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Was ist Europa?

Zur Identität Europas – aus Sicht des Politologen Anton Pelinka

Hans H ö g l

Im Sinne der Medienkultur ist es wichtig, Positionen zu klären, exakte Diktionen zu verwenden. So nimmt in einem Beitrag Univ. Prof. Anton Pelinka Stellung zu Europa:

Europa ist nicht eine lose Konföderation von Staaten, die Aspekte ihrer Souveränität aufgegeben haben. Die Union ist keinesfalls ein voll entwickelter Bundesstaat – und es ist zweifelhaft, ob sie je zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ wird.

Europa ist nicht – definiert durch Charles de Gaulles Diktum – ein Kontinent begrenzt durch den Ural und den Atlantik. Nicht alle Regime in diesen Grenzen haben Anspruch auf Mitgliedschaft in dieser Union – keine Diktaturen wie Belarus; keine Systeme, die nicht voll funktionsfähige Demokratien sind; keine Länder mit einer eindeutig negativen Bilanz in Sachen Menschenrechte; keine Wirtschaftsräume mit großen Schwierigkeiten, mit Regeln der Marktwirtschaft umzugehen. Nicht jede und jeder kann Europa sein – nur weil die geografische Lage dafür spricht.

Europa ist laut Pelinka und in seiner Reihung das Konzept der gemäßigten Linken (Sozialdemokraten, Grüne) und der gemäßigten Rechten (Konservative, Christdemokraten, Liberale). Europa ist nicht vereinbar mit den Interessen von Nationalisten und Rassisten und Antisemiten und Xenophoben – aber auch nicht mit den Interessen und Vorstellungen von Leninisten oder von Anarchisten.

Die Aufgabe Europas ist die Sicherung des Friedens: Friede durch Demokratie, Friede durch Überwindung der Vergangenheit – der nationalsozialistischen wie der faschistischen, aber auch der kommunistischen; auch der Vergangenheit, die durch den unbeschränkten Vorrang nationaler Interessen bestimmt war.

Reflexionen zur Einseitigkeit

Selten, aber doch, erreichen uns Stimmen, die mir als Hauptverantwortlichem der Vereinigung für Medienkultur (linke) Einseitigkeit vorwerfen. Es sind dies vorwiegend Stimmen aus dem rechten politischen Spektrum, das meist auch jede liberale und menschenrechtsorientierte Position links verortet.

Udo Bachmair

Dem Vorwurf, nicht objektiv zu sein, sehen sich besonders ORF-Journalisten immer wieder ausgesetzt. Auch ich war in meiner langjährigen ORF-Laufbahn vereinzelt mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert. Dass in der Berichterstattung keine der politischen Parteien bevorzugt behandelt werden sollte, versteht sich für einen seriösen Journalisten von selbst. Außerdem ist dieser Grundsatz zumindest für den ORF gesetzlich verankert. Eigentlich auch für den außenpolitischen Bereich. Doch dort scheinen Objektivitätskriterien in der journalistischen Praxis weniger ausgeprägt. Ausgewogen hieße, dass auch globale Positionen nicht durch eine bestimmte Brille, in dem Fall durch die westliche, gesehen und beurteilt werden dürften. Auch im Sport- oder im Kulturbereich gilt einseitige Berichterstattung trotz der Vorgaben des ORF-Gesetzes als de facto „legitim“. So werden heimische Sportler im Gegensatz zu ausländischen gleichsam in den Sporthimmel gehoben. Kulturkritik ist in ihrem Selbstverständnis ebenfalls überwiegend parteiisch.

