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Journalismus und Wahrheit

„Was ist wahr?“ war die Fragestellung der diesjährigen Fresacher Toleranzgespräche. In diesen Tagen erscheint das dazugehörige Jahrbuch. Einer der darin enthaltenen Beiträge widmete sich der „Wahrheitsfindung im Journalismus“.

Udo Bachmair *

Die Inanspruchnahme einer absoluten Wahrheit (im theologischen Sinn) ist und kann nicht Gegenstand journalistischer Arbeit sein. Seriösem Journalismus geht es vielmehr um den Versuch einer größtmöglichen Annäherung an die Wahrheit. Ein solcher Versuch kann u.a. mittels Recherchen aus einer Vielfalt auch alternativer Quellen erfolgen sowie durch unermüdliches Bemühen um Differenzierung. Dazu gehört nicht zuletzt ständiges Hinterfragen von Wirkung und Bedeutung traditionellen und wiederholt verwendeten Sprachgebrauchs.

Einige Beispiele dafür:

Menschen, die die wachsende Kriegsrhetorik in Politik und Medien ablehnen und auf Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg drängen, als „Putinunterstützer“ und „russische Trolle“ verächtlich zu machen, auch wenn sie gleichzeitig den Krieg gegen die Ukraine klar verurteilen, erscheint als eine der Verzerrungen von Wahrheit in der Berichterstattung. Sich in die jeweilige Interessens- und Bedrohungslage von Kriegsgegnern hineindenken zu können und daraus differenzierende Schlüsse zu ziehen, würde wahrheitsorientierten Qualitätsjournalismus ausmachen.

Ein Krieg ist immer auch ein Informationskrieg und beide Kriegsparteien machen Kriegspropaganda, unabhängig davon, wer nun der Aggressor und wer das Opfer ist.

westliche Medien stellen ukrainische Kriegspropaganda meist als Fakten dar, hingegen alles, was von russischer Seite kommt, als völlig unglaubwürdig und propagandistisch. Freilich ist es für journalistische Arbeit schwieriger denn je, auf seriöse Quellen zurückgreifen zu können, auch wenn ehrliche Absicht dazu besteht. Seriöse Quellen im Informationskrieg sind nämlich kaum eruierbar. Aber es wäre zumindest wünschenswert, Quellen zum Kriegsverlauf überhaupt anzugeben, was leider in Medien selten passiert.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dazu tragen auch einzelne Begriffe und Worte bei, wie sie auch in der sogenannten objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt wahrscheinlich nur wenigen auf, dass Äußerungen von russischen Politikern tendenziell mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc. also positiv geladene Begriffe.

Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21.Jahrhundert in Europa ein absolutes „No Go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschenrechtlich und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht und Kriegspropaganda verbreitet.

Apropos „Angriffskrieg“: Dieser vor allem von APA und ORF ständig wiederholte Begriff wird kontraproduktiv dann, wenn er allzu inflatiönär verwendet wird. Denn es könnte dadurch bei MedienkonsumentInnen der Eindruck eines von oben verordneten und verpflichtenden Wordings entstehen. Die Bezeichnung „US-Angriffskrieg“ etwa für den Überfall der USA auf den Irak und andere Staaten der letzten Jahrzehnte wäre in westlichen Medien wohl auch heute noch unerwünscht bis verpönt.. US-Kriege waren nach offizieller Lesart ja meist „Befreiungskriege“..

Ähnlich beliebt in Politik und Medien ist die häufige Verwendung des Attributs „Terror“. Es ist wahr, dass etwa die Hamas zu Recht als Terrororganisation bezeichnet werden muss. Das grässliche Massaker vom 7. Oktober hat dies eindeutig bestätigt. Die Bevölkerung von Gaza dürfte das allerdings anders empfinden. Ihre Wahrheit besteht darin, die israelische Regierung wegen des brutalen Vorgehens im Gazastreifen als „Terrorregime“ zu betrachten. Niemals würden jedoch westliche Medien einen solchen Sprachgebrauch für Israels Regierung verwenden, was ja auch nicht wirklich seriös wäre.

Jedenfalls mehren sich Tendenzen, nahezu jede Kritik an der politisch weit rechts stehenden israelischen Führung mit der Keule des Antisemitismus zu beantworten. Dieser immer wiederkehrende Vorwurf gegen politische und journalistische Kritiker Israels verharmlost im Übrigen den wahren, den rassistisch motivierten Antisemitismus.

Als einer der Begriffe, der ebenfalls als verzerrte Wahrheit daherkommt bzw. umgedeutet wird, gilt das Wort Frieden. Ein ursprünglich positiv geladener Begriff, der im Umfeld zunehmender Kriegsrhetorik zum „Friedensdiktat“ oder „Diktatfrieden“ mutiert und damit abgewertet wird.

Höchst bedenkliche Begriffe, die sich ohne größere Empörung bereits langsam aber sicher eingeschlichen haben, sind aus der Nazi-Zeit entlehnte Bezeichnungen, wie „Systemparteien“, „Volksverrat“, „Fahndungsliste“, Lügenpresse, etc.. Politische Kampfbegriffe wie „EU-Wahnsinn“ oder die Kronenzeitungs-Rubrik mit „EU-Theater“ als Überschrift auf der Leserbrief-Seite, sowie etwa auch die schon zur Gewohnheit gewordene Verknüpfung von Migration mit der Beifügung illegal, verfehlen ihre fatale Wirkung ebenfalls nicht.

