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In eigener Sache

Die nächste Hauptversammlung der Vereinigung für Medienkultur findet am 5.12.2024 ab 15.30 Uhr im Presseclub Concordia statt

Udo Bachmair

Die HAUPTVERSAMMLUNG unserer Vereinigung am kommenden Donnerstag (5.12.), zu der Sie als Mitglieder bzw. InteressentInnen in der Bankgasse 8 herzlich eingeladen sind, steht im Zeichen neuer Aktivitäten und Perspektiven. Nach den in Bezug auf öffentliche Veranstaltungen lähmenden Covid-Jahren schafft die nun glücklicherweise wieder normalisierte Situation neue positive Bedingungen auch für die Tätigkeit der Vereinigung, wenngleich sich die budgetäre Lage und die damit einhergehende eher bescheidene Zahlungsmoral unserer Mitglieder kaum gebessert hat. Da wir uns nach wie vor dazu bekennen, strikt unabhängig zu bleiben, verzichten wir auf Sponsorengelder. Vor diesem Hintergrund ein großes Danke an unsere ehrenamtlich engagierten Autoren und Autorinnen der zahlreichen Veröffentlichungen auf unserer Website www.medienkultur.at

Bilanz und Ausblick

Die Bilanz bezüglich Veranstaltungen seit der letzten Hauptversammlung ist durchaus beachtlich. Herausgegriffen sei etwa die aktive Teilnahme unserer Vereinigung an einer gut besuchten Podiumsdiskussion im März 2024 im Amerlinghaus in Wien zum Thema Krieg und Frieden und die Rolle der Medien sowie im September2024 in Kooperation mit den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg eine Diskussionsveranstaltung zum Reizthema Neutralität oder NATO. Zusätzlich habe ich als Hauptverantwortlicher unserer Vereinigung an den Fresacher Toleranzgesprächen Im Mai 2024 teilgenommen, die sich dieses Mal dem Thema „Wahrheit und Journalismus“ gewidmet haben (siehe dazu den detaillierten Beitrag auf unserer Website)

Die erfolgreichste Eigenveranstaltung unserer Vereinigung seit der letzten Hauptversammlung war zweifellos die große Podiumsdiskussion im renommierten Presseclub Concordia zur westlichen Berichterstattung über den Ukraine-Krieg. Der Andrang war enorm, mehrere BesucherInnen mussten leider abgewiesen werden, da es doppelt so viele Anmeldungen wie freie Plätze gab. Die Aufzeichnung der Podiums- und Publikumsdiskussion hatte via Youtube und Dorf TV mehr als 1000 Abrufe im Internet zu verzeichnen. Das hat nicht zuletzt die öffentliche Aufmerksamkeit für die Vereinigung für Medienkultur erhöht.

Als nächste größere Veranstaltung geplant ist eine Podiumsdiskussion zur Nahost-Berichterstattung. An einem weiteren von mir moderierten Abend wird es in Kooperation mit der Evangelischen Akademie um die Frage „Wie politisch darf Kirche sein?“ gehen.

In der Bilanz keineswegs fehlen darf die weiter gestiegene Zahl an Veröffentlichungen auf unserer Website. Vorwiegend Analysen, Kommentare zu Themen im Spannungsfeld von Politik und Medien, im Besonderen Medienkritik, Medienpolitik, Buchrezensionen, etc.. Da möchte ich besonders hervorheben das Engagement von Hans Högl, Wolfgang Koppler, Ilse Kleinschuster und anderen AutorInnen.

Namens der Vereinigung für Medienkultur sind außerdem mehrere Gastkommentare in Tageszeitungen, Zeitschriften, Magazinen und der reichweitenstarken Internetzeitung „Unsere Zeitung“ erschienen. Beispiele dafür Kommentare im Kurier, im Standard, in der Presse zu Entwicklungen im und des ORF, im Besonderen etwa zu inkompatiblem Verhalten eines Stiftungsrates namens Westenthaler sowie zum beliebten ORF-Bashing, das den besonders auch demokratiepolitischen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konterkariert.
Analysen in Magazinen von INTERNATIONAL, einem renommierten außenpolitischen Blatt, bis hin zur Zeitschrift SPINNRAD, Organ des Versöhnungsbundes oder FRIEDEN HEUTE, einer ebenfalls engagierten Monatsschrift zur Thematik „Kriegsrhetorik statt Friedensbemühungen in Politik und Medien“ komplettieren die auch öffentliche Präsenz der Vereinigung für Medienkultur.

