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Was von Hugo Portisch bleibt

Mit Hugo Portisch hat Österreichs Medienlandschaft wohl ihren wichtigsten Journalisten und Volksbildner verloren. 2011 hat ihn der Presseclub Concordia für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Laudator damals: Heinz Nußbaumer, langjähriger Weggefährte Portischs. Nun hat er für den Presseclub, Kooperationspartner auch der Vereinigung für Medienkultur, einen Nachruf auf seinen Freund verfasst. Im Folgenden ein ( von Udo Bachmair ausgewählter ) Ausschnitt daraus:

Ein Nachruf auf Hugo Portisch von Heinz Nußbaumer

Ganz leise und am Ende ohne einen Anhauch von Öffentlichkeit, die ein Leben lang auf ihn hingehört hat, ist er von uns gegangen: Hugo Portisch – er, dessen ganzes Wirken der beispielhaften Umsetzung der Ziele des Presseclub „Concordia“ gedient hat. Und dessen Geist uns auch mit seinem Abschied aus dieser Welt nicht verloren gehen wird und darf.

Immer wieder hat uns Hugo Portisch daran erinnert, dass der Journalismus die persönliche Demut ebenso braucht wie den Mut, im Gegenwind zu segeln und notfalls zwischen allen Sesseln zu sitzen.

Von ihm haben wir gelernt, dass es in unserem Vokabular ein Wort möglichst nicht geben sollte: Das eitle „Ich“. „Erzählt niemandem ungefragt, was ihr von Beruf seid“, hat er uns oft lächelnd gesagt, „so angesehen ist er nicht“. Und: „Vergesst bitte nie: Wenn sie Euch schmeicheln und Euch hofieren – sie meinen nie Euch, sie meinen immer das Medium“.

Ihm verdanken wir auch die Erkenntnis, dass Journalismus immer nur ‚geborgte Macht‘ ist. Seinen Totalverzicht auf Glanz und Glamour hat er bis in die Todesstunde beibehalten.

Und auch wenn er der festen Überzeugung war, dass der Journalismus von heute ein ganz anderer (vielleicht noch fordernder) sei als zu seiner Zeit – und dass ergraute mediale Ackergäule gut daran täten, sich mit späten Ratschlägen zurückzuhalten: Außer Zweifel gibt es enorm wichtige Kontinuitäten, die heute ebenso gelten wie früher. Auch für sie hat Hugo Portisch bleibende Maßstäbe gesetzt. Nur ein paar davon seien hier erwähnt.

Zunächst: Dass Journalisten keine Mitspieler der Politik sind und sein sollen, sondern ein Dienstleistungsgewerbe. Nicht Drehbuchautoren oder Regisseure des innen- und außenpolitischen Geschehens und schon gar nicht Akteure, sondern Vermittler, Boten, Kuriere – dazu verpflichtet, die Geschehnisse möglichst präzise so zu berichten, wie sie waren und sind. Um dann, wenn notwendig, auch aufzuzeigen, wo sie anders sein sollten. Immer unter dem Gebot stehend, mit Akribie zu recherchieren.

Wie oft hat er seine Kollegen an das unerlässliche, legendär gewordene „check, re-check, double-check“ erinnert, jene dreifache Kontrolle, ohne die kein Artikel in Druck gehen durfte!

Dann: Dass vor Veröffentlichung einer Geschichte immer alle davon Betroffenen gefragt werden und zu Wort kommen müssten. Verpönt waren herabsetzenden Adjektive, wertende Beiworte – und jede Verletzung der persönlichen Würde. Selbst sein Leitartikel, das ‚Schmuckstück‘ seiner Zeitung, musste immer von mindestens einem Kollegen gegengelesen werden, um Fehler möglichst auszuschließen. Passierte der Redaktion doch ein Irrtum, dann war er es, der zur raschen Berichtigung drängte. Denn, so sagte er: Wer zugibt, dass er im Einzelfall irrt, der stärkt das Vertrauen der Leser (Seher, Hörer), im Regelfall korrekt informiert zu werden.

Dann: Dass bei allem, was veröffentlicht wurde, das letzte Urteil immer beim Leser bleiben sollte. Sein Journalismus war kein Tummelplatz für Ideologen und Kreuzritter, für Linientreue und Scheuklappenträger. Hinter jeder Überzeugung musste das Recht auf Zweifel und Widerspruch gewahrt bleiben.

