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Radikalisierung der Mitte

Eine der Fragen, die sich als Konsequenzen auch aus der EU-Wahl ergeben, ist die Frage nach dem von manchen Politikanalysten und Medienexperten konstatierten „Verlust der wahren Mitte“.

Wolfgang Koppler *

Die Tageszeitung „Die Presse“ ist des Öfteren besser als ihr Ruf. Zwar bietet sie bürgerlichen und – was Europa betrifft – lifestylelinken Mainstream, aber nicht so hasserfüllt wie manch andere Medien. Und gelegentlich wird auch so argumentiert, dass die Schwächen des Mainstream sichtbar werden.

Jüngstes Beispiel ist der gestrige Artikel von Wolfgang Böhm über den in den Medien viel diskutierten Erfolg rechter Parteien bei der Europawahl („Europa ist nicht verloren, wenn die Mitte hält“). Zurecht zeigt der Autor die Irrtümer von Nationalisten auf, globale Probleme wie den Klimawandel und die Migration auf nationalstaatlicher Ebene lösen (oder auch verdrängen) zu können. Aber allein das von ihm selbst verwendete Wort „global“ zeigt, dass Klimawandel und auch Migration nicht allein in Brüssel gelöst werden können.

Beispielsweise der Klimawandel kann nicht allein von einem – noch dazu stark von den Interessen von Großkonzernen – bestimmten 450 Millionen-Einwohnergebilde wie der EU gelöst werden. Wenngleich natürlich Europa seinen Beitrag leisten muss. Dasselbe gilt für die Migration, deren Ursachen oft in katastrophalen Zuständen der Herkunftsländer liegen, an denen Europa nicht ganz unschuldig ist. Stichwort: erpresserische Freihandelsabkommen und der von Europa mit immer mehr Verve aufgeschaukelte Ukrainekrieg (unter dem auch der globale Süden leidet) uam.

Wenn Wolfgang Böhm dann auch noch meint, Europa müsse sich gegen China und Russland wappnen, dann zeigt er damit ungewollt die Radikalisierung der so genannten gesellschaftlichen Mitte auf, die er durch Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale verkörpert sieht. Das ist genau jene Sichtweise,
mit der die amerikanische Administration ihr Land derzeit in den Abgrund führt und Trump in die Hände spielt. Und die mit zum Erfolg rechter Parteien in Europa beigetragen hat.

Nicht ganz unrecht hat Böhm, wenn er Europa auf eigene Beine stellen und von Wirtschaftslobbyismus, Bürokratie und Kleingeisterei befreien will. Das geht aber nur, wenn wir unseren abendländischen, auf kalter Sachlichkeit, Scheinvernunft und Materialismus beruhenden narzisstischen Humanismus einmal hinterfragen. Der hat nämlich mit Menschlichkeit, Menschenwürde und Lebensfreude wenig zu tun. Drum benötigen wir ja dauernd Feindbilder, um mit uns zurecht zu kommen. Und die ständige Flucht in die materielle Selbstverwirklichung.

www.msn.com/de-at/nachrichten/other/europa-ist-nicht-verloren-wenn-die-mitte-hält

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Vermehrt Stimmungsmache mit Social Bots

Rechte Parteien und Strömungen laden heikle Themen im Netz intensiv mit Polemik und Emotionen auf.   

Udo Bachmair

Rechtspopulisten und Rechtsextremisten haben mithilfe von Social Bots intensive Stimmungsmache gegen den UNO-Migrationspakt betrieben. Das bestätigt die Internetplattform Botswatch in ihrer jüngsten Analyse. Demnach ist fast ein Drittel aller Kurznachrichten zum Thema von programmierten Systemen abgesetzt worden. Sie sollen den Eindruck vermitteln, dass es im Netz eine größere Ablehnung des Migrationspaktes gebe als dies der Realität entspricht.

Die Manipulation der öffentlichen Meinung durch diese Art von „Information“ erscheint auch demokratiepolitisch äußerst bedenklich. Zudem erschwert die auf rechter Polemik basierende Stimmungsmache den sachlichen Disput über sensible und komplexe Themenbereiche wie etwa die Migrationsfrage. Rechte Parteien und Strömungen haben es immer schon besser verstanden, neue Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Liberale und Linke haben sich offenbar auch im Netz weitgehend verabschiedet..