Wir sind auch künftig bemüht, für Mitarbeit in unserer Vereinigung zu werben. Dabei geht es vor allem auch darum, junge engagierte Menschen zu gewinnen, die unsere Website mit Beiträgen bereichern. Das ist allerdings recht schwierig, trotz der Bemühungen auch von Publizistikprofessor Fritz Hausjell, Studierende für regelmäßige Mitarbeit zu motivieren. Wir werden jedoch nicht aufgeben und auch in diese Richtung weiterarbeiten.

Zu Ihrer Info liegt für die bevorstehende Hauptversammlung der Vereinigung für Medienkultur ein neuer alter Wahlvorschlag vor:

>> Udo Bachmair als Präsident
>> Hans Högl und Fritz Hausjell als Vizepräsidenten
>> Christine Grabner, Hermine Schreiberhuber, Franz Schlacher und Karl Heinz Wingelmaier als weitere Präsidiumsmitglieder

Herzlichen Dank im Voraus für Ihre wohlwollende Unterstützung !

Journalismus und Wahrheit

„Was ist wahr?“ war die Fragestellung der diesjährigen Fresacher Toleranzgespräche. In diesen Tagen erscheint das dazugehörige Jahrbuch. Einer der darin enthaltenen Beiträge widmete sich der „Wahrheitsfindung im Journalismus“.

Udo Bachmair *

Die Inanspruchnahme einer absoluten Wahrheit (im theologischen Sinn) ist und kann nicht Gegenstand journalistischer Arbeit sein. Seriösem Journalismus geht es vielmehr um den Versuch einer größtmöglichen Annäherung an die Wahrheit. Ein solcher Versuch kann u.a. mittels Recherchen aus einer Vielfalt auch alternativer Quellen erfolgen sowie durch unermüdliches Bemühen um Differenzierung. Dazu gehört nicht zuletzt ständiges Hinterfragen von Wirkung und Bedeutung traditionellen und wiederholt verwendeten Sprachgebrauchs.

Einige Beispiele dafür:

Menschen, die die wachsende Kriegsrhetorik in Politik und Medien ablehnen und auf Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg drängen, als „Putinunterstützer“ und „russische Trolle“ verächtlich zu machen, auch wenn sie gleichzeitig den Krieg gegen die Ukraine klar verurteilen, erscheint als eine der Verzerrungen von Wahrheit in der Berichterstattung. Sich in die jeweilige Interessens- und Bedrohungslage von Kriegsgegnern hineindenken zu können und daraus differenzierende Schlüsse zu ziehen, würde wahrheitsorientierten Qualitätsjournalismus ausmachen.

Ein Krieg ist immer auch ein Informationskrieg und beide Kriegsparteien machen Kriegspropaganda, unabhängig davon, wer nun der Aggressor und wer das Opfer ist.

westliche Medien stellen ukrainische Kriegspropaganda meist als Fakten dar, hingegen alles, was von russischer Seite kommt, als völlig unglaubwürdig und propagandistisch. Freilich ist es für journalistische Arbeit schwieriger denn je, auf seriöse Quellen zurückgreifen zu können, auch wenn ehrliche Absicht dazu besteht. Seriöse Quellen im Informationskrieg sind nämlich kaum eruierbar. Aber es wäre zumindest wünschenswert, Quellen zum Kriegsverlauf überhaupt anzugeben, was leider in Medien selten passiert.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dazu tragen auch einzelne Begriffe und Worte bei, wie sie auch in der sogenannten objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt wahrscheinlich nur wenigen auf, dass Äußerungen von russischen Politikern tendenziell mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc. also positiv geladene Begriffe.

Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21.Jahrhundert in Europa ein absolutes „No Go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschenrechtlich und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht und Kriegspropaganda verbreitet.

Apropos „Angriffskrieg“: Dieser vor allem von APA und ORF ständig wiederholte Begriff wird kontraproduktiv dann, wenn er allzu inflatiönär verwendet wird. Denn es könnte dadurch bei MedienkonsumentInnen der Eindruck eines von oben verordneten und verpflichtenden Wordings entstehen. Die Bezeichnung „US-Angriffskrieg“ etwa für den Überfall der USA auf den Irak und andere Staaten der letzten Jahrzehnte wäre in westlichen Medien wohl auch heute noch unerwünscht bis verpönt.. US-Kriege waren nach offizieller Lesart ja meist „Befreiungskriege“..

