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Ukrainekrieg und Propaganda

Nur Russland betreibe Kriegspropaganda, das Aggressionsopfer Ukraine hingegen nicht. Westliche Medien sind sich darin zu weiten Teilen einig. Es werden vornehmlich Politiker und Experten zitiert, die Russland schon vor Kriegsbeginn undifferenziert als Feind taxiert haben. In diese Richtung weist auch eine jüngste veröffentlichte APA-Meldung *

Wolfgang Koppler **

In ihrem 2022 im Betz-Verlag erschienenen Buch „Narzissten wie wir“ entlarvt die Psychologin Katharina Ohana unsere Gesellschaft als infantil-narzisstisch. Obwohl wir uns gerne als aufgeklärte Vernunftmenschen sehen, so sind wir doch von unseren persönlichen Erfahrungen und Gefühlen bestimmt und – ich darf ergänzen – auch von Bequemlichkeit und Herdentrieb.

Ein gutes Beispiel ist der Ukrainekrieg. Kaum ein Qualitätsmedium erlaubt sich, von der allgemeinen Kriegspropaganda abzuweichen. Und selbst die Nachrichtenagenturen – wie ich es schon in der (zu meiner Zeit noch nicht nur an den MINT-Fächern orientierten) Oberstufe des Gymnasiums gelernt habe – sorgen dafür, dass kritische Stimmen in den Medien nicht allzu laut werden. Ein beredtes Beispiel ist der untenstehende APA-Bericht unter dem Titel „Osteuropa-Historiker Karl Schlögel: Russland ist der Feind“.

Schlögel, der im scheinbar objektiven Bericht als einer der „profiliertesten Kenner Russlands“ ausgewiesen wird, fordert darin von Deutschland eine grundsätzliche Korrektur seiner Russlandpolitik, wobei er eigentlich nur die schon sattsam aus den Medien bekannten und stets auf Neue wiederholten Argumente angeführt werden: Russland hat einen Krieg in Europa angefangen. Und Deutschland (bzw. der Westen) müsse verteidigungsbereit sein, zumal hier nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa gefährdet sei. Erinnert irgendwie an einen Kindergarten: Der Peter hat angefangen. Ist nur leider blutiger Ernst – auf beiden Seiten. Und erinnert beklemmend an die Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs.

Schlögel nimmt dann auch noch Bezug auf den deutschen Bundestagswahlkampf, um die Deutschen auf das gemeinsame Feindbild (das nun nicht mehr nur Putin, sondern auch Russland ist) einzuschwören. Der Ernst der Lage und die „Zeitenwende“ seien noch gar nicht ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Die Frage „Krieg und Frieden“ werde ein zentraler Punkt im deutschen Bundestagswahlkampf sein. Man dürfe nicht glauben, dem entgehen zu können, indem man die Ukraine auffordere, „Ruhe zu geben und Frieden zu machen“. Dass Schlögel Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (das für Verhandlungen eintritt), als eine Art nützliche Idioten betrachtet, die sich von Putin instrumentalisieren ließen, versteht sich von selbst.

Dass der Historiker am Ende des Berichts nicht nur vor Putin, sondern auch vor Russland als Ganzes warnt, weil auch die „russische Kultur“ im Dienst des Krieges stehe, zumal die „zivilen Kräfte“ durch Stalin, zwei Weltkriege usw. schon stark dezimiert worden seien, überrascht da ebenfalls nicht.

Selbstredend kritisiert er auch das Telefonat von Scholz mit Putin und fordert von Deutschland auch die Lieferung weitreichender Waffen, wobei er natürlich wieder einmal emotionalisierend auf die Situation in der Ostukraine Bezug nimmt. Dass die Kriegshölle dadurch kaum erträglicher werden dürfte, wird tunlichst übergangen.

Man bekommt den Eindruck nicht los, dass sich einige in Europa und den USA vor dem Frieden geradezu fürchten. Wenn der Katzenjammer um die leeren Staatskassen, die Wirtschaftskrise und die hohen Energiepreise losbricht. Und man sich den wirklich drängenden Fragen einer in Wirklichkeit multipolaren Welt stellen muss, wie der Klimakrise, dem Hunger und dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaften (die man nicht dauernd nur mit Feindbildern zusammenhalten kann).

