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Afghanistan: Berichterstattung in der Kritik

Afghanistan beherrscht zurzeit die Berichte, Analysen und Kommentare der Medien. Da diese wie bei anderen globalen Konflikten größtenteils auf Quellen der 3 großen westlichen Agenturen zurückgreifen, entsteht der Eindruck eines journalistischen Einheitsbreis.

Udo Bachmair

Das komplexe Konfliktfeld Afghanistan ist in aller Munde, zentrales Thema auch der außenpolitischen Berichterstattung. Der heutige Gastautor beschäftigt sich mit Aspekten, die in unserer von westlicher Sicht der Welt dominierten Medienwelt zu wenig Beachtung finden. Daher erscheint es angebracht, Ihnen exemplarisch den folgenden an das Linzer Volksblatt gerichteten Leserbrief eines besonders engagierten weltpolitischen und medienkritischen Beobachters nicht vorzuenthalten.

Peter Öfferlbauer*

Wertes Volksblatt,

ohne Anspruch auf Vollständigkeit habe ich in den letzten Monaten im Volksblatt weit über ein Dutzend Beispiele der akribischen Beschäftigung des Herrn Maurer mit dem sog. Islamismus gefunden:
Personalien, z.B. ein provokanter Politologe, der Rücktritt der Frauenvertreterin im IGGÖ, Probleme, die sich liberale Muslime einhandeln, die kontroverse Islamlandkarte, und immer wieder: die „Gefahr des politischen Islam“. Zuletzt am 21.8. ist es dem VB wieder eine ganze Seite wert: das „Taqiyya-Prinzip“, die talibanische Verschleierungstaktik.

Was soll man aber von einem Journalismus halten, der sich einseitig an allem kritisierbaren von Moslems festsaugt, für den aber der kolossale Größenunterschied des Tarnens und Täuschens der USA keine Rolle zu spielen scheint: die Brutkastenlegende und die erfundenen Massenvernichtungswaffen, die Kriegslügen, mit denen die USA die Welt über die beiden Irakkriege zu täuschen versuchten? Jeder unbefangene Mensch sieht, dass diese beiden Kriege unvergleichlich mehr Unheil angerichtet haben als die Beispiele des politischen Islam, in denen Herr Maurer so kriminalistisch und seitenfüllend herumstochert.

Immer wieder: die „Gefahr des politischen Islam“! Ist das dem Parteiblatt der Nachfolgerpartei des politischen Katholizismus, des Austrofaschismus, etwa deshalb so viele Druckseiten wert, weil einen, wie die Psychologie lehrt, nichts so sehr ärgert, wie die eigenen Fehler bei anderen Leuten?

Die Bestätigung des Urteils des Kriegsverbrechertribunals gegen Mladic oder dass sich das Massaker von Srebrenica an über 8000 Moslems zum 30.Mal jährte, war Herrn Maurer offenbar keine Zeile wert. Wohl auch nicht das Massaker von Christchurch, von Hanau, die NSU-Morde und dazu die jahrelange Blindheit der deutschen Strafverfolgung…

Welche Seite hat wohl mehr Gründe, die andere zu fürchten? Kolonialismus, die westlichen Angriffskriege und Interventionen in islamischen Ländern, die Gründung Israels auf Kosten der Palästinenser, die Entscheidung des Westens gegen Nassers säkulare Entwicklung, für die wahabitischen Saudis, das alles scheint für Herrn Maurer keine Rolle zu spielen.

Welchen Eindruck wird sein Schreiben bei Lesern hinterlassen, die nicht die Möglichkeit oder Zeit haben, sich ausgeglichener zu informieren und zu bemerken, dass er Mücken seiht und Elefanten schluckt? Den Splitter im Auge der andern, aber den Balken im eigenen Auge nicht sieht? Wenn schon nicht Verhetzung, so jedenfalls Täter-Opfer-Umkehr, Schüren von Vorurteilen, Verängstigung – dafür bietet das VB Herrn Maurer seitenweise Platz?? Ist das in ihren Augen professioneller, möglichst objektiver, informativer, dem Frieden und der Völkerverständigung dienender Journalismus – oder einseitige Propaganda?

Den Willen zu Objektivität bräuchte es aber, um aus den eigenen Fehlern lernen zu können, wie das jetzige Afghanistan-Debakel zum x-ten Mal zeigt.

Dr.Peter Öfferlbauer, Wels


* Der Autor des Gastbeitrags, ehemaliger AHS-Professor in Wels, ist engagiertes Mitglied der Vereinigung für Medienkultur sowie der linkskatholischen Vereinigung Pax Christi.

Nicht immer sind sie Wohltäter: Steve Bannon in Haft

Wohltätigkeitssammler -auch bei Konzerten – soll man prüfen, nicht generell verdächtigen. Vorsicht ist am Platz. Diese Erwägung traf ich öfters. Die Fälle Bannon und World Vision zeigen es.

Hans Högl

Stephen Bannon – früher Chefstratege von Donald Trump – ist der Veruntreuung von Spendengeldern angeklagt und verhaftet worden. Bannon wird vorgeworfen, sich aus dem Spendenfonds «We Build the Wall» bedient zu haben, der 25 Millionen Dollar für den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko gesammelt hatte. Bannon soll davon mehrere hunderttausend Dollar für die Bezahlung persönlicher Rechnungen missbraucht haben.

Das ist Steve Bannon: Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker, Medienunternehmer und Propagandist der Tea Party leitete 2016 die Wahlkampagne von Donald Trump. Nach dessen Wahl wurde er zum «Chefstrategen» ernannt. Nach acht Monaten kam es zu Trennung. Seitdem kämpft Bannon mit seiner rechtsnationalen Stiftung «Die Bewegung» gegen das Establishment“, allen voran gegen die EU. Sie ist für ihn der Prototyp eines tyrannischen, bürokratischen und bürgerfernen Machtapparates. Bannon sieht den «jüdisch-christlichen Westen» im Innern durch den Atheismus und von außen durch die Horden des «islamischen Faschismus» bedroht.

Der Bericht in der nzz online 21.8.2020 zeigt, dass die Neue Zürcher zuverlässig berichtet, auch wenn es Ihrer Blattlinie im Ganzen nicht entspricht. Dass sich Medien gegenseitig negativ punzieren, erfuhr ich in München.

Es gilt bei Wohltätern zu prüfen, ob sie sich nicht selbst überaus bedienen. Bei „World Vision“ (Österreich) waren es vornehme Personen, die mit Spendengeldern mit der teuren „Concorde“ in Entwicklungsländer geflogen sind und wegen luxuriösen Lebens angeklagt wurden.

Warum es zu Amokläufen kommt. Medien können solche Taten auslösen.

 Christian Weisflog    Neue Zürcher Zeitung
Amokläufer stammen oft aus geordneten Familien, sind extreme Egoisten und können via Medien auch durch islamistische Terrorakte inspiriert werden, sagt Britta Bannenberg im Interview. Die Kriminologin hat in Deutschland 75 Amokläufe untersucht.
 
Ego-Shooter-Spiele dienen potenziellen Tätern oft als Vorbereitung auf ihren Amoklauf. (Bild: Keystone)

Ego-Shooter-Spiele dienen potenziellen Tätern oft als Vorbereitung auf ihren Amoklauf.

Frau Bannenberg, der Attentäter von München wird allgemein als klassischer Amokläufer bezeichnet, sehen sie das auch so?

Ja, er ist Einzeltäter, beschäftigte sich mit früheren Amokläufen, spielte Ego-Shooter, war mit übermässig viel Munition unterwegs und beging am Ende einen Suizid. Das sind alles bekannte Muster.

Warum ist die übergrosse Menge an Munition typisch?

Der Täter kann die 300 Schuss Munition in seinem Rucksack niemals gebrauchen. Aber ein Amokläufer möchte sich selbst als den ultimativen Kämpfer darstellen, der auf martialische Weise auftritt und aus seiner Sicht in noch grossartigerer Weise zuschlägt als alle Täter zuvor.

Warum ist das diesen Personen so wichtig, noch brutaler zu sein als vorherige Amokläufer?