Ähnlich beliebt in Politik und Medien ist die häufige Verwendung des Attributs „Terror“. Es ist wahr, dass etwa die Hamas zu Recht als Terrororganisation bezeichnet werden muss. Das grässliche Massaker vom 7. Oktober hat dies eindeutig bestätigt. Die Bevölkerung von Gaza dürfte das allerdings anders empfinden. Ihre Wahrheit besteht darin, die israelische Regierung wegen des brutalen Vorgehens im Gazastreifen als „Terrorregime“ zu betrachten. Niemals würden jedoch westliche Medien einen solchen Sprachgebrauch für Israels Regierung verwenden, was ja auch nicht wirklich seriös wäre.

Jedenfalls mehren sich Tendenzen, nahezu jede Kritik an der politisch weit rechts stehenden israelischen Führung mit der Keule des Antisemitismus zu beantworten. Dieser immer wiederkehrende Vorwurf gegen politische und journalistische Kritiker Israels verharmlost im Übrigen den wahren, den rassistisch motivierten Antisemitismus.

Als einer der Begriffe, der ebenfalls als verzerrte Wahrheit daherkommt bzw. umgedeutet wird, gilt das Wort Frieden. Ein ursprünglich positiv geladener Begriff, der im Umfeld zunehmender Kriegsrhetorik zum „Friedensdiktat“ oder „Diktatfrieden“ mutiert und damit abgewertet wird.

Höchst bedenkliche Begriffe, die sich ohne größere Empörung bereits langsam aber sicher eingeschlichen haben, sind aus der Nazi-Zeit entlehnte Bezeichnungen, wie „Systemparteien“, „Volksverrat“, „Fahndungsliste“, Lügenpresse, etc.. Politische Kampfbegriffe wie „EU-Wahnsinn“ oder die Kronenzeitungs-Rubrik mit „EU-Theater“ als Überschrift auf der Leserbrief-Seite, sowie etwa auch die schon zur Gewohnheit gewordene Verknüpfung von Migration mit der Beifügung illegal, verfehlen ihre fatale Wirkung ebenfalls nicht.

Beispiele, die noch beliebig fortzusetzen wären, Begriffe und Formulierungen, die jedenfalls nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern diese weitgehend erschweren. Dabei wären ein inhaltlich abwägender und objektiver Journalismus sowie eine Abrüstung der Worte auch im Bereich der Politik von hoher demokratiepolitischer Relevanz.

* Udo Bachmair nahm als langjähriger ORF-Redakteur und Präsident der Vereinigung für Medienkultur an den Fresacher Toleranzgesprächen zum Leitthema Wahrheit teil.

Dominanz militaristischen Denkens

Höchst aufschlussreich war das jüngste ZiB2-Interview mit dem Militäranalytiker Franz-Stefan-Gady. Es zeigte, wie eiskaltes militaristisches Denken inzwischen unsere gesamte Gesellschaft erfasst hat. Und somit auch die Medien.

Wolfgang Koppler *

Gady lenkte zunächst geschickt vom Verhandlungsunwillen Selenskyjs ab (welcher diesbezügliche Gespräche erst nach einem vollständigen Abzug der russischen Truppen – also nach einem Sieg der Ukraine in Erwägung zieht), indem er sich – ebenso wie die westlichen Politiker auf den Standpunkt zurückzieht, dass Putin den Krieg ja jederzeit beenden könnte. Wobei er natürlich genau weiß, dass dieser damit sein Gesicht verlieren würde und solches daher völlig illusorisch ist. Putin hat angefangen – Punkt. Immerhin gestand der zu, dass die ukrainische Armee der russischen derzeit durchaus standhalten könne, zumal genug Munition zur Verfügung stünde. Die Unterstützung des Westens dürfe halt nicht nachlassen.

Auch Trumps Präsidentschaft sieht der Militäranalytiker nicht unbedingt als Katastrophe für die Ukraine an, zumal Trump ja auch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan gestoppt hätte, als die Gespräche mit den Taliban nicht so erfolgreich verliefen wie erwartet. Er würde wohl auch die Ukraine nicht völlig im Stich lassen.

