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Scheinheiligkeit nach dem Tod des Papstes

Vor wenigen Minuten hat Israels Regierung ein Kondolenzschreiben aus Anlass des Todes von Papst Franziskus wieder zurückgezogen. Der Grund: Die Kritik des verstorbenen Papstes an der brutalen Kriegsführung Israels gegen die palästinensische Bevölkerung von Gaza. Hingegen wird es vielfach als Scheinheiligkeit empfunden, dass ausgerechnet jene Politiker und Medien, die Franziskus für dessen „Linkstendenzen“ immer wieder kritisiert haben, nun in den Chor derjenigen einstimmen, die ihn würdigen.

Wolfgang Koppler*

Schon seltsam, wie man uns jetzt mit Nachrichten und Dokus zum plötzlichen, aber angesichts seines Gesundheitszustandes nicht ganz überraschenden Tod des Papstes überfüttert. Und sich in Scheinheiligkeit ergeht.

Während man zu seinen Lebzeiten jeden seiner Sätze auf die Goldwaage gelegt hat. Von den Attacken im Hinblick auf seine Haltung zum Ukrainekrieg ganz zu schweigen. Kritik an der Nato – unmöglich. Verhandlungen – ein Kniefall gegenüber dem Aggressor und völlig unmoralisch. Einige Journalisten und Politiker hätten sich wohl gewünscht, dass er die an die Ukraine gelieferten Panzer auch noch mit Weihwasser besprengen möge. Wie zur Zeit des 1. Weltkriegs, als lediglich eine Handvoll Intellektueller wie etwa Kraus und Zweig sich dem entgegenstellten. Als einsame Rufer in der militärischen Wüste.

Aber zurück zu Franziskus:
Eine Theologin meinte treffend, er hätte in keine Schublade gepasst. Am ehesten war er wohl eine Mischung aus einem Konservativen und einem Linkskatholiken. Und wollte die Kirche in gewisser Weise ein bisschen zum Urchristentum und damit zu ihren Wurzeln zurückführen. Und vor allen war er ein Mensch, der seine Grenzen kannte. Und jene der tief gespaltenen Kirche. Und so verzichtete er auf Machtworte und aktivierte die Basis durch den von ihm in Gang gesetzten synodalen Prozess, der nicht mehr so leicht aufzuhalten sein dürfte.

Heiligkeit oder gar Scheinheiligkeit war seine Sache nicht. Sodass er die Anrede „Heiliger Vater“ ablehnte und einen Journalisten, der solches versuchte, scherzhaft als „Heiliger Sohn“ titulierte. Befreiungstheologie im besten Sinne, die sich nicht nur gegen Ungerechtigkeit und Armut richtet, sondern auch gegen scheinheiligen Narzissmus und Selbstgefälligkeit. Und uns selbst befreien könnte.

Auch wir sollten unseren infantilen Narzissmus etwas mehr im Zaum halten. Journalisten, die stets mit dem Zeigefinger daherkommen, aber nicht bereit sind, etwas zu riskieren und für die eigene Überzeugung wenigstens gelegentlich gegen den Stachel zu löcken, tun den Medien nicht gut. Und unserer Gesellschaft schon gar nicht.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien