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In eigener Sache

Die nächste Hauptversammlung der Vereinigung für Medienkultur findet am 5.12.2024 ab 15.30 Uhr im Presseclub Concordia statt

Udo Bachmair

Die HAUPTVERSAMMLUNG unserer Vereinigung am kommenden Donnerstag (5.12.), zu der Sie als Mitglieder bzw. InteressentInnen in der Bankgasse 8 herzlich eingeladen sind, steht im Zeichen neuer Aktivitäten und Perspektiven. Nach den in Bezug auf öffentliche Veranstaltungen lähmenden Covid-Jahren schafft die nun glücklicherweise wieder normalisierte Situation neue positive Bedingungen auch für die Tätigkeit der Vereinigung, wenngleich sich die budgetäre Lage und die damit einhergehende eher bescheidene Zahlungsmoral unserer Mitglieder kaum gebessert hat. Da wir uns nach wie vor dazu bekennen, strikt unabhängig zu bleiben, verzichten wir auf Sponsorengelder. Vor diesem Hintergrund ein großes Danke an unsere ehrenamtlich engagierten Autoren und Autorinnen der zahlreichen Veröffentlichungen auf unserer Website www.medienkultur.at

Bilanz und Ausblick

Die Bilanz bezüglich Veranstaltungen seit der letzten Hauptversammlung ist durchaus beachtlich. Herausgegriffen sei etwa die aktive Teilnahme unserer Vereinigung an einer gut besuchten Podiumsdiskussion im März 2024 im Amerlinghaus in Wien zum Thema Krieg und Frieden und die Rolle der Medien sowie im September2024 in Kooperation mit den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg eine Diskussionsveranstaltung zum Reizthema Neutralität oder NATO. Zusätzlich habe ich als Hauptverantwortlicher unserer Vereinigung an den Fresacher Toleranzgesprächen Im Mai 2024 teilgenommen, die sich dieses Mal dem Thema „Wahrheit und Journalismus“ gewidmet haben (siehe dazu den detaillierten Beitrag auf unserer Website)

Die erfolgreichste Eigenveranstaltung unserer Vereinigung seit der letzten Hauptversammlung war zweifellos die große Podiumsdiskussion im renommierten Presseclub Concordia zur westlichen Berichterstattung über den Ukraine-Krieg. Der Andrang war enorm, mehrere BesucherInnen mussten leider abgewiesen werden, da es doppelt so viele Anmeldungen wie freie Plätze gab. Die Aufzeichnung der Podiums- und Publikumsdiskussion hatte via Youtube und Dorf TV mehr als 1000 Abrufe im Internet zu verzeichnen. Das hat nicht zuletzt die öffentliche Aufmerksamkeit für die Vereinigung für Medienkultur erhöht.

Als nächste größere Veranstaltung geplant ist eine Podiumsdiskussion zur Nahost-Berichterstattung. An einem weiteren von mir moderierten Abend wird es in Kooperation mit der Evangelischen Akademie um die Frage „Wie politisch darf Kirche sein?“ gehen.

In der Bilanz keineswegs fehlen darf die weiter gestiegene Zahl an Veröffentlichungen auf unserer Website. Vorwiegend Analysen, Kommentare zu Themen im Spannungsfeld von Politik und Medien, im Besonderen Medienkritik, Medienpolitik, Buchrezensionen, etc.. Da möchte ich besonders hervorheben das Engagement von Hans Högl, Wolfgang Koppler, Ilse Kleinschuster und anderen AutorInnen.

Namens der Vereinigung für Medienkultur sind außerdem mehrere Gastkommentare in Tageszeitungen, Zeitschriften, Magazinen und der reichweitenstarken Internetzeitung „Unsere Zeitung“ erschienen. Beispiele dafür Kommentare im Kurier, im Standard, in der Presse zu Entwicklungen im und des ORF, im Besonderen etwa zu inkompatiblem Verhalten eines Stiftungsrates namens Westenthaler sowie zum beliebten ORF-Bashing, das den besonders auch demokratiepolitischen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konterkariert.
Analysen in Magazinen von INTERNATIONAL, einem renommierten außenpolitischen Blatt, bis hin zur Zeitschrift SPINNRAD, Organ des Versöhnungsbundes oder FRIEDEN HEUTE, einer ebenfalls engagierten Monatsschrift zur Thematik „Kriegsrhetorik statt Friedensbemühungen in Politik und Medien“ komplettieren die auch öffentliche Präsenz der Vereinigung für Medienkultur.

Wir sind auch künftig bemüht, für Mitarbeit in unserer Vereinigung zu werben. Dabei geht es vor allem auch darum, junge engagierte Menschen zu gewinnen, die unsere Website mit Beiträgen bereichern. Das ist allerdings recht schwierig, trotz der Bemühungen auch von Publizistikprofessor Fritz Hausjell, Studierende für regelmäßige Mitarbeit zu motivieren. Wir werden jedoch nicht aufgeben und auch in diese Richtung weiterarbeiten.

Zu Ihrer Info liegt für die bevorstehende Hauptversammlung der Vereinigung für Medienkultur ein neuer alter Wahlvorschlag vor:

>> Udo Bachmair als Präsident
>> Hans Högl und Fritz Hausjell als Vizepräsidenten
>> Christine Grabner, Hermine Schreiberhuber, Franz Schlacher und Karl Heinz Wingelmaier als weitere Präsidiumsmitglieder

Herzlichen Dank im Voraus für Ihre wohlwollende Unterstützung !

Kampagne gegen El-Gawhari

Kritiker am brutalen Vorgehen Israels in Gaza werden umgehend als Antisemiten denunziert. Mit einer Welle an Vorwürfen sieht sich auch der Nahostkorrespondent des ORF, Karim el Gawhari konfrontiert.

Udo Bachmair

Der Hauptvorwurf gegen den renommierten und durchaus sachlich berichtenden ORF-Journalisten Karim El-Gawhari besteht darin, dass er zu israelkritisch und zu gazafreundlich sei.

„Es ist Zeit, dass Konsequenzen gezogen werden“ droht etwa der PR-Berater Daniel Knapp auf X (vormals Twitter). Viele User:innen stimmen überein mit Äußerungen wie „Dass der ORF noch immer an ihm festhält, ist mir ein Rätsel“.

Karim El- Gawhary hält sich laut der Zeitschrift JOURNALIST:IN de facto gänzlich raus, egal, wie unsachlich und untergriffig die Attacken gegen ihn seien. Vermutlich werde seitens des ORF empfohlen, auf die Attacken nicht einzugehen, um sie nicht aufzuwerten.

„Dr. Media“ zitiert dazu El Gawhari selbst: „Der Grund, warum ich selten antworte, ist, dass ich die Twitter- Blase schon länger nicht mehr allzu ernst nehme. Die Angriffe gegen mich haben oft Kampagnen-Charakter“.

Der von israelischer und jüdischer Seite attackierte, von den meisten ORF-KonsumentInnen jedoch sehr geschätzte Korrespondent grundsätzlich: „„Ich versuche einfach seit 30 Jahren als Journalist im Nahen Osten und seit 20 Jahren als ORF-Korrespondent meine Arbeit zu machen und will mich da nicht von den X oder Twitter-,Experten ohne Grenzen‘ ablenken lassen. Ich hoffe, dass meine Arbeit dabei für sich spricht.“

Journalismus und Wahrheit

„Was ist wahr?“ war die Fragestellung der diesjährigen Fresacher Toleranzgespräche. In diesen Tagen erscheint das dazugehörige Jahrbuch. Einer der darin enthaltenen Beiträge widmete sich der „Wahrheitsfindung im Journalismus“.

Udo Bachmair *

Die Inanspruchnahme einer absoluten Wahrheit (im theologischen Sinn) ist und kann nicht Gegenstand journalistischer Arbeit sein. Seriösem Journalismus geht es vielmehr um den Versuch einer größtmöglichen Annäherung an die Wahrheit. Ein solcher Versuch kann u.a. mittels Recherchen aus einer Vielfalt auch alternativer Quellen erfolgen sowie durch unermüdliches Bemühen um Differenzierung. Dazu gehört nicht zuletzt ständiges Hinterfragen von Wirkung und Bedeutung traditionellen und wiederholt verwendeten Sprachgebrauchs.

Einige Beispiele dafür:

Menschen, die die wachsende Kriegsrhetorik in Politik und Medien ablehnen und auf Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg drängen, als „Putinunterstützer“ und „russische Trolle“ verächtlich zu machen, auch wenn sie gleichzeitig den Krieg gegen die Ukraine klar verurteilen, erscheint als eine der Verzerrungen von Wahrheit in der Berichterstattung. Sich in die jeweilige Interessens- und Bedrohungslage von Kriegsgegnern hineindenken zu können und daraus differenzierende Schlüsse zu ziehen, würde wahrheitsorientierten Qualitätsjournalismus ausmachen.

Ein Krieg ist immer auch ein Informationskrieg und beide Kriegsparteien machen Kriegspropaganda, unabhängig davon, wer nun der Aggressor und wer das Opfer ist.

westliche Medien stellen ukrainische Kriegspropaganda meist als Fakten dar, hingegen alles, was von russischer Seite kommt, als völlig unglaubwürdig und propagandistisch. Freilich ist es für journalistische Arbeit schwieriger denn je, auf seriöse Quellen zurückgreifen zu können, auch wenn ehrliche Absicht dazu besteht. Seriöse Quellen im Informationskrieg sind nämlich kaum eruierbar. Aber es wäre zumindest wünschenswert, Quellen zum Kriegsverlauf überhaupt anzugeben, was leider in Medien selten passiert.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dazu tragen auch einzelne Begriffe und Worte bei, wie sie auch in der sogenannten objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt wahrscheinlich nur wenigen auf, dass Äußerungen von russischen Politikern tendenziell mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc. also positiv geladene Begriffe.

Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21.Jahrhundert in Europa ein absolutes „No Go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschenrechtlich und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht und Kriegspropaganda verbreitet.

Apropos „Angriffskrieg“: Dieser vor allem von APA und ORF ständig wiederholte Begriff wird kontraproduktiv dann, wenn er allzu inflatiönär verwendet wird. Denn es könnte dadurch bei MedienkonsumentInnen der Eindruck eines von oben verordneten und verpflichtenden Wordings entstehen. Die Bezeichnung „US-Angriffskrieg“ etwa für den Überfall der USA auf den Irak und andere Staaten der letzten Jahrzehnte wäre in westlichen Medien wohl auch heute noch unerwünscht bis verpönt.. US-Kriege waren nach offizieller Lesart ja meist „Befreiungskriege“..

Ähnlich beliebt in Politik und Medien ist die häufige Verwendung des Attributs „Terror“. Es ist wahr, dass etwa die Hamas zu Recht als Terrororganisation bezeichnet werden muss. Das grässliche Massaker vom 7. Oktober hat dies eindeutig bestätigt. Die Bevölkerung von Gaza dürfte das allerdings anders empfinden. Ihre Wahrheit besteht darin, die israelische Regierung wegen des brutalen Vorgehens im Gazastreifen als „Terrorregime“ zu betrachten. Niemals würden jedoch westliche Medien einen solchen Sprachgebrauch für Israels Regierung verwenden, was ja auch nicht wirklich seriös wäre.

Jedenfalls mehren sich Tendenzen, nahezu jede Kritik an der politisch weit rechts stehenden israelischen Führung mit der Keule des Antisemitismus zu beantworten. Dieser immer wiederkehrende Vorwurf gegen politische und journalistische Kritiker Israels verharmlost im Übrigen den wahren, den rassistisch motivierten Antisemitismus.

Als einer der Begriffe, der ebenfalls als verzerrte Wahrheit daherkommt bzw. umgedeutet wird, gilt das Wort Frieden. Ein ursprünglich positiv geladener Begriff, der im Umfeld zunehmender Kriegsrhetorik zum „Friedensdiktat“ oder „Diktatfrieden“ mutiert und damit abgewertet wird.

Höchst bedenkliche Begriffe, die sich ohne größere Empörung bereits langsam aber sicher eingeschlichen haben, sind aus der Nazi-Zeit entlehnte Bezeichnungen, wie „Systemparteien“, „Volksverrat“, „Fahndungsliste“, Lügenpresse, etc.. Politische Kampfbegriffe wie „EU-Wahnsinn“ oder die Kronenzeitungs-Rubrik mit „EU-Theater“ als Überschrift auf der Leserbrief-Seite, sowie etwa auch die schon zur Gewohnheit gewordene Verknüpfung von Migration mit der Beifügung illegal, verfehlen ihre fatale Wirkung ebenfalls nicht.

Beispiele, die noch beliebig fortzusetzen wären, Begriffe und Formulierungen, die jedenfalls nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern diese weitgehend erschweren. Dabei wären ein inhaltlich abwägender und objektiver Journalismus sowie eine Abrüstung der Worte auch im Bereich der Politik von hoher demokratiepolitischer Relevanz.

* Udo Bachmair nahm als langjähriger ORF-Redakteur und Präsident der Vereinigung für Medienkultur an den Fresacher Toleranzgesprächen zum Leitthema Wahrheit teil.

Dominanz militaristischen Denkens

Höchst aufschlussreich war das jüngste ZiB2-Interview mit dem Militäranalytiker Franz-Stefan-Gady. Es zeigte, wie eiskaltes militaristisches Denken inzwischen unsere gesamte Gesellschaft erfasst hat. Und somit auch die Medien.

Wolfgang Koppler *

Gady lenkte zunächst geschickt vom Verhandlungsunwillen Selenskyjs ab (welcher diesbezügliche Gespräche erst nach einem vollständigen Abzug der russischen Truppen – also nach einem Sieg der Ukraine in Erwägung zieht), indem er sich – ebenso wie die westlichen Politiker auf den Standpunkt zurückzieht, dass Putin den Krieg ja jederzeit beenden könnte. Wobei er natürlich genau weiß, dass dieser damit sein Gesicht verlieren würde und solches daher völlig illusorisch ist. Putin hat angefangen – Punkt. Immerhin gestand der zu, dass die ukrainische Armee der russischen derzeit durchaus standhalten könne, zumal genug Munition zur Verfügung stünde. Die Unterstützung des Westens dürfe halt nicht nachlassen.

Auch Trumps Präsidentschaft sieht der Militäranalytiker nicht unbedingt als Katastrophe für die Ukraine an, zumal Trump ja auch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan gestoppt hätte, als die Gespräche mit den Taliban nicht so erfolgreich verliefen wie erwartet. Er würde wohl auch die Ukraine nicht völlig im Stich lassen.

Aber die Russen machten doch Fortschritte und man müsste die Ukrainer durch weitere militärische Unterstützung in eine vorteilhaftere Position für allfällige Verhandlungen bringen. Auch dies hat man in den zweieinhalb Jahren Krieg schon all zu oft gehört. Damit wird der Krieg mit seinem ewigen Hin und Her zu einer Endlosschleife. Zumal man sich immer wieder einredet, dass es nur Putin sei, der nicht verhandeln wolle. Während Selenskyj immer wieder dezidiert Verhandlungen ablehnt und die Russen – wenn auch mit Kriegsrhetorik und Maximalforderungen – immer wieder Signale ausgesandt haben.

Schließlich wird von Gady auch noch die Angst geschnürt, Putin könnte nach einem Kompromissfrieden nochmals angreifen. Man brauche Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dass der Westen in den Verhandlungen zu Beginn des Krieges solche abgelehnt und die Gespräche damit zum Scheitern gebracht hat, verschweigt der ORF-Studiogast. Dafür fordert er eine Erhöhung der westlichen Militärbudgets auf 3 – 4 % des BIP. Woher das Geld angesichts überlasteter Budgets kommen soll, sagt er natürlich nicht.

Gegen Ende des Interviews wird schließlich der „Personalmangel“ der ukrainischen Armee beklagt. Sie brauche neue Kräfte. Das Verheizen von Menschenleben derart zynisch zu versachlichen, ist denn doch irgendwie neu.

Zu all dem natürlich keinerlei Widerspruch von ZiB2-Moderator Martin Thür.. Wo soll das noch enden ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Fernsehen: Mehr Untertitel

Hans Högl

In der Ausgabe 2/2024 regt die österreichische Zeitschrift „sprachohr“ an, dass der Anteil an Untertiteln im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen gesteigert wird.

Aber dieser Vorteil käme allen zu Gute, denn wird etwas rasch gesprochen, vemag es nicht hinreichend aufgenommen werden. Der schriftliche Text dazu erleichtert das Verständnis.

Mitunter auch die Krone seriös

Man sollte nur zwischen gutem und schlechtem Journalismus unterscheiden und nicht immer manche Zeitungen einfach als Boulevard abstempeln, weil es so üblich ist.

Wolfgang Koppler

Schlechter Journalismus findet sich gelegentlich auch in so genannten Qualitätszeitungen und guter Journalismus auch in Blättern wie der Kronenzeitung. Die etwa mit Nikolaus Frings einen der wahrscheinlich besten Jungjournalisten aufzuweisen hat (man denke an seinen Beitrag zur Aufdeckung der Riedl-Affäre).

Die Krone bringt aber auch das eine oder andere, was etwa die ZiB2 des ORF verschweigt. So den jüngsten Appell Putins zur Aufnahme von Verhandlungen beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, eine Art erweitertes Forum der BRICS-Staaten. Während die ZiB2 in einem Beitrag dieses Treffen nur mehr oder weniger als kasachisches Meeting von Autokraten abtat, die den Westen ablehnten (die Moderatorin leitete den Beitrag wenigstens objektiv mit dem Hinweis ein, dass die betroffenen Staaten 40 % der Weltbevölkerung ausmachen), titelte die Krone wesentlich informativer und neutraler: „Ukraine: Putin bekundet Verhandlungsbereitschaft“. Im Text selbst findet sich dann natürlich das Auseinanderklaffen der ukrainischen und der russischen Positionen, vor allem im Hinblick auf die besetzten Gebiete. Aber ohne das übliche Lamento, dass deswegen Verhandlungen aussichtslos seien.

Das klingt jedenfalls wesentlich besser als das Aufwärmen üblicher Feindbilder: Hier der gute Westen, dort die bösen Diktatoren und der reaktionäre globale Süden. Zugegebenermaßen war im ORF-Beitrag auch von der von Putin geforderten multipolaren Weltordnung die Rede, aber das ging unter angesichts der breit ausgewalzten Kooperation zwischen China und Russland und dem Unterlaufen von Sanktionen.

Die Wörter Friede und Verhandlungen scheinen auch im ORF zu einem Unwort geworden zu sein. Zumindest Bundeskanzler Karl Nehammer blieb bei seinem Interview in der ZiB2 bei seinem Standpunkt: „Europa muss raus aus der westlichen Echokammer“. Der Krieg und das Sterben müssen ein Ende haben.

Werbeverbot für klimaschädliche Produkte?

Die Internet-Plattform „Perspective daily“ hat sich in einem ausführlichen Artikel mit dem Reizthema „Klimaschutz und Werbung“ befasst. Im Folgenden Inhalt und analytischer Kommentar dieses Beitrags von

Hans Högl

Die deutsche Regierung verbietet seit einem halben Jahr Werbung. die dem Klima schadet. Es gilt: Wenn eine Firma dagegen verstößt, kann dies dem neu eingerichteten Onlineportal gemeldet werden. Wo und wann wurde davon je in Österreich berichtet?

Mir stößt schon lange ein Widerspruch auf, die Schizophrenie in Medienunternehmen – auch in Print-Qualitätsmedien. In öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und im privaten Fernsehen – da warnen sie fast täglich vor Klimakrise, und gleichzeitig wird für Klimaschädliches geworben. Auch für SUV-Autos, die sehr viel CO 2 verpuffen.

Dieses und Folgendes müssten schon längst leitende, fest angestellte (Chef) Redakteure bemerkt haben, und es kann von ihnen erwartet werden, dass sie mit der unternehmenseigenen Werbeabteilung Vereinbarungen treffen. Von freien jungen Mitarbeitern mit Minihonoraren wird ein solcher Protest nicht zu erwarten sein.

Danke an den Blog „Perspective daily“ aus Münster, der dieses Thema, heute am 30. Mai, aufgreift, was ich hier kommentierend darstelle: 1/3 der Produkte in TV-Werbung schaden dem Klima. Johanna fährt an einer Kreuzung vorbei, auf der Unternehmer:innen ….protestieren – mit Schildern und Sprüchen wie »Ohne Werbung stirbt die Wirtschaft«. Ein paar Journalist:innen scheinen dabei zu sein…weil sie… von dem Verbot betroffen sind. Magazine/ Zeitungen gingen pleite wegen weggefallenen Werbeeinnahmen..

Johanna ist das Verbot positiv aufgefallen: Im Fernsehen, vor YouTube-Videos gibt es keine nervigen Werbeunterbrechungen mehr, die ihr zubrüllen, was sie noch alles benötigt, kein direkt an sie adressierter Müll mehr, weder im analogen noch im digitalen Briefkasten. Ich ärgere mich auch über zahllose Spendenzuschriften im Briefkasten. Mein Briefträger sagt mir, dagegen ist fast nichts zu unternehmen. Ich selbst und wir alle können nicht jeder Spendenaufforderung entsprechen.

Jede dritte TV-Werbung preist klimaschädliche Produkte an.

Eine Welt ohne Werbung ist schwer vorstellbar. Soll Werbung für Tabak, Alkohol, Sportwetten, Junkfood und an Kinder gerichtete Werbung für Süßigkeiten – nicht verboten sein? Es sind gesundheitsschädliche Produkte….Werbung für klimaschädliche Produkte ist kein Randphänomen: Knapp 10.000 Werbespots, die vor Videos der 20 größten deutschen YouTube-Kanäle sowie auf den fünf reichweitenstärksten Fernsehsendern liefen, stellten Forscher fest: Fast 1/3 davon bewarben klimaschädliche Waren und Dienstleistungen.

Die Wirkung von Werbung: Ob und wie Menschen konsumieren, hängt neben Werbung von anderen Faktoren ab, dem Charakter oder der wirtschaftlichen Lage. Wenn bei Autos klimaschädliche Modelle beworben werden, könnte das durchaus Einfluss haben. Werbung allein verleitet uns nicht dazu, ein Produkt sofort zu kaufen. Sie beeinflusst langsam. So weckt Werbung positive Emotionen und versucht, ein Verlangen nach dem Produkt selbst (wie schöne Kleidung) auszulösen oder erfüllt Funkionen (Anerkennung durch schöne Kleidung, mehr Mobilität durch ein E-Bike, Abenteuerurlaub dank Flug). Bei Hygiene- und Kosmetikprodukten kommen negative Emotionen ins Spiel, die Makel vor Augen führen sollen, die sich durch das beworbene Produkt beheben lassen.

In der Werbewirkungsforschung gibt es dazu zwei populäre Modelle. Der Mere-Exposure-Effekt beschreibt, dass Menschen ein Produkt positiver bewerten, wenn sie es häufiger sehen. Die Bekanntheit macht es Konsumenten attraktiver, egal ob sie das Produkt bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Das Involvement-Konzept geht davon aus, dass es für Produkte verschiedener Werbestrategien bedarf. Bei Alltagsgütern wie Backpulver/ Zahnpasta ist das Involvement niedrig, bei Urlaubsreisen oder Elektronik oftmals hoch.

Wirken Werbeverbote?

Firmen müssen sich mit Werbung an Spielregeln halten. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb nennt unerlaubte Werbeformen. Dazu gehört, mit Versprechen zu werben, die man nicht einhalten kann.
Werbung für Alkohol ist eingeschränkt, aber möglich. Ein Werbeverbot betrifft Tabak. In Deutschland wurden Werbespots im Radio und Fernsehen für Tabakwaren bereits 1975 verboten. Seit 2021 verschwindet auch die Plakatwerbung für Tabakprodukte.

Weil Tabakwerbung reguliert ist, können Aussagen getroffen werden, ob Werbeverbote etwas bewirken. Die Cochrane-Review »Wirkung von Tabakwerbung auf das Rauchverhalten junger Menschen« verglich 19 Studien zwischen 1983 und 2008. In 18 davon erwies sich die Wahrscheinlichkeit später zu rauchen bei jenen Teilnehmenden erhöht, die mehr Werbung ausgesetzt waren.

Das Werbeverbot für Tabak hat flankieren Maßnahmen wie höhere Zigarettensteuern, Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden sowie Verkehrsmitteln und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Was stark wirkt, lässt sich nicht eindeutig messen. Auch ein potenzielles Werbeverbot für klimaschädliche Produkte wäre kein Allheilmittel.

Werbung für klimaschädliche Produkte treibt CO2-Emissionen in die Höhe. Greenpeace ließ errechnen, welchen Anteil Werbung im Jahr 2021 an den Emissionen der Schweiz ausmachte. Es heißt: »So kann man im Szenario ›von hoher Werbewirksamkeit‹ von bis 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ausgehen. Das entspricht 7% der Gesamtemissionen der Schweiz.« Ein anderer Bericht zeigt, dass die Werbeindustrie in Großbritannien im Jahr 2022 für 208 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten verantwortlich war.

Was für Werbeverbote spricht

Zurück zu den »Klimakillern« in deutschen Werbespots. So sind 86% der Spots aus der Kategorie Schokolade, Eis und Gummibärchen klimaschädlichen Produkten zugeordnet, 78% der Autos und Autodienstleister sowie 72% aus der Kategorie Körperpflege, Hygiene und Beauty. Teilweise wären »mit einem einzigen der angepriesen Autos, mit einem einzigen der beworbenen Flüge oder Urlaubsziele, mit einer einzigen Kreuzfahrt« das Pro-Kopf-CO2-Budget bereits aufgebraucht, in vielen Fällen weit überschritten, fassen die Forschenden die Ergebnisse zusammen.

Dass überhaupt klimaschädliche Produkte beworben werden, ist das Problem. Denn damit verstoßen die Sender – öffentlich-rechtliche ebenso wie private – gegen ihre eigenen Regeln. Im deutschen Medienstaatsvertrag heißt es nämlich: Werbung darf nicht […] Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden.§8 Deutscher Medienstaatsvertrag. Die Studienautor:innen mahnen, es sei geboten, die Werbung auch hinsichtlich ihrer Klimawirkung zu regulieren. Ein denkbarer Weg – aber nicht der einzige – sind Verbote.

Nachbarländer Deutschlands zeigen den Weg. So wurden 2021 Werbungen für SUVs, fossile Brennstoffe und Billigflüge in Amsterdam aus dem öffentlichen Raum verbannt. In Frankreich gilt seit 2022 national sogar ein Werbeverbot für fossile Brennstoffe; Autowerbung muss zumindest auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verweisen.

Dies Beispiele beziehen sich nicht explizit auf Fernsehwerbung. Die Stärke des niederländischen und französischen Ansatzes liegt darin, dass es kein allgemeines Werbeverbot »klimaschädlicher Produkte« gibt. So beziehen sich die Verbote auf einzelne Produktgruppen, die zweifelsfrei klimaschädlich sind.

Welche Alternativen gibt es?

Werbeverbote stoßen bei Lobbyverbänden auf Widerstand und sind nur schwer umsetzbar. Sie sind aber nicht die einzige Möglichkeit. Die Studienautor:innen der Uni Leipzig machen eine Reihe alternativer Vorschläge, wie Werbung noch reguliert werden könnte: Verpflichtende Warnhinweise für klimaschädliche Produkte: Ein solcher Hinweis könnte ähnlich wie der Pflichttext nach Werbeclips für Medikamente eingefügt werden. Der Preis für die Platzierung im Programm könnte analog zum CO2-Fußabdruck des beworbenen Produkts steigen. Je mehr Emissionen ein Produkt verursacht, desto teurer wäre es demnach, dafür einen Werbespot zu schalten.

Die Forschenden fanden, dass Werbespots oft die negativen Effekte der Produkte auf das Klima unsichtbar machten: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein Hybrid-SUV wird mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben, der Konsum von Kaffeekapseln soll eine gescheiterte Klimapolitik ersetzen. Die Werbebotschaften sind zuweilen als absurd bzw. sogar als irreführendes Greenwashing zu bezeichnen.

Greenwashing ist ein Problem. Laut EU-Kommission enthalten 53% aller umweltbezogenen Produktangaben von Unternehmen vage oder irreführende Informationen. 40% der Aussagen werden nicht belegt. Damit soll bis 2026 in allen Mitgliedstaaten der EU Schluss sein. Von Verpackungen über Plakatwerbung bis hin zu Werbespots – Greenwashing ist dann unabhängig von Produkt und Medium,hoffentlich Geschichte.

Anfang des Jahres verabschiedete die EU eine Richtlinie »zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel«. Jedes Produktversprechen muss demnach wissenschaftlich belegt und nachweisbar sein. Auch wenn die Wirtschaft nicht ohne Werbung auskommt, sollten Verbraucher:innen ihre Entscheidung mündig anhand von Fakten und nicht von grün gefärbten Lügen treffen können.

Diese heuchlerische Als-Ob-Ethik von Medien soll endlich aufgezeigt werden. Ich mache es hier mit diesem Blog und werde den Inhalt auch an die Kundenabteilung des ORF und an den Publikumsrat weiterleiten.

Verlorenes Urvertrauen

Regelmäßig zu den Feiertagen zeigt uns der ORF, dass Unterhaltung nicht nur aus Krimis bestehen muss. Und strahlt den einen oder anderen guten Film aus.

Wolfgang Koppler *

Zu den ausgestrahlten Filmen zählt auch die Verfilmung von Hermann Hesses „Narziss und Goldmund“ durch Stefan Ruzowicki.

Die meisten von uns haben das Buch irgendwann einmal als Jugendliche gelesen. Und wieder vergessen. Dabei behandelt das Buch und natürlich erst recht Ruzowickis Film das zentrale Thema der europäischen Kultur: Unser verloren gegangenes Urvertrauen. Symbolisiert durch Goldmunds und letztlich auch Narziss‘ Suche nach der Mutter. Der Intellektuelle Narziss findet sie nicht und selbst der Künstler Goldmund vermag sie in unserer lieblos-materialistischen Gesellschaft nicht zu entdecken. Wenngleich er mit seinen Kunstwerken, in die er sein Herzblut steckt, seinen Mitmenschen wenigstens eine Ahnung davon zu geben vermag. Doch selbst sein größtes Kunstwerk, ein allzu sinnlicher Altar, wird von einem wahnsinnigen Mönch zerstört.

Materialismus und Rationalismus auf der einen, und weltfremde, leibfeindliche Ideale auf der anderen haben uns Europäer bis heute fest im Griff. Wir werden immer noch zerrieben zwischen Plato und Aristoteles, außerhalb und innerhalb der Kirche.

Mehr als ein Wort des Mitgefühls, wie in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ oder Goldmunds vergebliche Suche nach der Mutter ist für uns bis heute nicht drin. Urvertrauen und Liebe sind vor allem unserer intellektuellen Elite etwas höchst Befremdliches. Obwohl wir sie alle irgendwann einmal erfahren haben. Aber es hat keine Bedeutung in unserer Werteskala. Dafür hat unser kopflastiges Schul- und Erziehungssystem schon gesorgt.

Daher sollte man sich solche Filme unbedingt ansehen. Und einmal darüber nachdenken oder nachspüren, was uns Europäern seit der Antike meistens fehlt.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Offener Brief an die Ö1-Information

Der ORF wäre verpflichtet, auch in der außenpolitischen Berichterstattung auf Ausgewogenheit und Differenzierung Bedacht zu nehmen. Wenn es ums Thema Ukrainekrieg geht, gelingen diese Vorgaben nur selten. Eines der Beispiele dafür ist ein Beitrag mit besonderer Schlagseite von Markus Müller jüngst im Ö1-Mittagsjournal, Gegenstand des folgenden offenen Briefes an die Ö1-Information:

An die Redaktion des Radiosenders Ö1

von Sylvia Stuckenberg *

ORF-Redakteur Markus Müller-Schinwald beschuldigt den Neutralitätsforscher Pascal Lottaz im Mittagsjournal von Ö1 vom 19.4.2024 Kreml-Propaganda zu betreiben. Als Grund werden dessen Äußerungen zu den Friedensverhandlungen im März 2022 in Istanbul herangezogen. Lottaz sagt, dass die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland vom Westen torpediert worden seien.
Und das sei der Beweis, dass er im Dienste Moskaus stünde, so der Journalist.

Schauen wir uns das einmal genauer an. Als Vermittler bei den Friedensverhandlungen in Istanbul traten Erdogan (türkischer Staatspräsident), Bennett (damaliger israelischer Premierminister) und Gerhard Schröder (ehemaliger deutscher Bundeskanzler) auf. Alle drei waren sich am Ende der Verhandlungen einig, dass die russischen und die ukrainischen Unterhändler einer umfassenden Friedenslösung sehr Nahe gekommen waren.

Die Ukraine würde einem Neutralitätsstatus zustimmen und auf eine Aufnahme in die Nato verzichten und im Gegenzug dafür Sicherheitsgarantien von einem wesentlichen Teil der westlichen Staaten ( sogenannte Garantiestaaten) erhalten. Und Russland erklärte sich bereit die Integrität der Ukraine mit Ausnahme der Krim zu gewährleisten. Ein Waffenstillstand sei damals, so Bennett, in greifbarer Nähe gewesen, beide Seiten waren zu erheblichen Zugeständnissen bereit, Großbritannien und die USA hätten den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt.
Bennett weiter: …die Ukrainer haben den Frieden nicht vereinbart, weil sie es nicht durften. Die mussten bei allem, was sie berieten, erst bei den Amerikanern nachfragen. Auch Mevlüt Cavusoglu , damaliger türkischer Außenminister, äußerte sich in ähnlicher Weise. In einem Interview mit der CNN Türk am 20.4.2022 sagte er:“ Einige Nato Staaten wollten, dass der Ukraine Krieg weitergeht, um Russland zu schwächen.“

Im Rahmen der Verhandlungen wurde von der ukrainischen Delegation am 29. März 2022 ein Positionspapier vorgelegt, das zum Istanbuler Kommunique wurde. Die ukrainischen Vorschläge wurden von der russischen Seite in einem Vertragsentwurf umgesetzt. Michael von der Schulenburg, der ehemalige UN Assistant Secretary-General (ASG) in UN Friedensmissionen schreibt, dass “die Nato bereits am 24.März 2022 auf einem Sondergipfel beschlossen hätte, diese Friedensverhandlungen (zwischen der Ukraine und Russland) nicht zu unterstützen“. Nach von der Schulenburg hatte es sich bei den russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen um eine historisch einmalige Besonderheit gehandelt, die nur dadurch möglich war, weil sich Russen und Ukrainer gut kennen und die „gleiche Sprache sprechen“

Die Washington Post berichtet am 5.4., dass in der Nato die Fortsetzung des Krieges gegenüber einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung bevorzugt wird:“ Für einige in der Nato ist es besser, wenn die Ukraine weiterkämpfen und sterben als einen Frieden zu erreichen, der zu früh kommt oder zu einem zu hohen Preis für Kiew und das übrige Europa“ Selenskyj solle“ so lange weiterkämpfen, bis Russland vollständig besiegt ist“.

Am 9.4. traf Boris Johnson unerwartet in Kiew ein und wies laut dem britischen Guardian vom 28.4. den ukrainischen Präsidenten Selenskyj an „keine Zugeständnisse an Putin zu machen“ Er brachte die Botschaft mit nach Kiew, dass selbst, wenn Selenskyj bereit wäre gegen Sicherheitsgarantien eine Verhandlungslösung mit Russland zu finden, es der Westen nicht ist!

Auch die NZZ meldet am 12.4., dass die britische Regierung unter Johnson auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt. Der Guardian Kolumnist Simon Jenkins warnte, dass „Liz Trust riskiert, den Krieg in der Ukraine für ihre eigenen Ambitionen anzufachen“

Die US Zeitschrift Responsible Statecraft zitiert die Zeitschrift „Foreign Affairs“: diese schreibt am 2.9.22:“ Laut mehreren ehemaligen hochrangigen US-Beamten, mit denen wir gesprochen haben, schienen sich russische und ukrainische Unterhändler im März 2022 auf die Umrisse einer vorläufigen Zwischenlösung geeinigt zu haben……..aber der Westen ist nicht zu einem Ende des Krieges bereit.“

Eine tragfähige Lösung von beiden Seiten, Ukraine und Russland, ein ausverhandelter Vertragsentwurf war finalisiert und im letzten Augenblick von den USA und Großbritannien torpediert worden. Alle anwesenden Diplomaten berichten über diesen Verlauf.

Wie kommt nun Herr Müller-Schinwald dazu, diese Darstellung als russische Propaganda zu bezeichnen? Hat er nur nicht sorgfältig recherchiert oder steht eine Absicht dahinter?

Sehr erstaunlich ist die Tatsache, dass Herr Müller-Schinwald als einzige Referenz für seine Behauptung ein Mitglied einer Nato-Denkfabrik zitiert. Herr Kalensky vom Zentrum für hybride Bedrohung diskreditiert Herrn Pascal Lottaz. Diese Zentren werden auch als Exzellenzzentren bezeichnet. Sie wurden 2003 von der Nato als zivile Einrichten für Schulungen u.a. gegründet. Bis heute gibt es 26 solcher Zentren, die auch eine Einbindung von nicht Nato-Staaten vorsehen. Es ist die einzige Nato/EU Institution. Das Konstrukt ist sehr undurchsichtig, wäre es aber Wert, genau beleuchtet zu werden.

Ich denke seriöser Journalismus sieht anders aus. In kürzester Zeit hätte Herr Müller-Schinwald unendlich viele Quellen aus der ganzen Welt zusammentragen können und damit die Aussage von Pascal Lottaz bestätigen können. Aber es muss wohl die Frage gestellt werden, warum gerade jetzt ein seriöser Neutralitätsforscher als russischer Spion „enttarnt“ wird, oder bestenfalls wie Herr Müller Schinwald meint als „nützlicher Idiot“ einzustufen sei.

Als öffentlich rechtlicher Rundfunk sind Sie verpflichtet mit Sorgfalt und ausgewogen zu berichten. Im übrigen gebietet dies auch die journalistische Ethik.

Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung. Wenn ich als Ärztin mit einer Problemstellung überfordert bin, wird der Patient an einen Fachkollegen zugewiesen. Da fange ich nicht an herumzupfuschen. Das gilt auch für den Journalismus. Auch dort werden mit solch unprofessionellen Berichten Existenzen aufs Spiel gesetzt.

* Dr. Sylvia Stuckenberg ist Journalistin und Medizinerin und lebt in Lochau in Vorarlberg. Zitate in ihrem offenen Brief stammen aus der Berliner Zeitung, vornehmlich aus der Analyse „Wie die Chance für eine Friedensregelung vertan wurde“ (erschienen 19.11.2023).

Friedenswille sieht anders aus

In der ZiB 2 des ORF war vergangenen Mittwoch – wie schon so oft – erneut Bundesheer-Oberst Reisner zu Gast. Stellvertretend für die kleine Schar der immer selben Interviewpartner mit den einander immer wieder gleichenden Positionen zum Ukrainekrieg.

Wolfgang Koppler *

Nicht ganz überraschend hat auch der US-Senat nach langem Hin und Her das neue Unterstützungspaket für die Ukraine genehmigt. In der ZiB2 wurde in diesem Zusammenhang in einem Beitrag auch darauf verwiesen, dass Russland seine Waffenproduktion längst angekurbelt hätte und 29 % seines Budgets dafür ausgebe. Friedenswille sehe anders aus. Nur in Russland oder doch auch bei uns im Westen ?

Dann ein Interview Wolfs mit Oberst Reisner vom Bundesheer, welcher natürlich die neue Unterstützung für die in Bedrängnis geratene Ukraine begrüßte. Dann wurde von Wolf auf sein Interview von letzter Woche mit dem ehemaligen NATO-Generalsekretär „Stoltenberg“ verwiesen, der eine ähnliche Unterstützung des Westens bei der Luftabwehr der Ukraine gefordert hatte wie im Falle des iranischen Luftangriffs auf Israel. Die Verwechslung mit Stoltenberg lässt tief blicken: Der Name Rasmussen ist für viele doch noch mit seinem seltsamen Gebaren im Irakkrieg verbunden. Dass Wolf sich für die Verwechslung nicht entschuldigte, lässt zudem die Vermutung aufkommen, dass der Fauxpas vielleicht nicht ganz unbeabsichtigt war.

Wirklich interessant wurde das Gespräch am Ende. Da fragte Wolf doch tatsächlich nach einem „Ausstiegsszenario“, zumal weder eine Eroberung der Ukraine durch Russland noch ein totaler Sieg der Ukraine zu erwarten sei. Reisner sah drei Möglichkeiten, wobei er einen Waffenstillstand a la Nordkorea bzw. „Diktatfrieden“ offenbar für am wahrscheinlichsten hielt (wenngleich er das nicht offen aussprach) – mit einer Waffenstillstandslinie, die in etwa der heutigen Frontlinie entsprechen würde. Ein Ergebnis, das Ex-Bundespräsident Heinz Fischer in einer ORF-Diskussion schon vor mehr als zwei Jahren für realistisch hielt.

Und dafür opfert man Hunderte Milliarden Dollar und einige hunderttausend Menschen, lässt Millionen hungern und den Globalen Süden links liegen? Pardon, gegen letzteren müssen mir ja auch noch aufrüsten, wie uns Reisner schon vor längerer Zeit im ORF erklärte. Statt endlich Verhandlungen mit Russland und parallel dazu Gespräche mit den BRICS-Staaten ins Auge zu fassen. Auf Augenhöhe und ohne Vorbedingungen.

Der Bankrott der westlichen Außenpolitik ist offensichtlich. Aber ohne permanente Feindbilder lässt sich unsere Gesellschaft anscheinend nicht mehr zusammenhalten. Ähnlich wie die russische. Oder sollte man nicht doch (mit etwas Selbstbescheidung) über gemeinsame Werte nachdenken? Statt überall nur Feinde zu sehen. Käme vielleicht billiger, ließe uns alle etwas leichter überleben und die echten Probleme angehen.

Und die Russen, der Iran, China, die Islamisten, die Rechten, die Kommunisten, die Fundamentalisten usw. würden uns dann vielleicht gar nicht mehr so gefährlich vorkommen. Weil auch auf der jeweils „anderen“ Seite“ nicht nur Verrückte und Teufel sitzen. Sondern des Öfteren nur übertrieben emotionalisierte und sich selbst belügende Menschen. Wie wir selbst.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien