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Neutralität in kriegerischen Zeiten

Gut besuchte Podiumsdiskussion in Wien unter Mitwirkung der Vereinigung für Medienkultur

Udo Bachmair

„Neutralität in Zeiten von Krisen und Kriegen“ war das Thema einer viel beachteten Podiumsdiskussion* im Kultur- und Veranstaltungszentrum Amerlinghaus in Wien. Veranstaltet wurde der Diskussionsabend von den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg sowie der Vereinigung für Medienkultur.

Bemerkenswerterweise war im Wahlkampf für die NR-Wahl das Thema „Krieg 8nd Frieden“ sowie die Rolle der österreichischen Neutralität kaum ein Thema. Dabei wäre Österreich als neutraler Staat und UNO-Standort prädestiniert dafür, als diplomatischer Mediator und Initiator von Gesprächen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten aktiv zu werden. Doch eine einseitige Außenpolitik der schwarz-grünen Außenpolitik in den vergangenen Jahren – weit entfernt von Bruno Kreiskys nützlichen und erfolgreichen diplomatischen Aktivitäten – hat den Geist der Neutralität weitgehend untergraben.

Die Chance auf eine effektive friedensorientierte Außenpolitik ist ähnlich der Tatenlosigkeit der EU-Kommission sträflich vernachlässigt worden.
Darauf aufmerksam zu machen haben sich jüngst vor allem SPÖ-Chef Andi Babler und KPÖ-Vorsitzender Tobias Schweiger bemüht, allerdings weitgehend ignoriert von den heimischen Medien. Babler und Schweiger plädieren uneingeschränkt für die Sinnhaftigkeit und Aufrechterhaltung der Neutralität. Von Expertenseite sieht vor allem der renommierte Politikwissenschafter Heinz Gärtner die Neutralität Österreichs als Sicherheitsgarantie für unser Land.

Mitglieder der Initiative Engagierte Neutralität wie Bundesheer-General Günther Greindl, seinerzeit Oberbefehlshaber der österreichischen UNO-Truppe auf dem Golan, oder die beherzte Diplomatin und Ex-Botschafterin Gaby Matzner sowie der bei den Gewerkschaftern gegen Krieg besonders aktive Wilfried Leisch bekräftigten in der erwähnten Veranstaltung ihre klare Pro-Neutralitäts- und Anti-NATO-Position. Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur, gab u.a. zu bedenken, dass Politik und Medien nach der NR-Wahl Befürwortern eines NATO-Beitritt Österreichs mehr Raum für entsprechende Propaganda öffnen könnten.

Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion im Amerlinghaus, genauer gesagt der Anfangsstatements, sind unter folgendem Link abrufbar:

www.youtube.com/watch?app=desktop&v=NixOIY2N8bQ

Diplomatie mehr denn je gefordert

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist wie viele andere Kriege auch ein Informationskrieg. Propaganda für die eine oder andere Seite überwiegt je nach Standpunkt und Interessenslage. Westliche Politik und Medien haben sich nach jahrzehntelanger antirussischer Feindbildpflege konsequenterweise voll auf die Seite Kiews geschlagen und plädieren mehrheitlich für die Lieferung immer schwererer Waffen. Dabei überbieten sie einander an Kriegsrhetorik. Friedensrhetorik ist kaum zu vernehmen. Vor diesem Hintergrund ist bzw. wäre eine differenzierte und deeskalierende Annäherung an diese komplexe Causa höchst nötig und sinnvoll. Ein eher positives Beispiel dafür hat nun die Politikwissenschafterin Nina Chruschtschowa geliefert. Sie war jüngst Interview-Gast in der ZiB 2
(Einleitungstext Udo Bachmair)

Wolfgang Koppler *

Nina, Chruschtschowa, die Enkelin von Nikita Chruschtschow, die seit den 90-er Jahren in der USA lebt und zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nach Österreich eingeladen wurde, war mir zwar schon seit längerem bekannt, ebenso ihre auch dem Westen gegenüber kritische Haltung. Trotzdem fürchtete ich angesichts der aufgeheizten Stimmung und des öffentlichen Druckes, dass auch sie langsam mürbe gemacht worden wäre.

