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Dominanz militaristischen Denkens

Höchst aufschlussreich war das jüngste ZiB2-Interview mit dem Militäranalytiker Franz-Stefan-Gady. Es zeigte, wie eiskaltes militaristisches Denken inzwischen unsere gesamte Gesellschaft erfasst hat. Und somit auch die Medien.

Wolfgang Koppler *

Gady lenkte zunächst geschickt vom Verhandlungsunwillen Selenskyjs ab (welcher diesbezügliche Gespräche erst nach einem vollständigen Abzug der russischen Truppen – also nach einem Sieg der Ukraine in Erwägung zieht), indem er sich – ebenso wie die westlichen Politiker auf den Standpunkt zurückzieht, dass Putin den Krieg ja jederzeit beenden könnte. Wobei er natürlich genau weiß, dass dieser damit sein Gesicht verlieren würde und solches daher völlig illusorisch ist. Putin hat angefangen – Punkt. Immerhin gestand der zu, dass die ukrainische Armee der russischen derzeit durchaus standhalten könne, zumal genug Munition zur Verfügung stünde. Die Unterstützung des Westens dürfe halt nicht nachlassen.

Auch Trumps Präsidentschaft sieht der Militäranalytiker nicht unbedingt als Katastrophe für die Ukraine an, zumal Trump ja auch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan gestoppt hätte, als die Gespräche mit den Taliban nicht so erfolgreich verliefen wie erwartet. Er würde wohl auch die Ukraine nicht völlig im Stich lassen.

Aber die Russen machten doch Fortschritte und man müsste die Ukrainer durch weitere militärische Unterstützung in eine vorteilhaftere Position für allfällige Verhandlungen bringen. Auch dies hat man in den zweieinhalb Jahren Krieg schon all zu oft gehört. Damit wird der Krieg mit seinem ewigen Hin und Her zu einer Endlosschleife. Zumal man sich immer wieder einredet, dass es nur Putin sei, der nicht verhandeln wolle. Während Selenskyj immer wieder dezidiert Verhandlungen ablehnt und die Russen – wenn auch mit Kriegsrhetorik und Maximalforderungen – immer wieder Signale ausgesandt haben.

Schließlich wird von Gady auch noch die Angst geschnürt, Putin könnte nach einem Kompromissfrieden nochmals angreifen. Man brauche Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dass der Westen in den Verhandlungen zu Beginn des Krieges solche abgelehnt und die Gespräche damit zum Scheitern gebracht hat, verschweigt der ORF-Studiogast. Dafür fordert er eine Erhöhung der westlichen Militärbudgets auf 3 – 4 % des BIP. Woher das Geld angesichts überlasteter Budgets kommen soll, sagt er natürlich nicht.

Gegen Ende des Interviews wird schließlich der „Personalmangel“ der ukrainischen Armee beklagt. Sie brauche neue Kräfte. Das Verheizen von Menschenleben derart zynisch zu versachlichen, ist denn doch irgendwie neu.

Zu all dem natürlich keinerlei Widerspruch von ZiB2-Moderator Martin Thür.. Wo soll das noch enden ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Fernsehen: Mehr Untertitel

Hans Högl

In der Ausgabe 2/2024 regt die österreichische Zeitschrift „sprachohr“ an, dass der Anteil an Untertiteln im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen gesteigert wird.

Aber dieser Vorteil käme allen zu Gute, denn wird etwas rasch gesprochen, vemag es nicht hinreichend aufgenommen werden. Der schriftliche Text dazu erleichtert das Verständnis.

Mitunter auch die Krone seriös

Man sollte nur zwischen gutem und schlechtem Journalismus unterscheiden und nicht immer manche Zeitungen einfach als Boulevard abstempeln, weil es so üblich ist.

Wolfgang Koppler

Schlechter Journalismus findet sich gelegentlich auch in so genannten Qualitätszeitungen und guter Journalismus auch in Blättern wie der Kronenzeitung. Die etwa mit Nikolaus Frings einen der wahrscheinlich besten Jungjournalisten aufzuweisen hat (man denke an seinen Beitrag zur Aufdeckung der Riedl-Affäre).

Die Krone bringt aber auch das eine oder andere, was etwa die ZiB2 des ORF verschweigt. So den jüngsten Appell Putins zur Aufnahme von Verhandlungen beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, eine Art erweitertes Forum der BRICS-Staaten. Während die ZiB2 in einem Beitrag dieses Treffen nur mehr oder weniger als kasachisches Meeting von Autokraten abtat, die den Westen ablehnten (die Moderatorin leitete den Beitrag wenigstens objektiv mit dem Hinweis ein, dass die betroffenen Staaten 40 % der Weltbevölkerung ausmachen), titelte die Krone wesentlich informativer und neutraler: „Ukraine: Putin bekundet Verhandlungsbereitschaft“. Im Text selbst findet sich dann natürlich das Auseinanderklaffen der ukrainischen und der russischen Positionen, vor allem im Hinblick auf die besetzten Gebiete. Aber ohne das übliche Lamento, dass deswegen Verhandlungen aussichtslos seien.

Das klingt jedenfalls wesentlich besser als das Aufwärmen üblicher Feindbilder: Hier der gute Westen, dort die bösen Diktatoren und der reaktionäre globale Süden. Zugegebenermaßen war im ORF-Beitrag auch von der von Putin geforderten multipolaren Weltordnung die Rede, aber das ging unter angesichts der breit ausgewalzten Kooperation zwischen China und Russland und dem Unterlaufen von Sanktionen.

Die Wörter Friede und Verhandlungen scheinen auch im ORF zu einem Unwort geworden zu sein. Zumindest Bundeskanzler Karl Nehammer blieb bei seinem Interview in der ZiB2 bei seinem Standpunkt: „Europa muss raus aus der westlichen Echokammer“. Der Krieg und das Sterben müssen ein Ende haben.

