Schlagwort-Archive: Panama Papers

Investigativjournalisten weltweit bedroht

Dem Tag der Pressefreiheit am 3. Mai waren in Wien gleich mehrere Veranstaltungen gewidmet. Zwei von ihnen greift unsere Autorin heraus.

Hermine Schreiberhuber *

„Die Medien reflektieren keine Vielfalt“, umriss ROG-Österreich-Präsident Fritz Hausjell im Presseclub Concordia die Situation in Österreich, dessen Rang bezüglich Pressefreiheit sich nicht verbessert hat. Der starke Absturz im Vorjahr habe sich 2023 verfestigt, so der Medienexperte, der auch im Vorstand der Vereinigung für Medienkultur aktiv ist. Hierzulande agierten Personengruppen, „die für die Demokratie schädlich sind“. Die geplante Schließung der „Wiener Zeitung“ sei „ein Affront“.

Ein besonderes Zeichen setzte am Tag der Pressefreiheit die Botschaft Maltas in Österreich. Mit dem Stück „They blew her up“ wurde im Theater Akzent der Investigativjournalistin Daphne Caruana Galicia gedacht, die 2017 bei einem Autobombenanschlag getötet worden war. Sohn Matthew war präsent. Er forderte anschließend in einem Bühnengespäch in berührenden Worten Gerechtigkeit für seine ermordete Mutter ein.

Fünf maltesische Schauspieler traten in dem Theaterstück auf, zumeist in Einzelszenen. Sie verkörperten Daphne, Sohn Matthew, Täter und Hintermänner. Aus ihrer jeweiligen Position heraus erzählten sie über Vorgeschichte, Planung, Hergang des Mordes. Erschütternd war die Schilderung Matthews, der die Bombe hörte und seine zerfetzte Mutter in ihrem gesprengten Auto vor dem Haus fand.

Hinterher sprach der echte Matthew über seine Tätigkeit in der von ihm geführten Daphne Caruana Galicia Foundation. Der Fall ist in Malta noch immer nicht voll aufgearbeitet, denn der Mord erfolgte im Geflecht eines riesigen Korruptionsskandals, der viele Staaten umfasst. Gegen einen Mittelsmann wurde erst zwei Jahre nach dem Mord vorgegangen. Es dauerte lange, bis involvierte Politiker einschließlich des damaligen Premierministers Joseph Muscat zurücktraten.

Matthew definierte seine Mutter als „eine Art negatives role model“. Der Mord war von langer Hand geplant, sagte er. Zynisch klingen die Details rund um die Ausführung der Bluttat. Die korrupte Regierung wollte sie zum Schweigen bringen. Ursprünglich sollte Daphne, die wegen ihrer gefährlichen Recherchen auf der Mittelmeerinsel schon lange im Visier der Behörden war, erschossen werden. Dann wurde die Tötung bis nach den Wahlen verschoben, schließlich auf eine in Daphnes Auto platzierte Bombe umdisponiert.

Matthew: „Meine Stiftung wendet sich an die Zivilgesellschaft.“ Heute gehe es ihm aber auch darum, das Problem der internationalen Korruption hinter dem Mord aufzuzeigen. Mehrmals reiste er nach Panama, um über den Skandal um die Panama Papers Erkundungen einzuholen. Sein Resümee: Die Hauptverantwortlichen für den Skandal sitzen auf den britischen Kanalinseln, wo Banken und Firmen ihre illegalen internationalen Geschäfte abwickeln.

Eine Stimme aus dem Publikum meldete sich daraufhin mit den Worten: „Korruption ist überall.“ Es war der Botschafter von Panama. „Panama Papers gibt es überall.“ Auf Bürger seines Staates werde heute mit dem Stinkefinger gezeigt. Doch in Wahrheit seien dutzende Staaten in den Korruptionsfall verwickelt, betonte der Diplomat.

Die Causa Daphne Caruana Galicia ist nicht der einzige Fall, der investigative Journalisten weltweit in Todesgefahr bringt. Viele werden gestalkt, bedroht, oft auch von offizieller Seite zum Stillhalten aufgefordert. „Online violence, offline attack“ nannte eine Medienexpertin diese gefährliche Methode, wenn Journalisten zuerst eingeschüchtert werden und ihnen dann ein Anschlag droht.