Aber die Russen machten doch Fortschritte und man müsste die Ukrainer durch weitere militärische Unterstützung in eine vorteilhaftere Position für allfällige Verhandlungen bringen. Auch dies hat man in den zweieinhalb Jahren Krieg schon all zu oft gehört. Damit wird der Krieg mit seinem ewigen Hin und Her zu einer Endlosschleife. Zumal man sich immer wieder einredet, dass es nur Putin sei, der nicht verhandeln wolle. Während Selenskyj immer wieder dezidiert Verhandlungen ablehnt und die Russen – wenn auch mit Kriegsrhetorik und Maximalforderungen – immer wieder Signale ausgesandt haben.

Schließlich wird von Gady auch noch die Angst geschnürt, Putin könnte nach einem Kompromissfrieden nochmals angreifen. Man brauche Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dass der Westen in den Verhandlungen zu Beginn des Krieges solche abgelehnt und die Gespräche damit zum Scheitern gebracht hat, verschweigt der ORF-Studiogast. Dafür fordert er eine Erhöhung der westlichen Militärbudgets auf 3 – 4 % des BIP. Woher das Geld angesichts überlasteter Budgets kommen soll, sagt er natürlich nicht.

Gegen Ende des Interviews wird schließlich der „Personalmangel“ der ukrainischen Armee beklagt. Sie brauche neue Kräfte. Das Verheizen von Menschenleben derart zynisch zu versachlichen, ist denn doch irgendwie neu.

Zu all dem natürlich keinerlei Widerspruch von ZiB2-Moderator Martin Thür.. Wo soll das noch enden ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Palästina-Botschafter als Feindbild

Ein vom ZiB2-Anchor Armin Wolf korrekt moderiertes Streitgespräch hat in Politik und Medien dennoch für ziemliches Aufsehen gesorgt. Allen voran polemisierte der scheidende ÖVP-Spitzenpolitiker Wolfgang Sobotka gegen den ins ORF-Studio eingeladenen palästinensischen Botschafter und schwang die sattsam bekannte Antisemitismus-Keule.

Wolfgang Koppler *

Der TV-Aufreger der Woche war wohl die ZiB2-Konfrontation des palästinensischen Botschafters mit dem Sprecher der israelischen Armee, die einander nichts schuldig blieben. Sogar Nationalratspräsident Sobotka schaltete sich ein und witterte Antisemitismus. Er sah wohl eine letzte Chance, sich vor seinem Abgang noch schnell zu profilieren. Angesichts seiner schlechten Umfragewerte wohl nicht ganz unverständlich.

Tragisch, dass der kurz vor einem Flächenbrand stehende Nahostkrieg – und als solchen muss man die immer blutigeren Auseinandersetzungen zwischen Hamas, Hisbollah und Israel inzwischen wohl bezeichnen – in einem neutralen Staat wie Österreich derart missbraucht wird. Und noch tragischer, dass manche Politiker und Journalisten Österreichs problematische Vergangenheit, die neben historischer Aufarbeitung eigentlich zu einem besonderen Verantwortungsbewusstsein für Menschenrechtsverletzungen gleich welcher Art führen müsste, dazu nutzen, sich dadurch in Szene zu setzen, dass sie Netanjahu und der israelischen Rechten eine Art Blankoscheck ausstellen. Um eine ganze Region ins Unglück und das eigene Land ins Verderben zu stürzen.

Hamas und Hisbollah müssen vernichtet werden. Koste es, was es wolle. Selbstverständlich war der blutige Überfall der Hamas am 7. Oktober des Vorjahres ein Terrorakt. Aber je blutiger und risikoreicher dieser Antiterrorkrieg wird, desto mehr verblassen die Geschehnisse des 7. Oktober in den Köpfen vieler Menschen, vor allem bei jenen, die ums nackte Überleben kämpfen und mit diesem Terrorakt nichts zu tun haben. Und selbst wenn man um den Preis zigtausender Toter die Hamas aus dem Gazastreifen vertreiben könnte, würde sie woanders weiterexistieren und vielleicht würde an ihre Stelle eine noch radikalere Organisation treten. Da sind sich zahlreiche Experten einig.

