Hans Högl
Sehr geehrte Redakteure der Sendung „Ex Libris“. Heute Sonntag, 8. April 2018 um 16 Uhr.
Sie hatten recht, das neue Buch über La Mettrie zu besprechen. Wer je philosophische Vorlesungen besuchte, kennt die Hauptaussagen von La Mettrie. Ich will mich kurz fassen, denn eigentlich müsste Folgendes intensiv diskutiert werden. Die Redakteure haben mit klarem Bewusstsein und Absicht dieses Buch zur Besprechung gewählt, ausgesucht unter einer Fülle anderer Bücher, die nicht besprochen wurden. Also sie trafen ganz bewusst eine Auswahl, es war kein Mechanismus, im Sinne von La Mettrie, keine „Maschine“ hat sie dazu gedrängt. Also Ihre Wahl war ein bewusster Akt, ein Willensakt, womit sie de facto die Hauptaussage des Buches von La Mettrie widerlegen.
Der Autor des Buches bzw. der Interviewer bedauerte, dass Vertreter der katholischen Religion gegen das Buch auftraten und auch Philosophen der Aufklärung. So weit so richtig. Aber es fiel in der Sendung der Nebensatz: Ohne Religionen gäbe es keine Kriege. Also keine Kriege bei Atheismus! Dies ist ein Hypothese, die in letzter Zeit gern so nebenbei gesagt wird.
Haben Sie je das Buch von René Girard „Das Heilige und die Gewalt“ gelesen? Der berühmte Autor weist darauf hin, dass mindestens seit der Französischen Revolution die meisten Kriege in einer und von einer säkularen Welt geführt wurden und von Menschen ohne Religion im eigentlichen Sinne. Religion wurde oft missbraucht, aber die Kriege wurden aus kalkulierten Interessen (also wiederum aus Willensakten) geführt. Seit der Neuzeit ist der Einfluss der westlichen Religionen geringfügig. Oder basiert denn die Welt der Finanzen und der Waffenindustrie auf ethischen und religiösen Interessen? Diese Welt ist säkular im Vollsinn des Wortes und weit ab von jeder Religion, sie ist a-religiös, und Kriegstreiber sind verantwortungslos gegenüber Menschen.
Da trägt keine Religion eine Verantwortung! Die Kriege der Neuzeit, nicht nur des Faschismus, haben säkulare W u r z el n, und das „Schwarzbuch des Kommunismus“ sollten Intellektuelle kennen (Piper, Umfang 987 Seiten). Französische Intellektuelle waren zutiefst betroffen von den unglaublichen Gräueln im Namen einer atheistischen Weltanschauung und zogen darum ihre Konsequenzen. Österreich ist nach einem Diktum von Napoleon immer verspätet dran…um eine Armee, um eine Idee..Dies bedeutet dennoch, dass Vieles in der Gesellschaftskritik zutreffend ist und bleibt. .
Also: Es ist zwar richtig, überall dort Religionen zu kritisieren, wenn Sie schuldhaft zu Kriegen und Verbrechen beigetragen haben (z.B. bei Kreuzzügen), aber Ihre Redaktion bzw. der Autor sollten es sich nicht zu einfach machen, für alles heute Religionen schuldig zu machen (Im Übrigen: wenn irgendwer schuldig ist, dann ist dies ein Akt des Bewusstseins und widerspricht wiederum den Thesen von La Mettrie). Mit solchen Meinungen ist mann/frau manchmal in guter Gesellschaft, irrt aber dennoch. Mit besten Grüßen und grundsätzlich ein Dank für Ihr wertvolle Sendung Prof. Dr. Hans Högl