Ich war angenehm überrascht. Dass sie den Angriffskrieg ablehnt, hat sie schon früher deutlich gemacht, indem sie betont hat, ihr Großvater hätte diesen Krieg niemals angefangen.

Sie lehnt aber die Kategorien Gut und Böse ab und sieht eine Mitverantwortung der USA und Europas. Die Diplomatie hätte nach den ersten Kriegsmonaten ausgesetzt, obwohl sie gerade in einem Krieg mehr denn je gefordert sei. Den Besuch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba in Peking bzw. die Vermittlungsbemühungen Chinas sah sie positiv und ließ aufhorchen, als sie meinte, dass es nun auch in der Ukraine Erwartungen gebe, den Krieg vielleicht bis Jahresende zu beenden.

Sie zeigte sich aber realistisch genug, die Chancen auf eine Friedenslösung aus heutiger Sicht als gering einzuschätzen. Die Haltung auf beiden Seiten hätte sich (Anm: nach Jahren unablässiger Kriegsführung und Propaganda) verhärtet und Putin sähe sich derzeit im Vorteil, zumal die Sanktionen nicht die vom Westen erhoffte Wirkung gezeitigt hätten.

Trotzdem sah sie Verhandlungen nicht als aussichtslos an, wobei sie es vermied, konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Wohl deswegen, weil man im derzeitigen Stadium nichts präjudizieren sollte. Die Parteien müssen selbst den Kompromiss erarbeiten und ihre Schmerzgrenzen feststellen. Sie ließ aber anklingen, dass weder das Thema Neutralität noch Gebietsfragen unüberwindbare Hindernisse darstellten.

Angenehm wieder einmal die zurückhaltende und nur die wirklich notwendigen Fragen stellende ZiB 2-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann. Mich störte lediglich die Bezeichnung „Kommunistenchef“ für Chruschtschow. Dem verstorbenen Staats- und Parteichef verdanken wir immerhin den Staatsvertrag, der in der sowjetischen Führung gar nicht so unumstritten war. Auch sein letztlich eleganter Kompromiss der zugegebenermaßen von ihm ausgelösten Kubakrise sollte nicht vergessen werden, da er zeigt, wie man mit ein bisschen Kreativität und Flexibilität auch aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herauskommt: Man entschloss sich hinter den Kulissen, nicht nur die russischen Raketen aus Kuba, sondern auch die amerikanischen aus der Türkei abzuziehen. Was im Westen lange Zeit verschwiegen wurde.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Westen ohne Verhandlungswillen ?

Ein bemerkenswertes Interview mit Robert Brieger, dem „aus Österreich stammenden höchsten EU-Militär“, unter dem Titel „Putin zeigt Schwäche“ kürzlich in den Oberösterreichischen Nachrichten sagt auch einiges aus über den außenpolitischen und militärischen Kurs des Westens.

Von Wolfgang Koppler *

Zunächst stuft Brieger die Teilmobilmachung Russlands als Zeichen der Schwäche ein. Dies ist durchaus nachvollziehbar, zumal Putin mit diesem Schritt zeigt, dass die aktive Armee nicht mehr ausreicht, um den Krieg weiterzuführen. Schlecht ausgebildete Reservisten – die zudem erst nach Monaten eingesetzt werden können – sind wohl auch nicht imstande, professionelle Soldaten zu ersetzen. Und last but not least, wird der Krieg in Russland zunehmend unpopulärer und damit auch Putin.

Interessant ist aber, welche Schlüsse Brieger (der natürlich die Politik von NATO und EU 1:1 wiedergibt) daraus für den Westen zieht.

Der jetzige Schritt Putins sei „ein Schritt zur weiteren Eskalation und wird den Krieg verlängern“.
Logisch. Aber eskaliert nicht auch der Westen, indem er Verhandlungen von Vornherein als unrealistisch abtut ?

Aber zurück zu Brieger:

Die Bemühungen des Westens, „die Verteidigung der Ukraine zu unterstützen…müssen eher noch intensiviert werden.“ Ein Nachgeben würde nämlich „das russische Regime ermuntern, weitere
Gebietsarrondierungen anzustreben.

Wie bitte ? Eine Armee, der es bis jetzt nicht gelungen ist, den Donbass zu erobern, der die Waffen und Soldaten ausgehen, soll auch noch das Baltikum und vielleicht noch Finnland überfallen können ?

Die Interviewerin stellt solche Fragen natürlich nicht, das wäre ja Majestäts- pardon EU- und NATO-Beleidigung (wobei sich die Frage stellt, wie unsere Gesellschaft und Politik ohne Diskurs und Diskussion mögliche Fehler von Politikern korrigieren will).

Sie wirft Brieger statt dessen Hölzchen, etwa mit der Frage, ob die Ukraine den Krieg noch gewinnen könne, was natürlich bejaht wird. Brieger beeilt sich dabei hinzuzufügen, dass es dabei „nicht um eine bedingungslose Kapitulation Russlands“, sondern „um eine Wiederherstellung der bedingungslosen Souveränität der Ukraine“. Diese könne bei entsprechender Unterstützung militärisch so erfolgreich sein, dass „Russland zum Verhandeln gezwungen ist“. Was wird dann noch verhandelt werden ? Angesichts der Aussagen Selenskyjs, aber auch der Stimmung in der Ukraine und im Westen wird wohl niemand glauben, dass dann über eine Neutralität der Ukraine verhandelt wird oder auch nur das Minsker Abkommen oder irgendwelche Minderheitenrechte noch irgendeine Zukunft haben.

Von der Zukunft Russlands ist im Interview erst gar nicht die Rede. Dass dort nach einer Niederlage plötzlich die Demokratie ausbrechen würde, scheint man nicht einmal mehr in Brüssel zu glauben.

Demgemäß ist am Schluss des Interviews auch nur mehr von der Verteidigungsfähigkeit Europas und verstärkten Rüstungsanstrengungen die Rede. Die Frage ist nur: Wer soll uns nach der von Brieger prognostizierten Niederlage Russlands (im Kampf um ein Gebiet anderthalb mal so groß wie Österreich) noch angreifen ?. Die Chinesen ? Mit einer Mittelmeerflotte ?

Pikantes Detail am Rande: Brieger will den Einsatz taktischer Atomwaffen durch Russland nicht ganz ausschließen und spricht auch von einer Ausbildungsmission für die Ukraine u.a. in ABC-Waffen, wenn er auch deren Einsatz für nicht sehr wahrscheinlich hält. Wahnsinn scheint wirklich ansteckend. Und die Propaganda bei uns scheint inzwischen ähnlich dümmlich wie die Putins. Nur dass in Russland wenigstens 40 Bürgermeister ihren Unmut zeigen. Und einige mutige Demonstranten.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien.

Werben für gewaltlose Politik

Wer hätte das vor wenigen Wochen noch gedacht, dass Gewalt und Krieg in Europa wieder die Oberhand gewinnen würden.

Udo Bachmair

Es ist wahrlich unfassbar, nach einer langen Friedensphase nun zurückgeworfen zu sein auf kriegerische Konfliktlösung offenbar jenseits jeglichen zivilisatorischen Fortschritts, den man bis vor kurzem noch als existent und erreicht betrachtet hatte.

Der Aggressor im Ukraine-Krieg ist klar zu benennen. Es ist Russlands Präsident Wladimir Putin. Doch seine völkerrechtswidrige Invasion der Ukraine ist nicht zu verstehen ohne eine bereits jahrelang zuvor vom Westen und der NATO massiv betriebene Feindbildpflege. Russland ist von westlicher Propaganda in Politik und Medien beharrlich zum Feindbild Nummer 1 aufgebaut worden.

Die provokative NATO-Erweiterung bis an die Grenzen Russlands hat auch nicht gerade zur Besänftigung russischer Ängste beigetragen. Ganz im Gegenteil: Angesichts des aggressiven Charakters der NATO, wie die letzten 3 Jahrzehnte zeigen – Beispiele Irak über Jugoslawien bis Libyen – erscheint russische Besorgnis nicht unverständlich.

Machen wir uns nichts vor: Auf beiden Seiten eines Krieges wird Propaganda als Mittel der Kriegsführung eingesetzt. Unabhängig davon, ob Propaganda aus einem westlich demokratischen Bereich oder einem autoritär geführten Staat wie Russland kommt. Warum etwa US-Propaganda „wahrer“ sein sollte, Beispiel die Fakes zur Begründung des Angriffskrieges auf den Irak, entzieht sich jeder vernünftigen Beurteilung,

Was nun Gebot der Stunde ist, ist weitere Eskalation des Ukraine-Krieges, weitere Tote, weiteres Leid zu verhindern. Das kann nicht durch weitere Aufrüstung der Ukraine und den Einsatz tausender Söldner aus dem Ausland erreicht werden, sondern durch diplomatische Beweglichkeit. Diese aber lassen beide Kriegsparteien vermissen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wichtig und sinnvoll in Zeiten wie diesen sind besonnene Stimmen aus Politik und Medien mit unermüdlichem Werben für eine gewaltlose Politik. Eine dieser Stimmen ist die von Sepp Wall-Strasser, Theologe und Wirtschaftswissenschafter. Der SPÖ-Bürgermeister der oberösterreichischen Stadt Gallneukirchen hat eine entsprechende Botschaft via Facebook verbreitet:

„Viele fordern jetzt, Putin zu töten ( „Kopfgelder“ ; Timoschenko „er ist das absolute Böse, wir sind das Licht“ => das Böse muss ausgerottet werden; Forderung eines regime-change,…). Sollte dies passieren, müssen wir damit rechnen, dass dieses Riesenreich in unkontrollierbare Auseinandersetzungen, und, von nationalistischen, rechtsextrem und/oder religiös-fundamentalistisch motivierten Bewegungen und Parteien angetriebenen Kämpfen im kriegerischen Chaos endet. Ein Libyen oder Syrien von Moskau bis Wladivostok… Hirn-und strategieloser können solche Forderungen nicht sein. Es müssen JETZT Schritte für nichtkriegerische Lösungen gefunden werden.

Die Fortsetzung der Dämonisierung und Heroisierung verschlimmert die Lage von Tag zu Tag. Und was gewinnt die Welt dabei? Auch nach Millionen Toten muss irgendjemand zu verhandeln beginnen. Nur weiss niemand, wer bis dahin überlebt hat, und – falls es „Freiheit“ gibt- für wen? Bereits seit Jahren denkt Politik – sowohl „westliche“ wie „östliche“ lmmer mehr in militärischen Kategorien. Dies fällt uns jetzt auf den Kopf. Verhandeln, friedliche Koexistenz, empathische Politik, Zugestehen von historisch bedingten Ängsten und Interessen werden als Schwäche ausgelegt. So kommt es zu „Kränkungen“ und Demütigungen (die nach Haller regelmäßig ihren Ausweg in der Rache suchen). „Recht haben/kriegen“ klafft da auseinander/ kann zum Gegensatz werden zu einer Politik der klugen Lösungen.

Wie sehr sich die Stimmung seit der Nachkriegszeit geändert und die Politik verrannt hat zeigt das Beispiel Deutschland. Während man nach zwei Weltkriegen besorgt war, dass Deutschlands Politik in aller Zukunft auf Demilitarisierung ausgerichtet sei, musste es sich in den letzten Monaten in die Ecke treiben lassen, wieso es KEINE Waffen liefere. Und dann gab es standing Ovations für das größte Aufrüstungsprogramm ever… Dieser Krieg heute ist das Erbe von 30 Jahre unvernünftiger Politik. Wir können es kaum noch ändern. Aber die fatalen Entscheidungen dieser Tage legen die Grundsteine für die Katastrophen von morgen.