Man kann das Böse nicht mit unlauteren Mitteln bekämpfen, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen und damit dem Gegner in die Hände zu spielen. Wir sind nicht Gott. Und auch Jahwe musste seinen Zorn letztlich bändigen. Um jenem Volk eine Chance zu geben, das er liebte und auserkoren hatte. Das gilt nicht inzwischen nicht nur für Israel, sondern für uns alle. Wir sind Menschen und keine Götter, Gerieren wir uns als solche, werden wir zum Teufel. Was selbstverständlich auch für andere Kriege gilt.

https://www.derstandard.at/story/3000000240388/nach-zib-2-mit-palaestina-botschafter-orf-chef-weist-kritik-sobotkas-zurueck

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

„Die da oben“ und „die da unten“

Ratlosigkeit beherrscht die politische Szenerie. Das Wahlergebnis war angesichts der Umfragen zwar nicht wirklich überraschend. Aber ein so deutlicher Abstand zwischen FPÖ und ÖVP und erst zur SPÖ war doch überraschend, für viele auch eine herbe Enttäuschung. das Wahlergebnis beflügelt zudem den Disput um „die da oben“ und „die da unten“.

Wolfgang Koppler *

Die Selbsttäuschung vieler über die Ursachen dieses auch in anderen westlichen Ländern sich abzeichnenden politischen Wandels, der vereinfachend als ein Abdriften nach rechts oder gar in Rechtsradikalismus gesehen wird, hält aber nach wie vor an. Immer noch werden solche Wahlergebnisse, aber auch die diesen zugrunde liegende Stimmung als Protest gegen „die da oben“ abgetan, dem gar keine wirklichen Missstände oder ein Fehlverhalten von Politik, Wirtschaft und Medien zugrunde lägen. Man müsse einfach politische und wirtschaftliche Vorgänge und Entscheidungen besser erklären bzw. kommunizieren, heißt es immer. wieder.

Den Ausdruck „die da unten“ verwendet man hingegen nicht. Obwohl sich Politik, Wirtschaft und Medien von Wählern, Konsumenten und Lesern bzw. Zusehern tunlichst abschotten. Kontakt erfolgt nur über Mails, die von dazu geschulten Personen gelesen und beurteilt werden und die Politiker, Unternehmer und Journalisten im Regelfall gar nicht zu Gesicht bekommen. Selbst dann, wenn sich ein ein Wissenschafter oder ein Mensch meldet, der Wissen und Erfahrungen aus der Praxis mitbringt und vielleicht echte Missstände aufzeigen könnte.

Und so lebt unsere „Elite“ – oder wie immer man Politiker, Journalisten und Manager bezeichnen mag – und selbst ihre Umgebung in einer Art Blase. Nicht viel anders als der Stammtisch. Nur eben in einer anderen Vorstellungs- und Erlebniswelt. Wobei es oben und unten dann noch verschiedene Arten von nebeneinander bestehenden Blasen gibt. Bestimmte Redaktionen fühlen sich als etwas Besonderes, ebenso wie Manager verschiedener Großunternehmen sich hie und da besser dünken als ihre Kollegen.

Trotzdem: Bildung, Geld und Macht als das, was bei uns offenbar erst den wirklich „wertvollen“ Menschen ausmacht, scheidet unsere Gesellschaft in die da oben und die da unten.

Und da wir im Westen zur Egozentrik neigen, zu einem sich selbst vergöttlichenden Wesen mit wenig Selbstkritik, dünkt sich unsere Elite oft als mehr oder weniger unfehlbar. Oder verdrängt zumindest Fehlverhalten. Sich zu entschuldigen oder gar in sich zu gehen kommt nicht in Frage. Sie können das gerne ausprobieren, indem sie einen Journalisten auf einen klar ersichtlichen Fehler hinweisen. Eine Entschuldigung oder gar ein Umdenken wird kaum einmal erfolgen.

Der Wahlkampf ist ein Kindergarten, heißt es treffend im Werbespot eines Möbelhauses. Ein wunderbares Bild für jenen infantilen Narzissmus, dem gerade unsere Eliten immer wieder zum Opfer fallen. Ohne dass sie es merken.

Und so werden Migranten zum Opfer der Politik. Auf beiden Seiten. Menschen mit Migrationshintergrund werden nämlich auch von der linken Seite benutzt. Indem sich Intellektuelle zu ihren Schutzgeistern erklären, die wenig mit der Lebensrealität von Zuwanderern zu tun haben. Sondern nur das große Wort führen; Migranten als billige Arbeitskräfte sehen und Angst vor Rechtsextremismus genauso schüren wie manche Politiker der rechten Seite die Angst vor dem Islam.

Und so werden Migranten zum Spielball der rechten als auch der linken Seite. Das aktuelle Wahlergebnis spricht Bände. Und sollte zu Selbstkritik führen, Auf allen Seiten.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Neutralität in kriegerischen Zeiten

Gut besuchte Podiumsdiskussion in Wien unter Mitwirkung der Vereinigung für Medienkultur

Udo Bachmair

„Neutralität in Zeiten von Krisen und Kriegen“ war das Thema einer viel beachteten Podiumsdiskussion* im Kultur- und Veranstaltungszentrum Amerlinghaus in Wien. Veranstaltet wurde der Diskussionsabend von den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg sowie der Vereinigung für Medienkultur.

Bemerkenswerterweise war im Wahlkampf für die NR-Wahl das Thema „Krieg 8nd Frieden“ sowie die Rolle der österreichischen Neutralität kaum ein Thema. Dabei wäre Österreich als neutraler Staat und UNO-Standort prädestiniert dafür, als diplomatischer Mediator und Initiator von Gesprächen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten aktiv zu werden. Doch eine einseitige Außenpolitik der schwarz-grünen Außenpolitik in den vergangenen Jahren – weit entfernt von Bruno Kreiskys nützlichen und erfolgreichen diplomatischen Aktivitäten – hat den Geist der Neutralität weitgehend untergraben.

Die Chance auf eine effektive friedensorientierte Außenpolitik ist ähnlich der Tatenlosigkeit der EU-Kommission sträflich vernachlässigt worden.
Darauf aufmerksam zu machen haben sich jüngst vor allem SPÖ-Chef Andi Babler und KPÖ-Vorsitzender Tobias Schweiger bemüht, allerdings weitgehend ignoriert von den heimischen Medien. Babler und Schweiger plädieren uneingeschränkt für die Sinnhaftigkeit und Aufrechterhaltung der Neutralität. Von Expertenseite sieht vor allem der renommierte Politikwissenschafter Heinz Gärtner die Neutralität Österreichs als Sicherheitsgarantie für unser Land.

Mitglieder der Initiative Engagierte Neutralität wie Bundesheer-General Günther Greindl, seinerzeit Oberbefehlshaber der österreichischen UNO-Truppe auf dem Golan, oder die beherzte Diplomatin und Ex-Botschafterin Gaby Matzner sowie der bei den Gewerkschaftern gegen Krieg besonders aktive Wilfried Leisch bekräftigten in der erwähnten Veranstaltung ihre klare Pro-Neutralitäts- und Anti-NATO-Position. Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur, gab u.a. zu bedenken, dass Politik und Medien nach der NR-Wahl Befürwortern eines NATO-Beitritt Österreichs mehr Raum für entsprechende Propaganda öffnen könnten.

Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion im Amerlinghaus, genauer gesagt der Anfangsstatements, sind unter folgendem Link abrufbar:

www.youtube.com/watch?app=desktop&v=NixOIY2N8bQ

Vom Ego zum Selbst

Mitunter findet sich auch in Boulevardblättern Interessantes. Etwa das, was NEOS-Gründer und Ex-NR-Abgeordneter Matthias Strolz zu seinem nunmehr endgültigen Rückzug aus der Politik getwittert hat.

Wolfgang Koppler

Ob Matthias Strolz sich nun wirklich für immer aus der Politik oder gar aus der Öffentlichkeit zurückzieht, ist hier nicht so wichtig. Auch nicht, ob ihm das, was er hier zu dem, was man in der zweiten Lebenshälfte anpeilen sollte, schildert, wirklich gelingt. Aber die Richtung, die er hier für unsere Persönlichkeitsentwicklung in einer besonders egoistischen und egozentrischen Kultur vorgibt, das Wesentliche worauf es ankommt, wäre für uns alle interessant. Besonders für Angehörige der so genannten Eliten aus Politik, Medien und Wirtschaft.

Zunächst beschreibt Strolz jene Egozentrik, die seiner Ansicht nach die erste Lebenshälfte prägt. Das Streben nach meist materieller Selbstverwirklichung, das die Presse vor einigen Monaten treffend als Flucht (vor dem Wesentlichen, wie etwa den Anforderungen der Gemeinschaft) bezeichnete. Strolz, der selbst nicht ganz frei von Egozentrik ist, hat da wohl auch seine eigenen Erfahrungen geschildert. Strolz nennt es etwas beschönigend, den Versuch, sich an Projekte und Menschen zu binden. Der mE wohl meist in Verlorenheit und Einsamkeit endet. Strolz meint zu Recht, dass viele dieser (materiellen Selbstverwirklichungs-)Logik bis zum Lebensende anhaften.

Und spricht Strolz unter Bezugnahme auf C.G. Jung von der Einladung in der zweiten Lebenshälfte vom Ego zum Selbst zu reifen, zur eigenen Personenmitte vorzustoßen. Was nur gelingt, wenn wir dabei „unsere Schattenseiten integrieren“. Die nachstehenden Ausführungen sind manchen vielleicht zu philosophisch oder zu esoterisch – aber das ist hier nicht so wichtig. Aber zu uns selbst, zu unseren Abgründen und dann vielleicht – wenn uns davor schaudert – zu unserer positiven Intuition vorzustoßen, das ist wohl allgemeingültig.

Und könnte für jede und jeden, vor allem aber für Politiker, Unternehmer und Journalisten wichtig sein, Um sich nicht allzu sehr in Egozentrik und Feindbildern zu verlieren, ob es der ach so unvernünftige „Pöbel“, Putin oder sonst jemand ist. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Veränderung in Medien, Wirtschaft und Politik. Und würde auch die Klagswut bei einigen eindämmen. Und die Eigenständigkeit fördern. Anstelle von Echokammern.

https://x.com/matstrolz/status/1838489030524117379?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1838489030524117379%7Ctwgr%5E8dea7ae1fa63f195f297926abff25dc48bbfe3fa%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.heute.at%2Fs%2Fpolit-knall-neos-comeback-von-strolz-abgeblasen-120060730

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Kriegsbegeisterter Ex-Politiker

Boris Johnson, konservativer Ex-Premierminister Großbritanniens, macht in Politik und Medien weiter von sich reden. Allerdings nicht zu seinem Vorteil.

Wolfgang Koppler *

Boris Johnson ist ein unfreiwilliger Narr. Er stellt mit seiner infantil-narzisstischen Art nicht nur sich selbst, sondern auch den Mainstream bloß. Zwar getraut sich sonst kaum jemand, derart offen seine Kriegs- und Tapferkeitsphantasien zur Schau zu stellen, wie es Johnson tut. Was Kriegsbegeisterung und Dämonisierung des Gegners betrifft, stehen Johnson aber auch etliche andere Politiker und Journalisten nicht nach. Ob man Putin – trotz der klar erkennbaren Kapazitätsgrenzen von russischer Armee und Wirtschaft und völlig anders gearteter Interessenlage – Angriffe auf Schweden, Finnland oder das Baltikum zutraut oder ob man immer weiter reichende Waffen statt Verhandlungen fordert – auch hier zeigt sich, dass man den Boden des Rationalen längst verlassen hat.

Da sind Johnsons Träume von der Fremdenlegion, die er am Telefon äußerte, nichts ahnend, dass am anderen Ende Komiker saßen, ja geradezu amüsant. Leider muss man schon bei Fokus Online nachsehen, um sich angesichts der falschen Kriegsbegeisterung bei dem Exzentriker Boris Johnson etwas zu erheitern.

https://www.msn.com/de-at/nachrichten/other/w%C3%BCrde-fremdenlegion-gern-selbst-anf%C3%BChren-boris-johnson-f%C3%A4llt-auf-russen-komiker-herein-und-gibt-wildes-interview/vi-AA1q6gcV?cvid=0d92246d7d8c48dcc71b4bdda0d5b5ac&ei=9

Der ehemalige Premierminister Großbritanniens Boris Johnson wurde erneut von zwei russischen Komikern hereingelegt. Das Gespräch wurde Anfang der Woche auf der russischen Webseite RuTube veröffentlicht. Während des Gesprächs gibt Johnson verschiedene bizarre Aussagen zum besten.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Neutralität und Sicherheit

Einladung zur Vorwahl-Diskussion

Mi., 11. September 2024, 19.00 Uhr

Stiftgasse 8, 1070 Wien, Amerlinghaus, Galerie, 1. Stock

Heute: Ukrainekrieg, Gazakrieg. Morgen: Nahostkrieg und noch mehr Kriege? In Zeiten von Krisen und Kriegen ist eine tatsächliche Politik der immerwährenden Neutralität Österreichs und das Auftreten gegen die Kriegstreiber in Ost und West und das Eintreten für sofortigen Waffenstillstand, Friedensverhandlungen und Frieden notwendiger denn je! Nicht nur die Politik, vor allem auch die Medien sollten dafür einen konstruktiven Beitrag leisten.