Doch was heißt objektiv und unparteiisch in Grundsatzfragen ? Heißt ausgewogen, in ethischen Fragen „halbe halbe“ zu berichten, also etwa zu 50 Prozent für die Todesstrafe einzutreten und 50 Prozent dagegen ? Oder darf bzw. sollte etwa – wie kürzlich nach einem bedrückenden TV-Film neu diskutiert – zur Hälfte für Folter zur Erlangung eines Geständnisses geschrieben werden, und zur anderen Hälfte dagegen ? Oder wenn es um weitere heikle und sensible Bereiche von Menschenwürde und Menschenrechten geht : Ist es um der Objektivität und Ausgewogenheit willen ethisch und moralisch vertretbar, Menschen in Not (halb) nicht zu helfen ? Konkret etwa den in Nässe und Dreck dahinvegetierenden Flüchtlingskindern von Moria jede Hilfe zu verweigern ? Als einzig effektive Hilfe aus der Not wäre die Aufnahme von zumindest ein paar Notleidenden hier im reichen Österreich. Das als Journalist, als NGOs, als Parteien etc. festzustellen ist als (parteipolitisch) einseitig kritisierbar und kalt abzutun ? Nur weil einige Parteien, wie Teile der SPÖ, die Grünen und vor allem NEOS ebenfalls für eine humanitäre Aktion plädieren ?

Conclusio: In Fragen von Menschen- und Grundrechten erscheint mir „Einseitigkeit“ legitim, nicht nur aus ethischen und moralischen Gründen, sondern auch aus rationell gut begründbaren sachlichen Erwägungen. Daher bin ich einseitig unabdingbar gegen Todesstrafe und Folter, einseitig unabdingbar für Menschenrechte und einseitig unabdingbar für effektive Hilfe Notleidender. Ja, da bekenne ich mich voll zur Einseitigkeit, zur Nicht-Neutralität.

Hingegen klar gegen Einseitigkeit aufzutreten, sollte in der innen- und außenpolitischen Berichterstattung gleichsam Pflicht sein. Da sollte nicht undifferenziert zwischen gut und böse unterschieden werden, zwischen schwarz und weiß, nein, Differenzierung als wesentliches Merkmal von Qualitätsjournalismus müsste das Ziel sein. Das heißt jedoch nicht, dass Kommentare automatisch objektiv und ausgewogen sein müssen, vor allem dann, wenn es um ethische Grundsatzfragen geht. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch meine Analysen und Kommentare für die Website der Vereinigung für Medienkultur.

Appell zum Jahreswechsel: Menschenrechte zum Blühen bringen !

Meine Barbarazweige blühen! Es sind nur zwei Zweige von vieren, aber muss man nicht bescheiden werden in Zeiten wie diesen, wo Menschenrechte nicht mehr viel gelten? Ich nehm’s als gutes Zeichen für das neue Jahr!

Ilse Kleinschuster*

Zum einen sind es die Knospen, die Barbara Blaha mit ihren – Gedanken für eine gerechtere Gesellschaft – zum Blühen bringt – https://oe1.orf.at/player/20201227/621928

„MOMENTUM zeigt, was ist und was alles möglich wäre.“ Das von Barbara Blaha gegründete Momentum-Institut ist eine progressive Denkfabrik, die den Anspruch stellt, konkrete und realistische Vorschläge für eine nachhaltigere und gerechtere Gesellschaft zu erarbeiten.

Trotz gern geäußerter gegenteiliger Behauptungen ist unsere Gesellschaft geprägt und zerfurcht von Chancenungleichheiten und Ungerechtigkeiten: Einkommensscheren, Klassenjustiz, Diskriminierungen und Standesdünkel verhindern die Gleichberechtigung und gefährden dadurch auch den sozialen Frieden …

Unabhängig von parteipolitischen Erwägungen – aus der SPÖ ist die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft 2007 aus Protest gegen das Festhalten an Studiengebühren ausgetreten – will Barbara Blaha eine Stimme für jene „Vielen“ sein, von denen sonst höchstens abstrakt die Rede ist? Ihre Aufgabe an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik sieht sie nicht nur darin, konkrete Schwachstellen unseres gesellschaftlichen Gefüges aufzuzeigen, sondern auch Lösungen, von denen am Ende alle profitieren.

In ihren heutigen Gedanken geht es Blaha ganz konkret u.a. um Klassenkampf und Reichenhass, leichte Zugänge zum Seeufer und schwere Klettersteige am Bildungsberg – und um den offenen Umgang mit geschlossenen sozialen Grenzen.

