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Krieg und Kriegspropaganda

Ein Krieg geht immer einher auch mit einem Informationskrieg. Kriegspropaganda betreiben alle Kriegsparteien. Besonders gut inszeniert sich dabei die Ukraine. Mit voller Unterstützung westlicher Medien. (Beitrag veröffentlicht im Magazin INTERNATIONAL Juni 2022)

Udo Bachmair

Zwei Hauptnarrative beherrschen den Disput rund um den russischen Krieg gegen die Ukraine: Erstens der Glaube daran, dass Wladimir Putin ausschließlich mit weiteren schweren NATO-Waffen in die Knie gezwungen werden könne. Russlands Präsident würde ausschließlich die Sprache militärischer Gewalt verstehen. Das zweite Narrativ besteht darin, dass immer mehr (schwere) Waffen den Krieg und unermessliches Leid nur verlängern würden und eine weitere Eskalation damit vorprogrammiert sei. Diesem Narrativ schenken westliche Medien weder Glauben noch Aufmerksamkeit. Im Gegenteil: Friedensbewegte, die noch einen Spielraum für diplomatische Bemühungen und sinnvolle Friedensinitiativen sehen, werden als „Putinversteher“ oder naive Pazifisten gebrandmarkt.

Reine Militärlogiker fühlen sich allein schon provoziert von auch nur gemäßigten Äußerungen zur komplexen Causa. So etwa von der Meinung der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, Waffen und Sanktionen allein würden nicht ausreichen, um diesen Krieg zu beenden. Man müsse „mit mehr Intensität und Anstrengungen an diplomatischen Lösungen arbeiten“. Diese Perspektive ruft bei Politik und Medien jedoch kaum ein positives Echo hervor. Vielmehr dominieren Verwunderung bis Empörung über eine solche friedensorientierte Position. Im Besonderen Boulevardmedien scheinen einander in Kriegsrhetorik und Dämonisierung Putins und Russlands überbieten zu wollen.

Die regelmäßigen Auftritte des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, einmal im Tarnanzug, festen Schrittes durch Kiew marschierend, einmal im olivgrünen Militärleibchen in einem beflaggten Studio, verfehlen ihre Wirkung nicht. Unermüdlich appelliert der zum Helden stilisierte Staatschef mit martialischen Worten an den Westen, speziell die NATO, weitere schwere Waffen zu liefern. Die schon vor dem Angriffskrieg Russlands seit Jahren bereits mit westlicher Hilfe aufgerüstete Ukraine kann auf weitere massive Waffenlieferungen hoffen. Politik und Medien im Westen begleiten sie dabei mit wohlwollender propagandistischer Unterstützung.

Was den Informationskrieg betrifft, der jeden Krieg begleitet, wirken westliche Medien nahezu gleichgeschaltet. Jenseits aller Objektivitätskriterien, die man sich als Medienkonsument gerade auch in der außenpolitischen Berichterstattung wünschen würde, dominiert einseitiger medialer Mainstream. Die Russen generell böse, die Ukrainer generell gut, so lautet vielfach die Devise. Dass damit weiterer Hass geschürt und eine noch spärlich vorhandene, aber noch mögliche Gesprächsbasis endgültig zunichte gemacht wird, interessiert nur marginal.

Vernebelt vom Schwarz/Weiß-Denken und dem Festhalten an einem starren Freund/Feind-Schema stellen westliche Medien ukrainische Quellen als ernstzunehmend dar, hingegen alles, was von russischer Seite kommt, als völlig unglaubwürdig und propagandistisch. Freilich ist es für journalistische Arbeit schwieriger denn je, auf seriöse Quellen zurückgreifen zu können, auch wenn ehrliche Absicht dazu besteht. Glaubwürdige Quellen im Informationskrieg sind nämlich kaum zu orten. Aber es wäre zumindest wünschenswert, Quellen überhaupt anzugeben, was leider auch im ORF selten passiert. Auch beim Konsum von ORF-Nachrichtensendungen bleibt als Botschaft mitunter der Eindruck hängen, dass ukrainische Informationspolitik als faktenbasiert vermittelt wird, die andere Kriegspartei hingegen agiere bloß mit Fakes und Propaganda. Dabei wäre schon der Versuch von Differenzierung im Sinne eines Qualitätsjournalismus ein Hoffnungsschimmer.

Wenn ein Sprecher des rechtsradikalen Asow-Regiments etwa in der ZiB 1 auftritt, ohne dass eine interpretierende oder differenzierende Analyse dazu beigesteuert wird, ist dies unseriös. Oder wenn in TV-Diskussionsrunden nahezu ausschließlich Kriegs- und Militärlogik verbreitet wird, wie etwa in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“. Oder wenn in unausgewogen besetzten Diskussionsrunden wie etwa im ORF-Format „Im Zentrum“ antirussische Feindbildpflege dominiert, darf man sich nicht darüber wundern, dass Politik und Medien zunehmend an Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn relativierende journalistische Einordnung zunehmend schwindet.

