Auch die jüngste Ausgabe von INTERNATIONAL, der renommierten Zeitschrift für internationale Politik, ist wieder gespickt mit höchst interessanten Beiträgen. Darunter auch ein Gespräch mit mutigen Äußerungen einer Nationalratsabgeordneten zu Österreichs umstrittener Außenpolitik.
Udo Bachmair
Sie ist die erste heimische Politikerin palästinensischer Herkunft : Muna Duzdar. Die SPÖ-Parlamentarierin scheut nicht davor zurück, auch heikle weltpolitische Themen offen anzusprechen wie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, in dem Zusammenhang nicht zuletzt auch die mediale Berichterstattung. Duzdar dazu gegenüber INTERNATIONAL:
„Die Berichterstattung heimischer Medien hat dabei versagt, das Leid und die Perspektive der Palästinenser ausreichend darzustellen. Wir haben es im Nahostkonflikt nicht nur mit einem asymmetrisches Krieg zu tun. Auch die Berichterstattung ist asymmetrisch, zugunsten einer Partei und das ist Israel. Wir erleben das z.Bsp., wenn israelische Quellen immer unhinterfragt übernommen werden und palästinensische Quellen gleich den Hamas- oder Terroristenstempel aufgedrückt bekommen. Das ist fatal und schadet der Glaubwürdigkeit journalistischer Medien.“
Soweit die Mediensprecherin der SPÖ, Muna Duzdar, die darauf hofft, mittels Vorzugsstimmen wieder in den Nationalrat einziehen zu können.
Zum Thema Nahost bietet INTERNATIONAL zudem eine spannende Analyse von Helga Baumgarten mit dem Titel „Nakba: Die nicht enden-wollende Katastrophe“. Die Politologin beleuchtet brillant Hintergründe und Folgen des Nahostkonflikts anhand der dramatischen Geschichte der palästinensischen Nationalbewegung von 1948 bis 2024.
Die Zeitschrift vermittelt außerdem im Detail die außenpolitischen Positionen der Parteien, im besonderen zu Neutralität und Friedenspolitik. Ein Themenkomplex, der im NR-Wahlkampf eine beschämend geringe Rolle gespielt hat.
Das jüngste Heft spannt inhaltlich und geografisch einen großen Bogen von Russland, Venezuela, dem Iran bis hin zur Lage in Somalia, Sambia und Aserbeidschan.
Kunst und Kultur sowie Lyrik für den Frieden komplettieren die jüngste Ausgabe IV / 2024.
Die Priorisierung des Rechts auf Frieden lässt zu wünschen übrig. Dabei wäre sie im Sinne der Menschenrechte von existentieller Bedeutung.
Peter Stribl *
Am 1. Januar 2016 hat die UNO 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in Kraft gesetzt, die für alle ihrer Mitgliedsstaaten gültig sind.
Nachfolgend diese 17 Ziele in der festgelegten Reihenfolge:
1. Keine Armut
2. Kein Hunger
3. Gesundheit und Wohlergehen
4. Hochwertige Bildung
5. Geschlechter-Gleichheit
6. Sauberes Wasser und Sanitär-Einrichtungen
7. Bezahlbare und saubere Energie
8. Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
9. Industrie, Innovation und Infrastruktur
10. Weniger Ungleichheiten
11. Nachhaltige Städte und Gemeinden
12. Nachhaltiger Konsum und Produktion
13. Maßnahmen zum Klimaschutz
14. Leben unter Wasser
15. Leben an Land
16. Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zum Recht ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.
17. Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (1)
Unschwer zu erkennen ist, dass die Reihenfolge schlicht unsinnig ist: Wie sollen die Ziele 1 bis 15 ohne Frieden erreicht werden? Für Menschen, die Kriegen ausgesetzt sind, sind Armut, Hunger und Krankheit nachgerade zwangsmäßige Begleiter. Sauberes Wasser und Energie, menschenwürdige Arbeit – nichts weiter als süße Fata Morganen aus einem unerreichbaren Schlaraffenland. (2,3,4,5)
Die Priorisierung von Ziel 16 (Frieden) wird von den USA und von US-amerikanischen Stiftungen und Förderern der Nachhaltigkeitsziele, von der EU und der OECD bisher abgelehnt, während China, Indien und zahlreiche Entwicklungsländer das Ziel unterstützen, die bereits 2013 in der UN-Vollversammlung verlangt hatten, dass das Recht auf Frieden ein Menschenrecht werden soll. Die Ablehnung manifestiert sich durch das Ignorieren und der fehlenden Erwähnung von Ziel 16, beispielsweise in einem Papier der OECD zur Agenda 2030. (1)
Daraus folgt, dass die Prioritäten vom Kopf auf die Füße gestellt werden müssen. Das Recht auf Frieden ist elementar, von existentieller Natur. Nichts auf dieser Welt ist demokratischer. Unvorstellbar, dass die Bevölkerung egal welchen Landes Krieg mit anderen Ländern zur obersten Priorität erhebt. Vielmehr wird Krieg als Durchsetzung der Interessen von Oligarchen „kultiviert“.
Zurzeit ist dieser Irrsinn täglich sichtbar. Da lässt sich ein Fußballverein vom Rüstungskonzern Rheinmetall sponsern. Klar, die schießen aus allen Rohren… Keine Talkshow, die nicht mit einem Pazifisten, dafür aber mit mehreren Konfrontation Suchenden bis hin zu Bellizisten besetzt ist. Der Nachrichtensender ntv „möchte eine Debatte ermöglichen“, dass Waffen als nachhaltig deklariert werden. Eine gewisse Logik ist dem nicht abzusprechen, denn kaum etwas ist nachhaltiger als der Tod.
Bei Kriegen geht es immer um die Interessen von wirtschaftlichen Gruppierungen. Bodenschätze sind unwiderstehliche Ziele. Nachzulesen bei Zbigniew Brzezińskis Strategien oder – etliches einfältiger – bei (CDU-)Kiesewetters Statement zu den Lithium-Vorkommen im Donbass. Was wäre der Nahe Osten ohne Erdöl?
Befeuert werden die Konflikte dieser Erde durch Medien in Privatbesitz. Kein Redakteur wird wagen, gegen die Interessen „seines“ Herausgebers anzuschreiben. Desillusionierend die spärliche Zahl aufrecht gebliebener Journalisten… Was hier an Interaktivität und Folgen damals wie heute erkennbar wird, ist bemerkenswert.
Während der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler wegen Kritik für seine Äußerungen zurücktrat („dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen“) – darf Verteidigungsminister Boris Pistorius in der Straße von Taiwan die freie Schifffahrt verteidigen zum Wohlwollen der Medien und ihrer Meinungsmache, sowie der USA, allerdings zum Missfallen der VR China.
Wer hier mit wem spielt, ist interessant. Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Februar 1999 gesagt, dass er zum Regieren nur „Bild, BamS und Glotze“ brauche. Eine steile Behauptung; andere Politiker sind dabei im Gegenteil flach rausgekommen. Z.B. der frühere Bundespräsident Christian Wulff „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Laut dem Kabarettisten Volker Pispers der Moment, in dem Verlegerin Friede Springer den Daumen über Wulff senkte. Bitte nach Volker Pispers „Wem gehören die Medien?“ auf YouTube googeln. Aber Vorsicht: Verschwörungstheorien!
…
Andererseits, was ist, wenn sich Theorien bestätigen?
(https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AH71_WulffBild_ArltStorz_2012_05_07.pdf)
Medien schließlich geben in Ihrer Sucht nach Marktanteilen auf dem Gebiet ein erbärmlich ekelhaftes Bild ab. Der Wettbewerb um die zugkräftigsten Schlagzeilen ist schlicht widerlich.
Zurück zum Recht auf Frieden: Es kann durch tatsächliche Demokratie ermöglicht werden. Keine Spiegelfechterei über repräsentative „nur dem eigenen Gewissen verpflichtete“ Dampfplauderei. Politische Bildung darf nicht den Medien überlassen werden, sondern über den Staat erfolgen. Wissenschaftlich begründet durch politische und ökonomische Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Zur Erinnerung „Enteignet Springer“ war eine der richtigsten Forderungen der 68er-Bewegung.
Unumgänglich auf dem Weg dahin ist die politische Entmachtung von Konzernen, die Staatsmänner wie Marionetten ihrer Interessen halten. Man erinnere sich an die Geburtstagsfete Joe Ackermanns im deutschen Kanzleramt und Merkels Statement zur „marktorientierten Demokratie“. – Die Besinnung auf die juristischen Vorteile von Erbpacht und Jedermannsrecht sowie deren Entwicklungsmöglichkeiten muss endlich in den Mittelpunkt der Zielsetzungen rücken.
Die Neutralität von Staaten verdient ganz besondere Beachtung. Österreich zum Beispiel ist prädestiniert für die Vermittlerrolle, die gefragter ist denn je. Auch die Bedeutung der blockfreien Länder kann kaum überschätzt werden. Leider beides mit den Abstrichen versehen, die unübersehbar den Abnutzungserscheinungen, dem Schleifen und Sandstrahlen der Verbundenheit zur Aktualität geschuldet sind.
–––––
Im Bildungs- und Erholungszentrum der deutschen IG Druck und Papier in Springen im Taunus fand sich eine Amethyst-Druse, versehen mit dem Motto „Unser Ausweg heißt Bildung“. Gemeint war Bildung im Sinne Wilhelm Liebknechts „Wissen ist Macht – Macht ist Wissen“.
Der zweite Teil des Titels wurde und wird allzu gern unterschlagen; traditionell wie besonders aktuell. (6)
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist wie viele andere Kriege auch ein Informationskrieg. Propaganda für die eine oder andere Seite überwiegt je nach Standpunkt und Interessenslage. Westliche Politik und Medien haben sich nach jahrzehntelanger antirussischer Feindbildpflege konsequenterweise voll auf die Seite Kiews geschlagen und plädieren mehrheitlich für die Lieferung immer schwererer Waffen. Dabei überbieten sie einander an Kriegsrhetorik. Friedensrhetorik ist kaum zu vernehmen. Vor diesem Hintergrund ist bzw. wäre eine differenzierte und deeskalierende Annäherung an diese komplexe Causa höchst nötig und sinnvoll. Ein eher positives Beispiel dafür hat nun die Politikwissenschafterin Nina Chruschtschowa geliefert. Sie war jüngst Interview-Gast in der ZiB 2
(Einleitungstext Udo Bachmair)
Wolfgang Koppler *
Nina, Chruschtschowa, die Enkelin von Nikita Chruschtschow, die seit den 90-er Jahren in der USA lebt und zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nach Österreich eingeladen wurde, war mir zwar schon seit längerem bekannt, ebenso ihre auch dem Westen gegenüber kritische Haltung. Trotzdem fürchtete ich angesichts der aufgeheizten Stimmung und des öffentlichen Druckes, dass auch sie langsam mürbe gemacht worden wäre.
Ich war angenehm überrascht. Dass sie den Angriffskrieg ablehnt, hat sie schon früher deutlich gemacht, indem sie betont hat, ihr Großvater hätte diesen Krieg niemals angefangen.
Sie lehnt aber die Kategorien Gut und Böse ab und sieht eine Mitverantwortung der USA und Europas. Die Diplomatie hätte nach den ersten Kriegsmonaten ausgesetzt, obwohl sie gerade in einem Krieg mehr denn je gefordert sei. Den Besuch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba in Peking bzw. die Vermittlungsbemühungen Chinas sah sie positiv und ließ aufhorchen, als sie meinte, dass es nun auch in der Ukraine Erwartungen gebe, den Krieg vielleicht bis Jahresende zu beenden.