Beispiele, die noch beliebig fortzusetzen wären, Begriffe und Formulierungen, die jedenfalls nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern diese weitgehend erschweren. Dabei wären ein inhaltlich abwägender und objektiver Journalismus sowie eine Abrüstung der Worte auch im Bereich der Politik von hoher demokratiepolitischer Relevanz.

* Udo Bachmair nahm als langjähriger ORF-Redakteur und Präsident der Vereinigung für Medienkultur an den Fresacher Toleranzgesprächen zum Leitthema Wahrheit teil.

Das Gezerre um die Steuern

„Dreiklang der Macht – Neustart oder Notlösung“ lautete der Titel der jüngsten ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ im Vorfeld der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos. Einig war man sich schon zu Beginn zumindest darin, dass es sich angesichts der mehr als angespannten Budgetsituation und der keineswegs rosigen Wirtschaftslage mehr um eine Sanierungs- als eine Reformkoalition handeln dürfte.

Wolfgang Koppler *

Besonders beim Thema Steuern zeigte sich wieder einmal ein Ungleichgewicht unter den Diskussionsteilnehmern. Einzig Karl Schlögl (früherer SPÖ-Spitzenpolitiker) setzte sich auch für Sanierungsschritte von der Einnahmenseite her ein. Während Karl Ochsner von der Industriellenvereinigung und Jan Kluge von der neoliberalen Agenda Austria und – mit Ausnahme einer Erhöhung der Mineralölsteuer – auch die ehemalige Neos-Abgeordnete Irmgard Griss erwartbar dagegen plädierten. Dies, obwohl das gegenwärtige Budgetloch wohl kaum nur über Ausgabenkürzungen zu stopfen sein wird, was auch Christoph Badelt vom Fiskalrat schon vor längerer Zeit zugestanden hat. Wohl auch deswegen vermied man es in der Diskussion weitgehend, konkrete Zahlen zu nennen.

Dabei hat allein die von den Medien bejubelte – und vom keineswegs „linken“ Christoph Badelt ursprünglich kritisierte- Abschaffung der kalten Progression allein im Jahr 2924 3,65 Milliarden Euro gekostet. Entnehmen kann man dies sogar der Website des Finanzministeriums, das eine diesbezügliche „Ersparnis“ der Steuerzahler bejubelt. Dass diese „Ersparnis“ an Steuern natürlich eine Einnahmenkürzung darstellt, die man jetzt anderswo wieder herein bekommen muss, sagen uns Finanzministerium und Medien natürlich nicht. Ebenso wird verschwiegen, dass eine vernünftige Vermögensbesteuerung auch den Faktor Arbeit entlasten könnte.

Aber genauso wie beim Ukrainekrieg kann man zu diesem Thema überall dasselbe nachlesen: Steuern senken und Ausgaben kürzen. Keine neuen Steuern und wenn noch so viel Geld fehlt. Ohne darüber nachzudenken, wie das in der Praxis funktionieren soll. Als Beispiel möge der nachstehende Standardartikel** zur Abschaffung der Kalten Progression dienen. Es finden sich dort interessanterweise keinerlei Ausführungen zu den Kosten. Und dafür jede Menge Jubel. Der ist uns jetzt hoffentlich vergangen.

Um mich nicht falsch zu verstehen: Selbstverständlich muss ausgabenseitig etwas geschehen. Und selbstverständlich müssen Steuergelder effizienter eingesetzt werden. Dass man auch mit einer Abgabenquote effizient wirtschaften kann, zeigt etwa das sogar von Jan Kluge von Agenda Austria zitierte Beispiel Dänemark. Aber ein derartiges Budgetloch nur ausgabenseitig schließen zu wollen, ohne mehr Schaden als Nutzen zu stiften, scheint mir Schimäre.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

** https://www.derstandard.at/story/3000000236280/kalte-progression-naechste-entlastung-vor-beschluss

„Fighting chance“ für die Demokratie

Überlegungen zu Hans Rauschers „Einserkastl“ im STANDARD mit dem Titel „Österreich ist ein rechtes Land, oder?“

www.derstandard.at/story/3000000241244/oesterreich-ist-ein-rechtes-land-oder

Ilse Kleinschuster *

Ja, ich glaube mit Hans Rauscher, dass eine faschistoide Grundströmung in Österreich zwar vorhanden, aber längst noch nicht dominant ist. Und ich nehme auch an, dass „viele es noch verdrängen, wohin die Reise geht“. Ich kann schwer zustimmen, wenn er schreibt, dass der Rechtspopulismus in den Rechtsextremismus hinübergleitet, und dass dies wohl noch nicht genug Leute erkannt hätten.

