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Überschwemmung und Klimawandel

Hans Högl

Der Journalist Walter Friedl erklärt im „Kurier“ (12.12.2024 , S. 8) den Grund, warum es durch Klimaerwärmung zu Überschwemmungen kommt. Dies ist insofern bemerkenswert, da in Medien häufig ohne Erklärung immer wieder Diverses auf Klimawandel zurückgeführt wird.

Walter Friedl: Durch höhere Temperaturen kann Luft mehr Wasserdampf aufnehmen
(pro Grad um 7 % mehr). Zudem kommt mehr Wassernachschub durch Verdunstung an der wärmeren Meeresoberfläche. Die Adria hatte sich in diesem Sommer auf 30 Grad erwärmt. Das waren die zentralen Ursachen bei den verheerenden Überschwemmungen, die als Dauerregen im September 2024 mitteleuropäische Staaten getroffen haben.

Streit um Klimawandel

Die Klimafrage berührt existentiell den Menschen. Darum sieht das deutsche Verfassungsgericht in der Lösung der Klimafrage ein Staatsziel. Die Kipp-Punkte des Klimawandels greift u.a. das Buch von Axel Bojanowski auf (2024): „Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Der Klimawandel zwischen Lobbygruppen und Wissenschaft“ – Neu-Isenburg (Westend Verlag).

Hans Högl

Besonders zentral sind die Kapitel 41/42. Für den Autor ist der Klimawandel real, er weist aber auf Grenzen der Meteorologie hin. Es geht um die Frage, ob der Temperaturanstieg auf der Erde zu einer Katastrophe führt und zwar, wenn es vorher zu unwiderruflichen Kipp-Punkten durch Temperaturanstieg kommt (S. 264).

Das Pariser Klimaabkommen (2015) forderte eine 1,5-Grad-Grenze für die Erderwärmung. Diese Forderung und Passage gelangte am Morgen des letzten Konferenz-Tages in Paris in den Text. Wie – weiß man nicht. Es meldete BBC: Verhandler der Marshallinseln hatten die 1,5 Marke gefordert, um am Leben zu bleiben und wollten die Industrieländer zum Klimaschutz verpflichten. Doch Chinesen, Saudis und Argentinier waren gegen die 1,5 Marke. Der IPCC, der UN-Weltklimarat, sah ungenügende Evidenz für die Forderung. Ebenso viele Experten ( vgl. S. 265). Doch die Klimaaktivisten konnten plakatieren: „Wir sind die letzte Generation vor den Kipp-Punkten“ .

Der IPCC-Chef erklärte: Die Europäer belasten sich mit einer unerfüllbaren Aufgabe. Auch französische Wissenschafter sahen in den 1,5 Grad ein „unmögliches Ziel“. Doch Tony Blair half schon 2005 beim G-8-Gipfel dem Thema auf die Sprünge, und 2004 hatte Hans Joachim Schellhuber in Stockholm vor dem Temperaturanstieg gewarnt- als Direktor des PIK. In der angesehenem Wissenschaftszeitschrift „Nature“ war man vorsichtiger, und sie verwendete das Stichwort „Perspektive“. Auch der Schweizer Klimatologe Thoma Stocker, Vorsitzender des 5.UN-Klimareports, warnte zur Vorsicht: „Die Klimawissenschaft weiß noch zu wenig über Klipp-Punkte, sagte er zur „ZEIT“ (Ende 2022)..

Doch der „Spiegel“ dramatisierte und schrieb: Es gibt „Ernteausfälle, Wüstenbildung, Wasserknappheit, Völkerwanderungen, Eisbären auf Schollen“. Von Wissenschaftszweifeln berichten Medien ungern – weder internationale Organisationen noch Politiker. Die Wissenschaft kennt Kipp-Punkte im Laufe von Milliarden Jahren auf der Erde (S. 272), doch heutige Modelle würden nicht ausreichen, dies für das Jetzt genau festzustellen. Aber das populärwissenschaftliche Wort „Kipp-Punkte“ war nicht mehr wegzubringen. Auch die UN0 nützt es.

Unsicherheiten sind für viele Medien Fremdworte. Doch der Publizist Stephan Ruß-Mohl erinnert an die Qualität des Buchautors. Dieser war Chefredakteur der angesehenen Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“, und Ruß-Mohl weiß, dass Medien anstelle von Erderwärmung und Klimawandel mit Vorzug von „Erderhitzung und Klimakatastrophe“ reden.