Und bei Schlögel fällt auf, dass er als Student sich bei Maoisten und Anarchisten betätigte, wie man seinem Wikipedia-Eintrag entnehmen kann. Mir fällt dazu nur der Kommentar Hans-Joachim-Kulenkampffs zu der durchaus ähnlichen Wandlung Yves Montands in den 80-ern ein: Ich war nie so weit links wie er, darum bin ich jetzt nicht so weit rechts wie er. Zur Erklärung: Der Kommunist Montand warnte in den 80ern in der Fernseh-Doku „La Guerre“ vor einem russischen Einmarsch in Frankreich. Zu einem Zeitpunkt, als die Sowjetunion kurz vor dem Zusammenbruch stand.

* https://www.msn.com/de-at/nachrichten/kultur/osteuropa-historiker-karl-schl%C3%B6gel-russland-ist-der-feind/ar-AA1uEkoK?ocid=msedgdhp&pc=HCTS&cvid=43462c9af9cf4261bdd151f30037a4e2&ei=16

** Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Politik- und Medienanalyst und lebt in Wien

Das Recht auf Frieden

Die Priorisierung des Rechts auf Frieden lässt zu wünschen übrig. Dabei wäre sie im Sinne der Menschenrechte von existentieller Bedeutung.

Peter Stribl *

Am 1. Januar 2016 hat die UNO 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in Kraft gesetzt, die für alle ihrer Mitgliedsstaaten gültig sind.
Nachfolgend diese 17 Ziele in der festgelegten Reihenfolge:

1. Keine Armut
2. Kein Hunger
3. Gesundheit und Wohlergehen
4. Hochwertige Bildung
5. Geschlechter-Gleichheit
6. Sauberes Wasser und Sanitär-Einrichtungen
7. Bezahlbare und saubere Energie
8. Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
9. Industrie, Innovation und Infrastruktur
10. Weniger Ungleichheiten
11. Nachhaltige Städte und Gemeinden
12. Nachhaltiger Konsum und Produktion
13. Maßnahmen zum Klimaschutz
14. Leben unter Wasser
15. Leben an Land
16. Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zum Recht ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.
17. Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (1)

Unschwer zu erkennen ist, dass die Reihenfolge schlicht unsinnig ist: Wie sollen die Ziele 1 bis 15 ohne Frieden erreicht werden? Für Menschen, die Kriegen ausgesetzt sind, sind Armut, Hunger und Krankheit nachgerade zwangsmäßige Begleiter. Sauberes Wasser und Energie, menschenwürdige Arbeit – nichts weiter als süße Fata Morganen aus einem unerreichbaren Schlaraffenland. (2,3,4,5)

Die Priorisierung von Ziel 16 (Frieden) wird von den USA und von US-amerikanischen Stiftungen und Förderern der Nachhaltigkeitsziele, von der EU und der OECD bisher abgelehnt, während China, Indien und zahlreiche Entwicklungsländer das Ziel unterstützen, die bereits 2013 in der UN-Vollversammlung verlangt hatten, dass das Recht auf Frieden ein Menschenrecht werden soll. Die Ablehnung manifestiert sich durch das Ignorieren und der fehlenden Erwähnung von Ziel 16, beispielsweise in einem Papier der OECD zur Agenda 2030. (1)

Daraus folgt, dass die Prioritäten vom Kopf auf die Füße gestellt werden müssen. Das Recht auf Frieden ist elementar, von existentieller Natur. Nichts auf dieser Welt ist demokratischer. Unvorstellbar, dass die Bevölkerung egal welchen Landes Krieg mit anderen Ländern zur obersten Priorität erhebt. Vielmehr wird Krieg als Durchsetzung der Interessen von Oligarchen „kultiviert“.

Zurzeit ist dieser Irrsinn täglich sichtbar. Da lässt sich ein Fußballverein vom Rüstungskonzern Rheinmetall sponsern. Klar, die schießen aus allen Rohren… Keine Talkshow, die nicht mit einem Pazifisten, dafür aber mit mehreren Konfrontation Suchenden bis hin zu Bellizisten besetzt ist. Der Nachrichtensender ntv „möchte eine Debatte ermöglichen“, dass Waffen als nachhaltig deklariert werden. Eine gewisse Logik ist dem nicht abzusprechen, denn kaum etwas ist nachhaltiger als der Tod.

Bei Kriegen geht es immer um die Interessen von wirtschaftlichen Gruppierungen. Bodenschätze sind unwiderstehliche Ziele. Nachzulesen bei Zbigniew Brzezińskis Strategien oder – etliches einfältiger – bei (CDU-)Kiesewetters Statement zu den Lithium-Vorkommen im Donbass. Was wäre der Nahe Osten ohne Erdöl?

Befeuert werden die Konflikte dieser Erde durch Medien in Privatbesitz. Kein Redakteur wird wagen, gegen die Interessen „seines“ Herausgebers anzuschreiben. Desillusionierend die spärliche Zahl aufrecht gebliebener Journalisten… Was hier an Interaktivität und Folgen damals wie heute erkennbar wird, ist bemerkenswert.

Während der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler wegen Kritik für seine Äußerungen zurücktrat („dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen“) – darf Verteidigungsminister Boris Pistorius in der Straße von Taiwan die freie Schifffahrt verteidigen zum Wohlwollen der Medien und ihrer Meinungsmache, sowie der USA, allerdings zum Missfallen der VR China.

Wer hier mit wem spielt, ist interessant. Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Februar 1999 gesagt, dass er zum Regieren nur „Bild, BamS und Glotze“ brauche. Eine steile Behauptung; andere Politiker sind dabei im Gegenteil flach rausgekommen. Z.B. der frühere Bundespräsident Christian Wulff „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Laut dem Kabarettisten Volker Pispers der Moment, in dem Verlegerin Friede Springer den Daumen über Wulff senkte. Bitte nach Volker Pispers „Wem gehören die Medien?“ auf YouTube googeln. Aber Vorsicht: Verschwörungstheorien!

Andererseits, was ist, wenn sich Theorien bestätigen?
(https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AH71_WulffBild_ArltStorz_2012_05_07.pdf)

Medien schließlich geben in Ihrer Sucht nach Marktanteilen auf dem Gebiet ein erbärmlich ekelhaftes Bild ab. Der Wettbewerb um die zugkräftigsten Schlagzeilen ist schlicht widerlich.

Zurück zum Recht auf Frieden: Es kann durch tatsächliche Demokratie ermöglicht werden. Keine Spiegelfechterei über repräsentative „nur dem eigenen Gewissen verpflichtete“ Dampfplauderei. Politische Bildung darf nicht den Medien überlassen werden, sondern über den Staat erfolgen. Wissenschaftlich begründet durch politische und ökonomische Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Zur Erinnerung „Enteignet Springer“ war eine der richtigsten Forderungen der 68er-Bewegung.

Unumgänglich auf dem Weg dahin ist die politische Entmachtung von Konzernen, die Staatsmänner wie Marionetten ihrer Interessen halten. Man erinnere sich an die Geburtstagsfete Joe Ackermanns im deutschen Kanzleramt und Merkels Statement zur „marktorientierten Demokratie“. – Die Besinnung auf die juristischen Vorteile von Erbpacht und Jedermannsrecht sowie deren Entwicklungsmöglichkeiten muss endlich in den Mittelpunkt der Zielsetzungen rücken.

Die Neutralität von Staaten verdient ganz besondere Beachtung. Österreich zum Beispiel ist prädestiniert für die Vermittlerrolle, die gefragter ist denn je. Auch die Bedeutung der blockfreien Länder kann kaum überschätzt werden. Leider beides mit den Abstrichen versehen, die unübersehbar den Abnutzungserscheinungen, dem Schleifen und Sandstrahlen der Verbundenheit zur Aktualität geschuldet sind.

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Im Bildungs- und Erholungszentrum der deutschen IG Druck und Papier in Springen im Taunus fand sich eine Amethyst-Druse, versehen mit dem Motto „Unser Ausweg heißt Bildung“. Gemeint war Bildung im Sinne Wilhelm Liebknechts „Wissen ist Macht – Macht ist Wissen“.
Der zweite Teil des Titels wurde und wird allzu gern unterschlagen; traditionell wie besonders aktuell. (6)

Links:
(1)https://de.wikipedia.org/wiki/Ziele_f%C3%BCr_nachhaltige_Entwicklung
(2)https://www.sipri.org/
(3)https://www.tagesschau.de/ausland/europa/sipri-atomwaffen-108.html
(4)https://www.tagesschau.de/ausland/europa/unhcr-fluechtlingszahlen-102.html
(5)https://www.tagesschau.de/inland/friedensgutachten-2024-100.html
(6)https://www.projekt-gutenberg.org/liebknec/polschri/chap003.html

* Gastautor Peter Stribl ist Politik- und Medienanalyst und lebt in Konstanz am Bodensee