Ich habe aber ein sehr murmeliges Gefühl, wenn Rauscher meint, dass die liberalen Demokraten schließlich erkennen müssten, dass der Faschismus nichts als Bluff – und die „Wir sind unausweichlich“-Rhetorik von Kickl lachhaft sei – solange nicht das eintritt, was die politische Theorie den „Kipppunkt“ nennt. Tja, ich bekomme Gänsehaut, wenn er schreibt, „wenn die Situation danach ist, genügen 30 Prozent, um ein Land in die Autokratie zu drehen“. Ich fürchte, es stimmt, dass es Anzeichen gibt für eine solche Bewegung, und ich bin froh darüber, dass Rauscher offensichtlich seine Leserschaft ernstlich warnen will und mit den abschließenden Worten schließt: „aber die liberale Demokratie in Österreich habe jetzt noch einmal eine „fighting chance“.

Ergreifen wir also die Aufforderung zur fighting-chance! Wie und was können wir tun, um Österreich (wieder) ein Land werden zu lassen, das sich nicht der Tyrannei von Minderheiten beugt, ein Land, in dem die Menschen friedlich miteinander umgehen, weil sie die Tagesordnung mitbestimmen. Ich denke und hoffe, dass nach wie vor soziale Bewegungen die wahltaktischen Überlegungen unserer Politiker beeinflussen (können), indem sie reformwillige Wähler mobilisieren. In Österreich haben wir eine starke soziale Bewegung gegen rechts, die hoffentlich auch bald das derzeitige Rauschen im Cyberspace übertönen kann. Meiner Ansicht nach ist die Arbeit an der Unterdrückung dieses Rauschens nur möglich, wenn wir demokratiefreundliche, konstruktive Informationsvermittlungs-Institutionen so stärken, dass sie existenziell unabhängig arbeiten können.

Kurz: Wir brauchen wieder Institution, denen wir vertrauen können! Eine Institution, die auch Lösungen verbreitet, die oft zunächst als unbequem oder als unsozial abgelehnt werden, weil sie nicht im Sinne des allgemeinen Wohlergehens verständlich genug medial aufbereitet worden sind. Ich meine, das sind doch in erster Linie sg. Qualitätsmedien, die notwendig sind, um die rechtsstaatliche Demokratie vor dem Rauschen zu schützen und ihre Arbeit an einem Wandel, der den Herausforderungen des 21.Jahrhundert gerecht werden kann – z.B. Klimagerechtigkeit! – ermöglichen. Das Vertrauen in Qualitätsmedien ist eine Voraussetzung dafür, dass Bürger*innen teilhabefähig sind. Um aber gute Arbeit leisten zu können, brauchen auch Redakteur*innen und ihre Medien unabhängige Finanzierung und Aufsichtsgremien, die der Unabhängigkeit verpflichtet sind.

• Ilse Kleinschuster ist ein besonders engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft und lebt in Wien

Palästina-Botschafter als Feindbild

Ein vom ZiB2-Anchor Armin Wolf korrekt moderiertes Streitgespräch hat in Politik und Medien dennoch für ziemliches Aufsehen gesorgt. Allen voran polemisierte der scheidende ÖVP-Spitzenpolitiker Wolfgang Sobotka gegen den ins ORF-Studio eingeladenen palästinensischen Botschafter und schwang die sattsam bekannte Antisemitismus-Keule.

Wolfgang Koppler *

Der TV-Aufreger der Woche war wohl die ZiB2-Konfrontation des palästinensischen Botschafters mit dem Sprecher der israelischen Armee, die einander nichts schuldig blieben. Sogar Nationalratspräsident Sobotka schaltete sich ein und witterte Antisemitismus. Er sah wohl eine letzte Chance, sich vor seinem Abgang noch schnell zu profilieren. Angesichts seiner schlechten Umfragewerte wohl nicht ganz unverständlich.

Tragisch, dass der kurz vor einem Flächenbrand stehende Nahostkrieg – und als solchen muss man die immer blutigeren Auseinandersetzungen zwischen Hamas, Hisbollah und Israel inzwischen wohl bezeichnen – in einem neutralen Staat wie Österreich derart missbraucht wird. Und noch tragischer, dass manche Politiker und Journalisten Österreichs problematische Vergangenheit, die neben historischer Aufarbeitung eigentlich zu einem besonderen Verantwortungsbewusstsein für Menschenrechtsverletzungen gleich welcher Art führen müsste, dazu nutzen, sich dadurch in Szene zu setzen, dass sie Netanjahu und der israelischen Rechten eine Art Blankoscheck ausstellen. Um eine ganze Region ins Unglück und das eigene Land ins Verderben zu stürzen.

Hamas und Hisbollah müssen vernichtet werden. Koste es, was es wolle. Selbstverständlich war der blutige Überfall der Hamas am 7. Oktober des Vorjahres ein Terrorakt. Aber je blutiger und risikoreicher dieser Antiterrorkrieg wird, desto mehr verblassen die Geschehnisse des 7. Oktober in den Köpfen vieler Menschen, vor allem bei jenen, die ums nackte Überleben kämpfen und mit diesem Terrorakt nichts zu tun haben. Und selbst wenn man um den Preis zigtausender Toter die Hamas aus dem Gazastreifen vertreiben könnte, würde sie woanders weiterexistieren und vielleicht würde an ihre Stelle eine noch radikalere Organisation treten. Da sind sich zahlreiche Experten einig.

