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Wohnen als Reizthema

Politik und Medien haben das Reizthema „Leistbares Wohnen“ bisher weitgehend ausgeklammert. Angesichts der Wahlerfolge der KPÖ findet diese Causa nun aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit.

Wolfgang Koppler *

Leistbares Wohnen, ein Thema, das bis jetzt eigentlich fast nur die KPÖ aufgegriffen hat. Es ist von anderen Parteien schlichtweg verschlafen worden. In Wien etwa hat sich die Wohnbauleistung trotz Zuzugs von 2021 bis 2023 von 16000 auf 9000 Wohnungen reduziert. Auch der soziale Wohnbau ging zurück. Und der Bau von Gemeindewohnungen hat offenbar überhaupt nur mehr symbolische Bedeutung, während Hunderte Millionen in Straßenverschönerungen, Musiktheater und Museumsbauten gesteckt werden.

Auch die Medien haben dieses Thema mehr oder weniger ignoriert. Erst die dramatische Lage auf dem Wohnungsmarkt – nicht nur in Österreich – und die Erfolge der KPÖ in Salzburg und Graz scheinen einigen Journalisten bewusst gemacht zu haben, dass es Menschen gibt, die auf eine Mietwohnung angewiesen sind. Und die sich eine Eigentumswohnung schlicht nicht leisten können. Oder den Kredit für den Eigenheimbau (der zudem zur Zersiedelung beiträgt). Unangenehm, dass man sich gelegentlich mit den Bedürfnissen des „Pöbels“ (laut Thomas Schmid) auseinandersetzen muss. Aber unter den Medienkonsumenten und Wählern finden sich halt leider auch viele solcher Menschen außerhalb der Seitenblicke-Gesellschaft. Menschen, die man doch nicht gänzlich ignorieren kann.

Immerhin, der ORF hat jetzt das Grundbedürfnis Wohnen entdeckt. Zunächst in der ersten Folge seines neuen Magazins „Weltweit“. Und nun sogar als Diskussionsthema in der jüngsten Ausgabe von „Im Zentrum“. Da war von wahrhaft erstaunlichen Zahlen die Rede. So sprach die Diskutantin Katharina Rogenhofer von 650.000 leerstehenden Wohneinheiten in Österreich. Was Jan Kluge vom neoliberalen Institut Agenda Austria prompt zu bagatellisieren suchte. Das seien großteils zeitweise Leerstände. Und im Übrigen rentiere sich halt das Vermieten zu wenig. Weil zu viel in den Markt eingegriffen würde.

Dass es im freifinanzierten Neubau (und dazu zählen immerhin Gebäude, die nach dem 30.6.1953 errichtet wurden) keinerlei Mietzinsbeschränkungen gibt, wurde nicht erwähnt. Ebenso wenig etwa, dass in den letzten Jahrzehnten von den privaten Bauträgern ein gewaltiges Überangebot von Büroflächen geschaffen wurde. Weil diese billig zu errichten sind und scheinbar noch mehr Mietertrag bringen. Wenn man sich einredet, sie doch noch anbringen zu können. Tatsächlich besteht schon seit langem kein Bedarf mehr und werden Büros zurückgegeben. Ein Umdenken bei den privaten Bauträgern hat aber nicht eingesetzt. Der Markt wird – nicht nur in diesem Bereich – von unvernünftiger Gier bestimmt. Nicht nur im Fall Benko.

Aber unverständig ist ja nur der Pöbel…

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Medial aufgeheizte Kriegsstimmung

Der Angriff Russlands auf die Ukraine jährt sich nun das erste Mal. Anlass für militärische Durchhalteparolen nahezu aller Medien zugunsten eines ukrainischen Sieges auf dem Schlachtfeld. Befürworter von Verhandlungslösungen kommen hingegen nur eingeschränkt zu Wort, wie etwa in der jüngsten ORF-Sendung Im Zentrum.

Wolfgang Koppler *

Jahrestage sind manchmal schon gefährlich, wenn sie an Vergangenes erinnern. Emotionen werden aufgewühlt, Positionen verhärten sich und statt ehrlicher und sachlicher Aufarbeitung kommt es nur zur großen Keilerei – zumindest verbal. Lernprozesse bleiben dabei regelmäßig auf der Strecke.

Gerade deshalb wollte ich mir die Diskussion zu diesem traurigen „Jubiläum“ bei „ORF-Im Zentrum“ eigentlich nicht mehr ansehen. Noch dazu, wenn drei eindeutig festgelegte Diskussionsteilnehmer (der ukrainische Botschafter in Wien, eine polnische EU-Abgeordnete, Oberst Reisner vom Bundesheer) – von der Moderatorin meist noch mit entsprechenden Fragen unterstützt – nur zwei Verhandlungsbefürwortern (der linken Abgeordneten Demirel und dem Journalisten Seipel) gegenüberstanden, die man des Öfteren nicht einmal ausreden ließ.

An Argumenten zunächst nicht allzu viel Neues. Botschafter Khymynets vertrat natürlich die Position der ukrainischen Führung: Verhandlungen erst bei vollständigem Abzug der russischen Armee. Schadensersatz durch Russland und Verfolgung der russischen Kriegsverbrechen. Das Land, das sich verteidige, habe Recht auf jede Hilfe. Würde die Ukraine mehr Hilfe bekommen, könnten weitere Gebiete befreit werden. Ähnlich die polnische EU-Abgeordnete Thun. Sie sprach im Wesentlichen davon, dass man auf die Ukrainer hören und sie bedingungslos unterstützen müsse.

Die linke EU-Mandatarin Demirel bestritt natürlich nicht, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handle, verwies aber auch auf völkerrechtswidrige Angriffe der NATO und vor allem auf die Auswirkungen des Krieges, die weit über die Ukraine hinausgingen. Im Übrigen hätte selbst die Ukraine in den ersten Kriegsmonaten verhandelt. Sie verglich – durchaus treffend – die Stimmungslage mit jener vor dem ersten Weltkriegs. Auch damals glaubten alle an den gerechten Krieg. Wer`s nicht glaubt, möge bei Stefan Zweig und Karl Kraus nachlesen.

Der Journalist und Dokumentarfilmer Seipel meinte, man sollte sich trotz des Krieges immer noch die Gründe auch der anderen Partei ansehen. Im Übrigen würde man derzeit Notlieferungen statt Verhandlungen betreiben, sodass wohl Letztere sinnvoller seien.

Oberst Reisner vertrat natürlich die Position des Westens bzw. jene von NATO und EU, aber einige Äußerungen ließen doch aufhorchen: So schimmerte durch, dass die Positionen Russlands vor dem Krieg (auf die Seipel Bezug nahm) nicht völlig unverständlich waren, wenn er meinte, dass „Russland auch anders als mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg hätte reagieren können“. Russland hätte der Ukraine nun einen Abnützungskrieg aufgezwungen und es bestehe die Gefahr, dass die Unterstützungsbereitschaft des Westens nachlasse. Was Verhandlungen betrifft, so wolle Russland jetzt nicht verhandeln, das sei „vielleicht im März noch so gewesen, aber jetzt nicht mehr“ (Seltsam: Major Feichtinger hat die damaligen Verhandlungsergebnisse vor einigen Tagen in der ZiB2 noch als Friedensdiktat bezeichnet).

Die Moderatorin Claudia Reiterer sprach schließlich von einer verminten Diskussion (was angesichts der Forderung nach Streuminen und deren fürchterlichen Auswirkungen etwas deplatziert wirkte), verwies aber dann doch auf die Politologin Ursula Schröder: Weg von der Dichotomie. Entkoppelung der Diskussion über Waffenlieferungen von jener über Verhandlungen. Waffenlieferungen ohne Verhandlungen machen wenig Sinn.

Es muss ja kein entweder oder sein. Hat wirklich jemand in den letzten Monaten ernsthaft mit den Russen verhandelt? Mit Putin und Selenskyj Tacheles geredet? Wenigstens im Hintergrund? Glaubt jemand ernsthaft angesichts des militärischen und wirtschaftlichen Potentials des Westens und der in den Medien genügend aufgeheizten Kriegsstimmung an ein „Im Stich-Lassen“ der Ukraine? Ist nicht eine Eskalation viel wahrscheinlicher?

Vielleicht doch ein Ansatz zu einem Lernprozess. Statt Churchill gegen Peter den Großen antreten zu lassen. Im 21.Jahrhundert.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Ein Videotipp :

Aufzeichnung einer differenzierenden Debatte zum Thema „Ukrainekrieg und die Berichterstattung westlicher Medien“ im Presseclub Concordia in Wien.
Eine Veranstaltung der Vereinigung für Medienkultur :

Mit Kopf und Bauch

Eine Fülle an Krisen hält uns in Atem – von der Klimakrise bis zum Krieg in der Ukraine. Genug Stoff auch für Diskussionssendungen, wie jüngst auch wieder in der ORF-Talkshow „Im Zentrum“. Mit dabei u.a. der Philosoph Konrad Paul Liessmann, Ex-Bundespräsident Heinz Fischer und die Klimaaktivistin Lena Schilling.

Wolfgang Koppler *

Gestern Abend bei ORF-Im Zentrum einmal eine – bis auf einzelne Ausrutscher von Conrad Paul Liessmann – wohltuend sachliche Diskussion zu den aktuellen Krisen und deren Auswirkungen auf Demokratie und Gesellschaft. Dazu trugen vor allem Lena Schilling und Heinz Fischer bei, die durch ihre kluge Argumentation Liessmann in gemäßigte Bahnen lenkten. Dieser benutzte zu Beginn – wie man es schon von anderen Diskutanten gewohnt ist – wieder einmal Ukraine- und sogar Vietnamkrieg, um die aktuellen Feindbilder zu beschwören und andere Themen, wie die Klimakrise, klein zu reden. Im Verlauf der Diskussion sprach er sich dann aber zusammen mit den anderen – wenn auch eher allgemein – für Toleranz und Meinungsfreiheit aus.

Er meinte allerdings, Werturteile und Emotionen von Gedanken und Meinungen trennen zu können. Hier irrt er wohl: Wir bestehen alle aus Kopf und Bauch. Auch Intellektuelle haben Emotionen. Und sind von sozialem Umfeld, Werthaltungen und menschlichen Schwächen geprägt. Selbst wenn dies nicht immer so deutlich sichtbar wird wie im Ukrainekrieg und in anderen Krisen. Es wird Zeit, dass wir uns dessen bewusst werden. Dann würde es uns auch leichter fallen, unsere Fehlbarkeit einzugestehen.

Auch die größten Genies sind keine sprechenden Köpfe, keine Bio-Computer. Bildung, so sehr sie unseren Horizont erweitern kann, ersetzt keine Erfahrungen, nicht den Austausch mit anderen. Vor allem nicht die Konfrontation mit uns selbst. Sonst verführt sie allzu leicht zu Arroganz und unreifem Narzissmus. Paul Lendvai zitiert im Vorwort zu „Mein Österreich“ sehr treffend Goethe: „Aufrichtig zu sein kann ich versprechen – unparteiisch zu sein aber nicht.“ Allein dies ist schon ein hohes Ziel.

* Wolfgang Koppler ist Jurist und Autor und lebt in Wien

Medien: Rechte erobert Meinungshoheit

Udo Bachmair

Die Zeitschrift „Falter“, bekannt als fundiert kritisch und investigativ, hat auch in ihrer jüngsten Ausgabe wieder Interessantes zu bieten. Sie unterscheidet sich damit wohltuend von einem großen Teil der übrigen Medienlandschaft, die in Österreich von einem beispiellos hohen Konzentrationsgrad an Boulevardmedien geprägt ist. Und immer wieder finden sich in dem lesenswerten Blatt auch medienkritische Beiträge und Analysen. Jüngst besonders aufgefallen eine penibel recherchierte Falter-Dokumentation zur immer stärker werdenden Dominanz von Rechtspopulisten, die „die Meinungshoheit in Europa an sich reißen wollen“. Die extreme Rechte tritt nach Falter-Erkenntnissen auch medial immer häufiger länderübergreifend auf.

Die Strategie der Übernahme medialer Berichtersattung durch Rechtspopulisten und Rechtsextreme umreißt Falter-Redakteurin Nina Horacek folgendermaßen:

„Zuerst aus der Opposition eine als ‚alternative Nachrichten‘ getarnte mediale Propagandawelt aufbauen. Einmal an der Regierung, wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Kontrolle gebracht. Parallel dazu geht es unabhängigen, kritischen Medien an den Kragen“. Das Vorgehen erfolge unter anderem in folgenden Schritten:

  • Errichte dein eigenes Medienimperium inkl. einem hörigen „Staatsfunk“
  • Schüre mit Fake-News Ängste
  • Diffamiere deine Kritiker
  • Nütze Facebook als Verstärker
  • Bring die Pressefreiheit unter Druck
  • Zerstöre deine Kritiker finanziell

Die Autorin bezieht sich in ihrer Analyse zwar vornehmlich auf die Entwicklung in Ungarn, ortet aber auch hierzulande eine Änderung der Medienpolitik seit dem Eintritt der rechtspopulistischen FPÖ in die Regierung.  So verstummen jene Stimmen nicht, die dem ORF die Gebührenlegitimät aberkennen und ihn mit der Finanzierung aus dem Bundesbudget stärker an  die parteipolitischen Kandare nehmen wollen.

Erste Erfolge dieser Drohung zeigen sich bereits: Die ZIB 1 wird zunehmend zu einer Werbesendung für Kurz / Kickl / Co. und in Diskussionssendungen wie „Im Zentrum“ will es der Moderatorin immer seltener gelingen, unentwegt polemisierende und provozierende FPÖ-Politiker einzubremsen. Für sachliche Debatten bleibt kein Raum mehr. Eine auch demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung.

https://www.falter.at/archiv/wp/propagandakrieg-in-europa-die-medien-der-rechten