Zum anderen ist es ein Beitrag zu politischem Engagement im Krisenjahr 2020, auch von einer Barbara, Barbara Prainsack. Sie hat heuer ein sehr lesenswertes Buch zum Thema Bedingungslosen Grundeinkommen herausgebracht, dass seither schon viele öffentliche Diskussionen bereichert hat! Tja, und was wäre bedeutender im Verfolgen von moralischen Forderungen, die sich auf wichtige und sozial beeinflussbare Freiheiten beziehen, wenn wir die MENSCHENRECHTE zum Blühen bringen wollen!?! („VOM WERT DES MENSCHEN – Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen“ – erschienen im Verlag Brandstätter)

• Ilse Kleinschuster im Dezember 2020. Die Autorin dieses Beitrags ist in der Zivilgesellschaft engagiert und aktives Mitglied der Vereinigung für Medienkultur.

Fall Assange: Aufdecker ohne Chance

Julian Assange hat mit seinen Enthüllungen Meilensteine für den investigativen Journalismus gesetzt. So die Einschätzung seiner Unterstützer. Diese befürchten, dass er nun endgültig zum Schweigen gebracht werden soll. Er hatte Belege für Kriegsverbrechen der USA publiziert.

Udo Bachmair

Echte Demokratie und echter Journalismus lassen sich nicht trennen. Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Der Journalist versorgt sie mit relevanten Informationen und zwar so ungefiltert wie möglich.

Diesem Ansatz fühlt sich Julian Assange verpflichtet. Die Quelle ist für ihn sozusagen die Information, Denken könne der Bürger, die Bürgerin selbst. Diese Transparenz würde Korruption verhindern, niemand wäre mehr sicher vor Entdeckung.

Doch Julian Assange ist seit längerem bereits mundtot gemacht. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks schmachtet nach wie vor in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis. Er soll in die USA ausgeliefert werden. Dort drohen ihm 175 Jahre Gefängnis wegen Veröffentlichung von Informationen über US-Kriegsverbrechen. Washington sieht darin keinen investigativen Journalismus, sondern „Spionage“.

Amnesty International, offiziell als unabhängig geltende Gefangenenhilfeorganisation, wird unterdessen zunehmend zum Ziel von Kritik. Amnesty würde sich weigern, für Julian Assange einzustehen, bemängeln andere Menschenrechtsorganisationen. Assange wegen seiner Enthüllungen endgültig zum Schweigen zu bringen, wobei auch Medien nicht unterstützend für ihn einspringen, verstoße massiv gegen Meinungs- und Pressefreiheit.

In einem offenen Brief an Amnesty International Deutschland ( AID ) fordert nun die Initiative „Freiheit für Julian Assange“, den missliebigen Aufdecker endlich als politischen Gefangenen anzuerkennen :

Offener Brief und Appell an Amnesty International Deutschland

Die Initiative fordert von AID u.a. Antworten auf folgende Fragen:

>>Aus welchem Grund bleibt AID im Falle der bestehenden Menschenrechtsverletzungen von Julian Assange untätig ?

>>Aus welchem Grund ignoriert eine öffentlich hoch angesehene Institution für Menschenrechte wie AID sowohl das Rechtsgutachten des UNO-Menschenrechtsrates wie auch die Untersuchungsergebnisse des UN-Sonderberichterstatters über Folter?

>>Aus welchem Grund erweckt AID den Eindruck, es gäbe im Falle von Julian Assange keine bereits bestehende Verletzung der Menschenrechte, sondern projiziert diese lediglich in die Zukunft auf den eventuellen Fall seiner Auslieferung?

>>Aus welchem Grund lässt AID ausgerechnet den jeder Rechtsstaatlichkeit spottenden und skandalösen gegenwärtigen Auslieferungsprozess in London bewusst aus seiner Öffentlichkeitsarbeit aus?

Es ist keineswegs so, dass nicht auch Assange selbst Zielscheibe von Kritik war und ist. So wurde ihm Vergewaltigung vorgeworfen, doch mangels Beweisen musste das Strafverfahren eingestellt werden.

Besonders eingeschossen auf Assange hat sich die konservative Neue Zürcher Zeitung. Sie hält den WikiLeaks-Gründer für ein nur „wenig glaubwürdiges Opfer einer großen Verschwörung“ (NZZ-Journalistin Tatjana Hörnle). Demnach würden etwa die schweren Anschuldigungen gegen die Ermittlungsbehörden einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Insbesondere seien die Vorwürfe des Uno-Sonderberichterstatters Nils Melzer fragwürdig. Er hatte im Zusammenhang mit strafrechtlichen Untersuchungen gegen Assange unter anderem von „Folter“ gesprochen.

Hallo „Integration“! Paris lässt grüßen

Brennpunktschulen und Gesprächs- und Informationsverweigerung

Hans Högl: Rezension

Nun läuft in Paris der Prozess über die islamistischen Charlie-Hebdo Morde vor fünf Jahren (2015). Moslemische Schulkinder in Wien bejubelten dies einst, und dies wühlte die Lehrerin Susanne Wiesinger auf, und sie publizierte 2018 das weiterhin aktuelle Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“. Es war ein Outing- ein Aufschrei einer Lehrerin, die 30 Jahre im Schuldienst steht – im „Arbeiter“- Bezirk Favoriten. Wer den Reumann-Platz kennt, erahnt den Wandel der Bevölkerung.

Lebenswelt Brennpunktschule: Regulärer Unterricht ist kaum möglich. Vor 15 Jahren war dies anders. Der islamische Religionsunterricht baue keine Brücken zur säkularen Kultur. Es gibt immer mehr islamische Volksschulkinder in Wien , von 2011 bis 2020 eine Zunahme um 41 % auf 16.680, katholische gibt es 25.947. In Favoriten werden keine Extraräume für Gebete und Fußwaschungen geduldet. Die Autorin ist für einen gemeinsamen Ethikunterricht mit Religionskunde. In Wien ist er denkbar – wie in Ghana.

Die Autorin differenziert nicht, wo Integration Akzeptanz der demokratischen Grundordnung erfordert und was Recht der community ist, muslimisch zu leben. Darf archaische Erziehung der Eltern hingenommen werden? Im Ramadan kommen Kinder müde in die Schule, sie gingen spät schlafen oder wurden sehr früh zum Gebet geweckt. Sie trinken nichts, manche werden ohnmächtig oder fehlen- wie auch sonst. Aber es gibt keine Konsequenzen. Wer Geldstrafen will, gilt quasi als „faschistoid“ (p. 118).

In den Volksschulen von Favoriten haben vier von fünf Kindern (81%) eine andere Umgangssprache als Deutsch, jedes 4. Kind spricht türkisch (25 %), jedes 5. serbo-kroatisch (20 %), deutsch sprechen 18 % (Statistik 2017/18). Deutsch ist zentral für Bildung und Teilhabe. Aber die Hälfte der Kinder (55 %) von Migranten in Wien kann nach 8 Jahren Schule nur ungenügend lesen.

Kinder sind innerlich zerrissen zwischen Familie und schulischem Misserfolg. Es spießt sich im Biologie-Unterricht: Das Bild Nackter ist „haram“- verboten. (War dies nicht vor 35 Jahren weithin ein Problem?). Manche Kinder werden mit Gürteln geschlagen, gegen ihren Willen verheiratet. Lehrer sind auf sich allein gestellt- so bei Konflikten zwischen Türken gegen Roma, Tschetschenen gegen Afghanen. Wer eingreift, riskiert, bespuckt zu werden. Doch inwiefern darf säkulare Erziehung die Einstellungen muslimisch verankerter Kinder umpolen? Der Islam verbietet, ihn infrage zu stellen, so dass Geschlechter gleichwertig sind. Doch diskursives Denken ist Teil westlicher Bildung und Werte. Wie geht dies alles zusammen? Die Autorin fragt, warum Linke den konservativen Islam verteidigen, aber die katholische Kirche kritisieren.

Frau Wiesinger sorgt sich um die Zukunft der schwach ausgebildeten Kinder. Werden sie Arbeit finden? Was tun ohne soziale Hilfen? Eltern sind oft ohne Job, ein Leben von Mindestsicherung und Kindergeld ist schwierig (p. 78 f.) Wiesinger klagt, kein Gehör zu finden. Wer Probleme benennt, isoliert sich, behindert seine Karriere. Im kleinen Kreis ist es anders. Die Folgen: Breiter politischer Vertrauensverlust der Arbeiterschaft.

Europäische Werte auf dem Altar nationalistischer Politik opfern ?

Die Tragödie nach dem Brand des Flüchtlingslagers auf Lesbos bewegt die Öffentlichkeit. Nun steigt der Druck von Medien und Politik, dass auch Österreich besonders betroffene Flüchtlingskinder aufnimmt.

Udo Bachmair

Bisher haben sich nur einige EU-Länder bereiterklärt, aus humanitären Gründen völlig entkräftete Flüchtlingskinder aus dem heillos überfüllten, nun abgebrannten Lager Moria auf Lesbos aufzunehmen. Österreich, allen voran Bundeskanzler Kurz, will an der harten Haltung Österreichs festhalten. Mit dem politischen Kalkül, wie Politikanalysten meinen, bei der bevorstehenden Wiener Landtagswahl FPÖ-Stimmen für die ÖVP zu lukrieren. Die unter Erhard Busek und Peter Marboe noch bürgerlich-liberale und weltoffene Wiener ÖVP ist damit Geschichte.

Die deutschen Christdemokraten, die weitgehend christlich-sozial und bürgerlich-liberal geblieben sind, zeigen sich im Gegensatz zu den nach rechts abgedrifteten Kurz-Türkisen bemüht, europäische Werte nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch in konkretem Handeln, zu vertreten. So hat die deutsche Regierung unter der christdemokratischen Kanzlerin Merkel bereits an die 500 Menschen aus Moria aufgenommen. Allein das ebenfalls CDU-regierte Nordrhein-Westfalen will zusätzlich mindestens 1000 Flüchtlinge aufnehmen.

Auch Medien, wie der eher ÖVP-nahe KURIER, mahnen in der Causa Moria entschlossenes Handeln ein. Es bräuchte endlich eine solidarische europäische Politik in dieser Frage, schreibt Wolfgang Friedl in seinem Leitartikel. Der Autor treffend: „Mit dem Migrationsthema lässt sich hervorragend auf Stimmenfang gehen. Populisten jeder Art, manche sitzen mittlerweile an den Schalthebeln der Macht, spielen auf dieser Klaviatur perfekt. Doch will Europa, der Kontinent der Aufklärung und des Humanismus, seine Werte auf dem Altar nationalistischer Politik opfern ?“

Trotz steigenden medialen und politischen Drucks verweigern wie Österreich mehrere andere EU-Staaten die Rettung obdachlos gewordener Flüchtlingskinder aus dem niedergebrannten Lager. Eine Schande. Die grüne Wiener Spitzenkandidatin Birgit Hebein hat sich immer wieder vehement für eine humanitäre Aktion ausgesprochen. Enttäuschend für viele hingegen die Zurückhaltung der Bundesgrünen in dieser Grundsatzfrage.

Dass die Grünen in der Bundesregierung in menschenrechtlichen Grundsatzfragen so zahnlos erscheinen, garantiert zwar den soliden Weiterbestand der Koalition, doch um welchen Preis ? Um den Preis nur mehr halbherzig vertretener und nicht mehr durchsetzbarer Menschenrechte, bloß um des Machterhalts willen ? Bei der Wien-Wahl könnten jedenfalls zahlreiche grüne Stimmen der SPÖ oder vor allem NEOS zufließen, die sich menschenrechtlich besonders engagieren.

Es gibt auch ein Leben trotz Corona

Corona ist allgegenwärtig. Politik und Medien haben andere wichtige Themen größtenteils in den Hintergrund gedrängt. Diese greift INTERNATIONAL, Zeitschrift für Politik, weiter engagiert auf.

Udo Bachmair

„Es gibt auch ein Leben nach und trotz Corona“ heißt es im Newsletter der renommierten Zeitschrift www.international.or.at So verständlich die meisten gegen die Corona-Pandemie eingeleiteten Maßnahmen auch sind, es gibt für viele Betroffene in der Welt noch weitaus bedrohlichere Situationen. INTERNATIONAL, allen voran der besonders engagierte Hauptverantwortliche Fritz Edlinger kümmert sich darum, dass diese nicht vergessen werden.

Auch die jüngste Ausgabe bietet wieder ein buntes Spektrum an Themen internationaler Politik. Von Syrien, Iran über die EU-Flüchtlingspolitik bis hin zur Cover-Geschichte „Zwei, die sich gut verstehen“ (gemeint sind Kurz und Trump).

INTERNATIONAL wird künftig 6mal statt bisher 4mal pro Jahr erscheinen, auch inhaltlich weiter zulegen, zudem mit neuen aktuellen Kolumnen führender Politikwissenschafter. In der jüngsten Ausgabe kommt der besonders kompetente Politologe Helmut Kramer zu Wort. Damit korrespondierend wird weiteren ExpertInnen eine regelmäßige Kolumne eingeräumt. Hinzu kommen Beiträge zur umfangreichen Tätigkeit der in Wien ansässigen UNO-Organisationen. Die Europa- und Afrikaseiten der Brüder Brocza, die von Michael Wögerer gestalteten Gewerkschaftberichte, ausführliche Zeitschriftenschau und Buchrezensionen u.v.a. bleiben selbstverständlich erhalten.

Das Motto des aktuellen Heftes lautet: Der Weg nach rechts. Dazu schreibt Fritz Edlinger in seinem Vorwort:

Ich halte die immer wieder geführte Diskussion, was man denn heute unter Rechts und Links zu verstehen hat und ob nicht diese klassischen Gegensätze längst verschwunden sind, für sinnlos. Für mich ist es rechts, wenn man rassistische und nationalistische Ideen wieder salonfähig macht, Menschenrechte relativiert, Militarisierung und Aufrüstung vorantreibt und gewaltlose/diplomatische Konfliktlösungsstrategien zugunsten von militärischen Interventionen (sogenannte „humanitäre Interventionen“) infrage stellt.

Leider ist seit längerer Zeit gerade ein Überhandnehmen der zuvor beschriebenen Einstellungen und Verhaltensweisen festzustellen und zwar nicht erst seit der Machtübernahme eines narzisstischen Egomanen im Weißen Haus. Die weitverbreitete Empörung in Europa über die America-First-Politik halte ich leider angesichts mancher durchaus vergleichbarer Entwicklungen in good-old Europe für etwas übertrieben, man sollte mehr vor der eigenen Türe kehren.

Da werden „europäische Werte“ propagiert, die selbst von jenen, die sie tagtäglich auf den Lippen führen, missachtet werden. Da werden althergebrachte bürgerliche Werte wie Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung etc. Schritt für Schritt abgebaut, Rassismus in jeglicher Form – auch in jener des Antisemitismus – wird wieder salonfähig, Grundwerte wie Menschenrechte und Solidarität verkommen zu beliebiger Verhandlungsmasse.

( Fritz Edlinger, Chefredakteur und Herausgeber von INTERNATIONAL )

Europa ist mehr ! Es steht auch für Humanität

Die deutsche Bundesregierung hat beschlossen, eine begrenzte Zahl an Kindern und Frauen aufzunehmen, die unter unfassbar unmenschlichen Umständen in griechischen Lagern teils um ihr Überleben kämpfen.
Die österreichische Regierung verschließt sich dieser humanitären Forderung.

Udo Bachmair

Für viele ist die Weigerung der Bundesregierung, zumindest eine kleine Zahl an besonders betroffenen Frauen und Minderjährigen aufzunehmen, eine Schande. Der “kalte Kanzler“ (der Standard) tue mit seiner harten (christlich-sozialen?) Position auch Österreich insgesamt nichts Gutes, so der Kern der Kritik.

Sorge um den Verlust an Menschlichkeit sowie um das Image Österreichs, das sich früher immer wieder durch internationale Dialogfähigkeit, Humanität und Solidarität ausgezeichnet hat, machen sich zunehmend auch Vertreter der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche. Es sei nötiger denn je, dass sich die Bundesregierung kompromisslos zu den Werten der Menschenrechte und Menschenwürde bekenne.

Vertreter unterschiedlicher Konfessionen, darunter auch der islamischen Glaubensgemeinschaft, haben nun einen offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz veröffentlicht. Dieses Schreiben wird wohl kaum in einem Medium Platz finden. Daher sei es Ihnen ungekürzt zur Kenntnis gebracht :

Offener Brief an Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz

Europa ist mehr!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz,

mit diesem Schreiben beziehen wir Position, um mit vereinter Stimme für Solidarität und die Wahrung der Menschenrechte bei uns und in Europa einzutreten. Hierbei geht es nicht nur um die erneut drängende Frage nach tragfähigen Lösungen im Umgang mit Menschen an den Außengrenzen der EU. Die aktuelle Situation veranschaulicht einmal mehr, wie wichtig es ist, nationale und transnationale Herausforderungen im Themenkomplex Asyl, Migration und Integration aktiv zu bearbeiten, konstruktive Lösungen zu finden und solidarisch umzusetzen. Hierzu können wir alle einen Beitrag leisten, denn das Friedens- und Einheitsprojekt Europa ist mehr, als es die Schlagzeilen vieler Medien und die Aussagen einiger Politiker der letzten Zeit erwarten lassen.

Wir begreifen uns als Teil der Gesellschaft, der sich bewusst ist, dass wir unserer humanitären Verantwortung im In- und Ausland mit einem fairen Beitrag gerecht werden müssen, unabhängig von dem, was gerade opportun erscheint. Denn auch nicht zu handeln, oder sich vor Elend und Leid einfach zu verschließen, hat einen Preis – auch wenn dieser vielleicht nicht sofort für jede und jeden spürbar ist – zahlen wir wohl langfristig mit einem Beitrag zu einer schleichenden Entsolidarisierung.

So sollten wir allein schon um unserer selbst Willen hinsehen, hinterfragen und helfen, denn die Wahrung der eigenen Rechte hat historisch gesehen schon oftmals mit dem Eintreten für die Rechte anderer begonnen. Wir appellieren somit an Sie, sich für eine Politik einzusetzen, die Mut macht, differenzierte Lösungen findet und zulässt, sowie grundsätzlich von einem Interessensausgleich und der Unteilbarkeit der Menschenrechte geleitet ist.

Europa ist mehr!

( Gezeichnet von Dr. Josef Marketz, Bischof Diözese Gurk-Klagenfurt
Mag. Manfred Sauer, evang. Superintendent Kärnten-Osttirol
Adnan Gobeljic, BA, Vorsitzender Islamische Religionsgemeinde Kärnten
Mag. Ernst Sandriesser, Direktor Caritas Kärnten
Dr. Hubert Stotter, Rektor Diakonie de La Tour )

Die Solidarwerkstatt: Eine Würdigung

Man muss inhaltlich nicht mit allem einverstanden sein, um dennoch festzuhalten, dass Vereine und Publikationen, die eine konstruktive Gegenöffentlichkeit darstellen, demokratiepolitisch unverzichtbar sind. Als Beispiel dafür gilt die „Solidarwerkstatt“.

Udo Bachmair

Der besonders engagierte Verein „Solidarwerkstatt“ mit seinen Veranstaltungen, Aktionen, Rundbriefen und dem Werkstatt-Radio sieht sich immer wieder Kritik vor allem rechter Kreise ausgesetzt. Diese lassen kein gutes Haar an der Initiative, die sie im ganz linken Eck verorten. Ein Hauptvorwurf besteht zudem darin, diese Vereinigung würde sich in nichts Anderem als in maßlos überzogener Kritik ergehen.

Was tut und vertritt diese „Solidarwerkstatt nun, die laut Statut ein unabhängiger Verein ist :

>> Sie tritt u.a. ein für eine radikale ökosoziale Wende, für Frieden und Neutralität, für den Kampf gegen Armut
>>Sie übt heftige Kritik etwa daran, dass die Mieten den Löhnen immer mehr davongaloppieren
>>Sie wehrt sich vehement etwa gegen eine Zweiklassenmedizin sowie gegen eine „Schuldenbremse“ als „Investitionsbremse“,
>>Sie sagt ein klares Nein zu einem Abbau der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung,
>>Sie ist auch bekanntgeworden durch ihre Kampagne gegen TTIP und CETA sowie für einen Fairen Handel statt dem Freihandel,
>>Sie will die EU demokratisieren und sie von den Interessen der Großkonzernen befreien
>>Sie kämpft mit Leidenschaft gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Eine recht unvollständige Aufzählung all dessen, was die „Solidarwerkstatt“ an Positionen und Aktivitäten vorweisen kann. Ein Verein, ausgestattet mit geringem Budget, größtenteils auf Basis von Spenden. Ehrenamtliche investieren viel Zeit und Energie.

Die „Solidarwerkstatt“ ist als Initiative zu würdigen, wenngleich einzelne Punkte wie ein eher generelles Nein zur EU oder die Empfehlung an die Grünen, dem „K+K“-Regierungsprogramm kein grünes Licht zu geben, doch ziemlich diskussionswürdig sind.

Die jüngst wieder aufgetauchte Kritik am insgesamt zu kritischen Kurs der „Solidarwerkstatt“ ist aber im Fall besonders engagierter NGOs und Vereine nicht immer fair. Dies ist bedauerlich, denn in Österreichs Vereins- und Medienlandschaft sind Initiativen und Publikationen, die gut recherchierte alternative Informationen anbieten, eine Rarität.

Eine kritische Gegenöffentlichkeit, auch wenn sie im gegenständlichen Fall noch so klein ist, kann demokratischen Diskurs positiv beleben. Im Sinne von Humanität, Menschenrechten, Solidarität.

Bündnis von Boulevard und Populismus als demokratiepolitische Gefahr

„Öffentlich-rechtliche Qualität im Diskurs“ ist das Thema der Reihe „Texte“, die regelmäßig von der engagierten ORF-Abteilung „Public Value“ veröffentlicht werden. Dabei steht unter anderem der demokratiepolitische Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Vordergrund.

Udo Bachmair

Einer der wieder zahlreichen Beiträge der jüngsten Ausgabe der „Texte“ befasst sich mit dem Stellenwert des ORF im Umfeld einer Medienlandschaft, die vor allem im Wiener Zentralraum von einer nahezu beispiellosen Dominanz des Boulevards geprägt ist. Die Reichweiten der drei Massenblätter Kronenzeitung, Heute und Österreich, lassen die seriöser Tageszeitungen, wie des Standard, der Presse, der Wiener Zeitung etc. weit hinter sich zurück.

Als wichtiges Gegenstück zum überbordenden Boulevard, aber auch zu Desinformation oder Fake News in den sogenannten Sozialen Medien, erweist sich der ORF. Bei aller in Einzelfällen durchaus berechtigten Kritik an manchen Inhalten muss der ORF im Gegensatz zu den Privaten gesetzlich verbriefte Auflagen bzgl. Ausgewogenheit und Qualitätsjournalismus einhalten. Nur so kann er auch ein glaubwürdiges Gegenüber zum Boulevard bleiben.

Grundsätzlich gehe es darum, so die Politologin Katrin Stainer-Hämmerle in ihrem Beitrag, eine „Zweckbündnis von Boulevard und Populismus“ zu verhindern. Dazu Florian Hartleb in seinem Buch „Die Stunde der Populisten“: „Auf der einen Seite werden Skandalismus, Sensationsgier sowie die Vermarktung negativer Ereignisse gefördert. Auf der anderen Seite wird dem populären Geschmack durch Neidgefühle, Bestätigung latenter Vorurteile, Simplifizierungen und Pauschalierungen gefrönt“.

Hauptaufgabe eines öffentlichen Mediums, wie des ORF, wäre es nun, die Koalition zwischen Medien und Populismus zu erschweren. Wer, wenn nicht der ORF und mit ihm andere seriöse Medien, sind diesbezüglich gefordert. Denn nicht nur im ORF-Gesetz, auch in einer Erklärung des Europarates ist festgehalten, dass der öffentliche Rundfunk rechtsstaatliche Werte, insbesondere die Wahrung der Menschenrechte und des politischen Pluralismus, zu fördern habe.