Man kann das Böse nicht mit unlauteren Mitteln bekämpfen, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen und damit dem Gegner in die Hände zu spielen. Wir sind nicht Gott. Und auch Jahwe musste seinen Zorn letztlich bändigen. Um jenem Volk eine Chance zu geben, das er liebte und auserkoren hatte. Das gilt nicht inzwischen nicht nur für Israel, sondern für uns alle. Wir sind Menschen und keine Götter, Gerieren wir uns als solche, werden wir zum Teufel. Was selbstverständlich auch für andere Kriege gilt.

https://www.derstandard.at/story/3000000240388/nach-zib-2-mit-palaestina-botschafter-orf-chef-weist-kritik-sobotkas-zurueck

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

„Die da oben“ und „die da unten“

Ratlosigkeit beherrscht die politische Szenerie. Das Wahlergebnis war angesichts der Umfragen zwar nicht wirklich überraschend. Aber ein so deutlicher Abstand zwischen FPÖ und ÖVP und erst zur SPÖ war doch überraschend, für viele auch eine herbe Enttäuschung. das Wahlergebnis beflügelt zudem den Disput um „die da oben“ und „die da unten“.

Wolfgang Koppler *

Die Selbsttäuschung vieler über die Ursachen dieses auch in anderen westlichen Ländern sich abzeichnenden politischen Wandels, der vereinfachend als ein Abdriften nach rechts oder gar in Rechtsradikalismus gesehen wird, hält aber nach wie vor an. Immer noch werden solche Wahlergebnisse, aber auch die diesen zugrunde liegende Stimmung als Protest gegen „die da oben“ abgetan, dem gar keine wirklichen Missstände oder ein Fehlverhalten von Politik, Wirtschaft und Medien zugrunde lägen. Man müsse einfach politische und wirtschaftliche Vorgänge und Entscheidungen besser erklären bzw. kommunizieren, heißt es immer. wieder.

Den Ausdruck „die da unten“ verwendet man hingegen nicht. Obwohl sich Politik, Wirtschaft und Medien von Wählern, Konsumenten und Lesern bzw. Zusehern tunlichst abschotten. Kontakt erfolgt nur über Mails, die von dazu geschulten Personen gelesen und beurteilt werden und die Politiker, Unternehmer und Journalisten im Regelfall gar nicht zu Gesicht bekommen. Selbst dann, wenn sich ein ein Wissenschafter oder ein Mensch meldet, der Wissen und Erfahrungen aus der Praxis mitbringt und vielleicht echte Missstände aufzeigen könnte.

Und so lebt unsere „Elite“ – oder wie immer man Politiker, Journalisten und Manager bezeichnen mag – und selbst ihre Umgebung in einer Art Blase. Nicht viel anders als der Stammtisch. Nur eben in einer anderen Vorstellungs- und Erlebniswelt. Wobei es oben und unten dann noch verschiedene Arten von nebeneinander bestehenden Blasen gibt. Bestimmte Redaktionen fühlen sich als etwas Besonderes, ebenso wie Manager verschiedener Großunternehmen sich hie und da besser dünken als ihre Kollegen.

Trotzdem: Bildung, Geld und Macht als das, was bei uns offenbar erst den wirklich „wertvollen“ Menschen ausmacht, scheidet unsere Gesellschaft in die da oben und die da unten.

Und da wir im Westen zur Egozentrik neigen, zu einem sich selbst vergöttlichenden Wesen mit wenig Selbstkritik, dünkt sich unsere Elite oft als mehr oder weniger unfehlbar. Oder verdrängt zumindest Fehlverhalten. Sich zu entschuldigen oder gar in sich zu gehen kommt nicht in Frage. Sie können das gerne ausprobieren, indem sie einen Journalisten auf einen klar ersichtlichen Fehler hinweisen. Eine Entschuldigung oder gar ein Umdenken wird kaum einmal erfolgen.

Der Wahlkampf ist ein Kindergarten, heißt es treffend im Werbespot eines Möbelhauses. Ein wunderbares Bild für jenen infantilen Narzissmus, dem gerade unsere Eliten immer wieder zum Opfer fallen. Ohne dass sie es merken.

Und so werden Migranten zum Opfer der Politik. Auf beiden Seiten. Menschen mit Migrationshintergrund werden nämlich auch von der linken Seite benutzt. Indem sich Intellektuelle zu ihren Schutzgeistern erklären, die wenig mit der Lebensrealität von Zuwanderern zu tun haben. Sondern nur das große Wort führen; Migranten als billige Arbeitskräfte sehen und Angst vor Rechtsextremismus genauso schüren wie manche Politiker der rechten Seite die Angst vor dem Islam.

Und so werden Migranten zum Spielball der rechten als auch der linken Seite. Das aktuelle Wahlergebnis spricht Bände. Und sollte zu Selbstkritik führen, Auf allen Seiten.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Das Recht auf Frieden

Die Priorisierung des Rechts auf Frieden lässt zu wünschen übrig. Dabei wäre sie im Sinne der Menschenrechte von existentieller Bedeutung.