Sie zeigte sich aber realistisch genug, die Chancen auf eine Friedenslösung aus heutiger Sicht als gering einzuschätzen. Die Haltung auf beiden Seiten hätte sich (Anm: nach Jahren unablässiger Kriegsführung und Propaganda) verhärtet und Putin sähe sich derzeit im Vorteil, zumal die Sanktionen nicht die vom Westen erhoffte Wirkung gezeitigt hätten.
Trotzdem sah sie Verhandlungen nicht als aussichtslos an, wobei sie es vermied, konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Wohl deswegen, weil man im derzeitigen Stadium nichts präjudizieren sollte. Die Parteien müssen selbst den Kompromiss erarbeiten und ihre Schmerzgrenzen feststellen. Sie ließ aber anklingen, dass weder das Thema Neutralität noch Gebietsfragen unüberwindbare Hindernisse darstellten.
Angenehm wieder einmal die zurückhaltende und nur die wirklich notwendigen Fragen stellende ZiB 2-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann. Mich störte lediglich die Bezeichnung „Kommunistenchef“ für Chruschtschow. Dem verstorbenen Staats- und Parteichef verdanken wir immerhin den Staatsvertrag, der in der sowjetischen Führung gar nicht so unumstritten war. Auch sein letztlich eleganter Kompromiss der zugegebenermaßen von ihm ausgelösten Kubakrise sollte nicht vergessen werden, da er zeigt, wie man mit ein bisschen Kreativität und Flexibilität auch aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herauskommt: Man entschloss sich hinter den Kulissen, nicht nur die russischen Raketen aus Kuba, sondern auch die amerikanischen aus der Türkei abzuziehen. Was im Westen lange Zeit verschwiegen wurde.
* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien
Kriegsberichterstattung und Propaganda, Neutralität und Streben nach Frieden: einige der Aspekte, die das Spannungsfeld von Politik und Medien mehr denn je charakterisieren.
Udo Bachmair *
Kriegsrhetorik in Politik und Medien greift immer weiter um sich. Vor diesem Hintergrund mutiert Frieden zunehmend zu einem negativ geladenen Begriff. Er wird vorwiegend in Kombination mit Begriffen wie Diktatfrieden oder Friedensdiktat verwendet. In der veröffentlichten Meinung dominiert die ausschließliche Sinnhaftigkeit aller militärischen Lösungen. Das veranschaulichen die aktuellen Beispiele der Kriege in der Ukraine und Gaza besonders deutlich.
Grundsätzlich erscheint klar: Kriegspropaganda betreiben immer beide Seiten eines Konflikts.
Gleichgeschaltet wirkende westliche Medien und auch zahllose PolitikerInnen gehen davon aus, dass nur Russland Kriegspropaganda betreibt, nicht aber auch die Ukraine.
Daraus resultiert jener durch diverse Studien bereits mehrfach belegte Eindruck, dass in der Kriegsberichterstattung vieler unserer Medien, besonders aber der deutschen, ukrainische Kriegsrhetorik und Propaganda oft als faktenbasierte Inhalte präsentiert werden, gemischt mit einem sich weiter radikalisierenden Wording. Friedensrhetorik hingegen wird als naiv abgetan, eine solche würde Aggressoren, wie Putin, nur weiter ermuntern.
Am Anfang des Ukraine-Krieges war noch die territoriale Integrität der Ukraine oder Hilfe vor Ort im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Danach wurde medial zunehmend vermittelt, dass ein Sieg der Ukraine unbedingt nötig sei, die Existenz und der Fortbestand ganz Europas würden ansonsten auf dem Spiel stehen. Damit auch „unsere westlichen Werte“. Aber man fragt sich, ob denn die Ukraine diesbezüglich tatsächlich als Vorbild dienen könne, ein Staat, der hinsichtlich Korruption oder Pressefreiheit weltweit die hintersten Ränge belegt.
Ungeachtet dessen wird ein Sieg gegen Putin von Politik und Medien gleichsam zur Pflicht erkoren.
Damit entfällt folgerichtig jede Verpflichtung zu Bemühungen für Waffenstillstandsgespräche und eine baldige friedliche Lösung.
Eine Forderung, die kürzlich auch der Papst erhoben hat – und er musste sich vom traditionell antirussischen Standard-Journalisten Hans Rauscher umgehend als Unterstützer eines Aggressors rügen lassen u.a. mit der Äußerung:
„Der Heilige Vater weiß nicht, wovon er da redet“
In derselben Zeitung feuerte Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie die Rüstungskonzerne an mit den Worten:
„Die Rüstungsindustrie könnte durchaus mehr produzieren!“.
Speziell in Deutschland verdichtet sich der Eindruck, dass die meisten Medien, ausgerechnet auch die öffentlich-rechtlichen, die zur Objektivität auch der außenpolitischen Berichterstattung verpflichtet wären, die Politik vor sich hertreiben, immer mehr und immer weiter aufzurüsten.
Beispiel der Druck auf Kanzler Olav Scholz, unbedingt schwere Panzer an Kiew zu liefern, eine Forderung, der er nach einigem Zögern schließlich doch nachgekommen ist.
Oder jüngst: Noch zögert Scholz, die weit reichenden gegen Russland gerichteten Taurus-Raketen zu liefern. Er trotzt damit dem Druck der konservativen Opposition sowie vor allem auch dem Boulevard, wie der allmächtigen BILD-Zeitung.
Eine Frage der Zeit, bis Scholz wieder in die Knie geht..?
Schließlich kommt Druck auch aus seiner Ampelkoalition, aus der FDP, allen voran seitens der mittlerweile als hartnäckige Kriegstreiberin kritisierten Chefin des außenpolitischen Bundestagsausschusses, Strack -Zimmermann. Besonders auch seitens der Grünen, allen voran der im Selbstverständnis nach wie vor grünen Außenministerin Annalena Bärbock. Sie hat sich in den Augen von Beobachtern als kriegsbegeisterte militaristische Hardlinerin entpuppt. Sie scheint vergessen zu haben, dass die Grünen sich früher einmal als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben – eine Absurdität, ein Hohn sondergleichen, wenn man ihre aktuelle Haltung betrachtet.
Ganz zu schweigen von der EVP-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen, die ebenfalls den Eindruck einer militaristischen Einpeitscherin erweckt, ohne auch nur einen einzigen Lösungsvorschlag präsentieren zu können.
Jedenfalls muss Frau Von der Leyen auch jene fahrlässige Untätigkeit der Europäischen Union insgesamt bezüglich Bemühungen um eine diplomatische Lösung und eine Beendigung des Blutvergießens angelastet werden. Im Sinne der Waffenlobby und im Interesse von NATO und USA fehlt offenbar jeglicher Wille, weiterer intensiver Aufrüstung abzuschwören und zumindest zu versuchen, mit Moskau diplomatisch oder persönlich in Kontakt zu treten. Optimismus über eine wohlwollende Gesprächsbereitschaft Putins hält sich zurzeit freilich in Grenzen.
Aber Versuche wären’s doch wert !
Putin machts natürlich seinen Gegnern mit seiner völkerrechtswidrigen Aggression in der Ukraine leicht – und so läge es auch an ihm, erneut Verhandlungsbereitschaft zu zeigen, auch wenn ihm der Westen noch so sehr die kalte Schulter zeigt.
Zuviel Porzellan wurde auch seitens des Westens und der gefährlichen Erweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands zerschlagen. Jede Bereitschaft und Fähigkeit scheint dafür zu fehlen, sich auch in den Kriegsgegner Russland hineindenken zu können. So wird die subjektiv gefühlte und aus Sicht Moskaus ernstzunehmende Bedrohung durch die NATO-Erweiterung ebenfalls als bloße Propaganda abgetan.
Einseitigkeit in Bezug auf die Beurteilung des Ukrainekrieges bzw. der Mangel an differenzierten und differenzierenden Betrachtungsweisen in Politik und Medien erscheinen besonders schmerzlich dann, wenn sie in einem neutralen Staat wie Österreich gang und gäbe sind.–
Leider muss sich da auch mein altes Unternehmen ORF manche Kritik gefallen lassen. So werden überwiegend Experten und Expertinnen in Ö1-Journale, ZiB 2-Sendungen oder Punkt.Eins.-Sendungen eingeladen, die undifferenziert proukrainisch und militaristisch argumentieren. So werden auch die zahlreichen Hintergründe, die mit zum Ausbruch des Krieges 2014 bzw. 2022 geführt haben, weitgehend ignoriert.
Die meisten JournalistInnen-KollegInnen fühlen sich im Strom des antirussischen Mainstreams wahrscheinlich wohler, einzelne, die Waffenstillstandsverhandlungen oder Friedensgespräche fordern, werden als Putinversteher gebrandmarkt, die angeblich nur dem Kriegsherrn in Moskau in die Hände spielen wollen. Sie geben ihren Widerstand gegen den Mainstream meist bald auf.
Einer der vorbildlichen Ausnahmen unter den ORF-Redakteuren, Christian Wehrschütz, wird sich auch nicht mehr lange halten können, denn leider wird nicht nur in Kiew, sondern auch hierzulande gegen ihn Stimmung gemacht und ihm dadurch der Weg in die Pension erleichtert.
Es ist ja nicht so, dass pauschal alle JournalistInnen sich nicht zumindest bemühen würden, auch in heiklen außenpolitischen Fragen einigermaßen objektiv und seriös zu berichten. Vielen ist einfach nicht bewusst, dass sie sich für eine Seite (pro Ukraine, pro Israel) vor den Karren spannen lassen. Unter der Devise: Die Einen sind gut, die Anderen nur böse.
Davon lebt freilich der Boulevard, leider aber auch sogenannte seriöse Medien wie der ORF oder der Standard etc.
So ist und bleibt das bereits lange aufgebaute Feindbild Russland unverrückbar. –
Ein Grundproblem besteht u.a. darin, dass die außenpolitischen Ressorts, auch die im ORF, personell ausgedünnt worden sind, sodass oft weder Zeit noch Energien mehr bestehen für die Verwendung auch ausreichend alternativer Quellen. So bekommen MedienkonsumentInnen zu einem großen Teil serviert, was die beiden großen westlichen Agenturen mit ihrem speziellen Wording und ihrer US-orientierten Sicht der Welt vermitteln und vorbeten.
Die andere Seite der Propaganda, die der russische TV-Kanal „Russia today“ betreibt, ist der westlichen Zensur zum Opfer gefallen und nicht mehr empfangbar. Demokratiepolitisch und im Sinne der Meinungsvielfalt problematisch. Dabei wäre es doch interessant und aufgeklärten MediennutzerInnen zumutbar, auch die andere Seite zu hören, auch wenn Propagandainhalte überwiegen.
Umso lauter polemisieren manche PolitikerInnen und heimische Medien gegen die Nützlichkeit der Neutralität Österreichs. In Kommentaren etwa der Zeitungen Standard oder Kurier wird mehr oder weniger unverhohlen Stimmung aufbereitet für einen Beitritt Österreichs zur NATO.
Dabei hätte Österreich hätte als neutrales Land große Chancen, Vertreter der Kriegsparteien an einen Tisch zu holen. Wien als UNO-Standort, Wien als Austragungsort internationaler Konferenzen, wäre prädestiniert dafür.
Nur: Österreichs Neutralität hat Schaden gelitten durch eine österreichische Außenpolitik, die den Namen nicht verdient, die sich bei globalen Konflikten jeweils relativ einseitig positioniert.