Dafür gibt es kein rationales Motiv. Die Täter sind meist sehr narzisstisch veranlagt, zum Teil auch paranoid. Sie sind Einzelgänger, haben keine Bindungen und empfinden keine Empathie für andere, sind egoistisch. Sie sind ständig gekränkt und interpretieren das Verhalten ihnen gegenüber als feindselig. Sie sind keine Mobbing-Opfer. Sie empfinden sich selbst als grossartig und anderen überlegen. Aus ihrer Sicht sind sie es nicht wert, sich mit den anderen abzugeben. Dabei sind sie nicht impulsiv, sie können ihren Ärger nicht zeigen und fressen alles in sich rein.

Und was geschieht dann?

Dann fragen sie sich: «Was kann ich tun?» Sie beginnen sich mit früheren Amokläufen zu beschäftigen. Lange Zeit reicht ihnen das und sie können sich damit hochhalten. Aber irgendwann muss es realer werden, sie beginnen Todeslisten zu schreiben und Ego-Shooter zu spielen. Dabei entscheiden sie sich gerne für Spiele, die frühere Amokläufer verwendet haben. Zum Beispiel jenes, das Eric Harris gespielt hatte, der gemeinsam mit einem Mitschüler 1999 an der Columbine High-School 13 Personen tötete.

Amokläufer denken sie seien die Tollsten und alle anderen Menschen hätten es nicht verdient, zu leben. Sie sind eigentlich Menschenfeinde.

Beim Studium früherer Amokläufe spüren die potenziellen Täter also Befriedigung, worin besteht die?

Sie empfinden ständige Demütigungen. Sie glauben deshalb, zur Rache berechtigt zu sein. Eine Zeit lang reicht ihnen der Gedanke: «Wenn ihr wüsstet, dass ich euch alle platt machen könnte. Wenn die wüssten, dass ich sie alle töten will.»

Sie waren an einer eben gerade abgeschlossenen Langzeitstudie beteiligt. Es fällt auf, dass es sich bei den Amokläufern fast ausschliesslich um Männer handelt. Warum?

Bei Gewalt ist es ohnehin so: Je schwerwiegender die Gewalttaten, desto eher werden sie von Männern verübt. Bei den Amoktätern ist das noch eindeutiger. Wir haben in den vergangenen drei Jahrzehnten 40 erwachsene Täter und 35 junge Täter unter 24 Jahren untersucht. Davon waren lediglich 2 Frauen und 3 Mädchen. Es handelt sich bei Amokläufen um eine besondere Demonstration der Männlichkeit. Der Täter zeigt sich als Kämpfer und Rächer im öffentlichen Raum. Wenn Frauen töten, dann in der Regel ihre Kinder, ihren Ehemann oder ihren Partner.

Die Tat in München geschah am fünften Jahrestag des Utöya-Massakers in Norwegen. Die Polizei vermutet eine Verbindung. Anders Breivik war allerdings ein Rechtsextremist, der Täter von München hat iranische Wurzeln. Wie soll das zusammenpassen?

Breivik ist kein blosser Rechtsextremist. Er ist auch ein Frauenhasser und entwickelte alle möglichen Feindbilder. Im Übrigen bewunderten frühere Einzeltäter oft Hitler und den Nationalsozialismus. Hitler war der grösste Verbrecher aller Zeiten. Amokläufer denken sie seien die Tollsten und alle anderen Menschen hätten es nicht verdient, zu leben. Sie sind eigentlich Menschenfeinde.

Britta Bannenberg ist Professorin für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Justus-Liebig-Universität in Giessen. (Bild: ZVG )

Britta Bannenberg ist Professorin für Kriminologie an der Universität in Giessen.

Erst kürzlich kam es auch in Würzburg und Nizza zu Gewaltexzessen, bei denen die Täter aber wohl islamistisch getrieben waren. Ist die zeitliche Nähe also nur ein Zufall?

Es kann durchaus eine gegenseitige Befruchtung geben. Ein Tatgeneigter kann durch die sehr hohe Medienaufmerk-samkeit der Terrorakte animiert werden, denn ein Amokläufer möchte ja möglichst viel Aufmerksamkeit erhalten. Er kann auch gewisse Muster kopieren, aber sich auch eigene Varianten ausdenken. Bisher sind Einzeltäter im eigenen Haushalt an die Waffen gelangt. München ist der erste Fall, in dem eine Waffe im Darknet bestellt worden war.