Ruß-Mohl gab seiner „Furche“- Rezension den Titel „Klima-Apokalypse als Medienereignis“, doch die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb wählte als Furche-Aufhänger „Geschickt in die Irre geführt“. Und sie unterstellt dem Buchautor Effekthascherei und eventuell „gezielte Desinformation“ .

Dieser Text zeigt, wie korrekt dieser Buchtext das Problem Kipp-Punkte darlegt und wie verkürzt dies in nicht wenigen Medien passiert. Lob verdient die Wiener Wochenzeitung „Die Furche“, da sie in der gleichen Nummer zwei unterschiedliche Buchrezensionen zu einem einzigen Buch brachte.

Nicht d i e Medien sind fehlerhaft, denn Wissenschaftsmagazine haben sorgfältig berichtet. Doch deren Auflage ist gering. Es stellt sich für Medien die Frage, inwiefern das Publikum unklare Aussagen aufnimmt und akzeptiert. Das Thema ist komplex: Ist etwas zu differenziert greifen Medien es nicht auf. Darum ist die öffentliche Sprechweise oft übertrieben.-Aber sollte nicht anders gefragt werden: Der Rückgang der Gletscher und andere Ereignisse belegen den Klimawandel, und ist es darum nicht pragmatisch und sinnvoll, jetzt alles zu tun, um diesen zu stoppen, anstelle Zweifel der Wissenschafter an den Kipp-Punkten darzulegen?

Alte selbstsüchtige Deppen?

Selbst in Qualitätsmedien wird manchmal verallgemeinert bzw. entsteht dieser Eindruck. Elke Heidenreichs Buch „Altern“ (Hanser-Verlag 2024) wendet sich gegen verbreitete Ansichten zu diesem Thema.

Hans Högl

„Im Moment sind wir Alten ja an allem schuld: am Klimawandel, weil wir zu viel geflogen sind und zu dicke Autos gefahren haben, an der Naturzerstörung“ (zu viel gereist, zu viel Fleisch gegessen), „zu viel Plastikmüll verursacht, wir haben auf Atomkraft gesetzt. Wir haben den Kapitalismus erfunden und den Gedanken, dass nur Wert hat, wer Leistung erbringt. Wir sind die Generation, die auf Kosten der Generation Z. gelebt hat.“ (S.99).

Und auf S. 100 erinnert sie daran: „Aber wir sind doch nicht nur die alten selbstsüchtigen Deppen, die den heute Jungen das alles eingebrockt haben. Wir haben Greenpeace gegründet und Amnesty International, wir haben die Grünen erfunden und gegen Waldsterben gekämpft, und wir zahlen viel Geld an Ärzte ohne Grenzen. Wir haben demonstriert gegen Kriege und Waffen. Wir haben die unterdrückte Sexalität befreit“…

Und Frau Heidenreich fragt (p. 94), ob denn die Probleme der Welt gelöst wären, wenn Frauen das Sagen hätten. Sind alle alten Männern schlecht? „Churchill, Mandela, Gandhi“. Es gibt unseliges Verallgemeinern!

Von Medien kaum hinterfragt

Konstruktive Kritik am Neoliberalismus liest und hört man kaum. Dessen global bedenkliche Folgen sind nur selten Gegenstand medialer Analysen. Ein Anlass dafür ist und wäre die umstrittene Verleihung des Hayek-Preises an den politisch weit rechts stehenden neoliberalen argentinischen Präsidenten Javier Milei.

Wolfgang Koppler *

Der neue argentinische Präsident Javier Milei wurde nun in Hamburg von der Hayek-Gesellschaft mit der Friedrich von Hayek-Medaille ausgezeichnet. Was prompt Proteste vor Ort und bei uns sogar einen kritischen Artikel des teils neoliberalen Standard auslöste.

Milei, der politisch zur argentinischen Rechten gehört und dessen Lieblingsutensil im Wahlkampf die Kettensäge war, hat bis jetzt – abgesehen von einem momentanen Rückgang der Inflation – eher wenig Erfolge vorzuweisen. Die Wirtschaft steckt in einer Rezession, die Massenarmut verschärft sich und mit ihr die politische Spaltung und Lähmung des Landes. Milei ist sicher nicht der Verursacher der argentinischen Probleme, aber mit seinem Radikalkurs, der wie – so oft – am Neoliberalismus der Chicagoboys des Milton Friedman (die Assoziation zu “fired man“ drängt sich geradezu auf) aus den 80-er Jahren orientiert ist, wird er die politische und wirtschaftliche Krise wohl nur verschärfen.

