Haben sich Politik und Medien an rassistische Taten bereits gewöhnt ?
Udo Bachmair
Aggressive Verbalattacken gegen Flüchtlinge und MigrantInnen sind im Netz allgegenwärtig. Es wird immer offensichtlicher, dass Rechtspopulisten und Rechtsextremisten nicht nur die Sprache, sondern auch das World Wide Web zunehmend vereinnahmen und erobern. Auch in Österreich, auch in Deutschland. Dort hat die vor allem von der rechten AfD aufgeheizte Stimmung weiteren Hass gegen Flüchtlinge geschürt.
Den Wortattacken folgen immer wieder auch konkrete Taten. So nehmen Medien Drohungen und Gewaltaktionen gegen Flüchtlinge kaum mehr wahr. Dabei hat es den Recherchen der investigativen Internet-Plattform Vice zufolge heuer bereits mehr als 350 Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte gegeben. Bange Frage: Wie ist denn die diesbezügliche Lage hierzulande.. ?
Zu den in Medien und Politik kaum mehr wahrgenommen Angriffen auf Flüchtlinge in Deutschland folgende Reportage von VICE ( www.vice.com/de ):
Nicht einmal, sondern gleich viermal drückt ein 35-jähriger Mann am Montagabend in Thüringen den Abzug seiner Schreckschusspistole. Sein Ziel: vier minderjährige Flüchtlinge, die auf der Straße vor seinem Vorgarten stehen. Mitten im beschaulichen 1.000-Einwohner-Örtchen Untermaßfeld. Am Abend, während sich die meisten Familien in der Nachbarschaft gerade die Würstchen auf den Grill legen und das Feierabendbier aufmachen.
Es sei zu Streit gekommen, sagt die Polizeiinspektion Suhl, der Mann ging ins Haus, kam mit seiner Waffe zurück und schießt viermal kurz hintereinander über die Köpfe der Jungen. Pam, Pam, Pam, Pam. „Das war eine Kurzschlussreaktion“, sagt die Polizeisprecherin gegenüber VICE. In den Lokalmedien steht am Mittwoch eine kurze Pressmitteilung der Beamten dazu, ein paar Medien wie der MDR, die Frankfurter Rundschau, Thüringen 24 haben dieselben Worte auf ihren Homepages veröffentlicht. Das war‘s.
Wieso empören solche mutmaßlich rechtsextrem motivierte Taten nicht mehr? Würden Polizei, Medien und Öffentlichkeit anders reagieren, sich lauter empören, hätte ein Flüchtling, vermutlich sogar ein Muslim, auf vier deutsche Minderjährige geschossen, oder Deutsche geschlagen, mit einem Messern angegriffen, geschubst oder „Allahu Akbar“ in dessen Gesicht gebrüllt?
„Eindeutig, ja“, vermutet Robert Lüdecke, Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung. „Wir stumpfen langsam ab, gewöhnen uns an rassistische Taten.“ Auch er habe vom jüngsten Vorfall in Thüringen nichts mitbekommen: „Wir haben seit etwa einem Jahr ein Informationsdefizit.“ Doch Angriffe auf Geflüchtete wie den in Untermaßfeld gibt es fast wöchentlich. Deutschland: Angriffe auf Flüchtlinge fast wöchentlich weiterlesen