Trotz der Gefahr von Nachahmungseffekten, können die Medien diese Ereignisse doch nicht einfach ignorieren?

Die Medien müssen darüber berichten, aber sie sollten den Täter nicht in den Mittelpunkt stellen, keine Bilder von ihm zeigen und ihn als Mobbingopfer darstellen. Denn Medien können die Tat solch gestörter Personen auslösen.

Der Amokläufer trug schwarze Kleidung – das ist auch die Farbe der Terrormiliz Islamischer Staat. Ein Zufall?

Viele Amokläufer haben Schwarz getragen. Es ist die Farbe des Todes. Die Täter wollen als Kämpfer wahrgenommen werden und machen sich viele Gedanken, wie sie rüberkommen. Es gibt aber auch solche, die bewusst auf eine auffällige Kleidung verzichten, damit ihr Plan nicht auffliegt.

Viele Eltern wollen den Gedanken, dass ihr Sohn zum Täter werden könnte, nicht wahrhaben.

Der Täter in München spielte Ego-Shooter-Spiele. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sieht solche Gewaltspiele als eine Ursache für die gesellschaftliche Verrohung. Sehen sie das auch so?

Ego-Shooter sind nicht die Ursache. Die Idee für einen Amoklauf kommt nicht beim Spielen. Es ist umgekehrt. Bereits Tatgeneigte versuchen sich so in ihre Fantasie zu versetzen. Breivik benutzte die Spiele, um sich daran zu gewöhnen, wenn Blut fliesst und Körper zerfetzt werden. Die Amokläufer versuchen sich zu stählen und vorzubereiten. Es gab Täter, die den Gebäudeplan ihrer Schule in ein Spiel hineinkopiert haben, um für den Ernstfall zu üben. Intensives Spielen wird so zu einem Teil der Vorbereitung.

Aber müsste man dann solche Spiele nicht verbieten?

Ich denke, Verbote werden nichts bringen. Die Spielindustrie ist schon zu mächtig und die Eltern haben längst kapituliert. Man muss umgekehrt fragen: Warum intervenieren die Eltern nicht, wenn ihr Kind sieben Stunden am Tag im Zimmer sitzt und rumballert. In Prozessen kommt gerne heraus, dass die Schwester bereits viel wusste über die Gewaltphantasien des Bruders. Aber viele Eltern wollen den Gedanken, dass ihr Sohn zum Täter werden könnte, nicht wahrhaben.

Kommen denn solche Amokläufer nicht oft aus konfliktreichen, zerrütteten Familien?

Nein, im Gegenteil. Es sind oft wohlhabende, normale Familien aus der Mittelschicht. Es findet eine Konfliktvermeidung statt. Es wird nicht gestritten, man verschweigt viel, spricht Probleme nicht an und lebt neben einander her. Entscheidend ist aber nicht die Erziehung, sondern die Persönlichkeit des Amokläufers. Die Geschwister von Tätern sind oft ganz anders, sie streiten mit ihren Eltern und tragen die Konflikte aus.

NB. von  Prof. Dr. Hans Högl:  Es ist klar, nicht jeder, der stundenlang in Computer-Gewaltspielen aufgeht, wird ein Täter. Aber selbst wenn diese Medien in statistisch minimalen Fällen diese mörderischen Aktionen  auslösen, sollte  diese Spielindustrie eingeschränkt werden. Warum haben nur Eltern Verantwortung und nicht auch die Spielindustrie?  Die Vereinbarung, über Selbstmorde in Medien n i c h t  zu berichten,  hatte zur Folge, dass die Selbstmordrate zurückging. Die Wissenschaft wagt zum Teil nicht, die mächtige Spielindustrie und  nicht die Verantwortung der Medien, die unglaublich viel Gewalt zeigt,  generell in die Pflicht zu nehmen.  Es gibt auch eine institutionelle Verantwortung und nicht nur eine für Individuen. Und es gibt Nachahmungseffekte.