Dass die Hayek-Jünger solches bejubeln, spricht Bände. Dass Hayek selbst von seinen Schülern einst kritisches Denken auch gegenüber ihm selbst gefordert hatte, ist längst vergessen. Die Anbetung irgendwelcher Meister liegt ja im gegenwärtigen Trend. Und im Trend liegt im Wesentlichen auch der Laissez-Faire-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts: Mehr privat – weniger Staat. Da sind sich Blaue, Schwarze und Lifstyle-Linke einig. Alles andere gerät in den Verdacht von Kommunismus und Planwirtschaft. Wurde letztere oft mit Staatskapitalismus gleichgesetzt, so stört sich nunmehr niemand am globalen Monopolkapitalismus, in dem einige wenige Player den Ton angeben und von gesunder Konkurrenz keine Rede sein kann.

Derartiges hat sich Hayek wohl ebenso wenig träumen lassen wie die auf hemmungsloser Spekulation basierende Finanzkrise von 2008, die letztlich durch staatliche Intervention aufgefangen werden musste. Und die etwa in Europa nur durch jahrzehntelange Nullzinspolitik der EZB aufgefangen werden musste, die im Ergebnis eine gewaltige Vermögenssteuer für die breite Masse darstellte. Ansonsten hätte man nämlich zur Ankurbelung der Wirtschaft Steuererhöhungen und staatliche Investitionen etwa in den sozialen Wohnbau vornehmen müssen. Ein No-Go für liberale Ideologen.

Interessant, dass in Sachen Klimawandel sehr wohl in die Wirtschaft eingegriffen wird. Wenn es gar nicht mehr anders geht.

Dass Derartiges von den Medien nicht wirklich hinterfragt wird, ist ein Armutszeugnis für den gegenwärtigen Journalismus. Stattdessen war Barbara Kolm, die Chefin des österreichischen Hayek-Institutes, Jahre lang ein gern gesehener Gast in der Diskussionssendung „Im Zentrum“. Zur Finanzkrise 2008 fiel ihr längere Zeit gar nichts und dann das Wort „Eigenverantwortung“ ein. Wo will man die in einer Gesellschaft finden, die den Egoismus zu ihrem Motor erklärt hat?

www.msn.com/de-at/nachrichten/ausland/argentinischer-präsident-milei-wird-in-hamburg-mit-hayek-medaille-geehrt

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Radikalisierung der Mitte

Eine der Fragen, die sich als Konsequenzen auch aus der EU-Wahl ergeben, ist die Frage nach dem von manchen Politikanalysten und Medienexperten konstatierten „Verlust der wahren Mitte“.

Wolfgang Koppler *

Die Tageszeitung „Die Presse“ ist des Öfteren besser als ihr Ruf. Zwar bietet sie bürgerlichen und – was Europa betrifft – lifestylelinken Mainstream, aber nicht so hasserfüllt wie manch andere Medien. Und gelegentlich wird auch so argumentiert, dass die Schwächen des Mainstream sichtbar werden.

Jüngstes Beispiel ist der gestrige Artikel von Wolfgang Böhm über den in den Medien viel diskutierten Erfolg rechter Parteien bei der Europawahl („Europa ist nicht verloren, wenn die Mitte hält“). Zurecht zeigt der Autor die Irrtümer von Nationalisten auf, globale Probleme wie den Klimawandel und die Migration auf nationalstaatlicher Ebene lösen (oder auch verdrängen) zu können. Aber allein das von ihm selbst verwendete Wort „global“ zeigt, dass Klimawandel und auch Migration nicht allein in Brüssel gelöst werden können.

Beispielsweise der Klimawandel kann nicht allein von einem – noch dazu stark von den Interessen von Großkonzernen – bestimmten 450 Millionen-Einwohnergebilde wie der EU gelöst werden. Wenngleich natürlich Europa seinen Beitrag leisten muss. Dasselbe gilt für die Migration, deren Ursachen oft in katastrophalen Zuständen der Herkunftsländer liegen, an denen Europa nicht ganz unschuldig ist. Stichwort: erpresserische Freihandelsabkommen und der von Europa mit immer mehr Verve aufgeschaukelte Ukrainekrieg (unter dem auch der globale Süden leidet) uam.

Wenn Wolfgang Böhm dann auch noch meint, Europa müsse sich gegen China und Russland wappnen, dann zeigt er damit ungewollt die Radikalisierung der so genannten gesellschaftlichen Mitte auf, die er durch Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale verkörpert sieht. Das ist genau jene Sichtweise,
mit der die amerikanische Administration ihr Land derzeit in den Abgrund führt und Trump in die Hände spielt. Und die mit zum Erfolg rechter Parteien in Europa beigetragen hat.

Nicht ganz unrecht hat Böhm, wenn er Europa auf eigene Beine stellen und von Wirtschaftslobbyismus, Bürokratie und Kleingeisterei befreien will. Das geht aber nur, wenn wir unseren abendländischen, auf kalter Sachlichkeit, Scheinvernunft und Materialismus beruhenden narzisstischen Humanismus einmal hinterfragen. Der hat nämlich mit Menschlichkeit, Menschenwürde und Lebensfreude wenig zu tun. Drum benötigen wir ja dauernd Feindbilder, um mit uns zurecht zu kommen. Und die ständige Flucht in die materielle Selbstverwirklichung.

www.msn.com/de-at/nachrichten/other/europa-ist-nicht-verloren-wenn-die-mitte-hält

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Durch Mainstream reduzierter Diskurs?

Die jüngste ORF-Diskussion „Im Zentrum“ trug den Titel: Verwirrt, frustriert, resigniert – Warum noch wählen?

Wolfgang Koppler *

Ein bisschen beklemmend wirkte der zugeschaltete Beitrag zu Beginn der Sendung, in dem man unsere Spitzenpolitiker von Maurer über Edtstadler bis Nehammer auf TikTok in den dort üblichen Posen und mit kurzen Slogans bewundern konnte. Diskussionsteilnehmer Prof. Filzmaier erklärte das schlüssig damit, dass man zunächst mit den potentiellen Wählern (in diesem Fall Jugendliche) dort Kontakt aufnehmen müsste, wo sie sich meist aufhalten bzw. erreichbar sind. Das könne aber nur ein erster Schritt sein. Dann müssten weitere folgen, um Inhalte nahezubringen und einen Diskurs zu führen, Interesse zu wecken.

Die anwesenden Jugendpolitiker sahen das naturgemäß etwas weniger realistisch. Sie beklagten etwa den durch den Mainstream eingeschränkten Diskurs (was interessanterweise von manchen Populisten brachial ausgenutzt wird, indem diese nur mehr auf Emotionen und nicht auf Sachargumente setzen, sodass allzu viel political correctness zum Gegenteil dessen führt, was sie beabsichtigt),sie beklagten aber auch die eingeschränkten Möglichkeiten der Politik durch vorgegebene rechtliche und wirtschaftliche Erfordernisse.

Und hier hätte es interessant werden können. In der unmittelbar vorangegangenen ZiB2 kam zumindest im Rahmen eines kurzen Straßeninterviews der EU-Spitzenkandidat der KPÖ, Hopfgartner, zu Wort. Neben dem Einsatz für eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg will sich die KPÖ ja auch für leistbares Wohnen auch auf EU–Ebene einsetzen. Und da stellte er einen interessanten Vergleich an: Während die Wirtschaft jederzeit gegen Wettbewerbshindernisse vorgehe, also ihre „Rechte“ problemlos durchsetzen kann, stehen Grundrechte des Einzelnen meist nur auf dem Papier. Wie etwa das Recht auf Wohnen (auch wenn es sich nur in der UN-Menschenrechtsdeklaration vom 1948 findet).

Menschenwürde ist in unseren Gesellschaften offenbar ein Lippenbekenntnis und Menschenrechte werde oft als weit weniger bedeutsam erachtet als der freie Wettbewerb und das Recht auf weitgehend schrankenlosen Gewinn. Auch wenn das vielen Leuten vielleicht nicht so ganz bewusst ist. Ob es den Mangel an leistbarem Wohnraum (bei leerstehenden Bürobauten und Luxuseigentumswohnungen), die zugrunde gehenden Kleinunternehmer, den Klimawandel oder unseren Dreck an afrikanischen Küsten betrifft. An dem angeblich nur der Konsument schuld ist. Und nicht primär die schrankenlose und umweltschädigende Überproduktion. Sowie die ständige Expansion von Großunternehmen.

Und Menschen, die Derartiges hinterfragen, sind meist Miesmacher oder gefährliche Radikale. Oder werden zumindest schnell vom dringend erforderlichen Diskurs über unsere Werte ausgeschlossen.

Was vielleicht auch ein Grund für die vielen Nicht- und Protestwähler ist.

Und unsere Medien: Die beschäftigen sich mit so wichtigen Dingen, wie dem Schutz von Wölfen, die längst keine gefährdete Tierart mehr sind. Wie die Coverstory des jüngsten Profil. Kein Wunder, wenn sich viele von Politik und Medien abwenden. Mit einer gesunden und freien Diskussionskultur könnte man vielleicht den einen oder die andere wiedergewinnen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Bedrohliches Kriegsgetöse (2)

Medien und Politik schüren Angst und Panik vor einem Angriff Russlands auf die EU und die NATO. Das erhöht die Zustimmung zu weiterer hemmungsloser Aufrüstung.

Wolfgang Koppler *

„Die NATO ist nicht nur von außen bedroht“, lautet ein Artikel jüngst in den Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN). Darüber ein Foto mit Panzer und drauflos stürmenden Soldaten. Stoltenberg und das NATO-Emblem haben offenbar ausgedient und wirken zu wenig kriegerisch.

Anlässlich des uns bevorstehenden 75-Jahr-Jubiläums der NATO im April und wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Probleme im Westen müssen natürlich Ängste vor inneren und äußeren Feinden geschürt werden. Auch um die Opferbereitschaft der Bevölkerung zur Erhöhung der Rüstungsbudgets zu steigern. Und so beginnt der Autor natürlich mit dem äußeren Feind Russland. Ein zunehmend kriegerischer russischer Präsident Putin könnte das Militärbündnis in weniger als einem Jahrzehnt angreifen, wird der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius zitiert (vielleicht sollte er noch seinen Vornamen ändern: Boris könnte zu russisch wirken).

Wer weiß, was dann sein wird ? Auf jeden Fall wäre Putin dann an die 80. Und wer weiß, ob er dann noch am Leben sein wird, wer dann in Russland überhaupt an der Macht ist. Und Russland hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Interesse, Polen, das Baltikum oder gar Schweden anzugreifen. Das sind – aus der Sicht Russlands – keine strategisch oder auch nur kulturell – bedeutsamen Gebiete. Alles andere ist bloße Spekulation und Kaffeesudleserei. Genauso gut können wir uns auf einen Angriff der Außerirdischen vorbereiten oder auf einen Ausbruch eines der 50 Supervulkane, die es auf der Erde gibt. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden wir aber angesichts der jetzt schon besorgniserregenden Daten in 10 Jahren den Klimawandel und das Elend in den Entwicklungsländern weit stärker zu spüren bekommen als uns lieb ist. Aber mit solchen weitaus realistischeren Vorhersagen steigert man keine Rüstungsbudgets,

Um Politik und Bevölkerung aber trotzdem zu sensibilisieren, muss man Horrorvisionen erzeugen und sich dabei auf Experten berufen. Wie das auch Pistorius tut: „Unsere Experten rechnen mit einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren, in dem dies möglich sein könnte“ (man beachte das Wort „möglich“ und mein obiges Stichwort „Kaffeesudleserei“). Da es dem Autor scheinbar darum zu tun ist, die Panik noch zu steigern, stellt er in der Folge einige Suggestivfragen: „Ist der Angriff Russlands gegen die Ukraine nur ein Testlauf, um zu sehen, wie ernst es den westeuropäischen Staaten mit ihrer Verteidigungsbereitschaft ist ? Falls es Putin gelingen sollte, die Ukraine niederzuringen, wendet er sich dann seinem Hauptfeind ‚NATO‘ zu ? Testet er den Artikel 5 des NATO-Vertrages“ ? (Anm: Beistandspflicht)

Um diesen geradezu bohrenden, aber eher substanzlosen Fragen Nachdruck zu verleihen (wobei der Autor zugesteht, dass seine Visionen in Westeuropa als eher unwahrscheinlich abgetan werden), wird dann Schwedens Oberbefehlshaber General Michael Byden zitiert, der die Schweden aufgefordert hätte, sich „mental“ auf den Krieg vorzubereiten. Und dann folgt noch einmal Pistorius, der in seinem Interview die schwedischen Warnungen „aus skandinavischer Sicht als verständlich“ bezeichnet hätte. Ich würde eher sagen, aus Sicht der skandinavischen Regierung und der Militära, die den sich jetzt bald zwei Jahre hinziehenden Beitrittsantrag ja irgendwie rechtfertigen müssen.

Und natürlich darf im gegenständlichen ÖON-Artikel der Hinweis auf die historisch verständliche Besorgnis der Polen nicht fehlen. Weshalb Polen gegenwärtig gefährdet sein sollte, kann der Autor nicht darlegen.

Da dies alles wenig stichhaltig ist, um eine massive Erhöhung der europäischen Verteidigungsbudgets zu begründen, darf natürlich auch die Angst vor einem möglichen Sieg Trumps bei den kommenden US-Präsidentschaftswahlen nicht fehlen. Dieser hat ja – im Gegensatz zu Biden – an Europa und seinen antirussischen Reflexen wenig Interesse und liebt mehr die Auseinandersetzung mit China, Wenn dass kein Grund ist, die europäischen Verteidigungsbudgets hinaufzuschrauben ? Endlich auf die lästige „Friedensdividende“ zu verzichten ? Zumal die Polen ihr Rüstungsbudget schon unter der PiS-Partei auf 4 % (und heuer auf mehr als 4 %) hinaufgeschraubt haben ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

„Andere Wahrheiten“

Das neue Buch von Konrad Paul Lissmann „Lauter Lügen und andere Wahrheiten“ bot den ideellen Hintergrund für das Philosophicum Lech, das 2023 dem Thema „Alles wird gut. Zur Dialektik der Hoffnung“ gewidmet war. Im Folgenden einige von unserem Autor ausgewählte Zitate.

Hans Högl

Konrad P. Lissmann zum öffentlichen Diskurs und medialer Einseitigkeit:
„Wer übertreibt, kennt nur eine Sache. Das führt dazu, dass jede Saison ihr Thema hat, bei dem es um Sein und Nichtsein geht.“ „Jede Unterbindung einer Erörterung ist eine Anmaßung von Unfehlbarkeit „(p. 54). Lissmann bezieht sich darin auf John Stuart Mills Buch „Über die Freiheit“.

Lissmann fragt: „Warum werden alle Debatten, ob über den Rassismus oder das Klima, über das Virus oder den politischen Auftrag der Kunst, sofort hysterisch zu einem Entweder-oder stilisiert, das keine Zwischentöne mehr kennen darf“(p. 181). In der Gender Debatte werden Verweise auf biologische Fakten ignoriert (p. 18). Und es fällt das Wort „Lückenpresse„.

Sehr interessant ist sein Hinweis auf das Wort „Mohr“. Mohr wurden im Mittelalter Apotheken genannt -anerkennend die Überlegenheit der arabischen Heilkunst (p. 86). Darum erscheint die Ablehnung fragwürdig.

Zur Pandemie und Zumutungen der Demokratie: In der Moderne war Krankheit nur noch als individuelles Problem präsent, nicht als kollektives Ereignis. „Die Krise offenbarte, dass viele ihre individuelle Freiheit ohne jenen politischen und sozialen Rahmen denken wollen, der diese überhaupt erst ermöglicht.“ Was im Falle einer Krankheit für den Einzelnen gilt u. fraglos akzeptiert wird, gilt in einer Pandemie für die Gemeinschaft. Gewohnte Lebensvollzüge werden unterbrochen, das Konsum- und Freizeitverhalten kann nicht bruchlos fortgesetzt werden (p. 172-176). Laut Thomas Hobbes hat im Ernstfall Sicherheit immer den Vorrang vor Freiheit.

Krisen, Sorge und Klimafrage: Auf den Grund zur Sorge verwies Heidegger in „Sein und Zeit“. Sorge wurde zur Grundstimmung unserer Epoche, und Liessmann nennt: Schmelzen der Polkappen, Hunger, Terror, Kriege, Bildungswesen, die EU, Flüchtlinge, Rechtspopulismus, Krise der Demokratie und Verletzung der Menschenrechte. Alles Gegenstände der Besorgnis. Und Lissmann schließt: „Angesichts des Lebens aber sollte es hin und wieder vielleicht doch heißen dürfen: „Nicht alles ist ein Grund zur Sorge“. Zur Bildung erwähnt er: Bis zu 40 % der Erwachsenen sind des Lesens und Schreibens so entwöhnt, dass sie normalen schriftlichen Kommunikationen nicht mehr folgen können (p. 137).

Zur Klimafrage: Es gilt „alles zu unternehmen, um die globale Erwärmung zu verlangsamen, ist das eine; alles zu tun, um die sozialen Folgekosten dieser Anstrengung abzufedern, das andere; alles zu versuchen, um die nicht mehr abzuwendenden Folgen des Klimawandels durch Technologie, Innovationskraft und Verhaltensänderung gering zu halten, ein Drittes.“ (p.183).
„Die radikalen Klimaschützer wie die Extinction Rebellion oder Letzte Generation wollen uns in Angst und Schrecken versetzen, um ein unmittelbares Handeln zu provozieren“…“In manchem erinnern diese Beschwörungen der Angst an die apokalyptische Rhetorik des Kampfes gegen die atomare Bedrohung im vorigen Jahrhundert. Lissmann bezieht sich damit auf Günther Anders. Solche Drastik wird auch für die Klimakrise insinuiert (p. 188 f.).

„Die neue Lust an der Apokalypse und das Beschwören endzeitlicher Katastrophen sind kontraproduktiv.“ „Die Vorstellung, dass es so schlimm um uns bestellt sei, dass bei Protesten auf Rechtsstaat und Demokratie, auf eine funktionierende Infrastruktur sowie auf die Bedürfnisse von Menschen keine Rücksicht mehr genommen werden muss, enthält ein totalitäres Moment. Auch eine Ökodiktatur bliebe eine Diktatur.“ (p. 192).

Stichworte: Ökodiktor, öffentlicher Diskurs, Letzte Generation, Klimafrage, Pandemie, Sorge und Angst, Lissmann Konrad Paul, „Lauter Lügen“ (Buch)

Das Mittelalter lässt grüßen

Die jüngste Sendung der hervorragenden ORF-Reihe Universum History hat Möglichkeiten der Konfliktlösung im Mittelalter aufgezeigt. Mit interessanten Parallelen zur Gegenwart..

Wolfgang Koppler

Der jüngste Ausgabe von Universum History befasste sich mit den Aufgaben eines mittelalterlichen Burgvogts, den Funktionen damaliger Grundherrschaften sowie dem Fehdewesen zur Zeit Kaisers Friedrichs des II. Anfang des 13.Jahrhunderts.

Gezeigt wurde in fantasievoller Weise auch die Vermeidung der Eskalation eines bereits in Gewalttaten ausgeuferten Streits zweier Adelsfamilien mit Hilfe der diplomatischen Fähigkeiten des Burgvogts. Es ging um vorgeblich verletzte Ehre und natürlich um wirtschaftliche Interessen, im gegenständlichen Fall um einen von beiden Teilen beanspruchte Mühle. Es gab damals noch kein Gerichtswesen, sodass man sich eben meist durch Selbstjustiz in Form der Fehde Recht verschaffte. Wobei bereits der Sachsenspiegel zunächst eine dreitägige cooling-off-Phase vorsah. Doch auch damals wusste ein kluger Vogt, dass eine nicht rechtzeitig beigelegte Fehde und das Bedürfnis nach Rache Jahrzehnte langes Blutvergießen bedeutete. Mit unzähligen Toten, Verletzten und verheerten Landstrichen, was unter Umständen alle Beteiligten ruinierte.

Kommt uns das bekannt vor? Passiert nicht genau das im Ukrainekrieg und in vielen anderen Kriegen? Bomben, Raketen und Granathagel werden mit Bomben, Raketen und Granathagel beantwortet. Über Jahre hinweg. Der Aggressor muss bestraft werden. Ohne Rücksicht auf Verluste und Kollateralschäden. Wobei jede Seite naturgemäß immer die jeweils andere Seite als Aggressor sieht. Insoweit unterscheidet – abgesehen von der Waffentechnik – die moderne Kriegsführung wenig von der des 30-jährigen Kriegs oder der des Fehdewesens. Und das ukrainische Getreide verfault genauso wie jenes auf den Feldern der Bauern früherer Jahrhunderte, die unter einer Fehde oder später unter den Söldnerheeren litten.

Während wir im innerstaatlichen Bereich Streitigkeiten mit Hilfe einer mehr oder weniger gut funktionierenden Justiz lösen, erinnern unsere Kriege und die damit verbundene Außenpolitik immer noch an blutige Fehden des Mittelalters um Ehre, Rache und Einfluss. Und an die Verheerungen durch die Söldnerheere des 17.Jahrhunderts. Manchmal sogar schlimmer. Wie sagte ein kluger Mann, als er danach gefragt wurde, wie wohl der 3.Weltkrieg aussähe ? Ich habe keine Ahnung, welche Waffensysteme dann zum Einsatz kommen werden. Aber der 4.Weltkrieg wird mit Sicherheit nur noch mit Keulen ausgetragen.

Aber vielleicht brauchen wir gar keinen weiteren Weltenbrand, um uns in die Steinzeit zurückzuversetzen. Sieht man sich die Prognosen der Klimatologen und die weltweit steigenden Durchschnittstemperaturen an sowie Unvernunft und Alibimaßnahmen, mit denen Klimawandel und Umweltverschmutzung begegnet wird, kommt die Natur möglicherweise dem militärischen Selbstzerstörungstrieb des Menschen zuvor. Dann würde aus dem Steinzeitmensch mit wieder das Steinzeitwesen ohne Atombombe. Seltsam, dass sich viele immer noch einreden, alles müsse von selbst irgendwie gut ausgehen. Wer garantiert uns das ?

Ein Buchautor klärt auf

Drei Epochen der Aufklärung sieht der Buchautor Thomas Halik: der Vernunft, Emotionalität, des Klimas. „Aufklärung“ bietet er auch in anderen Fragen.

Hans H ö g l

Passagen aus dem Buch: Thomas Halik (2022): Der Nachmittag des Christentums.Eine Zeitansage,Freiburg, Herder, 317 S.- mit Index und Anmerkungen. Der tschechische Soziologe und Theologe Thomas Halik schrieb ein epochales Buch – primär zur Zukunft des Christentums. Ich greife daraus einige Passagen auf, die meiner Ansicht nach im Sinne der Medienkultur von Interesse sind. Halik schreibt sinngemäß:

Die erste Aufklärung hat die Epoche der Moderne eröffnet. In ihr sieht Thomas Halik die Emanzipation der Vernunft (17./18.Jahrhundert – vgl. Jahr 1789). In der zweiten Aufklärung wurde gegen die vorausgehende Generation der Eltern revoltiert, die den 2. Weltkrieg und den „Kalten Krieg“ erlebt haben. Die zweite Aufklärung ist die Emanzipation der Emotionalität (u. Sexualität – vgl. Jahr 1968). Die dritte Aufklärung legt großen Wert auf ökologische Verantwortung – angesichts des unbestreitbaren Klimawandels und lehnt neoliberalen Kapitalismus und unbeschränktes Wachstum ab und fordert einen alternativen Lebensstil. Eine globale mediale Aufmerksamkeit habe das „Auftreten der Kinderprophetin Greta Thurnberg gewonnen“ (p. 169 f.).

Doch Halik meint auch, das Wort „Krise“ gehört zu den am meisten benutzten Worten unserer Zeit. Kein Wunder, dass es schon viele Menschen ermüdet und gereizt reagieren lässt. Gab es denn eine Zeit ohne Krisen, ist unsere Zeit mit ihren Krisen wirklich außergewöhnlich? fragt er (p. 89). Das Misstrauen gegen die jetzige ökonomische und politische Weltordnung spiele dem politischen Extremismus, Populismus und Fanatismus in die Hände.

Ähnlich wie in der Zeit der Wirtschaftskrise der 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts radikalisieren sich die Linke und die Rechte. In manchen postkommunistischen Ländern kommt die nationalistische Rechte zur Macht, während sich vor allem im akademischen Milieu mancher amerikanischer und westeuropäischer Universitäten die Anhänger der radikalen linken Ideologie des Multikulturalismus und der Politischen Correctness zu ihren Gegnern mit einem solchen Maß an Intoleranz, Arroganz und Fanatismus verhalten, dass es fast an ideologischen Säuberungen aus der Zeit der Kommunismus erinnert (p. 168 f.).

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