Nicht nur in der Ukrainefrage – etwa wenn das Parlament Selenskyj zu einer seiner Propagandareden einlädt – oder wenn auf dem Gebäude des Bundeskanzleramts ausschließlich die israelische Fahne gehisst und nicht auch Empathie für das Leid der palästinensischen Bevölkerung symbolisiert wird –
All das ist freilich nicht ein formaler Verstoß gegen die immerwährende bewaffnete Neutralität, jedoch gegen den Geist der Neutralität gerichtet.
Sollte eine weitere Aushöhlung der Neutralität erfolgen oder gar ein NATO-Beitritt Österreichs Realität werden, wäre eine mediative und friedensstiftende Rolle Österreichs wie zu Zeiten Bruno Kreiskys jedenfalls endgültig verspielt.
Werden wir nicht müde, da klar dagegenzuhalten !
* Der Beitrag entspricht einer leicht gekürzten Textgrundlage für ein Referat, das Udo Bachmair bei einer Veranstaltung der „GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg“ am 13.3.2024 im Amerlinghaus in Wien gehalten hat
Hier die Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung :
Kürzlich in der ZiB2 lieferte Bundeskanzler Karl Nehammer eine Überraschung. Er fand klare Worte zum Ukrainekrieg sowie zu Österreichs Neutralität.
Wolfgang Koppler *
Ich habe Bundeskanzler Nehammer, der diese Amt vielleicht gar nicht so gerne übernahm, bis jetzt immer für etwas hölzern und „patschert“ gehalten. Das Interview, das Armin Wolf mit ihm in der ZiB2 vom 28.2. führte, belehrte mich eines Besseren.
Es ging um den Ukraine-Sondergipfel in Paris, an dem Nehammer teilnahm und sich dort für Verhandlungen im Ukrainekrieg aussprach. Ein Tabuthema für Journalisten und Armin Wolf zeigte keine sonderliche Begeisterung, das bis jetzt vorherrschende Motto „Gerechtigkeit um jeden Preis“ aufzugeben und statt dessen wieder Vernunft, Menschlichkeit und Pragmatismus walten zu lassen.
Nehammer betonte zunächst die Solidarität Österreichs mit der Ukraine, unsere humanitäre Unterstützung und die Beteiligung an den westlichen Sanktionen. Es brauche aber neue Lösungen zur Beendigung des Konflikts. Er sprach von „westlichen Echokammern“ der USA, Kanada und der europäischen Staaten, welche die Spannungen stattdessen verschärfen würden. Etwa, das bis jetzt kaum ein Politiker auszusprechen wagte, das aber auf der Hand liegt.
Nicht an Bord genommen worden seien aber die BRICS-Staaten, welche sehr einflussreich seien in Bezug auf den russischen Präsidenten. Es brauche mehr Miteinander.
Nehammer parierte geschickt das von Wolf ins Spiel gebrachte Argument der strategischen Antiguität und Macrons Forderung nach dem Einsatz von NATO-Truppen, indem er auf dieGefahr einer nicht mehr zu stoppenden Eskalationsspirale und einer unmittelbaren Konfrontation von NATO-Truppen und russischen Soldaten verwies. Es gelte, eine weitere Ausweitung des Kriegs, allenfalls in einen Weltkrieg zu verhindern.
Wolf bohrte dann natürlich noch weiter nach und verwies auf die schon seit längerem kolportierte Anwesenheit von NATO-Soldaten zur Ausbildung und Aufklärung (offenbar nach dem Motto: is eh scho wuascht). Nehammer verwies auf die – eigentlich jedem einleuchtende – Unterscheidung zwischen offiziell anwesenden (kämpfenden) Truppen und inoffiziell im Hintergrund tätigen Einsatzgruppen. Wobei er sogar zugab, dass sich „nach Meinung von Experten“ tatsächlich bereits Spezialeinsatzkräfte auf ukrainischem Territorium befänden. Das sei mit einer unmittelbaren Konfrontation NATO-Russland aber nicht vergleichbar.
Hinsichtlich des derzeit aufgeschaukelten Konflikts um Transnistrien lieferte der Bundeskanzler sogar interessante Hintergrundinformation. In Wirklichkeit geht es dort um Waffenlager mit großen Mengen an Munition aus sowjetischer Zeit, an denen sowohl die Ukraine als auch Russland Interesse haben. Nebenbei bemerkt: Ein Eingreifen Russlands scheint dort schon aus geographischen und logistischen Gründen eher unwahrscheinlich.
Schließlich kam geradezu drehorgelartig von Seiten Wolfs der Einwand, dass Verhandlungen angesichts von Putins Sturheit aussichtslos seien, zumal dieser ja an den Verhandlungstisch kommen und ja von selbst den Krieg beenden könnte. Putin ist schuld, Putin ist schuld… Da könnten wir Diplomaten überhaupt einsparen und durch die Militärs ersetzen. Abgesehen davon, dass Putin erst jetzt wieder bei seiner Rede an die Nation nur in wenigen Zeitungen erwähnte Verhandlungssignale aussandte, indem er Gespräche mit den Westen über eine neue strategische Weltordnung forderte.
Nehammer fand auch hier die richtigen Worte. Man müsse mit Putin „auf Augenhöhe verhandeln, nicht belehrend“, zumal Russland sich in einer Sackgasse befinde und keines seiner Ziele erreicht habe. Im Gegenteil: Die NATO sei durch die Beschlüsse über höhere Verteidigungsausgaben gestärkt und zudem durch Finnland und Schweden erweitert. Anmerkung: Das wird wohl auch den Russen bewusst sein. Aber je mehr man sie abwertet, desto mehr betonieren sie sich ein. Sowohl Russen als Ukrainer tragen uralte Verwundungen mit sich herum.
Es sei wichtig, wie man aus diesem Konflikt wieder herauskomme. Dazu bedürfe es aber vieler Verhandlungsschritte.
Natürlich durfte auch die von Wolf schon des Öfteren ins Spiel brachte Debatte über Österreichs Neutralität und deren Sinnhaftigkeit nicht fehlen. Eingeleitet wurde diese mit dem sattsam bekannten Argument der Journalisten: Da unsere Neutralität durch die Zusage an Teilnahme bestimmter EU-Maßnahmen eingeschränkt wurde, können wir sie gleich aufgeben („is eh scho wuascht“, um dem Wiener Fatalismus entgegenzukommen).
Auch hier argumentierte Nehammer bemerkenswert klar und nachvollziehbar. Unsere Neutralität sei schon deshalb nützlich, weil sie uns zumindest außerhalb der EU außenpolitischen Spielraum biete, den wir sonst nicht hätten. Vor allem in den Kontakten zu den großen BRICS-Staaten Indien und Brasilien, die sich für eine Friedenslösung einsetzten und gute Kontakte zu Russland hätten. Eine derartige Bewegungsfreiheit hätten wir als NATO-Staat nicht (weil diese Länder dem westlichen Militärbündnis eher reserviert gegenüberstehen).
* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien
Zunehmend versuchen Befürworter eines NATO-Beitritts Österreichs an Einfluss zu gewinnen. Sie stellen die Neutralität als nutzlos und überholt dar.
Udo Bachmair
In Politik und Medien dominieren immer auffälliger Kriegshysterie, Verbreitung von Kriegsangst sowie die offensichtlich gewordene Selbstverständlichkeit einer immer hemmungsloseren Aufrüstung. Damit wachsen Tendenzen auch einer Militarisierung von Sprache, die Politik und Medien mehr und mehr durchfluten. Immer öfter ist von Krieg als alternativloser Notwendigkeit die Rede. Von Frieden, von Waffenstillstand, von Bemühungen zugunsten diplomatischer Konfliktbeilegung ist hingegen wenig bis gar nichts zu hören und zu lesen.
Bekanntlich beklagt die Spitze des Verteidigungsministeriums, dass Österreich und dessen Bundesheer nicht „kriegstauglich“ seien. Ein Begriff, der im Übrigen per se gegen den Geist der Neutralität verstößt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird wie jüngst in diversen Tageszeitungen wie dem Kurier und dem Standard verblüffend offen der Wunsch nach einem Beitritt Österreichs zur US-dominierten NATO geäußert. Die einen bemühen das Schimpfwort „Trittbrettfahrer“ für Österreich als neutralen Staat, andere wiederum lehnen die Neutralität als „gefährliche Folklore“ ab.
Dabei gibt es genug gute Gründe, an der Neutralität festzuhalten. So hat jüngst die „Initiative Engagierte Neutralität“ den Mehrwert der Neutralität abermals bekräftigt. Demnach verringert Neutralität das Risiko, in einen Krieg hineingezogen zu werden. Zudem könne ein neutraler Staat im Rahmen der Diplomatie sowie durch den Einsatz von Friedenstruppen, wie Österreich gezeigt hat, wichtige Beiträge für den internationalen Frieden leisten.
Das Engagement neutraler Staaten bedeutet für die Initiative aber „kein Abseitsstehen“, sondern bei Völkerrechtsverletzungen klar und eigenständig Stellung zu beziehen. Eine engagierte Neutralitätspolitik wäre laut dem Politologen und Sicherheitsexperten Heinz Gärtner eine „sehr gute Sicherheitsgarantie, wenn sie auf verschiedensten Ebenen glaubwürdig und nützlich ist“.
Ein NATO-Beitritt Österreichs würde der mittlerweile weitgehend isolierten und undiplomatisch einseitigen österreichischen Außenpolitik (Stichworte dazu Ukraine und Gaza) auch noch die letzten Möglichkeiten nehmen, friedenspolitische Aktivitäten zu setzen. Österreich als glaubwürdiger Mediator in Kriegs- und Konfliktsituationen hätte damit endgültig ausgedient. Ganz im Gegensatz zu Zeiten Bruno Kreiskys.
Politik und Medien scheint Empathie für das Leid der Palästinenser weitgehend zu fehlen. Und Österreichs Außenpolitik hat sich von neutralitätspolitischen Grundsätzen einigermaßen entfernt. Vor diesem Hintergrund sind mutige Worte des ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhari besonders positiv aufgefallen.
Udo Bachmair
Es war in der reichweitesten Informationssendung des ORF, der ZiB1 (7.1.), als der Korrespondent für den arabischen Raum verblüffend offen und beherzt die dramatische Lage im Nahen Osten schilderte. Karim El Gawhari fand mutige Worte über das nach dem abscheulichen Massaker der Hamas besonders brutale Vorgehen Israels gegen die Bevölkerung im Gazastreifen. Eine solche Offenheit, ein solcher Mut fällt besonders in den Medien Deutschlands und Österreichs auf, zwei Länder, die sich im Gazakrieg voll auf die Seite Israels gestellt haben. Sie unterstützen damit auch die weltweit bereits höchst umstrittene aggressive Politik der rechtsradikalen israelischen Regierung. Nicht nur humanitäre Grundsätze, sondern auch Österreichs Neutralität werden damit unterminiert.
Karim El-Gawhari bringt die Lage eindrucksvoll auf den Punkt:
„Die letzten 3 Monate des Krieges waren für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ein absoluter Alptraum. 1,9 Millionen von 2,3 Millionen mussten nach UN-Angaben ihr Zuhause verlassen, nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza sind mehr als 22000 Menschen getötet worden, unter ihnen zahlreiche Frauen und Kinder. Bei all dem scheint es, dass Israel mit dem Ziel, die Hamas zu zerstören, sehr weit entfernt ist. Der Gazastreifen wurde in Schutt und Asche gelegt, doch die Hamas agiert dort weiter.“
Der Krieg Israels gegen Gaza hat also kaum Fortschritte bezüglich einer Ausschaltung der militärischen Struktur der Hamas gebracht, stattdessen einen im Nahen Osten in so kurzer Zeit beispiellos hohen Blutzoll unter der Zivilbevölkerung. Alle bisherigen Versuche der UNO, aber auch von US-Außenminister Blinken, das israelische Kriegskabinett in dessen Überreaktion zu stoppen und mehr auf die Zivilbevölkerung Rücksicht zu nehmen, haben bisher nichts gefruchtet.
Ganz zu schweigen von Österreich, dessen Außenpolitik sich ohne Wenn und Aber hinter Israel stellt. Besonders unverständlich, dass Österreich als einziger neutraler Staat der Welt in der UNO-Generalversammlung gegen eine humanitäre Feuerpause im Gazakrieg gestimmt hat. Eine außenpolitische und neutralitätspolitische Schande. Zudem eine Fahrlässigkeit sondergleichen, Österreich als UNO-Standort und Ort von Friedenskonferenzen enorm geschadet zu haben. Außenminister Schallenberg und die gesamte schwarz/grüne Bundesregierung werden die Konsequenzen ihrer Außenpolitik weg von Neutralität und Humanität zu verantworten haben.
Diese Haltung Österreichs, die ganz im Gegensatz zur früheren ausgleichenden Außenpolitik Österreichs steht, hat mittlerweile die guten Beziehungen unseres Landes zur arabischen Welt erkalten lassen. Auch diesbezüglich fand ORF-Korrespondent Karim El Gawhari klare Worte in der ZiB1 :
„Immer wieder fragen mich Leute, was ist denn los mit den Österreichern und auch den Deutschen, die Leute verstehen einfach nicht, warum es so wenig Empathie gibt gegenüber dem Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Das wird, denke ich, auch langfristige Folgen haben für die Beziehungen Österreichs, aber auch Deutschlands und der EU insgesamt zur arabischen Welt.“
Diesen klaren Worten ist in der Sache nichts hinzuzufügen, außer dass sich die Bundesregierung endlich darauf besinnen möge, den Geist der Neutralität nicht weiter zu ignorieren, sodass Österreich als Ort von Begegnungen international wieder akzeptiert wird. Doch es ist zu befürchten, dass Einseitigkeit und Einäugigkeit der gegenwärtigen österreichischen Außenpolitik dieses wichtige auch staatspolitische Anliegen weiter konterkarieren. Wider besseres Wissen, denn das wird sicher auch eines der Reizthemen im heurigen Superwahljahr sein.
Gerade im Krieg zeigt sich, wie auch bei Intellektuellen in Wirklichkeit der Bauch regiert. Die vermeintliche Unmöglichkeit von Verhandlungen ist bloß Scheinrationalität.
Wolfgang Koppler *
In der gestrigen ORF- Nachrichtensendung ZiB2 wieder einmal ein Interview mit einem Experten zum Ukrainekrieg. Diesmal war es Stefan Lehne von Carnegie Europe, dem Brüsseler Ableger eines US-Thinktanks. Zuständig für EU-Außenpolitik wurde er zum jüngsten EU-Rat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine befragt. Angesichts der festgefahrenen Situation erkundigte sich Moderator Thür nach der Möglichkeit einer Friedenslösung- Putin wolle nicht, meint Lehne, „Sie haben ihn doch gerade im Beitrag gehört, es gibt keine Vermittlung“.
Was man im zuvor geschalteten Beitrag über eine Pressekonferenz Putins gehört hatte, war, dass dieser eine Neutralität und eine Entnazifizierung der Ukraine gefordert hatte. Ersteres wurde bereits im Frühjahr letzten Jahres verhandelt und „Denazifizierung“ ist eine mehr oder weniger stehende Redewendung Putins, die damals auch kein Hindernis für Verhandlungen war. Zudem gab es in den letzten Monate mehrere Signale seitens Putins, die auf Gesprächsbereitschaft hindeuten.
Wie schal und wenig stichhaltig die Behauptung von der Aussichtslosigkeit oder gar Unmöglichkeit von Verhandlungen ist, zeigt ein Artikel in Deutschlandfunk.de vom Februar heurigen Jahres unter dem Titel „Lässt sich der Frieden mit Russland verhandeln“. Als Argumente dient eigentlich nur die Behauptung, dass die die Ukraine „mit dem Rücken zur Wand und ihre Existenz als Staat auf dem Spiel“ stehe“ und der Verweis auf Kriegsverbrechen. In der Folge werden dann nur mehr die Ansichten und Befürchtungen der Kriegsparteien angeführt.
Weshalb die Existenz der Ukraine derzeit wirklich gefährdet sein soll, ist mir nicht ganz einsichtig. Vor allem aber stellt sich die Frage, weshalb ein Waffenstillstand und Verhandlungen die Ukraine mehr gefährden sollten als die Weiterführung des Krieges. Das Argument der Militärs, dass sich dann die russische Armee neu aufstellen bzw. erholen und ihre Position verbessern könne, gilt genauso für die Ukrainer. Weitere militärische Abenteuer sind angesichts der Schwächung Russlands ziemlich unwahrscheinlich. Und was Kriegsverbrechen betrifft, so ist dies ein rein emotionales „Argument“, zumal seit den Verbrechen von Butscha auf beiden Seiten Hunderttausende gestorben, verwundet und verstümmelt worden sind und auch Menschen in anderen Ländern unter diesem Krieg leiden. Reicht das Politik und Medien immer noch nicht ? Während hunderte Milliarden in diesen Krieg fließen, die im Klimaschutz und in der Entwicklungszusammenarbeit fehlen.
Und was die Angst vor einem Nachlassen der Unterstützung im Westen betrifft: Der derzeitige Abnützungskrieg schafft viel mehr Kriegsmüdigkeit und Unwillen als die Bereitschaft zu kreativen Lösungen. Die ja bis zur Befreiung von Kiew sehr wohl bestanden hat. Da wurde sogar während des Krieges verhandelt. Etwa über ein Neutralität mit Sicherheitsgarantien. Bis die ukrainische Führung die Verhandlungen abbrach.
Aber jetzt wäre es an der Zeit, das Töten zu beenden. Ob im Ukrainekrieg oder im Gazastreifen. Und die Scheinrationalität.
Warum sind Biden und Blinken im Fall des Ukrainekriegs so blind ?
Heute ist bzw. war der Internationale Tag der Neutralität. Politik und Medien haben ihn weitgehend ignoriert.
Udo Bachmair
Den 12. Dezember hat die UNO- Generalversammlung 2017 zum Internationalen Tag der Neutralität erklärt. Eine entsprechende Resolution betont die wichtige Rolle neutraler Staaten bzgl. friedlicher Konfliktlösung und vorbeugender Krisendiplomatie. Den Jahrestag nimmt die INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT zum Anlass, um auf die Wichtigkeit und Nützlichkeit der immerwährenden Neutralität Österreichs hinzuweisen.
Ex-Bundesheer-General Günther Greindl, einer der Sprecher der Initiative und früherer Oberkommandierender österreichischer Friedenstruppen, unterstreicht in einer Erklärung, dass Österreich als Sitzstaat der OSZE und UNO-Standort im Rahmen der kooperativen Sicherheit in Europa gute Dienste einbringe und einbringen könne. Die bewährte Neutralitätspolitik sei kein Versatzstück aus einer vergangenen Zeit.
Bedauerlicherweise hat der Internationale Tag der Neutralität in Österreichs Medien und Politik kaum Niederschlag gefunden. Die Bundesregierung (inkl. Außenministerium) hat den Tag offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Nur zwei APA-Aussendungen sind bisher zu registrieren, eine von der INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT selbst, eine Initiative, der auch der Autor dieser Zeilen angehört, sowie eine Erklärung seitens der SPÖ:
Höchst empfehlenswert ist zum Thema ein Gespräch zwischen Univ. Prof. Heinz Gärtner und Prof. Pascal Lottaz, Schweiz, im Videokanal der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL:
Der folgende Link führt zur ebenfalls besonders empfehlenswerten Podiumsdiskussion der INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT im Presseclub Concordia:
Trotz aller Bekenntnisse zur immerwährenden Neutralität-gerade am Nationalfeiertag-sind im Politik- und Medienbereich Tendenzen erkennbar, Österreichs Neutralität nicht mehr ernst zu nehmen. Die überparteiliche INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT will dieser Entwicklung entgegenhalten.
Udo Bachmair
Der heutige 26. Oktober, der Nationalfeiertag, an dem das Gesetz zur immerwährenden Neutralität beschlossen wurde, ist für die neue Initiativgruppe Motiv und Anlass, auf die Wichtigkeit, ja, auf die besondere Nützlichkeit unserer Neutralität gerade auch in besonders krisenhaften Zeiten wie diesen hinzuweisen.
Zumal auch Tendenzen in manchen Politik- und Medienbereichen und in diversen Diskussionen zu registrieren sind, die darauf hinauslaufen, unsere Neutralität als nicht mehr sinnvoll oder als überholt zu betrachten. Hand in Hand damit wendet sich die Initiative klar gegen Überlegungen, Österreich solle der NATO beitreten.
Die immerwährende Neutralität wird von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung als weiter höchst positiv angesehen. Und wir als engagierte Gruppe haben in einem Appell Regierung und Parlament dazu aufgerufen, die immerwährende Neutralität zu wahren und für eine engagierte Friedenspolitik zu nutzen. I
Einige der Zitate aus dem mittlerweile von mehr als 150 namhaften Persönlichkeiten unterzeichneten Appell :
„Neutralität bedeutet freiwillige Selbstverpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung“
„Neutralität verringert das Risiko, in einen Krieg hineingezogen zu werden“
„Österreich hat als neutraler Staat im Rahmen der Diplomatie und durch den Einsatz der Blauhelme wichtige Beiträge für den internationalen Frieden geleistet“
„Neutrale Staaten sind ideale Orte der Begegnung, man denke an Österreich als Vorsitzland der OSZE, mit Wien als offiziellem UNO-Amtssitz“
„Das Engagement neutraler Staaten ist nicht wertneutral, es ist das Gegenteil von Abseitsstehen. Es bedeutet, zu Völkerrechtsverletzungen unabhängig, eigenständig und klar Stellung zu nehmen“
Die Podiumsrunde im Rahmen einer Pressekonferenz der Neutralitätsinitiative umfasste
>> Gabriele Matzner, langjährige Diplomatin, zuletzt Botschafterin in London
>> Erwin Buchinger, Sozialminister unter Kanzler Gusenbauer, Sprecher der SPÖ-Initiative „Aktive Neutralität“
>> Heinz Gärtner – renommierter Politikwissenschafter, u.a. Sicherheits- und Neutralitätsexperte
>> Wendelin Ettmayer –früher Nationalratsabgeordneter der ÖVP – als Diplomat war er u.a. Botschafter beim Europarat
>> Günther Greindl – er war als General des Bundesheeres Kommandierender der Blauhelmtruppen am Golan, In Zypern und im Iraq/Kuwait-Konflikt
sowie
>> Udo Bachmair, Ex-ORF-Redakteur, Präsident der Vereinigung für Medienkultur.
Besonderes Lob gilt ServusTV: Der Sender hat in seiner Hauptnachrichtensendung über die PK der Initiative Engagierte Neutralität einen längeren Beitrag gebracht.
Außergewöhnliches Lob verdient der Youtube-Kanal der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL unter Herausgeber und Chefredakteur Fritz Edlinger, der die Podiumsdiskussion vom vergangenen Dienstag im Presseclub Concordia online gestellt hat. Hier die Links :
www.youtube.com/watch?v=7VPVzzhncBI
www.international.or.at
Folgende weitere Medien haben ausführlicher berichtet: