs humanitäre Tradition (Beispiel die Außenpolitik Bruno Kreiskys) mit Füßen zu treten? Ein moralisches und neutralitätspolitisches Desaster, so die übereinstimmende Kritik.

Das Abstimmungsverhalten Österreichs bezeichnet die SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar in einem Posting als „unfassbar“. Ihr Befund: „Wir gehören in der Welt nur mehr zu den Außenseitern. Die Außenpolitik der ÖVP ist eines neutralen Staates unwürdig“.

General Günther Greindl von der Initiative Engagierte Neutralität, früherer Oberkommandierender der österreichischen Blauhelmtruppen, spricht von einem „schwarzen Tag in der Geschichte der Neutralität.“ Es sei höchste Zeit, zu einer glaubwürdigen Neutralitätspolitik zurückzukehren.

Fritz Edlinger, Herausgeber von INTERNATIONAL und Vorsitzender der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft, schreibt im Newsletter seiner Zeitschrift:

„Als österreichischer Staatsbürger und als Humanist protestiere ich auf das Schärfste gegen diese seit geraumer Zeit verfolgte Politik der Österreichischen Bundesregierung. Diese ist nicht nur neutralitätspolitisch absolut inakzeptabel, sondern widerspricht auch – in Verweigerung der Forderung nach einem humanitären Waffenstillstand – den einfachsten Grundsätzen von Menschlichkeit und Achtung des humanitären Völkerrechts“.

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