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Anti-ORF-Polemik

Ex-Politiker Peter Westenthaler sitzt erneut für die FPÖ im obersten Gremium der ORF. Als ehemaliger Ö1-Moderator sind mir seine Interventionsversuche noch gut in Erinnerung.

Udo Bachmair *

Peter Westenthaler, früherer FPÖ-Klubobmann, später BZÖ-Politiker, bevor er dann neuerlich zum FPÖ-Sympathisanten mutierte, zieht also wieder in das höchste Gremium des ORF, in den Stiftungsrat, ein. Ausgerechnet in jenes Unternehmen, das er bei jeder Gelegenheit anprangert und attackiert. Schon zur Jahrtausendwende war er Mitglied dieses Aufsichtsorgans, des damaligen ORF-Kuratoriums.

Ist es vertretbar, dass ein Mitglied des Aufsichtsrates eines Konzerns sein eigenes Unternehmen und dessen Mitarbeiter in der Öffentlichkeit immer wieder heruntermacht und beschimpft? Genau das hat Westenthaler als Dauergast im ORF-kritischen Fellner-Sender Oe24 immer wieder getan. Er ist dort gleichsam zum Anti-ORF-Polemiker vom Dienst geworden.

Auch weitere Bedenken, dass laut ORF-Gesetz ein Mitglied des Stiftungsrates keiner Beschäftigung in einem Konkurrenzunternehmen nachgehen darf, rührt Westenthaler nicht. Im Gegenteil: Er droht mehr oder weniger damit, den ORF aufmischen zu wollen. Sein neues Naheverhältnis zu Herbert Kickl kann da durchaus dienlich sein, spätestens in Zeiten eines möglichen „Volkskanzlers“. Natürlich bestehen hin und wieder auch Gründe für berechtigte Kritik an so mancher ORF-Berichterstattung, wie etwa an der außenpolitischen Schlagseite in oft wenig differenzierenden Analysen zu den Kriegen in der Ukraine und in Gaza.

Verallgemeinerndes Hinhauen auf den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, dem eine demokratiepolitisch wichtige Rolle zukommt, entbehrt aber jeder Grundlage und Sachlichkeit. Diese lässt Westenthaler in seinen manchmal hasserfüllt wirkenden Verbalattacken weitgehend vermissen. Auch aus diesem Grund erscheint er vielen als denkbar ungeeignetster Mann für die verantwortungsvolle Funktion eines Stiftungsratsmitglieds. Nicht zuletzt angesichts bevorstehender ORF-Reformen kann sich das Unternehmen keinen Aufsichtsrat leisten, der nicht uneingeschränkt seriös agiert.

ORF-intern sattsam bekannt
Westenthaler ist ORF-intern sattsam bekannt für seine Interventionsversuche zugunsten der FPÖ in seiner früheren Funktion im höchsten ORF-Gremium. Als ORF-Redakteur und Ö1-Journal-Moderator hatte ich selbst damals einschlägige Erfahrung mit Anrufen Westenthalers bis hinein ins Studio. Seine beharrlichen Beeinflussungsversuche in der Zeit der ersten ÖVP/FPÖ-Regierung waren zu seinem Leidwesen allerdings kaum erfolgreich. Wer Westenthaler kennt, kann davon ausgehen, dass seine Interventionitis nach einigen Jahren Unterbrechung einmal mehr prolongiert und damit die insgesamt gute Arbeit der ORF-RedakteurInnen wiederholt gestört wird.

Westenthaler sieht im ORF generalisierend eine „reine Propagandamaschinerie“. Armin Wolf unterstellt er „politische Agitation“. Vorwürfe, die meiner Erkenntnis und persönlichen Erfahrung nach ziemlich haltlos sind. Wolf gehört zu jenen Journalisten, die sich ernsthaft und penibel recherchierend auf jede Moderation und jedes Interview vorbereiten und nicht müde werden, konstruktiv kritisch zu hinterfragen.

Der ORF-Redakteursrat weist zu Recht auf Bestimmungen des ORF-Gesetzes hin, wonach ein Stiftungsratsmitglied ausschließlich im Interesse des Unternehmens zu agieren habe und nicht im Auftrag einer politischen Partei.

* Der Beitrag ist heute in der Tageszeitung Die Presse als Gastkommentar erschienen und hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst

ORF: Todesstoß nur knapp abgewendet

Jüngste Enthüllungen zeigen, wie knapp der ORF an seiner Zerschlagung vorbeigegangen ist.

Udo Bachmair

Um ein Haar wäre sie Realität geworden: Die Zerschlagung des ORF. Der Machtrausch der Regierung Kurz/Strache nach dem Vorbild des Autokraten Viktor Orban hätten den ORF und letztlich auch die übrige Medienlandschaft Österreichs beinahe unter totale Regierungskontrolle gebracht. Das geht einerseits aus Straches auf Ibiza geäußerten Plänen hervor, einen ORF-TV-Kanal an einen superreichen Investor zu veräußern. Andererseits aus den nun enthüllten Geheimabsprachen aus der Zeit der ÖVP/FPÖ-Koalition, dem ORF die Gebühren zu streichen.

Diese Maßnahme hätte den ORF ins Mark getroffen. Vor allem aber auch die Absicht, den Wegfall der ORF-Gebühren mehr oder weniger aus dem Bundesbudget auszugleichen. Damit wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk fix an die schwarz-blauen Kandare genommen worden. Der Plan war jedoch zum Scheitern verurteilt. Er war an die Öffentlichkeit gelangt und hatte entsprechenden Widerstand erzeugt. ÖVP und FPÖ mussten sich damit begnügen, sich zumindest die wichtigsten Führungspositionen im Unternehmen aufteilen zu können.

Der Unart der Geheimabsprachen konnte sich auch der grüne Koalitionspartner nicht entziehen. Er wurde dabei ertappt, ebenfalls Absprachen über personelle ORF-Besetzungen getroffen zu haben. Der Unterschied zu schwarz-blau ist jedoch evident: Während die ÖVP/FPÖ-Koalitionäre den ORF in seiner bisherigen Form offenbar nicht mehr wollten, wehrten sich die Grünen als neuer Partner gegen eine Zerschlagung des öffentlich rechtlichen Rundfunks. Jedenfalls bisher erfolgreich. Auch demokratiepolitisch ein Erfolg.

Übrigens hält das ORF-Gesetz ( § 1 ) die „Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des ORF“ fest. Eine Pflichtlektüre für all diejenigen, die den ORF parteipolitisch missbrauchen wollen.

Die ORF-Journalist*innen haben die auch vom ORF-Redakteursstatut zugesicherte Eigenständigkeit immer wieder verteidigt und zu Teilen auch erhalten können. Klar äußert sich der durchaus selbstbewusste Redakteursrat zu den umstrittenen Nebenabsprachen:

„Wir verurteilen die Postenschacherei auf das Schärfste“

Was westliche Medien verschweigen

Im Donbass, der von Russland kontrollierten Region der Ostukraine, steigt erneut die Kriegsgefahr. Westliche Medien zeichnen ein tendenziell antirussisches Bild der Lage.

Udo Bachmair

Jüngstes Beispiel eine Moderation in der ZiB 2 des ORF zu einem hingegen durchaus korrekten Beitrag von Christian Wehrschütz aus der Ukraine: „Ein prorussischer Soldat hat einen Mann erschossen. Die Lage eskaliert“. Verschwiegen wird, dass ein Kind in der Ostukraine Opfer eines regierungstreuen ukrainischen Soldaten geworden ist. Realität ist eben, dass beide Konfliktparteien provozieren..

Hinter der einen Seite steht Russland, hinter der anderen Seite stehen die USA und die NATO. Beide Seiten üben sich nicht gerade in De-Eskalation. Im Gegenteil. Russischer Propaganda stehen westliche Medien gegenüber, die ausschließlich über russische Truppenverschiebungen in der Grenznähe zum Donbass berichten. Sie interpretieren und kommentieren diese Maßnahme als russische Provokation und Vorbereitung auf einen Krieg.

Worüber westliche Medien allerdings nicht berichten, sind die zurzeit laufenden großen Militärmanöver der NATO nahe der russischen Grenze. An dem Manöver mit 28.000 Soldaten sind der schweizerischen Plattform www.infosperber.ch/Medien/Medienkritik zufolge an die 30.000 Soldaten aus 27 Ländern beteiligt. Mit dabei sein sollen diesmal auch Nicht-NATO-Mitglieder wie die Ukraine, Georgen u.a..

Russland sieht in der abermaligen NATO-Aktion an seiner Grenze eine Provokation und droht seinerseits mit einer Zusammenziehung von Streitkräften an seinen eigenen Grenzen.

Im Folgenden ohne Vollständigkeit ein paar Beispiele für Medienberichte, die die NATO-Truppenverschiebungen unerwähnt lassen:

Am 1. April berichtete die «Washington Post» über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 2. April berichtete die luxemburgische Online-Plattform «L’essentiel» über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 5. April berichtete das Schweizer «Echo der Zeit», im politischen Bereich eine der besten Schweizer Radiosendungen, über russische Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 6. April berichtete die Deutsche Welle über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 6. April berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 8. April berichteten die Schweizer CH Media-Zeitungen über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 9. April berichtete die BBC über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.

Am 10. April berichtete die NZZ über die russischen Truppenverschiebungen an der Grenze zur Ukraine. Kein Wort über die gigantischen NATO-Manöver an der russischen Grenze.
Und so weiter und so fort. Siehe Beispiel ZiB2 am Beginn dieses Beitrags.

Der Schluss, der gezogen werden kann: Es handelt sich erneut auch um einen Propagandakrieg. Die russische Seite agiert gegen den Westen, umgekehrt betreiben Politik und Medien im Westen lustvoll und verantwortungslos Anti-Russland-Meinungsmache, so die Meinung von Medienbeobachtern.

Dabei wären es Merkmale seriöser Berichterstattung, auch im außenpolitischen Bereich differenziert zu berichten. Das sei gerade auch den Informationsabteilungen des ORF ins Stammbuch geschrieben. Mit einer einseitigen außenpolitischen Schlagseite verletzt der ORF zudem die Objektivitätsvorgaben des ORF-Gesetzes.

Stiefkind Medienpolitik

Covid-19-Krise und Stillstand österreichischer Medienpolitik

Hans Högl-Bericht

Der „Demokratiebefund 2020“ der „Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform“ wurde von dessen Sprecher, dem em. Univ.Prof. Dr. Heinrich Neisser, am 30.9. im Presseclub Concordia vorgelegt. Hier davon das Medienkapitel von Peter Plaikner, dem Direktor von IMPact – dem Institut für Medien und Politikanalyse. Er nennt mehrere „Kollateralschäden im Corona-Schatten“:

„Von der Schließung des Salzburger Gründungsstandortes des Kuratoriums für Journalistenausbildung bis zum Ende der Rechercheplattform Addendum reichten die Kollateralschäden für die kränkelnde Branche.“ Dies sei insofern bedenklich, als künftig nur in Wien Journalist*innen ausgebildet werden. Ein Nachteil, denn Medien werden die wichtige Vorort-Recherche als nicht nötig finden.

Das neue ORF-Gesetz verharrt im Ankündigungsstatus. Der Public Value, oft zitiert, mündet noch nicht in eine zeitgemäße Medienförderung. Ihr ergeht es wie der politischen Bildung und Medienkunde: Jeder betont ihren wachsenden Stellenwert, keiner gibt ihr den notwendigen Raum.

Neue Gefahr für den ORF nach der Wahl ?

Die künftige Regierung wird u.a. ein neues ORF-Gesetz auf den Weg bringen. Dabei ginge es darum, die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu wahren. Eine Garantie dafür gibt es nicht.

Udo Bachmair

Der Druck auf unabhängige ORF-Journalist_innen ist nach dem Aus für die ÖVP/FPÖ-Koalition zurzeit kein Thema mehr. Die Causa ORF bleibt dennoch aktuell. Die Novellierung des ORF-Gesetzes steht ante portas und das hieße im Falle einer Neuauflage dieser Regierungskonstellation für das Unternehmen kaum Gutes. Darüber sind sich alle namhaften Medienexperten einig.

Sollte die vom Parlament abgewählte Koalition erneut ans Ruder kommen, bestünde abermals Gefahr in Verzug für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen demokratiepolitischer Wert nicht hoch eingeschätzt werden kann. Der ORF würde nach Abschaffung der GIS-Gebühren finanziell und machtpolitisch spürbar in die Mangel genommen werden.

Hellhörig macht vor diesem Hintergrund eine Äußerung des wieder genesenen streitbaren ORF-Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger. Der FPÖ-Mann bestätigt gegenüber dem Kurier, dass Ex-Kanzler Kurz das Ende der Gebührenfinanzierung nur vorläufig abgelehnt habe : „Der Kanzler hat gesagt: 2021/22 können wir darüber reden“.

Unterdessen werden Überlegungen kolportiert, dass im künftigen ORF-Gesetz die Zahl der öffentlich-rechtlichen Kanäle nicht mehr festgelegt werden. Das würde grundsätzlich den Verkauf von Programmen erleichtern, vermutet Harald Fidler im Standard. Das wiederum nährt Gerüchte, dass etwa ORF 1 an Fellner oder an die Krone verkauft werden könnte. Oder an eine Oligarchin..

Armin Wolf: Der ORF sehr unter Druck

Udo Bachmair

Ruhe vor dem Sturm in der Sommerhitze. Doch ein innenpolitisch heißer Herbst steht bevor. Da ist einerseits der Zwölfstundentag, der die Emotionen hochgehen lassen wird. Da ist u.a. aber auch das unbeirrte Festhalten der rechtskonservativen Regierung am Umbau des ORF in ihrem Sinn.

Vor allem die kleinere Regierungspartei FPÖ wünscht sich unverblümt durchgreifende Änderungen. Das strebt zwar (verblümt) auch Medienminister Blümel an, dessen Partei, die ÖVP, visiert jedoch ihre Ziele geschickter und professioneller an..

So wird während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eher klammheimlich an einem neuen ORF-Gesetz gearbeitet, das u.a. einen der Regierung genehmen Vierer-Vorstand vorsehen dürfte. Nach der EU-Präsidentschaft dann wird es offiziell ans Eingemachte gehen.

Grundsätzlich zur Causa ORF hat sich ZIB 2-Anchor Armin Wolf in einem Interview für das NDR-Medienmagazin ZAPP geäußert. Zur Frage, was denn hinter den Auseinandersetzungen zwischen ORF und Regierung stehe, sagte der für profund kritische Fragen bekannte ORF-Moderator:

Dahinter steht, dass sich die FPÖ vom ORF wie von allen seriösen Journalisten schlecht behandelt fühlt. Das ist auf der ganzen Welt so. Populistische Parteien fühlen sich immer von seriösen Medien schlecht behandelt, siehe Donald Trump, siehe Front National, siehe AfD. Warum ist das so? Weil es ein natürliches Spannungsverhältnis gibt zwischen populistischen Antisystemparteien und seriösem Journalismus, der sehr stark auf Differenzierungen setzt und auf einen Appell an die Rationalität des Publikums. Während populistische Parteien an die Emotionen, zum Teil auch an die Ressentiments ihrer Wähler appellieren. Gleichzeitig haben populistische Parteien das Gefühl, dass etablierte Medien ein Teil des Establishments sind. Sie sind Anti-Establishment und Anti-System. Auch dadurch gibt es ein Spannungsverhältnis. Das gibt es zwischen FPÖ und ORF seit jeher. Der Unterschied ist, dass die FPÖ jetzt in der Regierung sitzt. Dazu kommt, dass die ÖVP das Gefühl hat, dass die Regierung unter Journalisten vielleicht nicht sehr populär ist und einen sehr starken Fokus hat auf ihre Öffentlichkeitsarbeit hat, ihre Inszenierung – und das fügt sich hier zusammen.

Und was wollen die?

Die hätten gerne natürlich Journalisten, die möglichst jeden Tag berichten, wie toll diese Regierung ist, und was sie alles Tolles macht. Das hätte jede Regierung auf der Welt gerne.

Nur dass die das jetzt auch noch mit anderen Mitteln umsetzen wollen.

Sie wollen es gar nicht so unbedingt mit anderen Mitteln umsetzen, sondern mit denselben Mitteln wie Regierungen vor ihnen auch schon. Es haben Regierungen in Österreich immer versucht und Politiker in Österreich immer versucht, auf den ORF Einfluss zu nehmen. Und es haben schon immer Regierungsparteien versucht, über die Aufsichtsorgane personelle Entscheidungen zu beeinflussen. Neu ist, dass die FPÖ tatsächlich das System attackiert: Sie wollen die Rundfunkgebühren abschaffen, und mit der Abschaffung der Rundfunkgebühren de facto den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Nicht als Institution an sich, sondern indem man ihn in Zukunft über das Bundesbudget finanziert, aus Steuergeldern, und das wäre de facto eine Verstaatlichung, und ein Staatsfunk ist einfach etwas anderes als ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

Steht der ORF also jetzt sehr unter Druck?

Der ORF steht ganz sicher sehr unter Druck, weil die Regierung schon angekündigt hat, ein neues ORF-Gesetz zu machen, und weil die FPÖ in ihrem Parteiprogramm stehen hat, und es bei jeder Gelegenheit öffentlich sagt, dass sie die Rundfunkgebühren abschaffen möchte

 

Für einen freien und unabhängigen ORF

Udo Bachmair

Die Medienenquete der Bundesregierung vergangene Woche in Wien hatte durchaus kompetente RednerInnen aufzubieten. Inwieweit die diversen Anliegen und Vorschläge auch tatsächlich realisiert werden, bleibt allerdings höchst fraglich. Besonders beim Thema ORF halten sich die Regierungsparteien weitgehend bedeckt. Sie stehen im Verdacht, ganz unabhängig von den Erkenntnissen der Medienenquete, etwa bezüglich der künftigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ihre Pläne letztlich unbeirrt umzusetzen.

Vor allem Medienminister Blümel hüllt sich in der Frage der Finanzierung in Schweigen. Während die FPÖ das Vorhaben, den ORF künftig über das Bundesbudget zu finanzieren, nicht leugnet, versucht die Kanzlerpartei ÖVP entsprechende Pläne zu verschleiern. Unklar bleibt auch weiterhin, welche Regierungspläne in das geplante neue ORF-Gesetz einfließen werden. In Einem besteht Gewissheit: Der ORF dürfte unter schwarz-blau mehr denn je in Regierungsabhängigkeit geraten.

Diese und andere relevante Fragen hat die Intitiative „Wir für den ORF“ www.wirfuerdenorf.at mit großem Engagement thematisiert. Bei einer gut besuchten Kundgebung auf dem Karlsplatz hat sie als die bessere, öffentliche Medienenquete  die Wichtigkeit einer vielfältigen und unabhängigen Medienlandschaft in Österreich bekräftigt. Auch ich als Vertreter der Vereinigung für Medienkultur hatte Gelegenheit dazu.

( Redetext siehe www.medienkultur.at )

Mit dabei auf dem Karlsplatz war auch „Reporter ohne Grenzen“ mit einer Rede von Rubina Möhring. Deren Ansprache im Wortlaut:

Ich skizziere eine Zukunftsvision:
Stellen Sie sich folgende Situation vor. Sie stellen den Fernsehapparat an, ein moderierendes Etwas begrüßt Sie: „Servus am Puls der Zeit“. Sie gehen zu ORF 1, ORF 2, ORF 3: immer wieder dasselbe: „Servus am Puls der Zeit“. Ebenso auf den ORF-Radiokanälen: „Servus am Puls der Zeit“, Servus am Puls der Zeit, „Servus am Puls der Zeit“. Auf FM4 hieße das „Welcome in tune with the times“. – Aber FM4 gibt es nicht mehr.

Was an Information geliefert wird, ist dann ein Einheitsbrei, allenfalls garniert mit Sahnehäubchen in Form von Direktschaltungen zur Bundesregierung. Hier agieren nun ehemalige ORF-Journalistinnen und Journalisten als Mikrofonhalter. Auf der Kurzwelle kann man ab und zu sogar Regierende amtswalten hören. Kurzweilig ist das nicht, also schaut und hört niemand mehr hin. Den Menschen wurde das Abschalten antrainiert, auch was das Denken betrifft.

Wie das passieren konnte: Zuerst wurden dem einstigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Gebühren gestrichen. So wurde er vom Regierungsbudget und damit von der Regierungsmeinung abhängig gemacht. Zugleich wurde verfügt, dass er künftig mit den vergleichsweise jungen Privatsendern finanziell staatliche Förderungen teilen müsse. Allerdings ohne Teilhabe an deren Werbegelder. Verfügt wurde, dass er künftig den kommerziellen Privaten freien Gebrauch seiner Archive gewähren, seine Sendeeinrichtungen zur Verfügung stellen soll, usw. usw., eben alles, was gut und teuer ist.

Ein neues ORF-Gesetz hat dann schon längst geregelt, dass Auslandskorrespondentenbüros nicht mehr notwendig sind. Ausgerückt werden darf nur noch für die Berichterstattung aus dem Krähwinkel.

Breaking News auf der Website orf.at lauten dann: Der immer noch jugendliche Kanzler trägt nun Geheimratsecken und das Haar meliert. Morgen feiert der Kanzler seinen 50. Geburtstag. Seit er sein Studium abgebrochen hat, lebt er nur noch für Österreich.“ usw. usw. usw., Hat es so etwas jemals bei uns gegeben?

Wollen wir, dass der ORF scheibchenweise aufgeteilt wird zwischen einem deutschen Privatsender und einem Salzburger heimatorientierten Sender? Nein.

Wollen wir, dass der ORF zu einer Abspielfläche für Regierungen, zu einem Staatssender degeneriert? Nein.

Soll sich der ORF künftig primär nur um den Aufbau einer künftigen gesamteuropäischen Plattform à la Google kümmern? So einig, wie die EU Mitgliedsstaaten schon heute sind, kann das nur ein Himmelfahrtskommando und endgütiges Ende des ORF sein. Wollen wir das? Nein.

Was also wollen wir:
Wir wollen, genauso wie früher die heutigen Regierungsparteien selbst, dass der ORF politisch unabhängig bleibt, dass sich die Regierung nicht in die Redaktionsarbeit einmischt, dass dem politischen Postenschacher im ORF ein Ende bereitet wird, dass der ORF weiterhin über die GIS, also Gebühren, finanziert wird. Von der GIS profitieren ja auch die genannten privaten Sender – und wohlbemerkt zu einem nicht unerheblichen Anteil auch die Kulturbudgets der Bundesländer.

Wir wollen, dass auch diese Gelder dem ORF zu Gute kommen.

Wir wollen einen freien und unabhängigen ORF – unabhängig auch davon, welche Partei in Österreich gerade an der Macht ist.

 

 

Unabhängiger ORF unverzichtbarer denn je

Udo Bachmair

( Rede gehalten bei der alternativen Medienenquete am 6.6.2018 in Wien )

Ich spreche hier als Verantwortlicher der Vereinigung für Medienkultur, besonders aber als langjähriger Moderator-und Redakteur des ORF, dem ich mich nach wie vor verbunden fühle.

Umso mehr betrachte ich die Entwicklung und die Vorgänge rund um das Unternehmen mit einiger Sorge.

Es sind nie da gewesene Angriffe und Untergriffe seitens einer Regierungspartei gegen unabhängige ORF-Journalisten und Journalistinnen zu registrieren.

>> Da werden allen Ernstes Journalistinnen und Journalisten generell der Lüge bezichtigt –

>> Da wird ein profunder TV-Moderator als „unbotmäßig“ an den Pranger gestellt –

>> Da wird ORF-Korrespondenten mit dem Hinauswurf gedroht –

Und das aus dem Munde von Vertretern einer Regierungspartei.

Das Gefühl, unter Druck zu stehen ist bei  ORF-KollegInnen und Kollegen deutlich gewachsen. Das bestätigen mir mehrere Gespräche.

Es ist nicht zu leugnen, dass die Politik bei Postenbesetzungen, öffentlichen Zurufen und versteckten Interventionen auch schon Jahre und Jahrzehnte zuvor beim ORF immer wieder eine Rolle gespielt hat.

Die nunmehrige Entwicklung hat jedoch eine neue äußerst zweifelhafte Qualität :

Es stellt sich nicht zuletzt die bange Frage:

Schreitet auch hierzulande eine mehr oder weniger schleichende Orbanisierung voran ?

Eine Entwicklung, die uns wegführt von Medienvielfalt  sowie von freiem und unabhängigem Journalismus ?

Vor diesem Hintergrund meine ich:

Ein unabhängiger Rundfunk ist unverzichtbarer denn je.

Natürlich kann und soll der Wert des Öffentlich-Rechtlichen neu diskutiert, teils auch neu definiert werden.

Das erscheint umso notwendiger im Umfeld einer Medienlandschaft, die geprägt ist von einem beispiellosen Konzentration an Boulevardmedien speziell im Osten unseres Landes.

Dem ORF und den Qualitätszeitungen kommt in dem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Auch als Gegengewicht zu all dem, was sich an höchst bedenklichen Inhalten in den sogenannten „Sozialen“ Medien abspielt. Hass und Hetze gegen Minderheiten, insbesondere gegen Flüchtlinge und Asylwerber.

Der ORF dagegen muss ein Hort sein für seriösen differenzierenden Qualitäts-Journalismus

Er kann die Rolle aber nur dann erfüllen, wenn von ihm und seinen Programmitarbeitern Druck genommen wird.

Und: Wenn auch seine Finanzierung gesichert ist.

Aus meiner Sicht sollte das bisherige Finanzierungsmodell erhalten bleiben, teils Werbeeinnahmen, teils Einnahmen über die Gebühren. Diese jedenfalls sollten von den jeweiligen Landesabgaben entschlackt werden.

Keinesfalls zu begrüßen wäre der Vorschlag, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren.

Das hätten die Regierungsparteien wohl gern. Denn dann müsste die ORF-Führung jährlich zum Finanzminister pilgern, um demütig die Sicherstellung der weiteren Finanzierung zu erbitten.

Erwartetes Wohlverhalten seitens des ORF verstünde sich in diesem Fall wohl von selbst. Auf der anderen Seite ein noch effektiverer Zugriff der Mächtigen auf das Unternehmen.

Der ORF muss allerdings die finanzielle Unterstützung im wahrsten Sinn des Wortes auch verdienen:

In erster Linie mit Qualität seiner Programme und journalistischer Glaubwürdigkeit.

Diese kann und sollte etwa auch in der außenpolitischen Berichterstattung gestärkt werden. Durch weniger Schlagseite bei so komplexen Causen wie etwa dem Ukraine-, Nahost oder Syrien-Konflikt.

Oder in der innenpolitischen Berichterstattung darauf zu achten, nicht der gespenstisch gut inszenierten Regierungspropaganda auf den Leim zu gehen.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte bestrebt sein, seinen Kultur-und Informationsauftrag auch mit einer besseren Durchmischung auf die einzelnen Kanäle zu erfüllen. So wären sicher weitere Programmkorrekturen  von ORF 1 vonnöten. Damit kann der Kritik begegnet werden, dieser Kanal sei programmiert wie ein kommerzieller Privatsender.

Das heißt: Der ORF muss sich klar unterscheidbar machen.

Das gelingt zu 100 Prozent bei ORF 3 sowie bei Ö 1.

Und das soll so bleiben. Das soll nicht durch neue Zugriffsversuche auf den ORF gefährdet werden.

Verdeckt von der perfekten Inszenierung einer Medienenquete der Regierung dürften schon längst die Vorarbeiten für ein neues ORF-Gesetz begonnen haben.

Und es wäre naiv anzunehmen, dass nach der blau-schwarzen Einfärbung des Stiftungsrates der politische Einfluss auf den ORF dann nicht noch weiter verstärkt wird. Gewarnt sei vor dem Ziel, auch die oberste Führungsebene des ORF entsprechend zu verändern.

Vor diesem Hintergrund der Appell an die Regierung :

Lasst den ORF und seine Redaktionen in Ruhe arbeiten ! Hände weg vom ORF