Peter Stribl *

Am 1. Januar 2016 hat die UNO 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in Kraft gesetzt, die für alle ihrer Mitgliedsstaaten gültig sind.
Nachfolgend diese 17 Ziele in der festgelegten Reihenfolge:

1. Keine Armut
2. Kein Hunger
3. Gesundheit und Wohlergehen
4. Hochwertige Bildung
5. Geschlechter-Gleichheit
6. Sauberes Wasser und Sanitär-Einrichtungen
7. Bezahlbare und saubere Energie
8. Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
9. Industrie, Innovation und Infrastruktur
10. Weniger Ungleichheiten
11. Nachhaltige Städte und Gemeinden
12. Nachhaltiger Konsum und Produktion
13. Maßnahmen zum Klimaschutz
14. Leben unter Wasser
15. Leben an Land
16. Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zum Recht ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.
17. Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (1)

Unschwer zu erkennen ist, dass die Reihenfolge schlicht unsinnig ist: Wie sollen die Ziele 1 bis 15 ohne Frieden erreicht werden? Für Menschen, die Kriegen ausgesetzt sind, sind Armut, Hunger und Krankheit nachgerade zwangsmäßige Begleiter. Sauberes Wasser und Energie, menschenwürdige Arbeit – nichts weiter als süße Fata Morganen aus einem unerreichbaren Schlaraffenland. (2,3,4,5)

Die Priorisierung von Ziel 16 (Frieden) wird von den USA und von US-amerikanischen Stiftungen und Förderern der Nachhaltigkeitsziele, von der EU und der OECD bisher abgelehnt, während China, Indien und zahlreiche Entwicklungsländer das Ziel unterstützen, die bereits 2013 in der UN-Vollversammlung verlangt hatten, dass das Recht auf Frieden ein Menschenrecht werden soll. Die Ablehnung manifestiert sich durch das Ignorieren und der fehlenden Erwähnung von Ziel 16, beispielsweise in einem Papier der OECD zur Agenda 2030. (1)

Daraus folgt, dass die Prioritäten vom Kopf auf die Füße gestellt werden müssen. Das Recht auf Frieden ist elementar, von existentieller Natur. Nichts auf dieser Welt ist demokratischer. Unvorstellbar, dass die Bevölkerung egal welchen Landes Krieg mit anderen Ländern zur obersten Priorität erhebt. Vielmehr wird Krieg als Durchsetzung der Interessen von Oligarchen „kultiviert“.

Zurzeit ist dieser Irrsinn täglich sichtbar. Da lässt sich ein Fußballverein vom Rüstungskonzern Rheinmetall sponsern. Klar, die schießen aus allen Rohren… Keine Talkshow, die nicht mit einem Pazifisten, dafür aber mit mehreren Konfrontation Suchenden bis hin zu Bellizisten besetzt ist. Der Nachrichtensender ntv „möchte eine Debatte ermöglichen“, dass Waffen als nachhaltig deklariert werden. Eine gewisse Logik ist dem nicht abzusprechen, denn kaum etwas ist nachhaltiger als der Tod.

Bei Kriegen geht es immer um die Interessen von wirtschaftlichen Gruppierungen. Bodenschätze sind unwiderstehliche Ziele. Nachzulesen bei Zbigniew Brzezińskis Strategien oder – etliches einfältiger – bei (CDU-)Kiesewetters Statement zu den Lithium-Vorkommen im Donbass. Was wäre der Nahe Osten ohne Erdöl?

Befeuert werden die Konflikte dieser Erde durch Medien in Privatbesitz. Kein Redakteur wird wagen, gegen die Interessen „seines“ Herausgebers anzuschreiben. Desillusionierend die spärliche Zahl aufrecht gebliebener Journalisten… Was hier an Interaktivität und Folgen damals wie heute erkennbar wird, ist bemerkenswert.

Während der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler wegen Kritik für seine Äußerungen zurücktrat („dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen“) – darf Verteidigungsminister Boris Pistorius in der Straße von Taiwan die freie Schifffahrt verteidigen zum Wohlwollen der Medien und ihrer Meinungsmache, sowie der USA, allerdings zum Missfallen der VR China.

Wer hier mit wem spielt, ist interessant. Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Februar 1999 gesagt, dass er zum Regieren nur „Bild, BamS und Glotze“ brauche. Eine steile Behauptung; andere Politiker sind dabei im Gegenteil flach rausgekommen. Z.B. der frühere Bundespräsident Christian Wulff „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Laut dem Kabarettisten Volker Pispers der Moment, in dem Verlegerin Friede Springer den Daumen über Wulff senkte. Bitte nach Volker Pispers „Wem gehören die Medien?“ auf YouTube googeln. Aber Vorsicht: Verschwörungstheorien!

Andererseits, was ist, wenn sich Theorien bestätigen?
(https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AH71_WulffBild_ArltStorz_2012_05_07.pdf)

Medien schließlich geben in Ihrer Sucht nach Marktanteilen auf dem Gebiet ein erbärmlich ekelhaftes Bild ab. Der Wettbewerb um die zugkräftigsten Schlagzeilen ist schlicht widerlich.