Werbeverbot für klimaschädliche Produkte?

Die Internet-Plattform „Perspective daily“ hat sich in einem ausführlichen Artikel mit dem Reizthema „Klimaschutz und Werbung“ befasst. Im Folgenden Inhalt und analytischer Kommentar dieses Beitrags von

Hans Högl

Die deutsche Regierung verbietet seit einem halben Jahr Werbung. die dem Klima schadet. Es gilt: Wenn eine Firma dagegen verstößt, kann dies dem neu eingerichteten Onlineportal gemeldet werden. Wo und wann wurde davon je in Österreich berichtet?

Mir stößt schon lange ein Widerspruch auf, die Schizophrenie in Medienunternehmen – auch in Print-Qualitätsmedien. In öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und im privaten Fernsehen – da warnen sie fast täglich vor Klimakrise, und gleichzeitig wird für Klimaschädliches geworben. Auch für SUV-Autos, die sehr viel CO 2 verpuffen.

Dieses und Folgendes müssten schon längst leitende, fest angestellte (Chef) Redakteure bemerkt haben, und es kann von ihnen erwartet werden, dass sie mit der unternehmenseigenen Werbeabteilung Vereinbarungen treffen. Von freien jungen Mitarbeitern mit Minihonoraren wird ein solcher Protest nicht zu erwarten sein.

Danke an den Blog „Perspective daily“ aus Münster, der dieses Thema, heute am 30. Mai, aufgreift, was ich hier kommentierend darstelle: 1/3 der Produkte in TV-Werbung schaden dem Klima. Johanna fährt an einer Kreuzung vorbei, auf der Unternehmer:innen ….protestieren – mit Schildern und Sprüchen wie »Ohne Werbung stirbt die Wirtschaft«. Ein paar Journalist:innen scheinen dabei zu sein…weil sie… von dem Verbot betroffen sind. Magazine/ Zeitungen gingen pleite wegen weggefallenen Werbeeinnahmen..

Johanna ist das Verbot positiv aufgefallen: Im Fernsehen, vor YouTube-Videos gibt es keine nervigen Werbeunterbrechungen mehr, die ihr zubrüllen, was sie noch alles benötigt, kein direkt an sie adressierter Müll mehr, weder im analogen noch im digitalen Briefkasten. Ich ärgere mich auch über zahllose Spendenzuschriften im Briefkasten. Mein Briefträger sagt mir, dagegen ist fast nichts zu unternehmen. Ich selbst und wir alle können nicht jeder Spendenaufforderung entsprechen.

Jede dritte TV-Werbung preist klimaschädliche Produkte an.

Eine Welt ohne Werbung ist schwer vorstellbar. Soll Werbung für Tabak, Alkohol, Sportwetten, Junkfood und an Kinder gerichtete Werbung für Süßigkeiten – nicht verboten sein? Es sind gesundheitsschädliche Produkte….Werbung für klimaschädliche Produkte ist kein Randphänomen: Knapp 10.000 Werbespots, die vor Videos der 20 größten deutschen YouTube-Kanäle sowie auf den fünf reichweitenstärksten Fernsehsendern liefen, stellten Forscher fest: Fast 1/3 davon bewarben klimaschädliche Waren und Dienstleistungen.

Die Wirkung von Werbung: Ob und wie Menschen konsumieren, hängt neben Werbung von anderen Faktoren ab, dem Charakter oder der wirtschaftlichen Lage. Wenn bei Autos klimaschädliche Modelle beworben werden, könnte das durchaus Einfluss haben. Werbung allein verleitet uns nicht dazu, ein Produkt sofort zu kaufen. Sie beeinflusst langsam. So weckt Werbung positive Emotionen und versucht, ein Verlangen nach dem Produkt selbst (wie schöne Kleidung) auszulösen oder erfüllt Funkionen (Anerkennung durch schöne Kleidung, mehr Mobilität durch ein E-Bike, Abenteuerurlaub dank Flug). Bei Hygiene- und Kosmetikprodukten kommen negative Emotionen ins Spiel, die Makel vor Augen führen sollen, die sich durch das beworbene Produkt beheben lassen.

In der Werbewirkungsforschung gibt es dazu zwei populäre Modelle. Der Mere-Exposure-Effekt beschreibt, dass Menschen ein Produkt positiver bewerten, wenn sie es häufiger sehen. Die Bekanntheit macht es Konsumenten attraktiver, egal ob sie das Produkt bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Das Involvement-Konzept geht davon aus, dass es für Produkte verschiedener Werbestrategien bedarf. Bei Alltagsgütern wie Backpulver/ Zahnpasta ist das Involvement niedrig, bei Urlaubsreisen oder Elektronik oftmals hoch.

Wirken Werbeverbote?

Firmen müssen sich mit Werbung an Spielregeln halten. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb nennt unerlaubte Werbeformen. Dazu gehört, mit Versprechen zu werben, die man nicht einhalten kann.
Werbung für Alkohol ist eingeschränkt, aber möglich. Ein Werbeverbot betrifft Tabak. In Deutschland wurden Werbespots im Radio und Fernsehen für Tabakwaren bereits 1975 verboten. Seit 2021 verschwindet auch die Plakatwerbung für Tabakprodukte.

Weil Tabakwerbung reguliert ist, können Aussagen getroffen werden, ob Werbeverbote etwas bewirken. Die Cochrane-Review »Wirkung von Tabakwerbung auf das Rauchverhalten junger Menschen« verglich 19 Studien zwischen 1983 und 2008. In 18 davon erwies sich die Wahrscheinlichkeit später zu rauchen bei jenen Teilnehmenden erhöht, die mehr Werbung ausgesetzt waren.

Das Werbeverbot für Tabak hat flankieren Maßnahmen wie höhere Zigarettensteuern, Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden sowie Verkehrsmitteln und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Was stark wirkt, lässt sich nicht eindeutig messen. Auch ein potenzielles Werbeverbot für klimaschädliche Produkte wäre kein Allheilmittel.

Werbung für klimaschädliche Produkte treibt CO2-Emissionen in die Höhe. Greenpeace ließ errechnen, welchen Anteil Werbung im Jahr 2021 an den Emissionen der Schweiz ausmachte. Es heißt: »So kann man im Szenario ›von hoher Werbewirksamkeit‹ von bis 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ausgehen. Das entspricht 7% der Gesamtemissionen der Schweiz.« Ein anderer Bericht zeigt, dass die Werbeindustrie in Großbritannien im Jahr 2022 für 208 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten verantwortlich war.

Was für Werbeverbote spricht

Zurück zu den »Klimakillern« in deutschen Werbespots. So sind 86% der Spots aus der Kategorie Schokolade, Eis und Gummibärchen klimaschädlichen Produkten zugeordnet, 78% der Autos und Autodienstleister sowie 72% aus der Kategorie Körperpflege, Hygiene und Beauty. Teilweise wären »mit einem einzigen der angepriesen Autos, mit einem einzigen der beworbenen Flüge oder Urlaubsziele, mit einer einzigen Kreuzfahrt« das Pro-Kopf-CO2-Budget bereits aufgebraucht, in vielen Fällen weit überschritten, fassen die Forschenden die Ergebnisse zusammen.

Dass überhaupt klimaschädliche Produkte beworben werden, ist das Problem. Denn damit verstoßen die Sender – öffentlich-rechtliche ebenso wie private – gegen ihre eigenen Regeln. Im deutschen Medienstaatsvertrag heißt es nämlich: Werbung darf nicht […] Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden.§8 Deutscher Medienstaatsvertrag. Die Studienautor:innen mahnen, es sei geboten, die Werbung auch hinsichtlich ihrer Klimawirkung zu regulieren. Ein denkbarer Weg – aber nicht der einzige – sind Verbote.

Nachbarländer Deutschlands zeigen den Weg. So wurden 2021 Werbungen für SUVs, fossile Brennstoffe und Billigflüge in Amsterdam aus dem öffentlichen Raum verbannt. In Frankreich gilt seit 2022 national sogar ein Werbeverbot für fossile Brennstoffe; Autowerbung muss zumindest auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verweisen.

Dies Beispiele beziehen sich nicht explizit auf Fernsehwerbung. Die Stärke des niederländischen und französischen Ansatzes liegt darin, dass es kein allgemeines Werbeverbot »klimaschädlicher Produkte« gibt. So beziehen sich die Verbote auf einzelne Produktgruppen, die zweifelsfrei klimaschädlich sind.

Welche Alternativen gibt es?

Werbeverbote stoßen bei Lobbyverbänden auf Widerstand und sind nur schwer umsetzbar. Sie sind aber nicht die einzige Möglichkeit. Die Studienautor:innen der Uni Leipzig machen eine Reihe alternativer Vorschläge, wie Werbung noch reguliert werden könnte: Verpflichtende Warnhinweise für klimaschädliche Produkte: Ein solcher Hinweis könnte ähnlich wie der Pflichttext nach Werbeclips für Medikamente eingefügt werden. Der Preis für die Platzierung im Programm könnte analog zum CO2-Fußabdruck des beworbenen Produkts steigen. Je mehr Emissionen ein Produkt verursacht, desto teurer wäre es demnach, dafür einen Werbespot zu schalten.

Die Forschenden fanden, dass Werbespots oft die negativen Effekte der Produkte auf das Klima unsichtbar machten: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein Hybrid-SUV wird mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben, der Konsum von Kaffeekapseln soll eine gescheiterte Klimapolitik ersetzen. Die Werbebotschaften sind zuweilen als absurd bzw. sogar als irreführendes Greenwashing zu bezeichnen.

Greenwashing ist ein Problem. Laut EU-Kommission enthalten 53% aller umweltbezogenen Produktangaben von Unternehmen vage oder irreführende Informationen. 40% der Aussagen werden nicht belegt. Damit soll bis 2026 in allen Mitgliedstaaten der EU Schluss sein. Von Verpackungen über Plakatwerbung bis hin zu Werbespots – Greenwashing ist dann unabhängig von Produkt und Medium,hoffentlich Geschichte.

Anfang des Jahres verabschiedete die EU eine Richtlinie »zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel«. Jedes Produktversprechen muss demnach wissenschaftlich belegt und nachweisbar sein. Auch wenn die Wirtschaft nicht ohne Werbung auskommt, sollten Verbraucher:innen ihre Entscheidung mündig anhand von Fakten und nicht von grün gefärbten Lügen treffen können.

Diese heuchlerische Als-Ob-Ethik von Medien soll endlich aufgezeigt werden. Ich mache es hier mit diesem Blog und werde den Inhalt auch an die Kundenabteilung des ORF und an den Publikumsrat weiterleiten.

Verlorenes Urvertrauen

Regelmäßig zu den Feiertagen zeigt uns der ORF, dass Unterhaltung nicht nur aus Krimis bestehen muss. Und strahlt den einen oder anderen guten Film aus.

Wolfgang Koppler *

Zu den ausgestrahlten Filmen zählt auch die Verfilmung von Hermann Hesses „Narziss und Goldmund“ durch Stefan Ruzowicki.

Die meisten von uns haben das Buch irgendwann einmal als Jugendliche gelesen. Und wieder vergessen. Dabei behandelt das Buch und natürlich erst recht Ruzowickis Film das zentrale Thema der europäischen Kultur: Unser verloren gegangenes Urvertrauen. Symbolisiert durch Goldmunds und letztlich auch Narziss‘ Suche nach der Mutter. Der Intellektuelle Narziss findet sie nicht und selbst der Künstler Goldmund vermag sie in unserer lieblos-materialistischen Gesellschaft nicht zu entdecken. Wenngleich er mit seinen Kunstwerken, in die er sein Herzblut steckt, seinen Mitmenschen wenigstens eine Ahnung davon zu geben vermag. Doch selbst sein größtes Kunstwerk, ein allzu sinnlicher Altar, wird von einem wahnsinnigen Mönch zerstört.

Materialismus und Rationalismus auf der einen, und weltfremde, leibfeindliche Ideale auf der anderen haben uns Europäer bis heute fest im Griff. Wir werden immer noch zerrieben zwischen Plato und Aristoteles, außerhalb und innerhalb der Kirche.

Mehr als ein Wort des Mitgefühls, wie in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ oder Goldmunds vergebliche Suche nach der Mutter ist für uns bis heute nicht drin. Urvertrauen und Liebe sind vor allem unserer intellektuellen Elite etwas höchst Befremdliches. Obwohl wir sie alle irgendwann einmal erfahren haben. Aber es hat keine Bedeutung in unserer Werteskala. Dafür hat unser kopflastiges Schul- und Erziehungssystem schon gesorgt.

Daher sollte man sich solche Filme unbedingt ansehen. Und einmal darüber nachdenken oder nachspüren, was uns Europäern seit der Antike meistens fehlt.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Offener Brief an die Ö1-Information

Der ORF wäre verpflichtet, auch in der außenpolitischen Berichterstattung auf Ausgewogenheit und Differenzierung Bedacht zu nehmen. Wenn es ums Thema Ukrainekrieg geht, gelingen diese Vorgaben nur selten. Eines der Beispiele dafür ist ein Beitrag mit besonderer Schlagseite von Markus Müller jüngst im Ö1-Mittagsjournal, Gegenstand des folgenden offenen Briefes an die Ö1-Information:

An die Redaktion des Radiosenders Ö1

von Sylvia Stuckenberg *

ORF-Redakteur Markus Müller-Schinwald beschuldigt den Neutralitätsforscher Pascal Lottaz im Mittagsjournal von Ö1 vom 19.4.2024 Kreml-Propaganda zu betreiben. Als Grund werden dessen Äußerungen zu den Friedensverhandlungen im März 2022 in Istanbul herangezogen. Lottaz sagt, dass die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland vom Westen torpediert worden seien.
Und das sei der Beweis, dass er im Dienste Moskaus stünde, so der Journalist.

Schauen wir uns das einmal genauer an. Als Vermittler bei den Friedensverhandlungen in Istanbul traten Erdogan (türkischer Staatspräsident), Bennett (damaliger israelischer Premierminister) und Gerhard Schröder (ehemaliger deutscher Bundeskanzler) auf. Alle drei waren sich am Ende der Verhandlungen einig, dass die russischen und die ukrainischen Unterhändler einer umfassenden Friedenslösung sehr Nahe gekommen waren.

Die Ukraine würde einem Neutralitätsstatus zustimmen und auf eine Aufnahme in die Nato verzichten und im Gegenzug dafür Sicherheitsgarantien von einem wesentlichen Teil der westlichen Staaten ( sogenannte Garantiestaaten) erhalten. Und Russland erklärte sich bereit die Integrität der Ukraine mit Ausnahme der Krim zu gewährleisten. Ein Waffenstillstand sei damals, so Bennett, in greifbarer Nähe gewesen, beide Seiten waren zu erheblichen Zugeständnissen bereit, Großbritannien und die USA hätten den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt.
Bennett weiter: …die Ukrainer haben den Frieden nicht vereinbart, weil sie es nicht durften. Die mussten bei allem, was sie berieten, erst bei den Amerikanern nachfragen. Auch Mevlüt Cavusoglu , damaliger türkischer Außenminister, äußerte sich in ähnlicher Weise. In einem Interview mit der CNN Türk am 20.4.2022 sagte er:“ Einige Nato Staaten wollten, dass der Ukraine Krieg weitergeht, um Russland zu schwächen.“

Im Rahmen der Verhandlungen wurde von der ukrainischen Delegation am 29. März 2022 ein Positionspapier vorgelegt, das zum Istanbuler Kommunique wurde. Die ukrainischen Vorschläge wurden von der russischen Seite in einem Vertragsentwurf umgesetzt. Michael von der Schulenburg, der ehemalige UN Assistant Secretary-General (ASG) in UN Friedensmissionen schreibt, dass “die Nato bereits am 24.März 2022 auf einem Sondergipfel beschlossen hätte, diese Friedensverhandlungen (zwischen der Ukraine und Russland) nicht zu unterstützen“. Nach von der Schulenburg hatte es sich bei den russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen um eine historisch einmalige Besonderheit gehandelt, die nur dadurch möglich war, weil sich Russen und Ukrainer gut kennen und die „gleiche Sprache sprechen“

Die Washington Post berichtet am 5.4., dass in der Nato die Fortsetzung des Krieges gegenüber einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung bevorzugt wird:“ Für einige in der Nato ist es besser, wenn die Ukraine weiterkämpfen und sterben als einen Frieden zu erreichen, der zu früh kommt oder zu einem zu hohen Preis für Kiew und das übrige Europa“ Selenskyj solle“ so lange weiterkämpfen, bis Russland vollständig besiegt ist“.

Am 9.4. traf Boris Johnson unerwartet in Kiew ein und wies laut dem britischen Guardian vom 28.4. den ukrainischen Präsidenten Selenskyj an „keine Zugeständnisse an Putin zu machen“ Er brachte die Botschaft mit nach Kiew, dass selbst, wenn Selenskyj bereit wäre gegen Sicherheitsgarantien eine Verhandlungslösung mit Russland zu finden, es der Westen nicht ist!

Auch die NZZ meldet am 12.4., dass die britische Regierung unter Johnson auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt. Der Guardian Kolumnist Simon Jenkins warnte, dass „Liz Trust riskiert, den Krieg in der Ukraine für ihre eigenen Ambitionen anzufachen“

Die US Zeitschrift Responsible Statecraft zitiert die Zeitschrift „Foreign Affairs“: diese schreibt am 2.9.22:“ Laut mehreren ehemaligen hochrangigen US-Beamten, mit denen wir gesprochen haben, schienen sich russische und ukrainische Unterhändler im März 2022 auf die Umrisse einer vorläufigen Zwischenlösung geeinigt zu haben……..aber der Westen ist nicht zu einem Ende des Krieges bereit.“

Eine tragfähige Lösung von beiden Seiten, Ukraine und Russland, ein ausverhandelter Vertragsentwurf war finalisiert und im letzten Augenblick von den USA und Großbritannien torpediert worden. Alle anwesenden Diplomaten berichten über diesen Verlauf.

Wie kommt nun Herr Müller-Schinwald dazu, diese Darstellung als russische Propaganda zu bezeichnen? Hat er nur nicht sorgfältig recherchiert oder steht eine Absicht dahinter?

Sehr erstaunlich ist die Tatsache, dass Herr Müller-Schinwald als einzige Referenz für seine Behauptung ein Mitglied einer Nato-Denkfabrik zitiert. Herr Kalensky vom Zentrum für hybride Bedrohung diskreditiert Herrn Pascal Lottaz. Diese Zentren werden auch als Exzellenzzentren bezeichnet. Sie wurden 2003 von der Nato als zivile Einrichten für Schulungen u.a. gegründet. Bis heute gibt es 26 solcher Zentren, die auch eine Einbindung von nicht Nato-Staaten vorsehen. Es ist die einzige Nato/EU Institution. Das Konstrukt ist sehr undurchsichtig, wäre es aber Wert, genau beleuchtet zu werden.

Ich denke seriöser Journalismus sieht anders aus. In kürzester Zeit hätte Herr Müller-Schinwald unendlich viele Quellen aus der ganzen Welt zusammentragen können und damit die Aussage von Pascal Lottaz bestätigen können. Aber es muss wohl die Frage gestellt werden, warum gerade jetzt ein seriöser Neutralitätsforscher als russischer Spion „enttarnt“ wird, oder bestenfalls wie Herr Müller Schinwald meint als „nützlicher Idiot“ einzustufen sei.

Als öffentlich rechtlicher Rundfunk sind Sie verpflichtet mit Sorgfalt und ausgewogen zu berichten. Im übrigen gebietet dies auch die journalistische Ethik.

Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung. Wenn ich als Ärztin mit einer Problemstellung überfordert bin, wird der Patient an einen Fachkollegen zugewiesen. Da fange ich nicht an herumzupfuschen. Das gilt auch für den Journalismus. Auch dort werden mit solch unprofessionellen Berichten Existenzen aufs Spiel gesetzt.

* Dr. Sylvia Stuckenberg ist Journalistin und Medizinerin und lebt in Lochau in Vorarlberg. Zitate in ihrem offenen Brief stammen aus der Berliner Zeitung, vornehmlich aus der Analyse „Wie die Chance für eine Friedensregelung vertan wurde“ (erschienen 19.11.2023).

Friedenswille sieht anders aus

In der ZiB 2 des ORF war vergangenen Mittwoch – wie schon so oft – erneut Bundesheer-Oberst Reisner zu Gast. Stellvertretend für die kleine Schar der immer selben Interviewpartner mit den einander immer wieder gleichenden Positionen zum Ukrainekrieg.

Wolfgang Koppler *

Nicht ganz überraschend hat auch der US-Senat nach langem Hin und Her das neue Unterstützungspaket für die Ukraine genehmigt. In der ZiB2 wurde in diesem Zusammenhang in einem Beitrag auch darauf verwiesen, dass Russland seine Waffenproduktion längst angekurbelt hätte und 29 % seines Budgets dafür ausgebe. Friedenswille sehe anders aus. Nur in Russland oder doch auch bei uns im Westen ?

Dann ein Interview Wolfs mit Oberst Reisner vom Bundesheer, welcher natürlich die neue Unterstützung für die in Bedrängnis geratene Ukraine begrüßte. Dann wurde von Wolf auf sein Interview von letzter Woche mit dem ehemaligen NATO-Generalsekretär „Stoltenberg“ verwiesen, der eine ähnliche Unterstützung des Westens bei der Luftabwehr der Ukraine gefordert hatte wie im Falle des iranischen Luftangriffs auf Israel. Die Verwechslung mit Stoltenberg lässt tief blicken: Der Name Rasmussen ist für viele doch noch mit seinem seltsamen Gebaren im Irakkrieg verbunden. Dass Wolf sich für die Verwechslung nicht entschuldigte, lässt zudem die Vermutung aufkommen, dass der Fauxpas vielleicht nicht ganz unbeabsichtigt war.

Wirklich interessant wurde das Gespräch am Ende. Da fragte Wolf doch tatsächlich nach einem „Ausstiegsszenario“, zumal weder eine Eroberung der Ukraine durch Russland noch ein totaler Sieg der Ukraine zu erwarten sei. Reisner sah drei Möglichkeiten, wobei er einen Waffenstillstand a la Nordkorea bzw. „Diktatfrieden“ offenbar für am wahrscheinlichsten hielt (wenngleich er das nicht offen aussprach) – mit einer Waffenstillstandslinie, die in etwa der heutigen Frontlinie entsprechen würde. Ein Ergebnis, das Ex-Bundespräsident Heinz Fischer in einer ORF-Diskussion schon vor mehr als zwei Jahren für realistisch hielt.

Und dafür opfert man Hunderte Milliarden Dollar und einige hunderttausend Menschen, lässt Millionen hungern und den Globalen Süden links liegen? Pardon, gegen letzteren müssen mir ja auch noch aufrüsten, wie uns Reisner schon vor längerer Zeit im ORF erklärte. Statt endlich Verhandlungen mit Russland und parallel dazu Gespräche mit den BRICS-Staaten ins Auge zu fassen. Auf Augenhöhe und ohne Vorbedingungen.

Der Bankrott der westlichen Außenpolitik ist offensichtlich. Aber ohne permanente Feindbilder lässt sich unsere Gesellschaft anscheinend nicht mehr zusammenhalten. Ähnlich wie die russische. Oder sollte man nicht doch (mit etwas Selbstbescheidung) über gemeinsame Werte nachdenken? Statt überall nur Feinde zu sehen. Käme vielleicht billiger, ließe uns alle etwas leichter überleben und die echten Probleme angehen.

Und die Russen, der Iran, China, die Islamisten, die Rechten, die Kommunisten, die Fundamentalisten usw. würden uns dann vielleicht gar nicht mehr so gefährlich vorkommen. Weil auch auf der jeweils „anderen“ Seite“ nicht nur Verrückte und Teufel sitzen. Sondern des Öfteren nur übertrieben emotionalisierte und sich selbst belügende Menschen. Wie wir selbst.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Beliebtes Anti-ORF-Bashing

Hinhauen auf den ORF hat Tradition. Trotz aller auch berechtigten Kritik ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber allein schon aus demokratiepolitischen Gründen unverzichtbar.

Udo Bachmair *

Anti-ORF-Bashing war schon früher beliebt, jetzt feiert es angesichts neuer Entwicklungen -Beispiele Gagen sowie Haushaltsabgabe – fröhliche Urständ‘. Für konstruktive Kritik am ORF hingegen liegen durchaus Gründe vor. Nicht jedoch für dessen Zerschlagung, die sich manche vor allem aus dem FPÖ-Dunstkreis wünschen.

Freilich ist die Optik der veröffentlichten Spitzeneinkommen einer Minderheit im ORF denkbar schlecht. Viele fühlen sich zu Recht provoziert, wenngleich sich die hohen ORF-Gagen verglichen mit Managergehältern in der Privatwirtschaft im Rahmen des Üblichen in einer freien Marktwirtschaft bewegen, auch wenn einem darob übel werden könnte.

Extreme Einkommensunterschiede sind auch innerhalb des ORF selbst gewaltig und sorgen für Unmut. So besteht etwa zwischen teils kärglich verdienenden freien MitarbeiterInnen und Höchstverdienenden, deren Einkommen oft nicht ihrer Leistung entsprechen, ein eklatantes Missverhältnis.

Neben der Empörung über die Spitzengagen steht der ORF auch in Bezug auf die (schlecht kommunizierte) Haushaltsabgabe weiter im Visier der Kritik. Der auch medial aufgeheizte Unmut richtet sich dabei paradoxerweise gegen eine Abgabe, die im Vergleich zur früheren GIS-Gebühr niedriger ausgefallen ist.

Darüber hinaus findet sich der ORF seit jeher- nicht ganz zu Unrecht- wegen des Vorwurfs parteipolitisch motivierter Postenbesetzungen immer wieder in den Schlagzeilen. Besonders nervend nicht zuletzt für unabhängige ORF-JournalistInnen waren und sind traditionelle Einflussversuche von außen. Besonders hervorgetan hat sich bereits vor 20 Jahren der damalige FPÖ Politiker Peter Westenthaler. Er sitzt seit kurzem abermals im höchsten ORF-Gremium. Von ihm wird ORF-intern neuerliche Interventionitis befürchtet. Aber auch dieses Mal werden sich ORF-RedakteurInnen bei ihrer insgesamt guten Arbeit nicht stören lassen.

Westenthaler gefällt sich dennoch weiter darin, ungebremst in Servus-TV-Talkshows-sowie als Dauergast bei Oe24 Attacken gegen den ORF und dessen MitarbeiterInnen zu reiten. Das Anti-ORF-Bashing von außen wird damit gleichsam durch eines von innen ergänzt. So ist der ORF für Westenthaler generalisierend eine „Propagandamaschinerie“. Dem ZiB2-Anchor Armin Wolf unterstellt er „politische Agitation“. Vorwürfe, die nach meiner persönlichen Erfahrung als einer von Wolfs Ex-ORF-Kollegen haltlos sind.

Als ORF-Redakteur und Ö1-Journal-Moderator hatte ich selbst einschlägige Erfahrung mit Anrufen Westenthalers bis hinein ins Studio in der Zeit der ersten ÖVP/FPÖ-Regierung. Es ist fraglich, ob jemand als Aufsichtsratsmitglied eines Unternehmens, das er in aller Öffentlichkeit angreift, tatsächlich geeignet ist. Als einem Stiftungsratsmitglied des ORF stünde es jedenfalls gut an, dessen Interessen zu vertreten und nicht die einer politischen Partei.

Kritik am ORF ist legitim, gerade auch, wenn er manchmal Objektivitätsgebote im Zusammenhang mit Reizthemen wie Neutralität/NATO, Ukraine- oder Gazakrieg verletzt. Verallgemeinerndes Hinhauen auf den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, dem eine demokratiepolitisch wichtige Rolle zukommt, entbehrt aber jeder Grundlage und Sachlichkeit.

* Dieser Beitrag von Udo Bachmair, Ex-ORF-Redakteur und verantwortlich für die Vereinigung für Medienkultur, ist auch als Gastkommentar im KURIER (Ausgabe 20.4.2024) erschienen.

Ruf nach transformativem Journalismus

Die Politik ist gefordert, um die Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten.

Ilse Kleinschuster *

Am Tag der Pressefreiheit, am 3. Mai 2023, hat der FURCHE-Redakteur Otto Friedrich in seinem Artikel bedauert, dass es weder Plan noch Vision für den ORF gäbe. Das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt habe, sei mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land, sondern es sei der Verfassungsgerichtshof gewesen, der eine Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt verlangte. Und vor kurzem lese ich da, wieder in der Furche, dass die Debatte über ORF-Spitzengehälter von den dringlichsten medienpolitischen Aufgaben ablenke. Ja sicher, diesbezüglich seien wohl vor allem Interessen vonseiten der Politik ein grundlegender Faktor für die Problematik einer Reform hin zu politisch unabhängigen Medien – speziell das Interesse der Regierung am öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Bald jährt sich wieder der Welttag der Pressefreiheit!

Unabhängige und freie demokratische Länder sollen die Öffentlichkeit unabhängig und zutreffend über aktuelle Entwicklungen informieren, Missstände aufzeigen und durch Kritik und vielfältige Diskussion zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Um diese erfüllen zu können, muss die Medienlandschaft eines Landes frei, vielfältig und unabhängig von wirtschaftlicher oder politischer Beeinflussung sein.

Tja, klar, die digitale Transformation wie sie die Medien aller Art zurzeit erleben und erleiden, würden eine politische wie gesellschaftliche Diskussion der Sonderklasse verlangen. Denn Medienbetreiber müssen existieren und JournalistInnen von etwas leben können. Weil jedoch klassische Erlösmodelle weggebrochen sind – die Werbung von den internationalen Technologiegiganten abgesaugt wird – bleiben Alternativen im demokratischen Graubereich.

Es soll z.B. das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt hat, mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land gewesen sein, sondern es wurde erzwungen aufgrund der Forderung des Verfassungsgerichtshofs nach einer Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt. Erst, weil etwas zu reparieren war, handelte die Regierung.

Tja, freie Meinungsäußerung ist wohl zentral für eine funktionierende kritische Öffentlichkeit.
Sie ist auch notwendig, wenn es darum geht, die UN-Menschenrechte zu verteidigen oder sich für eine gerechte und vernünftige Gesetzgebung in einer gewaltenteilenden, rechtsstaatlichen Demokratie einzusetzen. Erst wenn wir das erreicht haben, werden wir von einem Fortschritt der Menschheit reden können.

Es gibt seit vielen Jahren die Forderung der UNO nach nachhaltiger Entwicklung und es gibt auch einen globalen Plan, wie klimafreundliches Handeln (die ‚Große Transformation‘) zur Regel werden könnte (https://unric.org/de/17ziele/), aber nur sehr zögerlich finden sich die Mainstream-Medien bereit, darüber konstruktiv zu berichten.

Schon seit vielen Jahren wird von kompetenten Leuten „Transformativer Journalismus“ eingefordert. Als engagierte Umwelt- und Klimaaktivistin treibt mich das Thema um, weil ich glaube, dass klimafreundliches Handeln erst zur Regel werden kann, wenn Medienförderung an die Einhaltung ethischer Grundsätze gebunden wird.

Appell für Nachwuchsausbildung im Bereich transformativer Journalismus!

Es ist jetzt schon wieder 5 Jahre her, dass ich in der „Wiener Zeitung“ gelesen habe, dass sie zusammen mit dem Kuratorium für Journalistenausbildung Praktikantinnen und Praktikanten in journalistischen Grundlagen geschult hat. In ihrem Ausbildungsprogramm werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Profis in den Grundelementen des journalistischen Handwerkzeugs unterrichtet. Dazu vergab die Wiener Zeitung Praktikumstellen in ihren Ressorts (www.kfj.at/kooperationen-events/journalismuslernen). So weit, so gut! Aber, wie wird das heute gehandhabt? Ich fürchte, es gibt da wieder eine Bezahlschranke. Traurig, wo es doch vor allem junge, oft noch mittellose Menschen betrifft, die sich vielfach bereits als die „letzte Generation“ gerieren. Sie schreiben auch gegen die Verhältnisse an, aber zumeist in einschlägigen Medien. Ich frage daher, sollte nicht gerade diese Generation journalistisch ausgebildet und für die drängenden Fragen der Zukunft fit gemacht werden?

Mein Vorschlag: Strukturen schaffen, in denen eine Kooperation mit diversen Initiativen im NGO-Bereich, die es bereits aus ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement heraus zu einem gewissen Expertentum gebracht haben, niedrigschwellig möglich sind. Freiwillige aus den Reihen der initiativen Zivilgesellschaft könnten dort ihre Erfahrung und ihr Wissen weitergeben, was, hopefully, in einer Art Bürger-Journalismus münden würde. Nach und nach könnten Bürgerinnen und Bürger zu „Meistern“ werden, die in „Werkstätten“ (seinerzeit nannte ich die Wiener Zeitung als eine mögliche) eine Art Praktikantenausbildung zur Verfügung stellen. Ich dachte, das wäre ein nicht zu unterschätzender Ansatz, um endlich Bürgerbeteiligung aus der Wissenschaft in die Medienwelt zu übertragen: Theorie- und Praxisgruppen zusammenzuführen, Medienentwickler, Netzwerker und Campaigner auf der Theorie-Seite und Neu-Journalisten in der Praxis. Sozusagen, eine Werkstatt für Transformation, die sich um transformativen Journalismus kümmert. Dazu braucht es nur noch einen Kümmerer, sozusagen einen Redakteur, bzw. ein Redaktionsteam!

Darüber hinaus ginge es darum, gemeinsam mit Nachhaltigkeits-Expert*innen und relevanten Vertretern aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft dieses Know-how aus der Vielfalt von Pilotprojekten für ein internationales Roll-out verfügbar zu machen. Denn: Spätestens mit der Umsetzung der NFI-Richtlinie in Österreich hat sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht nur als Pflicht großer Unternehmen etabliert, sondern findet auch als Kür kleinerer und mittlerer Unternehmen immer weitere Verbreitung. Wenn nun aber dabei bereits auch internationale Regelwerke wie das der Global Reporting Initiative (GRI) angewendet werden, so bleibt der Beitrag zu echter Nachhaltigkeit immer noch verschwindend gering. Unternehmen/Organisationen, die sich strengen Nachhaltigkeitskriterien verpflichtet fühlen, fällt es immer schwerer, sich von der Masse der „berichtenden“ Unternehmen abzuheben. Zählen und erzählen im Sinne der demokratischen Transformation wären dafür die richtigen Kommunikationsinstrumente.

Diese Ideen stammen aus dem Konzept der Cooppa-Genossenschaft https://cooppa.at/ die nach fünf jährigem Bestehen wahrscheinlich, mangels Finanzierbarkeit, bald zu Grabe getragen werden muss.

* Gastautorin Ilse Kleinschuster engagiert sich in mehreren Bereichen der Zivilgesellschaft

Lob für Universum History

„Universum History“ ist eine lobenswerte Programmserie des ORF. Sie erfüllt vorbildlich den öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag des Unternehmens. Das belegt auch die jüngste Ausgabe der Sendereihe.

Wolfgang Koppler *

Es war jüngst ein besonders interessantes ORF-Universum History über die Geschichte der Kindheit, beginnend mit den alten Ägyptern, der Zeit der Griechen und Römer (mit Abstechern zu den Kelten) über das Mittelalter und die frühe Neuzeit bis zur Aufklärung und natürlich endend mit der Gegenwart und ihren immer neuen Erziehungskonzepten.

Interessant waren für mich in diesem Zusammenhang vor allem die von uns Europäern ja immer als Ursprung aller Weisheit betrachteten Griechen. Dass diese behinderte und ungewollte Kinder aussetzten, war mir schon bekannt. Dass sie sie manchmal in einen Abgrund warfen, überraschte mich ebenfalls nicht. Aber dass der als Ursprung unseres wissenschaftlich-rationalen Denkens angesehene Aristoteles die Aussetzung und Tötung verkrüppelter oder sonst wie unbrauchbarer Kinder explizit befürwortete, war auch für mich neu. Und sollte zu denken geben. Auch die Römer orientierten sich hier am griechischen Vorbild und überließen dem pater familias die Entscheidung über die Annahme eines Kindes (das bei den Römern wenigstens gelegentlich nur vor den Stufen eines Tempels abgelegt und nicht immer umgebracht wurde). In der gegenständlichen Doku wurden dann natürlich sofort wieder die Leistungen der alten Griechen, etwa in Sachen Demokratie und Philosophie hervorgehoben.

Das ändert aber nichts daran, dass der von uns Europäern immer so hochgelobte antike „Humanismus“ nichts mit Menschenwürde zu tun hat. Wie auch die antike Sklaverei (Versachlichung des Menschen), Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen und andere Grausamkeiten zeigen. Und die Tatsache, dass die Kindstötung erst unter Konstantin und dem Einfluss des Christentums verboten wurde, wie in der Doku auch korrekt ausgeführt wurde. Bei allen theologischen Irrwegen und allem Pharisäertum insbesondere in der Amtskirche kann man diesen urchristlichen Aspekt nicht ganz beiseiteschieben.

Das griechisch-römische Denken war und ist nämlich kalt und rational und versucht den Menschen bis zum heutigen Tag als reines Vernunftwesen zu sehen. Was er nicht ist und nie werden wird. Deshalb versuchen ja Intellektuelle gelegentlich für ihre Vorurteile und sehr oft auch nur für ihren Opportunismus rationale Begründungen zu finden. Und tarnen dies als geistige Überlegenheit. Statt sich selbst zu hinterfragen

Genau das hat mir in der ansonsten hochinteressanten Doku gefehlt: Das Hinterfragen des selbstgefälligen europäischen Intellektuellentums (was vielleicht auch erklärt hätte, warum der in Erziehungsfragen so bewanderte Rousseau seine fünf Kinder allesamt in ein Heim steckte): Bei allem naturwissenschaftlichen Fortschritt sind wir nämlich menschlich zurückgeblieben. Vor allem hinter den – in der Doku mehr als Klassengesellschaft dargestellten – Ägyptern (waren das Griechen und Römer nicht auch?), die – soweit ersichtlich- keine Kinder aussetzten, Behinderte in die Gesellschaft integrierten und deren Göttin maat am Ende des Lebens das Herz gegen eine Feder abwog. Kein Wunder, dass selbst die Bibel von der „Weisheit Ägyptens“ spricht. Also endlich raus aus der europäischen Selbstgefälligkeit!

https://www.spektrum.de/magazin/mumien-kindheit-im-pharaonenreich/1586246

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist. Er lebt in Wien.