Dann: Dass bei allem, was veröffentlicht wurde, das letzte Urteil immer beim Leser bleiben sollte. Sein Journalismus war kein Tummelplatz für Ideologen und Kreuzritter, für Linientreue und Scheuklappenträger. Hinter jeder Überzeugung musste das Recht auf Zweifel und Widerspruch gewahrt bleiben.

Dass ihm die klassische Trennung von Meldung und Meinung heilig war, muss kaum erwähnt werden. Auch nicht, dass er vom Mehrbedarf der Bürger nach Analyse, Kommentar und Hintergrund überzeugt war. Und bei aller notwendigen Klarheit der Sprache hat er seinen Redakteuren nicht erlaubt, die Intelligenz und das Informationsbedürfnis der Österreicher zu unterschätzen und zu unterfordern.

Ja und auch das muss in Erinnerung bleiben: Hugo Portisch hat vorgelebt, dass Information und Bildung nie langweilig zu sein brauchen, sondern fesseln können. Auch, dass jede Meldung erst durch ihre Zusammenhänge und Hintergründe die notwendige Bedeutung und Attraktivität bekommt. Und dass es eine Kernaufgabe der Medien ist, im rasch Vorüberziehenden das Bleibende zu erkennen. Dass also die Kürze des Tages kein Maßstab für Berichterstattung sein darf.

Sein Verhältnis zur Politik und den Politikern war unerschrocken, aber immer fair. Er war überzeugt davon, dass beide – Politik und Medien – schicksalhaft aufeinander bezogen sind – aber unter allen Umständen darauf verzichten sollten, das Spielfeld des jeweils anderen zu erobern. Das hat ihn auch persönlich lebenslang immun gemacht gegen jede Verlockung hoher und höchster Ämter, die ihm mehrfach angetragen worden waren.

Den politisch Verantwortlichen – egal, ob zuhause oder draußen in der Welt – ist er in all den Jahrzehnten selbstbewusst und, wo notwendig, auch unbequem-kritisch gegenübergetreten. Aber er hat unserer Profession überzeugend vorgelebt, dass Interviews keine Verhöre sind, Kommentare kein Inquisitionsbericht – und Medien keine modernen Pranger. Portisch war überzeugt, dass Demokratie zwar jede Art von Kontrolle braucht, aber ebenso ein Maß an Grundvertrauen, das von niemandem leichtfertig verletzt werden darf. Vor allem aber, dass Pressefreiheit dort endet, wo sie in Narrenfreiheit entartet.

Und noch etwas: Oft hat er Oscar Pollak zitiert, den legendären Chefredakteur der Arbeiterzeitung, der einmal gesagt hat: „Die Leser müssen spüren, dass man sie gerne hat“. Ein wichtiges Wort in einer Zeit, die den Verdacht nähren könnte, auf zwei ganz andere Grundhaltungen im Journalismus zu stoßen. Die eine: „Der Bürger ist dumm – und wir sagen ihm, was er denken soll!“ Und die andere: „Der Bürger ist dumm – also sagen wir ihm, was er hören will“. Beides steht diametral zu jenem Respekt, den Portisch vor seinem Publikum hatte.

Bleibt noch ein letztes, persönliches Wort des Schreibers dieser Zeilen: Jahrelang habe ich von einer „Hugo Portisch-Schule für Medienethik“ geträumt – sie ist leider nie Wirklichkeit geworden. Und sie wäre heute – nach dem Niedergang so vieler Institutionen und Sinnangebote – wichtiger denn je. Denn die Frage, was unsere freiheitliche, zunehmend individualistische Gesellschaft künftig zusammenhält, ist unbeantwortet. Sie aber hat unmittelbar mit der Aufgabe und Positionierung der Medien zu tun: Kann und wird der Journalismus von Morgen mithelfen können, diesen Zement des gesellschaftlichen Zusammenhalts immer wieder neu anzurühren?

Hugo Portisch hat genau diese Aufgabe oft und leidenschaftlich auch im Alleingang erfüllt: als Journalist und Volksbildner, als Patriot und Welterklärer, als Vorbild an Wissen und Gewissen – für so viele von uns.

Heinz Nußbaumer, Vorstandsmitglied des Presseclubs Concordia