Zurück zum Recht auf Frieden: Es kann durch tatsächliche Demokratie ermöglicht werden. Keine Spiegelfechterei über repräsentative „nur dem eigenen Gewissen verpflichtete“ Dampfplauderei. Politische Bildung darf nicht den Medien überlassen werden, sondern über den Staat erfolgen. Wissenschaftlich begründet durch politische und ökonomische Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Zur Erinnerung „Enteignet Springer“ war eine der richtigsten Forderungen der 68er-Bewegung.

Unumgänglich auf dem Weg dahin ist die politische Entmachtung von Konzernen, die Staatsmänner wie Marionetten ihrer Interessen halten. Man erinnere sich an die Geburtstagsfete Joe Ackermanns im deutschen Kanzleramt und Merkels Statement zur „marktorientierten Demokratie“. – Die Besinnung auf die juristischen Vorteile von Erbpacht und Jedermannsrecht sowie deren Entwicklungsmöglichkeiten muss endlich in den Mittelpunkt der Zielsetzungen rücken.

Die Neutralität von Staaten verdient ganz besondere Beachtung. Österreich zum Beispiel ist prädestiniert für die Vermittlerrolle, die gefragter ist denn je. Auch die Bedeutung der blockfreien Länder kann kaum überschätzt werden. Leider beides mit den Abstrichen versehen, die unübersehbar den Abnutzungserscheinungen, dem Schleifen und Sandstrahlen der Verbundenheit zur Aktualität geschuldet sind.

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Im Bildungs- und Erholungszentrum der deutschen IG Druck und Papier in Springen im Taunus fand sich eine Amethyst-Druse, versehen mit dem Motto „Unser Ausweg heißt Bildung“. Gemeint war Bildung im Sinne Wilhelm Liebknechts „Wissen ist Macht – Macht ist Wissen“.
Der zweite Teil des Titels wurde und wird allzu gern unterschlagen; traditionell wie besonders aktuell. (6)

Links:
(1)https://de.wikipedia.org/wiki/Ziele_f%C3%BCr_nachhaltige_Entwicklung
(2)https://www.sipri.org/
(3)https://www.tagesschau.de/ausland/europa/sipri-atomwaffen-108.html
(4)https://www.tagesschau.de/ausland/europa/unhcr-fluechtlingszahlen-102.html
(5)https://www.tagesschau.de/inland/friedensgutachten-2024-100.html
(6)https://www.projekt-gutenberg.org/liebknec/polschri/chap003.html

* Gastautor Peter Stribl ist Politik- und Medienanalyst und lebt in Konstanz am Bodensee

Kriegsbegeisterter Ex-Politiker

Boris Johnson, konservativer Ex-Premierminister Großbritanniens, macht in Politik und Medien weiter von sich reden. Allerdings nicht zu seinem Vorteil.

Wolfgang Koppler *

Boris Johnson ist ein unfreiwilliger Narr. Er stellt mit seiner infantil-narzisstischen Art nicht nur sich selbst, sondern auch den Mainstream bloß. Zwar getraut sich sonst kaum jemand, derart offen seine Kriegs- und Tapferkeitsphantasien zur Schau zu stellen, wie es Johnson tut. Was Kriegsbegeisterung und Dämonisierung des Gegners betrifft, stehen Johnson aber auch etliche andere Politiker und Journalisten nicht nach. Ob man Putin – trotz der klar erkennbaren Kapazitätsgrenzen von russischer Armee und Wirtschaft und völlig anders gearteter Interessenlage – Angriffe auf Schweden, Finnland oder das Baltikum zutraut oder ob man immer weiter reichende Waffen statt Verhandlungen fordert – auch hier zeigt sich, dass man den Boden des Rationalen längst verlassen hat.

Da sind Johnsons Träume von der Fremdenlegion, die er am Telefon äußerte, nichts ahnend, dass am anderen Ende Komiker saßen, ja geradezu amüsant. Leider muss man schon bei Fokus Online nachsehen, um sich angesichts der falschen Kriegsbegeisterung bei dem Exzentriker Boris Johnson etwas zu erheitern.

https://www.msn.com/de-at/nachrichten/other/w%C3%BCrde-fremdenlegion-gern-selbst-anf%C3%BChren-boris-johnson-f%C3%A4llt-auf-russen-komiker-herein-und-gibt-wildes-interview/vi-AA1q6gcV?cvid=0d92246d7d8c48dcc71b4bdda0d5b5ac&ei=9

Der ehemalige Premierminister Großbritanniens Boris Johnson wurde erneut von zwei russischen Komikern hereingelegt. Das Gespräch wurde Anfang der Woche auf der russischen Webseite RuTube veröffentlicht. Während des Gesprächs gibt Johnson verschiedene bizarre Aussagen zum besten.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Neutralität und Sicherheit

Einladung zur Vorwahl-Diskussion

Mi., 11. September 2024, 19.00 Uhr

Stiftgasse 8, 1070 Wien, Amerlinghaus, Galerie, 1. Stock

Heute: Ukrainekrieg, Gazakrieg. Morgen: Nahostkrieg und noch mehr Kriege? In Zeiten von Krisen und Kriegen ist eine tatsächliche Politik der immerwährenden Neutralität Österreichs und das Auftreten gegen die Kriegstreiber in Ost und West und das Eintreten für sofortigen Waffenstillstand, Friedensverhandlungen und Frieden notwendiger denn je! Nicht nur die Politik, vor allem auch die Medien sollten dafür einen konstruktiven Beitrag leisten.