* Mag. Hermine Schreiberhuber, freie Journalistin, langjährige außenpolitische Redakteurin der APA, Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Wie Whistleblower verhindern?

Hans Högl

Es ist bedauerlich, dass so bedeutsame Nachrichten wie folgende zwar in Qualitätsblättern publiziert werden, aber in ihrer beiläufigen Platzierung und außerordentlichen Kürze nur dem geübten Auge auffallen:

Die EU-Kommission und das EU-Parlament wollen Whistleblower mit einer neuen Richtlinie schützen, aber Deutschland lehnt den Vorstoß für den Whistleblower-Schutz ab, zusammen mit anderen Ländern (Neue Zürcher Zeitung). Auch Österreich gesellt sich dazu: Demnach soll der Informant seine Botschaft z u e r s t seiner eigenen Firma oder Institution mitteilen, berichtet die „Wiener Zeitung“; aber 81 Prozent der befragten Europäer gaben an, beobachtete Korruption nicht gemeldet zu haben, denn sie befürchten Konsequenzen.

Ein fast vergessener Whistleblower ist Daniel Ellsberg. Er verriet im Juni 1971 die vertraulichen „Pentagon Papiere“. Diese enthielten interne US-Pläne und Gespräche auf höchster Ebene über die Vietnamkriegsführung. Ellsberg spielte diese Geheimdokumente „New York Times“ zu. Er riskierte eine sehr hohe Strafe. Aber damals entschied das US-Höchstgericht, dass das Volk ein Recht auf wahre Information hat.

Die Preisgabe dieser Dokumente trug zum Ende des Vietnamkrieges bei. Darin wurden unzählige Lügen der Kriegspropaganda „aufgeblättert“. Ähnliches wiederholte sich im Irakkrieg. Wer diese „Pentagon Papers“ als Buch liest, erfährt wie Politik auch heute wirklich fabriziert wird und dass Medienberichte gleichsam die Spitze eines Eisberges sind. Ich schrieb darüber meine Dissertation in Wien und verglich hierbei Berichte von „Le Monde“ und der „Frankfurter Allgemeinen“. Leider wurde meine Dissertation nicht publiziert.

Wege zum Ende der Steueroasen. Panama Papers als Buch

Hans Högl

Staatshaushalte der westlichen Länder sind überaus verschuldet, und durch Steueroasen fehlen Einnahmen, oder Staatsgelder wurden außer Landes verschoben. An den anonym verratenen Panama-Papers recherchierten 200 Journalisten aus 65 Ländern und publizierten im Frühjahr 2016 35 Spuren zu Staatschefs (S. 174). Zwei Autoren der „Süddeutschen Zeitung“, Bastian Obermayer und Frederik Obermaier publizierten dazu ein Buch. Ihr Anliegen ist von bleibender Relevanz. Die „Medienkultur“ greift es wieder auf.

Die Münchner „Süddeutsche Zeitung“ scheut nicht, den Münchner Konzern Siemens (S. 148 ff.) und deutsche Großbanken beim Namen zu nennen. Über viele Jahre halfen sie ihren Kunden bei deren Offshore-Versteckspiel (S. 257). Die „Süddeutsche“ zahlt Whistleblowern prinzipiell für Informationen kein Geld (S. 10).

Der Gründer der Kanzlei Mossack Fonseca in Panama ist Jürgen Mossack, geboren 1946 in Fürth. Er und sein Bruder Peter wanderten mit der Familie in den 60-iger Jahren nach Panama aus. Ihr Hauptsitz koordinierte 2013 fast 100 Gesellschaften und 100 (Schein) Firmen in 50 Büros in 30 Ländern.

Erstaunen erregen gewisse Kunden: Sozialisten und Anhänger von Hugo Chaves (S. 174), ein Cellist und Taufpate von Putins Tochter. Ihre Firmen haben den Wert einer halben Milliarde, Putins Cousin Igor ist einer der reichsten Männer Russlands (S. 175). Ein Gutteil der 100 reichsten Chinesen sind Kunden (S. 241), die über ein Vermögen von 450 Milliarden Dollar verfügen. Personen aus allen Kontinenten – auch der Hochadel – waren treue Kunden in Panama.

Die Autoren sehen in einem weltweiten  automatischen Informationsaustausch über Bankkonten und in einem weltweit transparenten Unternehmensregisters eine Lösung. Darin sind die  wahren Eigentümer von Firmen und Stiftungen zu erfassen: mit Namen, Geburtsdatum, Geschäftsadresse (S. 311-313). Der Franzose Gabriel Zucman erhellt in seinem Buch „Steueroasen“ die Methode.

Auch für Deutschland wurde ein solches Register der wahren Eigentümer und Teilhaber schon lange gefordert – von Attac, Transparency Deutschland und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Barack Obama brachte 2007 als Senator gegen den Missbrauch von Offshore einen Gesetzesentwurf in den Senat ein. Bis heute wurde er nicht angenommen (S. 314). Die USA haben ihre Festland-Steueroasen in Nevada und Delaware. Auch Großbritannien verfügt über diverse Steueroasen.

Absurd ist für die Buchautoren, dass das offene Unternehmensregister mit den wahren Eigentümern schon beim G 8-Gipfel 2013 in Nordirland „beschlossen“, aber nicht konsequent realisiert wurde (S. 315). Wird es der Politik gelingen, die Steueroasen zu schließen? Die Autoren erhoffen es aufgrund des öffentlichen Drucks.

Obermayer Bastian/Obermaier Frederik: Panama Papers. Die Geschichte einer weltweiten Enthüllung, Köln 2016. 350 Seiten. € 17,50.

 

.

Panama Papers: Eine etwas andere Sicht..

Oh wie schön ist Panama

Oskar Lafontaine*

Panama ist ein Steuerparadies. Die Reichen und Schönen dieser Welt benutzen dieses Paradies, um sich davor zu drücken, Steuern zu zahlen. 2013 wurden in unserer Presse noch deutsche Miliardäre genannt, die Firmen in Panama hatten: Piëch, Porsche, Quandt, Burda, von Finck und so weiter. Natürlich haben alle versichert, dass sie davon entweder nichts wüssten, oder dass alles völlig legal sei. Heute tauchen merkwürdigerweise diese Namen nicht mehr auf. Auch reiche US-Bürger sind bisher nicht genannt worden. Im Vordergrund steht die Berichterstattung über den russischen Präsidenten Putin, den ukrainischen Präsidenten Poroschenko, den südafrikanischen Präsidenten Zuma und den isländischen Premier Gunnlaugsson.

Ist doch merkwürdig, oder? Dazu schreibt der ehemalige britische Diplomat Craig Murray: „Leider hat der Whistleblower, dem wir die Dokumente zu verdanken haben, den schrecklichen Fehler gemacht, sich an die westlichen Massenmedien zu wenden, um die Daten zu publizieren… Da rechnen Sie mal lieber nicht mit einer schonungslosen Offenlegung des westlichen Kapitalismus. Die dreckigen Geheimnisse der westlichen Unternehmen werden auch weiterhin verschlossen bleiben. Erwarten Sie lieber Schüsse in Richtung Russland, Iran und Syrien und einige kleine ‚Alibischüsse‘ auf kleinere westliche Länder wie Island… Was wäre passiert, wenn man die Daten nach jedem Unternehmen durchsucht hätte, das an den Börsen des Westens gelistet ist und nach jedem westlichen Millionär?“

Jetzt ist das übliche Getöse bei den Wirtschaftssystem-Parteien wieder groß. Wie schon 2013. Wetten, dass alle darauf setzen, dass das Thema bald wieder in der Versenkung verschwindet? Man kennt sich doch, und die Parteispenden sind ja auch nicht zu verachten.

  • Oskar Lafontaine, deutscher Politiker (früher SPD, jetzt Die Linke) und Publizist, Ex-Ministerpräsident, Ex-Finanzminister.

http://www.nachdenkseiten.de/?p=32707