NEUTRALITÄT UND SICHERHEIT – ein Thema, das nicht den Rechten, Neokonservativen und Neoliberalen überlassen werden darf.

TeilnehmerInnen:

Udo Bachmair
Redakteur, Moderator, Präsident der Vereinigung für Medienkultur

Gabriele Matzner
Juristin; Publizistin, Diplomatin und Botschafterin a.D.

Günther Greindl
General i.R., Leiter von UN-Missionen, Präsident von Aufbruch-Österreich

Daniela Gruber-Pruner
Mitglied des Bundesrates, SPÖ, Schriftführerin des Bundesrates

Rihab Toumi
Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ) Wien

Wilfried Leisch
Gewerkschafter:innen gegen Atomenergie und Krieg / Österr. Solidaritätskomitee

Michael Kösten
Moderation
*
Veranstalter:

GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg
Vereinigung für Medienkultur

Anmeldung erwünscht: ggae@gmx.at * Freier Eintritt, Spenden erbeten * www.atomgegner.at

Medialer Einheitsbrei

Kriegsrhetorik und Jubelberichterstattung überwiegen angesichts des ukrainischen Angriffs auf russisches Territorium. Ungeachtet aller neuen Eskalationsstufen.

Wolfgang Koppler *

Geradezu beifällig berichtet der deutsche Merkur über den Einsatz deutscher Panzer bei der ukrainischen Offensive in Kursk. Es wird zwar kurz auf die Debatte über den Einsatz deutscher Waffen in Russland Bezug genommen, dabei jedoch auf die Stellungnahme des Vorsitzenden des deutschen Verteidigungsausschusses Bezug genommen, wonach es sich seit der Übergabe an die Ukraine um deren Waffen handle und Vorstöße auf russisches Gebiet völkerrechtlich Teil eines Verteidigungskrieges seien. Basta.

Kein Wort über die Gefahr einer Eskalation und erst kein Wort zur historischen Belastung, zumal im Gebiet von Kursk die letzte Offensive der Deutschen im Zweiten Weltkrieg stattfand. Auch die katastrophale Situation in der Ostukraine bleibt im gegenständlichen Artikel unerwähnt. Jubelberichterstattung, die an die Kriegspropaganda des ersten Weltkriegs erinnert. Lobend erwähnen muss man in diesem Zusammenhang Heidi Riepl in den OÖN, die die diesbezügliche westliche Kriegspropaganda kritisch unter die Lupe nahm und Marie-Claire Zimmermann, die im Interview mit Gerhard Mangott (der trotz formaler Zulässigkeit den Nutzen der Offensive in Frage stellte) die historischen und Putins Feindbild einer nazistischen Ukraine verstärkenden Bezüge erwähnte.

Der Artikel im Merkur lässt einen trotzdem schaudern. Zumal er sich inhaltlich kaum von der Berichterstattung anderer Medien abhebt. Wie kann man in einer angeblich toleranten, humanen und demokratischen Gesellschaft derart plumpe Propaganda betreiben und jegliche Kritik daran als links- oder rechtsextrem, pazifistisch oder populistisch abtun ? Wie kann man etwa die guten Umfragewerte der durchaus differenziert argumentierenden Sahra Wagenknecht damit abtun, sie spiele auf der „populistischen Klaviatur“, wie es Andreas Pfeifer in einem ZiB2-Beitrag über die ostdeutschen Wahlen vom 21.8 tat ? Während Stefan Lenglinger den Experten Hans Vorländer von der TU Dresden immerhin und nicht ganz unberechtigt fragte, ob die deutsche Bundespolitik die zu erwartenden Ergebnisse der ostdeutschen Landtagswahlen bei ihrer Haltung zum Ukrainekrieg ignorieren werde können ?

Wer hätte je daran gedacht, dass die deutschen Grünen und die CDU sich einmal in Kriegsrhetorik gegenseitig überbieten würden ? Kein Wunder, dass mainstream-Wähler sich scharenweise von der Ampelkoalition abwenden und gleich zur CDU abwandern. Geh zum Schmied und nicht zum Schmiedl…

Aber man muss dem Boulevard irgendwie dankbar sein, Er zeigt schonungslos und ohne Hemmungen, wo Politik und Medien inzwischen gelandet sind.

www.merkur.de/politik/deutsche-panzer-in-ukrainischer-offensive-gegen-russland-hohe-verluste-in-kursk-93232146.html

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien