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Ukraine-Krieg ohne Ende ?

Vernunft und Wahrheit sind in Kriegszeiten meist völlig außer Kraft gesetzt. Das zeigt auch der Krieg in der Ukraine, für den kein baldiges Ende in Aussicht steht..

Udo Bachmair

Kriegspropaganda auf beiden Seiten von Konfliktparteien vernebeln nicht nur Rationalität und Realität, sie trägt auch bei zu noch intensiverer Feindbildpflege, die einhergeht mit Hass und Gewalt. Lösungsansätze zur Beendigung eines Krieges rücken somit in noch weitere Ferne, ganz zu schweigen von vernünftiger Strategie.

Man kann von Ex-US-Außenminister Henry Kissinger halten, was man will, eines muss man ihm zugestehen: Er war einer versiertesten Strategen globaler Politik. Und er hat bereits 2014 vor einer extremen Ausweitung der Ukraine-Krise gewarnt, indem er auch den Westen nicht von Fehleinschätzungen freigesprochen hat.

Leider sind Kissingers Analysen und Warnungen 2014 zu wenig beachtet worden, auch nicht von der US-Administration. Umso mehr sei im Folgenden Kissingers prophetischer Artikel in Erinnerung gerufen, der am 6. März 2014 in der „Washington Post“ erschienen ist :

Wie die Ukraine-Krise endet
von Henry A. Kissinger

The Washington Post
March 6, 2014

In der öffentlichen Diskussion über die Ukraine dreht sich alles um Konfrontation. Aber wissen wir denn, wohin wir gehen? In meinem Leben habe ich vier Kriege erlebt, die mit großem Enthusiasmus und öffentlicher Unterstützung begonnen wurden, von denen wir alle nicht wussten, wie sie enden sollten, und aus drei davon haben wir uns einseitig zurück¬gezogen. Der Test für die Politik ist, wie sie endet, nicht wie sie beginnt.

Viel zu oft wird die ukrainische Frage als Showdown dargestellt: ob sich die Ukraine dem Osten oder dem Westen anschließt. Doch wenn die Ukraine überleben und gedeihen soll, darf sie nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren.

Russland muss akzeptieren, dass der Versuch, die Ukraine in einen Satellitenstatus zu zwingen und damit die Grenzen Russlands erneut zu verschieben, Moskau dazu verdammen würde, seine Geschichte der sich selbst erfüllenden Zyklen gegenseitigen Drucks mit Europa und den Vereinigten Staaten zu wiederholen.

Der Westen muss verstehen, dass die Ukraine für Russland niemals nur ein fremdes Land sein kann. Die russische Geschichte begann in der so genannten Kiewer Rus. Von dort aus verbreitete sich die russische Religion. Die Ukraine ist seit Jahrhunderten Teil Russlands, und die Geschichte der beiden Länder war schon vorher miteinander verflochten. Einige der wichtigsten Schlachten für die Freiheit Russlands, angefangen mit der Schlacht von Poltawa im Jahr 1709, wurden auf ukrainischem Boden geschlagen. Die Schwarzmeerflotte – Russ¬lands Machtmittel im Mittelmeer – ist langfristig in Sewastopol auf der Krim stationiert. Selbst so berühmte Dissidenten wie Alexander Solschenizyn und Joseph Brodsky betonten, dass die Ukraine ein integraler Bestandteil der russischen Geschichte und sogar Russlands sei.

Die Europäische Union muss erkennen, dass ihre bürokratische Schwerfälligkeit und die Unterordnung des strategischen Elements unter die Innenpolitik bei den Verhandlungen über die Beziehungen der Ukraine zu Europa dazu beigetragen haben, dass aus den Verhandlungen eine Krise wurde. Außenpolitik ist die Kunst, Prioritäten zu setzen.

Die Ukrainer sind das entscheidende Element. Sie leben in einem Land mit einer komplexen Geschichte und einer polyglotten Zusammensetzung. Der westliche Teil wurde 1939 in die Sowjetunion eingegliedert, als Stalin und Hitler die Beute aufteilten. Die Krim, deren Bevölkerung zu 60 Prozent russisch ist, wurde erst 1954 Teil der Ukraine, als Nikita Chruschtschow, ein gebürtiger Ukrainer, sie im Rahmen der 300-Jahr-Feier eines russischen Abkommens mit den Kosaken zusprach. Der Westen ist weitgehend katholisch, der Osten weitgehend russisch¬-orthodox. Im Westen wird Ukrainisch gesprochen, im Osten überwiegend Russisch. Jeder Versuch eines Flügels der Ukraine, den anderen zu dominieren – wie es in der Vergangenheit der Fall war – würde letztendlich zu einem Bürgerkrieg oder zum Auseinanderbrechen des Landes führen. Die Ukraine als Teil einer Ost-West-Konfrontation zu behandeln, würde jede Aussicht, Russland und den Westen – insbesondere Russland und Europa – in ein kooperatives internationales System zu bringen, für Jahrzehnte zunichte machen.

Die Ukraine ist erst seit 23 Jahren unabhängig; zuvor stand sie seit dem 14. Jahrhundert in irgendeiner Form unter Fremdherrschaft. Es überrascht nicht, dass ihre Führer die Kunst des Kompromisses nicht gelernt haben, noch weniger die der historischen Perspektive. Die Politik der Ukraine nach ihrer Unabhängigkeit zeigt deutlich, dass die Wurzel des Problems in den Bemühungen der ukrainischen Politiker liegt, widerspenstigen Teilen des Landes ihren Willen aufzuzwingen, erst von der einen, dann von der anderen Seite. Das ist der Kern des Konflikts zwischen Viktor Janukowitsch und seiner wichtigsten politischen Rivalin, Julia Timoschenko. Sie repräsentieren die beiden Flügel der Ukraine und waren nicht bereit, die Macht zu teilen. Eine kluge US-Politik gegenüber der Ukraine würde einen Weg suchen, wie die beiden Teile des Landes miteinander kooperieren können. Wir sollten eine Versöhnung anstreben, nicht die Vorherrschaft einer Fraktion.

Russland und der Westen, und am allerwenigsten die verschiedenen Fraktionen in der Ukraine, haben nicht nach diesem Prinzip gehandelt. Jeder hat die Situation verschlimmert. Russland wäre nicht in der Lage, eine militärische Lösung durchzusetzen, ohne sich in einer Zeit zu isolieren, in der viele seiner Grenzen bereits prekär sind. Für den Westen ist die Dämonisierung von Wladimir Putin keine Politik, sondern ein Alibi für das Fehlen einer Politik.

Putin sollte begreifen, dass eine Politik der militärischen Auferlegung ungeachtet seiner Missstände zu einem neuen Kalten Krieg führen würde. Die Vereinigten Staaten ihrerseits müssen vermeiden, Russland als einen Abweichler zu behandeln, dem man geduldig die von Washington aufgestellten Verhaltensregeln beibringen muss. Putin ist ein ernstzunehmender Stratege – unter den Prämissen der russischen Geschichte. Amerikanische Werte und Psychologie zu verstehen, ist nicht seine Stärke. Das Verständnis der russischen Geschichte und Psychologie war auch nicht die Stärke der US-Politiker.

Die führenden Politiker aller Seiten sollten sich wieder auf die Prüfung von Ergebnissen konzentrieren, anstatt sich in Posen zu ergehen. Hier ist meine Vorstellung von einem Ergebnis, das mit den Werten und Sicherheitsinteressen aller Seiten vereinbar ist:

1. Die Ukraine sollte das Recht haben, ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, auch zu Europa, frei zu wählen.
2. Die Ukraine sollte nicht der NATO beitreten, eine Position, die ich bereits vor sieben Jahren vertreten habe, als diese Frage das letzte Mal aufkam.
3. Die Ukraine sollte frei sein, eine Regierung zu bilden, die mit dem ausdrücklichen Willen ihres Volkes vereinbar ist.

Kluge ukrainische Führer würden sich dann für eine Politik der Versöhnung zwischen den verschiedenen Teilen ihres Landes entscheiden. Auf internationaler Ebene sollten sie eine Haltung einnehmen, die mit der Finnlands vergleichbar ist. Dieses Land lässt keinen Zweifel an seiner starken Unabhängigkeit aufkommen und arbeitet in den meisten Bereichen mit dem Westen zusammen, vermeidet aber sorgfältig eine institutionelle Feindschaft gegenüber Russland.

4. Es ist mit den Regeln der bestehenden Weltordnung unvereinbar, dass Russland die Krim annektiert. Es sollte jedoch möglich sein, die Beziehungen zwischen der Krim und der Ukraine auf eine weniger angespannte Grundlage zu stellen. Zu diesem Zweck würde Russland die Souveränität der Ukraine über die Krim anerkennen. Die Ukraine sollte die Autonomie der Krim durch Wahlen stärken, die im Beisein internationaler Beobachter abgehalten werden. Der Prozess würde auch die Beseitigung aller Unklarheiten über den Status der Schwarzmeerflotte in Sewastopol beinhalten.

Dies sind Grundsätze, keine Vorschriften. Wer sich in der Region auskennt, weiß, dass nicht alle von ihnen allen Parteien schmecken werden. Der Test ist nicht absolute Zufriedenheit, sondern ausgewogene Unzufriedenheit. Wenn eine Lösung, die auf diesen oder vergleichba¬ren Elementen beruht, nicht erreicht wird, wird sich das Abdriften in Richtung Konfrontation beschleunigen. Die Zeit dafür wird früh genug kommen.

Henry A. Kissinger was secretary of state from 1973 to 1977.
© 2014 Tribune Media Services

Kriegstreiberei ohne Ende

Politik und Medien überbieten einander mit Kriegsgeschrei in Sachen Ukraine. Russland wird in westlichen Medien unermüdlich als Aggressor dargestellt, die NATO hingegen als harmlos und friedlich..

Udo Bachmair

Russischer Truppenaufmarsch in Belarus-NOCH sind es Manöver“. So lautete jüngst eine ZiB1-Schlagzeile zum Konflikt rund um die Ukraine. Man traut den Ohren nicht, dass auch der ORF-öffentlich-rechtliches Unternehmen mit Auftrag zur Ausgewogenheit- jene Kriegshysterie befeuert, die nun schon seit Wochen auch in anderen westlichen Medien zu vernehmen ist.

Da wird von Politik und Medien täglich nahezu wortgleich ein unmittelbar bevorstehender russischer Einmarsch in die Ukraine herbeigeredet und herbeigeschrieben. Da bringt es offenbar nichts mehr, wenn immer mehr besorgte Kriegsgegner eine derartige auch verbale Aufrüstung als höchst unverantwortlich ablehnen.

Bemerkenswert ist, dass sogar die Ukraine selbst, der laut US-Geheimdiensten höchste Gefahr aus dem Osten drohe, um Mäßigung bemüht ist verbunden mit der Bitte, die Lage mit antirussischer Propaganda nicht allzu sehr aufzuheizen. Doch die NATO scheint in ihrem Element zu sein, das Feindbild Russland treibt sie zu neuem Säbelrasseln.

Die massive Aufrüstung geht weiter. Nicht nur in der Ukraine, sondern auch im ebenfalls direkt an Russlands Westgrenze liegenden Baltikum. Warum denn bitte sollte sich Russland fürchten, die NATO sei ja nur eine Verteidigungsallianz, wird beteuert. Russland hingegen sei klar der Aggressor..

Manche Zeitungen wollen bereits von einem fix geplanten Überfall auf die Ukraine wissen. So schreibt heute der Kurier von „russischen Drohungen, in die Ukraine einzumarschieren“. Ungeachtet dessen, dass dies Moskau in bereits mehreren Erklärungen vehement ausgeschlossen hat.

Freilich muss das russische Militärmanöver in den Augen des Westens und der Ukraine verstörend wirken. Die Ukraine völlig in den westlichen Einflussbereich zu bringen bzw. sie gar der NATO anzuschließen, müssten wohl auch russische Ängste verständlich machen. Sollte man meinen.

Ukraine-Konflikt: Eine Lösung in Sicht?

Das außenpolitisch dominante Thema in Politik und Medien ist nach wie vor der Konflikt zwischen Moskau und Washington rund um die Ukraine. Bemerkenswert ein Gespräch, das der Deutschlandfunk mit dem Politikwissenschafter Heinz Gärtner zu dieser komplexen Causa geführt hat.

Udo Bachmair

Der Politikwissenschafter Heinz Gärtner vom International Institute for Peace mit Sitz in Wien gilt als d e r Experte für globale Sicherheitsfragen. Ein Wissenschafter, der sich konsequent bemüht, diese komplexe Thematik differenziert zu betrachten. Mehrere Gründe, die den Deutschlandfunk bewogen haben, ein längeres Gespräch mit dem renommierten Politologen zu führen.

Kernproblem des aktuellen Konflikts ist der Plan der USA und der NATO, nach dem Vorbild der baltischen Staaten auch die Ukraine Mitglied im westlichen Militärbündnis werden zu lassen. Eine Provokation aus der Sicht Russlands, das sich durch eine weitere Ausweitung der NATO bis unmittelbar an seine Westgrenze bedroht sieht.

Sollte ein NATO-Beitritt der Ukraine tatsächlich Realität werden, so müsste der Westen dafür einen hohen Preis bezahlen. Russische Milizen würden dann, wie Heinz Gärtner in dem Gespräch mit dem Deutschlandfunk bekräftigt, in der Ostukraine, im Donbass, bleiben. In weiterer Folge könnten in dieses Gebiet letztlich auch offizielle russische Soldaten einrücken.

Die Lösung des Problems wäre Gärtner zufolge eine Neutralität der Ukraine kombiniert mit Sicherheitsgarantien. Würde sich die Ukraine völkerrechtlich für neutral erklären, wären die Präsenz ausländischer Milizen oder gar eine Besetzung eines Teils des Landes weitgehend ausgeschlossen. Bei Zuwiderhandeln wären völkerrechtlich begründbare harte Konsequenzen unausweichlich.

Das gesamte Interview mit Heinz Gärtner im Deutschlandfunk ist abrufbar unter :

https://www.deutschlandfunk.de/gibt-es-eine-loesung-im-ukraine-konflikt-heinz-gaertner-politikwissenschaftler-dlf-2aecf48a-100.html

Kriegsgefahr in Europa ?

Im Konflikt zwischen den USA, der EU, der NATO auf der einen Seite sowie Russland auf der anderen hätte es noch bis vor gut 15 Jahren eine echte Chance auf Entspannung gegeben. Doch nun erscheinen sowohl Moskau als auch Washington in ihren Positionen festgefahren.

Udo Bachmair

Was scheren uns Russlands Sicherheitsinteressen ? Hauptsache, unsere bleiben durch NATO-Präsenz in Osteuropa gewahrt. Scheinbar unverkennbarer Tenor von Politik und Medien in den USA und der EU. Der Westen sieht sich bedroht durch russische Truppenaufmärsche, Russland durch die massive NATO-Präsenz an seinen Grenzen. Russland fühlt sich nicht nur bedroht von Staaten, die bereits NATO-Truppen in Grenznähe stationiert haben, sondern im Speziellen durch die Ukraine. Das Noch-nicht-NATO-Mitglied wird von der westlichen Militärallianz zurzeit in bisher beispielloser Weise aufgerüstet…

Könnte sich der Westen in die Ängste Russlands vor einer (allerdings unwahrscheinlichen) NATO-Aggression hineinversetzen, gäbe es einen deeskalierenden Ausweg im aktuellen Konflikt: Eine Neutralität der Ukraine, die von beiden großen Konfliktparteien absolut unantastbar sein müsste. Gepaart mit Sicherheitsgarantien mittels eines Beistandspakts, der für den Fall eines Einmarsches zum Tragen käme. Der Machtkampf um die Ukraine dürfte eine solche diplomatisch bestimmte Lösung realpolitisch aber kaum zulassen.

Ein positives Beispiel differenzierender Analysen auch zu dieser Causa liefert einmal mehr die Zeitschrift INTERNATIONAL. Die jüngste Ausgabe des renommierten Blattes ist zentral diesem komplexen Thema gewidmet. Als Vorbemerkung schreibt Fritz Edlinger, besonders engagierter Herausgeber und Chefredakteur von INTERNATIONAL:

„Es besteht kein Zweifel, dass die aktuelle Politik Russlands ebenfalls aggressiv und rücksichtslos ist. Dies war aber seit der Auflösung der Sowjetunion nicht immer so und stellt auch das Ergebnis einer jahrzehntelangen Erfahrung von gebrochenen Versprechungen und Aggressionen seitens der USA und der NATO dar. Europa hat in den 80er und 90er Jahren die Chance verpasst, durchaus im wohlverstandenen Eigeninteresse, eine Entspannungspolitik, wie sie z.B. in den Schlussakten von Helsinki klar zum Ausdruck gebracht worden ist, zu verfolgen. Die USA (man erinnere sich an das legendäre aber irreführende Fukuyama-Zitat vom „Ende der Geschichte“) hatten tatsächlich nie das Interesse an einer neuen internationalen Ordnung nach dem Ende des „Kalten Krieges“. So haben sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte Bedingungen entwickelt, welche die eminente Gefahr eines neuen „Kalten Krieges“ geschaffen haben. Dieser könnte allerdings für die Welt weitaus dramatischer verlaufen als beim ersten Mal.“

Besonders empfehlenswerter Tipp:

Ein Gespräch, das Fritz Edlinger mit Gerhart Mangott geführt hat, einem Politikwissenschafter, der sich als besonderer Kenner Russland stets um Differenzierung bemüht. Aber hören und sehen Sie selbst das entsprechende Video via folgende Links :

www.international.or.at

Die NATO und der russische Bär

Der Konflikt zwischen der NATO und Russland rund um die Ukraine dominiert zurzeit die (oft einseitige) außenpolitische Berichterstattung.

Udo Bachmair

Trotz früherer Versprechen westlicher Politiker hat die NATO ihr Einflussgebiet bis unmittelbar zur russischen Westgrenze ausgeweitet. Die baltischen Ex-Sowjetrepubliken sind bereits Mitglieder des westlichen Militärbündnisses, die neutralen (!) Staaten Schweden und Finnland, das eine besonders lange gemeinsame Grenze mit Russland hat, sind potentielle künftige Mitglieder. Zudem sieht sich Moskau durch die EU-Annäherung der Ukraine und eine ebenfalls diskutierte NATO-Mitgliedschaft in seiner Sicherheit bedroht und hat seinerseits Truppen an der Grenze stationiert.

Politik und Medien im Westen sehen meist nur Russland als Provokateur und Säbelrassler. Russische Sicherheitsinteressen und das subjektive Gefühl von Bedrohung durch den Westen werden dabei weitgehend ignoriert bzw. nicht ernstgenommen. Leider auch immer wieder vom ORF, der schon kraft ORF-Gesetz die Vorgabe konsequent zu erfüllen hätte, auch in der außenpolitischen Berichterstattung beide Seiten eines Konflikts mit einzubeziehen.

Diesen immer wieder zu registrierenden journalistischen Qualitätsmangel hat der Welser Außenpolitikexperte Peter Öfferlbauer in einem Schreiben an den ORF folgendermaßen auf den Punkt gebracht :

Das US-Sicherheitsinteresse wird fraglos akzeptiert, aber dem russischen Bären darf man an den Pelz rücken?

Feindbild Moskau

Die jüngste KURIER-Analyse von Konrad Kramar hat eine wohltuend differenzierende Sicht des Ukraine-NATO-Russland-Konflikts vermittelt. Eine Seltenheit in unseren Medien.

Udo Bachmair

Die Analyse Konrad Kramars hebt sich positiv ab von einseitigen Kommentaren in anderen westlichen Medien, die beharrlich das Feindbild Russland pflegen. Denn gerade auch dieser komplexen Causa ist mit einem bloßen Schwarz-Weiß-Denken nicht beizukommen.

Der außenpolitische Mainstream westlicher Berichterstattung unterstellt fast ausschließlich der russischen Seite die Befeuerung des Säbelrasselns zwischen Russland und der NATO. Kaum in Medien zu vernehmen ist hingegen, dass Russland sich einem Bedrohungsszenario seitens der NATO gegenübersieht.

Dem US-dominierten Militärbündnis wirft Moskau ein in jüngster Zeit besonders aggressives Verhalten mit provokanten militärischen Aktivitäten unmittelbar an der russischen Ostgrenze vor. Gleichzeitig betrachtet Russland sich durch eine immer wieder angekündigte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine in seiner Sicherheit bedroht.

Dass Qualitätsjournalismus beide Seiten eines Konflikts beleuchten sollte, erscheint als Binsenweisheit. Diese sollte aber dennoch immer wieder in Erinnerung gerufen werden, besonders auch in geopolitischen Fragen.

( Gekürzter Beitrag eines von Udo Bachmair im KURIER erschienenen Kommentars )

Was westliche Medien verschweigen

Im Donbass, der von Russland kontrollierten Region der Ostukraine, steigt erneut die Kriegsgefahr. Westliche Medien zeichnen ein tendenziell antirussisches Bild der Lage.

Udo Bachmair

Jüngstes Beispiel eine Moderation in der ZiB 2 des ORF zu einem hingegen durchaus korrekten Beitrag von Christian Wehrschütz aus der Ukraine: „Ein prorussischer Soldat hat einen Mann erschossen. Die Lage eskaliert“. Verschwiegen wird, dass ein Kind in der Ostukraine Opfer eines regierungstreuen ukrainischen Soldaten geworden ist. Realität ist eben, dass beide Konfliktparteien provozieren..

Hinter der einen Seite steht Russland, hinter der anderen Seite stehen die USA und die NATO. Beide Seiten üben sich nicht gerade in De-Eskalation. Im Gegenteil. Russischer Propaganda stehen westliche Medien gegenüber, die ausschließlich über russische Truppenverschiebungen in der Grenznähe zum Donbass berichten. Sie interpretieren und kommentieren diese Maßnahme als russische Provokation und Vorbereitung auf einen Krieg.

Worüber westliche Medien allerdings nicht berichten, sind die zurzeit laufenden großen Militärmanöver der NATO nahe der russischen Grenze. An dem Manöver mit 28.000 Soldaten sind der schweizerischen Plattform www.infosperber.ch/Medien/Medienkritik zufolge an die 30.000 Soldaten aus 27 Ländern beteiligt. Mit dabei sein sollen diesmal auch Nicht-NATO-Mitglieder wie die Ukraine, Georgen u.a..

Russland sieht in der abermaligen NATO-Aktion an seiner Grenze eine Provokation und droht seinerseits mit einer Zusammenziehung von Streitkräften an seinen eigenen Grenzen.

Im Folgenden ohne Vollständigkeit ein paar Beispiele für Medienberichte, die die NATO-Truppenverschiebungen unerwähnt lassen:

Am 1. April berichtete die «Washington Post» über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 2. April berichtete die luxemburgische Online-Plattform «L’essentiel» über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 5. April berichtete das Schweizer «Echo der Zeit», im politischen Bereich eine der besten Schweizer Radiosendungen, über russische Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 6. April berichtete die Deutsche Welle über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 6. April berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 8. April berichteten die Schweizer CH Media-Zeitungen über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 9. April berichtete die BBC über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 10. April berichtete die NZZ über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.
Und so weiter und so fort. Siehe Beispiel ZiB2 am Beginn dieses Beitrags.

Der Schluss, der gezogen werden kann: Es handelt sich erneut auch um einen Propagandakrieg. Die russische Seite agiert gegen den Westen, umgekehrt betreiben Politik und Medien im Westen lustvoll und verantwortungslos Anti-Russland-Meinungsmache, so die Meinung von Medienbeobachtern.

Dabei wären es Merkmale seriöser Berichterstattung, auch im außenpolitischen Bereich differenziert zu berichten. Das sei gerade auch den Informationsabteilungen des ORF ins Stammbuch geschrieben. Mit einer einseitigen außenpolitischen Schlagseite verletzt der ORF zudem die Objektivitätsvorgaben des ORF-Gesetzes.

Joe Biden: Selten Gemeldetes

Im März 2020 nannte Joe Biden in „Foreign Affairs“ bisher selten Erwähntes. Außenpolitiker schätzen diese US-Zeitschrift.

Hans Högl: Resumé aus „Foreign Affairs“ und Rezension

Joe Biden will die Emissionen von Flugzeugen und Schiffen reduzieren, eine saubere Energiewirtschaft mit Null Emissionen bis 2050 erreichen und den Lügen auf Internetplattformen an den Leib rücken.

Joe Biden blieb bei Wahlauftritten er selbst, obwohl ihm Beratern Anderes rieten. Diese Konsequenz mag auch seine überraschende Siege erklären (als junger Senator, als Kandidat der Demokraten, als Wahlsieger). Er zeigte sich stark im Umgang mit Schlägen des Schicksals. Loyal blieb er unter Obama im Hintergrund. Im Übrigen: Was hat es für eine Bewandtnis mit den Verwicklungen von Joe Biden`s Sohn mit der Ukraine?

Bei künstlicher Intelligenz und im 5 G-Bau will Joe Biden China nicht nachhinken. China sieht er als großen Rivalen. Und er will – wenn nötig nicht zögern, das weltweit stärkste Militär einsetzen-doch nur als letztes Mittel. In der Regel soll Diplomatie Konflikte lösen.

Zu Russland: Der Kreml fürchtet- so Biden- eine starke NATO. Biden will zu Russlands tapferer Zivilgesellschaft stehen und gegen Putins räuberisches, autoritären Systems „against President Vladimir Putin`s kleptocratic authoritarian system“ (p. 73) vorgehen. Seltsam ist es ja schon, wie sich Putin selbst und seine Familie vor Weihnachten, progressiv denkend lebenslang durch ein Immunitätsgesetz vor Strafverfolgung schützte. (Das gewährte Putin auch Jelzin). Und nun – ein paar Wochen danach das „Palastvideo“,aufgezeigt von Nawalny!

Biden will für US-Bürger einen Mindestlohn von 15 Dollar/h, die Folter ächten („I will reaffirm the ban on torture and restore greater transparency in U.S. military operations“ p. 66). Da wird das weitere Schicksal von Assange spannend! Er will Klarheit über das globale Finanzsystem und gegen Steuerparadiese vorgehen („go after illicit tax havens“). Das lässt aufhorchen, denn die Demokraten sind recht eng mit der Wallstreet verknüpft. Und die Heimat von Joe Biden, der Bundesstaat Delaware, ist bekannt für seine Briefkastenfirmen, und gilt als Steueroase der USA. Was wird hier Joe Biden unternehmen?
Sogar das Spendensystem für US-Wahlen missbilligt er und will es ändern. Da ist viel zu tun.

„Tiefer Staat“ und globale Kriegspolitik

„Der tiefe Staat schlägt zu“- Wie der Westen unter Mithilfe von Medien Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet. Thema eines manche verstörenden, aber dennoch lesenswerten Buches.

Udo Bachmair

Nach den Verwerfungen geballter Innenpolitik der letzten Wochen ist die Befassung mit globaler Politik intellektuell nahezu wohltuend. Der brillante Sammelband aus dem Promedia-Verlag über den „Tiefen Staat“ bietet spannende Lektüre mit zahllosen Fakten und Hintergründen zu der von den USA dominierten Weltpolitik.

Die Kernthese des von Ulrich Mies herausgegebenen Werks : Das Diktum von der „westlichen Wertegemeinschaft“ sei ein Synonym für eine „aggressive Weltherrschaft unter Führung der USA“ geworden. Wer sich dieser nicht unterordne, werde mit Drohungen und Krieg überzogen. Die Friedenshoffnung nach dem Zerfall der Sowjetunion sei „im Kampfgeschrei der NATO zerstoben“.

Die Autoren sehen einen engen Zusammenhang zwischen dem „Tiefen Staat“ und neokonservativen Akteuren. Unter „Tiefem Staat“ verstehen sie unter dem Radar der Öffentlichkeit wirkende Kräfte, die sich aus dem Finanzkapital, Rüstungskonzernen, Teilen von Außen-, Verteidungs- und Finanzministerien, US-hörigen neokonservativen Think Tanks, entsprechend beeinflussten Mainstreammedien, gekauften Wissenschaftern, NATO-Gremien, etc. zusammensetzen.

NeoCons und ihre ideologischen Helfer würden Begriffe wie liberale Demokratie, Freiheit, Reformen, Menschenrechte und Rechtsstaat zur Tarnung ihrer wahren Absichten und Handlungen missbrauchen. Diese seien Sanktionen, Wirtschaftskriege, Regime-Umstürze und Kriege. So sollen die von den USA und ihren westlichen Verbündeten angezettelten Kriege seit Beginn dieses Jahrhunderts 5 bis 7 Millionen Menschen das Leben gekostet haben. „Tiefer Staat“ und globale Kriegspolitik weiterlesen

Politik und Medien auf antirussischer Welle

Feindbild Putin : Schwindende Hoffnung auf Dialog

Udo Bachmair

Russophobie greift wieder um sich. Antirussische Reflexe dominieren einmal mehr die Berichterstattung in westlichen Medien. Willkommener(?) Anlass:  Der Giftanschlag von Salesbury, der Putin in die Schuhe geschoben wird. Allerdings bisher ohne konkrete Beweise. Hauptsache, das alte Feindbild aus dem Kalten Krieg lässt sich damit am Leben erhalten.

Aber auch die jüngere Zeitgeschichte bietet genug Stoff, um an der Eskalationsschraube zu drehen. Putin mit seinen innenpolitisch autokratischen Tendenzen gilt freilich zu Recht nicht als Waisenknabe. Außenpolitisch jedoch jede Chance für einen Dialog mit ihm zu gefährden, erscheint als fahrlässig, gefährlich und realpolitisch naiv zugleich.

Seit Brüssel, bestärkt durch politische und militärische Interessen von USA und NATO, kompromisslos das antirussische Regime der Ukraine unterstützt,  ist die Distanz zwischen dem Westen und Russland noch größer geworden. Ins Bild passt da auch die Huldigung des Präsidenten der Ukraine als Ehrengast unseres Staatsoberhaupts beim jüngsten Opernball.

Ob der ukrainische Präsident Poroschenko bei der erwähnten festlichen Gelegenheit Mahnungen von Bundespräsident Van der Bellen vernommen hat, sich in der Feindschaft und den Verbalaggressionen gegen das östliche Nachbarland etwas zurückzunehmen, ist nicht bekannt. Hingegen mittlerweile bekannt sind kritische Worte von VdB zum Thema.

So erklärte vor drei Jahren der nunmehrige Bundespräsident zur EU-Russland-Politik auf eine entsprechende Frage der Redaktion der Internetplattform „Nachgehakt“ (www.nachgehakt.at ) :

Nachgehakt:

Wie bewerten Sie den Umgang Europas mit Russland?

Van der Bellen:

Ich glaube, wenn ich mich öffentlich dazu geäußert hätte, wäre ich als Putin-Versteher diffamiert worden. Ich finde es skandalös, wie nahezu die gesamte europäische Presse, Österreich ist da keine Ausnahme, nicht einmal versucht russische Positionen zu verstehen. Die Krim war nie ukrainisch, außer in den letzten 50 Jahren. Chruschtschow hat die Halbinsel aus unerfindlichen Gründen damals der Ukraine angegliedert. Wenn es eine indigene Bevölkerung dort gibt, dann sind das die Tataren, sicher nicht die Ukrainer. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die militärisch-strategische Position Russlands. Als 1989 der eiserne Vorhang fiel und die Wiedervereinigung Deutschlands bevorstand, ist Russland zugesichert worden, dass die NATO-Grenze nicht weiter nach Osten verschoben wird. Das geht aus US-Quellen hervor. Die Russen haben aber das Pech, dass das niemals schriftlich vereinbart wurde. Und was ist passiert? Die NATO-Ostgrenze verläuft heute direkt an den Grenzen zu Russland. Ich kann schon verstehen, dass das ein Stirnrunzeln in Russland hervorruft. Wenn Sie 200 Jahre zurückgehen, woher kamen alle Invasoren? Alle durch die Ukraine. Deswegen bin ich sehr erbost, wenn gesagt wird, dass von der Ukraine keine militärische Gefahr ausgeht. Ja natürlich, von der Ukraine selbst nicht, aber dass es sich um ein strategisches Vorfeld Russlands handelt, ist doch klar. Wie haben die USA in den letzten 100 Jahren reagiert, wenn vor ihrer Haustür eine potenzielle Gefahr entstand? Die haben sich auch nicht um das Völkerrecht gekümmert. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Ungeachtet all dieser Faktoren ist das Ukraineproblem lösbar. Aber es scheint auf beiden Seiten keinen guten Willen zu geben.