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Wahlentscheidendes Duell?

Der Wahlkampf für die Nationalratswahl kommt zunehmend auf Touren. Er wird dominiert werden von den Duellen im ORF-Fernsehen. Vor diesem Hintergrund herrscht Unmut über die ORF-Entscheidung, die Serie der TV-Duelle mit der Konfrontation Nehammer/Kickl abzuschließen.

Udo Bachmair

Die TV-Duelle zwischen den Spitzenkandidaten für die NR-Wahl am 29. September könnten wahlentscheidend sein, sind sich Politologen und Wahlforscher einig. Allen Wahlprognosen zufolge liegen die drei stimmenstärksten Parteien FPÖ, ÖVP und SPÖ so knapp beieinander – letztere sogar innerhalb der Schwankungsbreite- sodass auch eine Überraschung möglich wäre.

Diese Überraschung könnte Andreas Babler heißen, hoffen SympathisantInnen der SPÖ. Wenn, ja wenn der ORF da nicht einen Strich durch die Rechnung machen würde. In einer heftig umstrittenen Entscheidung hat er beschlossen, das möglicherweise wahlentscheidende letzte TV-Duell zwischen ÖVP-Chef Karl Nehammer und FPÖ-Obmann Herbert Kickl bestreiten zu lassen.

Der ORF geht mit dieser Entscheidung von der langjährigen Tradition ab, die Spitzenvertreter der zwei stimmenstärksten Parteien der letzten NR-Wahl gegeneinander im Finale antreten zu lassen. Ein Beschluss, „einvernehmlich gefällt gemeinsam mit ORF-Generaldirektor Weißmann“, verteidigt sich ORF-Cheferdakteur und Ex-APA-Mann Johannes Bruckenberger.

Die der SPÖ nicht gerade nahestehende ORF-Führung begründet ihre Entscheidung mit gängigen Wahlprognosen, die die beiden Parteien FPÖ und ÖVP vorne sehen. Eine Momentaufnahme. Diese als Basis für eine wichtige und möglicherweise folgenschwere Entscheidung zu nehmen, ist eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks unwürdig.

Der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl, der sich intensiv mit der Wirkung von TV-Duellen und Elefantenrunden befasst, dazu jüngst in der Kleinen Zeitung: „Es ist problematisch, wenn der ORF keine klaren Spielregeln festlegt, denn das lässt Interpretationsspielräume offen und macht zukünftige Entscheidungen umso angreifbarer.“

Zum konkreten Fall des ORF-Wahlkampffinales hat sogar der ÖVP-nahe KURIER an überraschend prominenter Stelle den Kommentar eines Lesers veröffentlicht, der es als „irritierend“ betrachtet, dass der ORF Nehammer und Kickl zur letzten Konfrontation eingeladen hat: „Hier entsteht der Eindruck, Babler werde absichtlich geschnitten.“

Wahlentscheidend kann zudem auch sein, inwieweit der ORF auch jene Kleinparteien zu Wort kommen lässt, die den Sprung über die 4-Prozenthürde erhoffen, neben anderen etwa die KPÖ. Sie werden gleichsam als „Outsider“ auf mediale Unterstützung weitgehend verzichten müssen.

Alle gegen den ORF

Der ORF entwickelt sich zunehmend zum Feindbild kommerzieller Medienhäuser.

Udo Bachmair

„Wenn ich als ORF-Reporterin Straßeninterviews mache bzw. machen will, werde ich immer wieder beschimpft“ so klagte mir gegenüber kürzlich eine Betroffene. „Luxusverdiener“ ( in Wahrheit im Schnitt keine 2000 Euro im Monat für freie Mitarbeiterinnen ) sowie „Rotfunk“ ( in Wahrheit überwiegend VP-nahe Ressortchefs und ein von Kurz/Co. durchgedrückter ORF-Generaldirektor) sind noch das Harmloseste und Mindeste an Vorwürfen, denen ORF-Redakteure ausgesetzt sind.

Selbstverständlich müssen es Redakteure und die ORF-Führung aushalten, für Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen immer wieder Kritik einstecken zu müssen. Anlässe dafür gibt es fürwahr genug. Etwa wenn Ausgewogenheitskriterien für die Berichterstattung zu außenpolitischen Themen, wie etwa zum Ukraine-Krieg, kaum eingehalten werden. Die ukrainische „Informationspolitik“ wird vor allem in ZiB 1-Sendungen als faktenbasiert dargestellt, die russische hingegen als reine Propaganda.

Nun ist der ORF selbst und zwar von einer breiten Phalanx an privaten Medienhäusern Opfer eines Mainstreams geworden. Private Medien fürchten um Wettbewerbsnachteile, unter anderem wegen der Umstellung auf die (in anderen Ländern längst übliche) Haushaltsabgabe und der Möglichkeit, verpasste Sendungen künftig länger als eine Woche nach Ausstrahlung via Mediathek abrufen zu können. Die dem ORF auferlegte Einschränkung des Textanteils des Onlineangebots („blaue Seite“) bedeutet im Übrigen eine weitere Reduktion von Qualitätsjournalismus.

Vergessen bei der nunmehr laufenden medialen Anti-ORF-Kampagne wird die Frage, welchen grundsätzlichen Wert gerade auch in demokratiepolitischer Hinsicht man einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beimisst bzw. beimessen sollte. Das duale Mediensystem – einerseits öffentlich-rechtlich, andererseits privat bzw. kommerziell – macht durchaus Sinn auch bezüglich eines fairen Wettbewerbs. Eine Seite, nämlich den ORF, zu verdammen, kann jedoch keinen Beitrag zu einer sachlichen Debatte über eine missglückte Medienpolitik der Regierung leisten.

ORF als Spielball der Politik

Angesichts der Wahl der neuen ORF-Spitze durch den Stiftungsrat stellt sich mehr denn je die Frage nach der Unabhängigkeit der Berichterstattung des für Österreichs Medienlandschaft wohl wichtigsten Unternehmens.

Udo Bachmair

Im ORF-Stiftungsrat, dem oberstes Entscheidungsgremium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kann erstmals eine klare Mehrheit der größeren Regierungspartei einen ORF-Generaldirektor allein bestimmen. Das Gremium ist offiziell unabhängig, gemäß österreichischer Realpolitik jedoch parteipolitisch besetzt.

Dass nun die Regierung ohne Rücksicht auf Oppositionsparteien einen nur ihr genehmen Kandidaten in den ORF-Chefsessel hieven kann, erscheint Medienbeobachtern demokratiepolitisch höchst bedenklich. Es liegt nun an den ORF-Journalisten, trotz aller Einflussversuche unabhängige Berichterstattung zu garantieren.

Zur Causa ORF im Folgenden ein Auszug aus einer Rede, die ich aus Anlass einer alternativen Medienenquete gehalten habe :

Ein unabhängiger Rundfunk ist unverzichtbarer denn je.

Natürlich kann und soll der Wert des Öffentlich-Rechtlichen neu diskutiert, teils auch neu definiert werden.

Das erscheint umso notwendiger im Umfeld einer Medienlandschaft, die geprägt ist von einem beispiellosen Konzentration an Boulevardmedien speziell im Osten unseres Landes.

Dem ORF und den Qualitätszeitungen kommt in dem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Auch als Gegengewicht zu all dem, was sich an höchst bedenklichen Inhalten in den sogenannten „Sozialen“ Medien abspielt. Hass und Hetze gegen Minderheiten, insbesondere gegen Flüchtlinge und Asylwerber.

Der ORF dagegen muss ein Hort sein für seriösen differenzierenden Qualitäts-Journalismus

Er kann die Rolle aber nur dann erfüllen, wenn von ihm und seinen Programmitarbeitern Druck genommen wird.

Und: Wenn auch seine Finanzierung gesichert ist.

Aus meiner Sicht sollte das bisherige Finanzierungsmodell erhalten bleiben, teils Werbeeinnahmen, teils Einnahmen über die Gebühren. Diese jedenfalls sollten von den jeweiligen Landesabgaben entschlackt werden.

Keinesfalls zu begrüßen wäre der Vorschlag, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren. Denn dann müsste die ORF-Führung jährlich zum Finanzminister pilgern, um demütig die Sicherstellung der weiteren Finanzierung zu erbitten.

Erwartetes Wohlverhalten seitens des ORF verstünde sich in diesem Fall wohl von selbst. Auf der anderen Seite ein noch effektivere Zugriffsversuche der großen Regierungspartei auf das Unternehmen.

Der ORF muss allerdings die finanzielle Unterstützung im wahrsten Sinn des Wortes auch verdienen:

In erster Linie mit Qualität seiner Programme und journalistischer Glaubwürdigkeit.

Diese kann und sollte etwa auch in der außenpolitischen Berichterstattung gestärkt werden. Durch weniger Schlagseite bei so komplexen Causen wie etwa dem Ukraine-, Nahost oder Syrien-Konflikt.

Oder in der innenpolitischen Berichterstattung darauf zu achten, nicht der gespenstisch gut inszenierten Regierungspropaganda auf den Leim zu gehen.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte bestrebt sein, seinen Kultur-und Informationsauftrag auch mit einer besseren Durchmischung auf die einzelnen Kanäle zu erfüllen. So wären sicher weitere Programmkorrekturen von ORF 1 vonnöten. Damit kann der Kritik begegnet werden, dieser Kanal sei programmiert wie ein kommerzieller Privatsender.

Das heißt: Der ORF muss sich klar unterscheidbar machen.

Das gelingt zum überwiegenden Teil bei ORF 3 sowie bei Ö 1.

Und das soll so bleiben. Das soll nicht durch neue Zugriffsversuche auf den ORF gefährdet werden.