Was sollen die Menschen denn noch glauben, wenn Journalismus nicht in der Lage zu sein scheint, zu differenzieren und die Interessenslage von allen Seiten eines Konflikts her zu sehen und zu hinterfragen. Besonders krass tritt dieses Manko in einer so komplexen Causa wie der des Kriegs gegen die Ukraine zutage.
Dass es auch anders geht, beweist immer wieder der besonnene und sachorientierte ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich jenseits bloßer Kriegsrhetorik und wegen seiner nichtmartialischen und differenzierenden Beiträge großes Lob verdient. Wehrschütz kann auf authentische Quellen vor Ort verweisen, die meisten Redaktionen westlicher Medien hingegen können dies nicht. Deren Hauptquellen sind die großen US-nahen Agenturen, die nur eine Seite geopolitischer Weltsicht repräsentieren. Auch das ORF-Büro in Moskau greift kaum auf andere Quellen zurück…

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dabei helfen einzelne Begriffe und Worte, wie sie auch in der sogenannten objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt kritischen Medienbeobachtern auf, dass Äußerungen russischer Politiker durchgängig mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc. also positiv geladene Begriffe.

Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21.Jahrhundert in Europa ein absolutes „No go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschenrechtlich und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall wie der Russlands. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht. So sind etwa Meldungen über Misshandlungen russischer Gefangener durch ukrainische Soldaten rasch von der Bildfläche verschwunden..
Auch aus politikwissenschaftlicher Perspektive findet da oft eine Verzerrung statt : Wenn „unsere“ Seite einen Krieg anzettelt, herrscht mehr Zurückhaltung, es werden wesentlich mehr Beweise für mögliche Kriegsverbrechen gesucht, bevor darüber berichtet wird. Wenn „Feinde des Westens“ dasselbe machen, ist die Empörung groß. Weil die Politik empörter ist und Medien das spiegeln. Aber auch Medien ihrerseits setzen die Politik unter Druck, noch härter gegen den „Feind“ aufzutreten. Nicht zuletzt deshalb musste sich auch der zunächst zurückhaltend gewesene deutsche SPD-Kanzler Scholz dazu durchringen, der Lieferung von schweren Waffen letztlich doch zuzustimmen

Der Irak-Krieg im Jahr 2003 war ebenfalls ein illegaler Angriffskrieg, ausgeführt von den USA. Medien waren damals aber bei Weitem nicht so empört. Wichtige Details darüber, wie verheerend sich die Invasion auf die Zivilisten im Irak ausgewirkt hat, haben Medien damals kaum beachtet. Völkerrechtswidrige Aspekte und die Tatsache, dass wir es auch beim Irak-Krieg mit einer Aggression zu tun haben, sind damals weitgehend ausgeblendet worden.
Trotz des Irakkrieges, trotz der Bomben auf Bagdad und Belgrad, trotz des gewaltsamen Regime Change in Libyen, etc. wird die NATO in westlichen Medien durchgehend als Verteidigungsbündnis verharmlost. Dass Russland und auch andere die NATO als aggressive Militärallianz wahrnehmen und sich von ihr bedroht sehen, entzieht sich bei Medien und Politik im Westen der Vorstellungskraft und stößt weitgehend auf Unverständnis. Solange der Westen sich nicht auch in die geopolitische Interessenslage Russlands hineindenken kann, Stichwort dazu die NATO-Erweiterung, so lange werden keine effektiven Friedensschritte zu erwarten sein. Von russischer Seite ist dies zurzeit ebenfalls kaum zu erwarten, Putin verharrt in seiner seltsam historisch basierten Kriegslogik. Das muss allerdings nicht so bleiben. Auch der Westen, allen voran die EU, sollten nicht auf Dauer an militaristischer Ideologie im Zusammenhang mit diesem Krieg festhalten.

Der Ukraine sei zu wünschen, so rasch wie möglich friedliche Zustände erleben zu können. Doch beide Kriegsparteien bewegen sich nicht. Dies lässt vorerst keine Hoffnung auf eine Waffenruhe oder auf Friedensverhandlungen keimen. Das Heil ausschließlich in der Lieferung schwerer Waffen zu sehen, wie es etwa die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen unermüdlich wiederholt, erscheint höchst kontraproduktiv, ein Friedenskonzept der „Friedensunion“ EU fehlt. Für kreative Überlegungen, auf nichtmilitärischem Gebiet Friedensinitiativen anzudenken, mangelt es an Willen und Phantasie. Besonders bemerkenswert ist die militante Haltung vor allem der deutschen Grünen, die sich als früherer parlamentarischer Arm der Friedensbewegung nun ins ideologische Lager der Militaristen begeben haben und damit weiter Öl ins Feuer gießen, allen voran die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Österreichs Grüne halten da nicht dagegen
Natürlich soll hier nicht einem naiven Pazifismus das Wort geredet werden, allerdings einer von Friedensethik getragenen aktiven Friedenspolitik. Diese müsste auch Kompromissen Raum geben. Eine primitive und ebenfalls naive Kriegslogik sowie weitere beharrliche Feindbildpflege lassen jedenfalls ein sehnlichst erwartetes Kriegsende in noch weitere Ferne rücken.

Vor diesem Hintergrund plädiert der renommierte Medien- und Konfliktforscher Florian Zollmann für einen „konstruktiven Journalismus“ gerade auch in der Kriegsberichterstattung. Medien schauen auf den Krieg oft wie auf eine Sportveranstaltung: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Und im Prinzip ohne konstruktive Lösungen einzubringen, ohne zu schauen: Welche sind die verschiedenen Interessen, was gibt es für Lösungsstrategien, und wie kann man journalistisch deeskalierend wirken? Fragen, über die es gerade auch für die Politik rege nachzudenken gilt.

Medien – Wandel und „Wir sind Medien!“

Hans   H ö g l 

Am 1./2. Oktober 2016 wird im Wiener Rathaus – im Rahmen der Freiwilligenmesse – bei der   14. Konferenz der Initiative Zivilgesellschaft folgender Text präsentiert und über dessen  Propositionen für die Politik abgestimmt.

Hinein-Begleitung

Massenmedien enthüllen nicht die Realität, sie maskieren sie. Sie tragen nicht zum Wandel bei, sie verhindern ihn. Sie verstärken Passivität und ermutigen nicht zu demokratischer Partizipation, sie führen zu Resignation und Selbstbezogenheit. Sie schaffen nicht Kreativität; sie machen Konsumenten (Eduardo Galeano).

Diese Sätze zeichnen sehr pointiert die Ist-Situation der in den USA privat dominierten TV-Medien. Aber auch europäische Massenmedien laufen Gefahr der Über-Kommerzialisierung.

Aufgabe von NGOs ist es, den medialen Hauptstrom realistisch zu sehen, zu beurteilen und Handlungsoptionen zu erkunden. Trotz Negativ-Punzierung der Massenmedien bleibt in der EU meist ein gewisser Raum für Partizipation und für alternative Medien.

  Propositionen:

Medien-Konzentration und einseitige Besitzverhältnisse in Printmedien verhindern Medien-Vielfalt[1]. Durch Medienförderung kann und soll Medienvielfalt erhalten bleiben. Ein unabhängiger Weisenrat mit Auslands-Expert_innen sollte über die Verteilung der Medienförderung – auch für alternative Medien und Blogs entscheiden. Kriterien dafür sind objektive Berichterstattung, konstruktiver[2] und investigativer Journalismus.

 Die Rundfunkgesetze gilt es zu novellieren: ORF, ZDF, ARD und SRF sind zu verpflichten, breiter über den dritten Sektor, die Zivilgesellschaft mit den NGOs, zu berichten. Aber öffentlich – rechtlicher Rundfunk hat in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine breite Akzeptanz und sollte öffentlich-rechtlich bleiben. Bedenklich ist, dass der Bildungsauftrag im TV-Kanal ORF 1 kaum erfüllt wird, und ORF 1 sich fast nicht von Privat-TV-Sendern unterscheidet.  

Den ORF – Publikumsrat und die deutschen Rundfunkräte  gilt es in einigen Aspekten nach Schweizer Muster zu transformieren – so mit einem transparenten Beschwerdesystem[3].  Der ORF-Beschwerdeausschuss unterliegt dem Amtsgeheimnis und ist intransparent.

Ferner sollen im ORF-Publikumsrat nicht nur  (quasi) staatliche Organe mitwirken, ferner  Kirchen, Gewerkschaft  und diverse Organisationen (wie z.B. zur Bildung, zu Eltern, Konsumenten, Behinderten…),  sondern es sollten sich im Publikumsrat auch  einflussreiche  NGOs und medienaffine Leute aus dem Publikum  einbringen können- zumindest fallweise.

Chancen der Popularbeschwerde versus ORF und Privat-Programmen müssten wiederholt ergriffen werden. Dafür sind innerhalb von sechs Wochen 120 Unterschriften bei Programmen des ORF, und 100 bei privaten Programmen zu erbringen. Die Hürde ist in Österreich hoch, schreibt der Medienexperte Roger Blum[4]. In der Schweiz sind im gleichen Fall innerhalb von vier Wochen 20 Unterschriften zu sammeln.

Die Kompetenz des „Presserates“ gilt es auf alle Medien zu erweitern, also auch auf TV-Sender!

  • Wir alle sind Medien und sollten unsere Chancen nützen: Im Alltagsgespräch, in Foren, Postings, Diskussionsbeiträgen, Leserbriefen. Als Medien-Konsument sind wir Mit-Entscheider über die Auflage und Quote von Medien-Produkten.

Verfasser: Hans Högl, Prof. Dr. MMag. – vgl. www.medienkultur.at  Vereinigung für Medienkultur

[1] Das EU-Schuman-Institut in Florenz finanziert Forschungen, um die Medien-Vielfalt in der EU zu wahren.

[2] Vgl. Högl zum Konstruktiven Journalismus und zum ORF-Publikumsrat in   www.n21.press

[3] Roger Blum: Unseriöser Journalismus? Beschwerden gegen Radio und Fernsehen in der Schweiz, Konstanz-München 2016 (UVK). [4] Ebenda S. 23.