NEUTRALITÄT UND SICHERHEIT – ein Thema, das nicht den Rechten, Neokonservativen und Neoliberalen überlassen werden darf.

TeilnehmerInnen:

Udo Bachmair
Redakteur, Moderator, Präsident der Vereinigung für Medienkultur

Gabriele Matzner
Juristin; Publizistin, Diplomatin und Botschafterin a.D.

Günther Greindl
General i.R., Leiter von UN-Missionen, Präsident von Aufbruch-Österreich

Daniela Gruber-Pruner
Mitglied des Bundesrates, SPÖ, Schriftführerin des Bundesrates

Rihab Toumi
Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ) Wien

Wilfried Leisch
Gewerkschafter:innen gegen Atomenergie und Krieg / Österr. Solidaritätskomitee

Michael Kösten
Moderation
*
Veranstalter:

GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg
Vereinigung für Medienkultur

Anmeldung erwünscht: ggae@gmx.at * Freier Eintritt, Spenden erbeten * www.atomgegner.at

Medialer Einheitsbrei

Kriegsrhetorik und Jubelberichterstattung überwiegen angesichts des ukrainischen Angriffs auf russisches Territorium. Ungeachtet aller neuen Eskalationsstufen.

Wolfgang Koppler *

Geradezu beifällig berichtet der deutsche Merkur über den Einsatz deutscher Panzer bei der ukrainischen Offensive in Kursk. Es wird zwar kurz auf die Debatte über den Einsatz deutscher Waffen in Russland Bezug genommen, dabei jedoch auf die Stellungnahme des Vorsitzenden des deutschen Verteidigungsausschusses Bezug genommen, wonach es sich seit der Übergabe an die Ukraine um deren Waffen handle und Vorstöße auf russisches Gebiet völkerrechtlich Teil eines Verteidigungskrieges seien. Basta.

Kein Wort über die Gefahr einer Eskalation und erst kein Wort zur historischen Belastung, zumal im Gebiet von Kursk die letzte Offensive der Deutschen im Zweiten Weltkrieg stattfand. Auch die katastrophale Situation in der Ostukraine bleibt im gegenständlichen Artikel unerwähnt. Jubelberichterstattung, die an die Kriegspropaganda des ersten Weltkriegs erinnert. Lobend erwähnen muss man in diesem Zusammenhang Heidi Riepl in den OÖN, die die diesbezügliche westliche Kriegspropaganda kritisch unter die Lupe nahm und Marie-Claire Zimmermann, die im Interview mit Gerhard Mangott (der trotz formaler Zulässigkeit den Nutzen der Offensive in Frage stellte) die historischen und Putins Feindbild einer nazistischen Ukraine verstärkenden Bezüge erwähnte.

Der Artikel im Merkur lässt einen trotzdem schaudern. Zumal er sich inhaltlich kaum von der Berichterstattung anderer Medien abhebt. Wie kann man in einer angeblich toleranten, humanen und demokratischen Gesellschaft derart plumpe Propaganda betreiben und jegliche Kritik daran als links- oder rechtsextrem, pazifistisch oder populistisch abtun ? Wie kann man etwa die guten Umfragewerte der durchaus differenziert argumentierenden Sahra Wagenknecht damit abtun, sie spiele auf der „populistischen Klaviatur“, wie es Andreas Pfeifer in einem ZiB2-Beitrag über die ostdeutschen Wahlen vom 21.8 tat ? Während Stefan Lenglinger den Experten Hans Vorländer von der TU Dresden immerhin und nicht ganz unberechtigt fragte, ob die deutsche Bundespolitik die zu erwartenden Ergebnisse der ostdeutschen Landtagswahlen bei ihrer Haltung zum Ukrainekrieg ignorieren werde können ?

Wer hätte je daran gedacht, dass die deutschen Grünen und die CDU sich einmal in Kriegsrhetorik gegenseitig überbieten würden ? Kein Wunder, dass mainstream-Wähler sich scharenweise von der Ampelkoalition abwenden und gleich zur CDU abwandern. Geh zum Schmied und nicht zum Schmiedl…

Aber man muss dem Boulevard irgendwie dankbar sein, Er zeigt schonungslos und ohne Hemmungen, wo Politik und Medien inzwischen gelandet sind.

www.merkur.de/politik/deutsche-panzer-in-ukrainischer-offensive-gegen-russland-hohe-verluste-in-kursk-93232146.html

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Wurzeln des Hasses

„Eine Reise zu den Wurzeln des Hasses in der Slowakei“ unternimmt Michael Schmölzer in der Wiener Zeitung vom Samstag.

Wolfgang Koppler *

Michael Schmölzer untersucht das aufgeheizte politische Klima in der Slowakei, das zu dem Attentat auf Robert Fico mit beigetragen haben mag und geht dessen Ursachen nach. Er erwähnt den Verbalradikalismus auf Seiten Ficos, aber auch jenen der Opposition. Er beklagt die Vergiftung der politischen Atmosphäre und dass es in der Slowakei keine politische Mitte mehr gäbe. Die Ursachen sieht er vor allem im nicht gänzlich überwundenen, autoritären System des Kommunismus, dem auch Fico entstamme. Und einer „missglückten Transformation“ nach der sogenannten Wende, zumal in der Slowakei eine gewisse Ostalgie vorhanden sei und sich manche nach der scheinbaren Sicherheit der damaligen Zeit zurücksehnten.

Man muss dem Autor zugestehen, dass er sich um Sachlichkeit bemüht und versucht, nicht Partei für eine der beiden Seiten zu ergreifen. Sodass er sowohl Ficos Anhänger als auch dessen Gegner zu Wort kommen lässt. Was die Ursachen des Konflikts und der gegenwärtigen Unversöhnlichkeit betrifft, greift er aber meines Erachtens zu kurz. Nicht an allem ist der Kommunismus schuld. Der manchmal übertriebene Nationalismus und Konservativismus – vor allem außerhalb der urbanen Zentren – hat sicher weitreichende historische Wurzeln. Die Slowakei stand lange Zeit unter der Vorherrschaft Ungarns, war anderseits in den urbanen Zentren (wie etwa in Bratislava) lange Zeit von einer deutschsprachigen Mehrheit dominiert und ging nach dem Zusammenbruch der Monarchie in der Tschechoslowakei auf. Zwischen 1939 und 1945 existierte dann ein nur pro forma eigenständiger Staat von Hitlers Gnaden, an den fast nahtlos die realsozialistische Tschechoslowakei anschloss. Die Slowakei in ihrer heutigen Form gibt es erst seit 1993.

Die Wende 1989 und der EU-Beitritt bedeutete für weite Teile der Bevölkerung nur vordergründig wirtschaftlichen Aufschwung. Zwar gab es Investitionen aus dem Westen. Der Preis dafür waren Löhne, die noch nach der Jahrtausendwende für viele nicht mehr als 500 Euro monatlich für einen Vollzeitjob ausmachten. Bei Lebenshaltungskosten, die nicht allzu sehr unter jenen im Westen lagen. Anderseits wurde Brüssel – nicht nur in wirtschaftlichen, sondern auch gesellschaftlichen Fragen – als allzu dominant empfunden, was wohl auch bei manchen uralte Reflexe gegenüber Westeuropa auslöste. Diese sind sicher auch in anderen ehemaligen Ostblockländern spürbar. In der Slowakei, welche in ihrer Geschichte meist von Ungarn, Deutschen und Tschechen dominiert wurde, sind Panslawismus, Nationalismus, aber auch Konservativismus nicht ganz unverständlich. Was die Anlehnung an Russland als Schutzmacht zumindest erklärt. Und angesichts der missglückten und allzu radikalen wirtschaftlichen und politischen Transformation nach der Wende ist auch eine gewisse „Ostalgie“ durchaus nachvollziehbar.

Und was die Spaltung der Gesellschaft in zwei unversöhnliche Lager und zunehmende Radikalisierung betrifft, so ist die Slowakei damit wohl nicht alleine. Ob Liberals und Trump-Anhänger in den USA, ob Rechtspopulisten und so genannte Lifestyle-Linke (wie sie Sahra Wagenknecht zu nennen pflegt) in vielen europäischen Ländern, eine gewisse Ähnlichkeit mit der slowakischen Gesellschaft ist nicht zu leugnen. Auch die Auseinandersetzung zwischen Politik, Justiz und Medien, die Versuche der Politik, dritte und so genannte vierte Gewalt in den Griff zu bekommen, aber auch der gelegentliche Anschein einer Instrumentalisierung von Justiz und Medien – es handelt sich nicht um auf die Slowakei beschränkte Phänomene. Das gilt erst recht für die allgegenwärtige Korruption. Auch wenn die Tendenz zur „illiberalen“ Demokratie in manchen Staaten aufgrund bestimmter geschichtlicher Erfahrungen vielleicht etwas stärker ausfallen mag. Und der Mainstream und erst recht die Regierung bei uns in der Wortwahl meist etwas vorsichtiger sind. Aber auch bei uns droht die politische Mitte abhanden zu kommen. Man denke etwa an Gaza und den Ukrainekrieg.

Ein bisschen mehr Verständnis für die jeweils andere Seite, sei es der innenpolitische Gegner oder eine vom Mainstream (ob zu Recht oder zu Unrecht) scheel angesehene Regierung eines fremden Staates, würde so manchen Dialog vielleicht wieder in Gang bringen. Dann brauchen wir vielleicht nicht mehr den Kommunismus, Putin oder sonst jemanden als ständiges Feindbild. Und könnten uns unseren eigenen blinden Flecken widmen.

Der Link zum Artikel in der Wiener Zeitung :

https://www.wienerzeitung.at/a/die-ursachen-des-hasses-in-der-slowakei

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist in Wien.