Wir sind immer großteils die Erben der Politiken der vergangenen Jahre. Daher müssen wir uns lösen von deren Fesseln und auf eine Politik der nichtkriegerischen und gewaltfreien Politik zurückkommen, wie sie in Ansätzen nach dem Trauma des 2. Weltkrieges doch größere Teile der Politik beherrscht hat. Heutiger Mainstream lässt Politiker wie Roosevelt, Palme, Brandt und Kreisky gar nicht mehr zu. Gesiegt haben die, die ihrem Land die Position „Number ONE“ versprechen, das „Kämpfen bis zum letzten Mann“, die Rettung der heiligen Heimaterde… Vielleicht kann uns eine neue Form der Friedensbewegung, die wir jetzt beginnen müssen, noch retten. Aber es wäre das erste Mal, dass so eine sich durchsetzt VOR der großen Katastrophe. Vielleicht rettet uns diesmal schlicht und einfach die banale Tatsache, dass Biden und den USA der Krieg mit Russland nicht reinpasst, weil sie sich auf die Konfrontation mit China eingestellt haben.“

Dunkle Seite der Politik. Propaganda, Lügen….

Medientipp: Social Media als Propagandamaschine.- Mit den Waffen der Werbung. Die alte neue Rechte (Gesellschaftsdokumentation)

Hans Högl

Themenabend in ARTE am Die 5. Oktober ab 20:15

20:15: Propagandamaschine Social Media. Dokumentarfilm
21:45 Der Königsmacher. Mit den Waffen der Werbung: Ein Londoner Politikberater machte aus der Manipulation von Demokratien ein florierendes Geschäft. Doku

23:15 Die alte neue Rechte.Sie widersetzt sich der offenen und liberalen Gesellschaft.In der Doku werden Geschichte und Gegenwart der sogenannten neuen Rechten nachgezeichnet.

Afghanistan: Berichterstattung in der Kritik

Afghanistan beherrscht zurzeit die Berichte, Analysen und Kommentare der Medien. Da diese wie bei anderen globalen Konflikten größtenteils auf Quellen der 3 großen westlichen Agenturen zurückgreifen, entsteht der Eindruck eines journalistischen Einheitsbreis.

Udo Bachmair

Das komplexe Konfliktfeld Afghanistan ist in aller Munde, zentrales Thema auch der außenpolitischen Berichterstattung. Der heutige Gastautor beschäftigt sich mit Aspekten, die in unserer von westlicher Sicht der Welt dominierten Medienwelt zu wenig Beachtung finden. Daher erscheint es angebracht, Ihnen exemplarisch den folgenden an das Linzer Volksblatt gerichteten Leserbrief eines besonders engagierten weltpolitischen und medienkritischen Beobachters nicht vorzuenthalten.

Peter Öfferlbauer*

Wertes Volksblatt,

ohne Anspruch auf Vollständigkeit habe ich in den letzten Monaten im Volksblatt weit über ein Dutzend Beispiele der akribischen Beschäftigung des Herrn Maurer mit dem sog. Islamismus gefunden:
Personalien, z.B. ein provokanter Politologe, der Rücktritt der Frauenvertreterin im IGGÖ, Probleme, die sich liberale Muslime einhandeln, die kontroverse Islamlandkarte, und immer wieder: die „Gefahr des politischen Islam“. Zuletzt am 21.8. ist es dem VB wieder eine ganze Seite wert: das „Taqiyya-Prinzip“, die talibanische Verschleierungstaktik.

Was soll man aber von einem Journalismus halten, der sich einseitig an allem kritisierbaren von Moslems festsaugt, für den aber der kolossale Größenunterschied des Tarnens und Täuschens der USA keine Rolle zu spielen scheint: die Brutkastenlegende und die erfundenen Massenvernichtungswaffen, die Kriegslügen, mit denen die USA die Welt über die beiden Irakkriege zu täuschen versuchten? Jeder unbefangene Mensch sieht, dass diese beiden Kriege unvergleichlich mehr Unheil angerichtet haben als die Beispiele des politischen Islam, in denen Herr Maurer so kriminalistisch und seitenfüllend herumstochert.

Immer wieder: die „Gefahr des politischen Islam“! Ist das dem Parteiblatt der Nachfolgerpartei des politischen Katholizismus, des Austrofaschismus, etwa deshalb so viele Druckseiten wert, weil einen, wie die Psychologie lehrt, nichts so sehr ärgert, wie die eigenen Fehler bei anderen Leuten?

Die Bestätigung des Urteils des Kriegsverbrechertribunals gegen Mladic oder dass sich das Massaker von Srebrenica an über 8000 Moslems zum 30.Mal jährte, war Herrn Maurer offenbar keine Zeile wert. Wohl auch nicht das Massaker von Christchurch, von Hanau, die NSU-Morde und dazu die jahrelange Blindheit der deutschen Strafverfolgung…

Welche Seite hat wohl mehr Gründe, die andere zu fürchten? Kolonialismus, die westlichen Angriffskriege und Interventionen in islamischen Ländern, die Gründung Israels auf Kosten der Palästinenser, die Entscheidung des Westens gegen Nassers säkulare Entwicklung, für die wahabitischen Saudis, das alles scheint für Herrn Maurer keine Rolle zu spielen.

Welchen Eindruck wird sein Schreiben bei Lesern hinterlassen, die nicht die Möglichkeit oder Zeit haben, sich ausgeglichener zu informieren und zu bemerken, dass er Mücken seiht und Elefanten schluckt? Den Splitter im Auge der andern, aber den Balken im eigenen Auge nicht sieht? Wenn schon nicht Verhetzung, so jedenfalls Täter-Opfer-Umkehr, Schüren von Vorurteilen, Verängstigung – dafür bietet das VB Herrn Maurer seitenweise Platz?? Ist das in ihren Augen professioneller, möglichst objektiver, informativer, dem Frieden und der Völkerverständigung dienender Journalismus – oder einseitige Propaganda?

Den Willen zu Objektivität bräuchte es aber, um aus den eigenen Fehlern lernen zu können, wie das jetzige Afghanistan-Debakel zum x-ten Mal zeigt.

Dr.Peter Öfferlbauer, Wels


* Der Autor des Gastbeitrags, ehemaliger AHS-Professor in Wels, ist engagiertes Mitglied der Vereinigung für Medienkultur sowie der linkskatholischen Vereinigung Pax Christi.

EU: Hetze gegen Russland?

Russland-Bashing hat in westlichen Medien Tradition. Aber auch im EU-Parlament nutzen Mandatare die Gelegenheit für „Hetze gegen Russland“, wie Medienvertreter beobachtet haben wollen.

Udo Bachmair

Im EU-Parlament in Brüssel hat der Hohe Vertreter der EU für die Außenpolitik, Josep Borrell, von seinem missglückten Besuch in Moskau berichtet. Russlands Außenminister Lawrow hatte Borrell, bekannt u.a. für antirussische Äußerungen, in Moskau kalt abblitzen lassen. Das entspricht freilich nicht guten diplomatischen Umgangsformen. Andererseits ist die russische Reaktion insofern verständlich, als feindliche Töne jüngst auch aus der EU immer lauter geworden sind. Zudem ist die Union in den letzten Jahren nicht gerade mit besonderer Dialogbereitschaft gegenüber Russland aufgefallen.

Die meisten Medien stehen in der Auseinandersetzung EU/Russland nahezu ausnahmslos auf Seiten des Westens und der NATO. Russische Positionen haben weitgehend das Nachsehen. Antirussische Emotionen sind offenbar auch im EU-Parlament spürbar, wie der Redaktionsleiter der deutschen Medienplattform Snanews, Andreas Peter, berichtet.

Im Sinne von Medienkultur und Ausgewogenheit sozusagen als Gegengewicht zu antirussischen Kalte-Kriegs-Kommentaren hat Udo Bachmair folgenden Ausschnitt aus dem Beitrag von Andreas Peter ausgewählt :

„Wer die Rednerliste der EU-Debatte nach der Rückkehr Borrells studierte, konnte schon vorher und auch ohne sie verfolgt zu haben voraussagen, mit welchen Versatzstücken von antirussischer Propaganda der Eindruck erweckt werden sollte, der Westen, die EU, das EU-Parlament wären in der moralischen Position, um anderen Staaten Belehrungen in Sachen Menschenrechte zu erteilen oder sich zum unparteiischen Richter aufzuschwingen.

Tatsächlich verlief die ziemlich genau zwei Stunden dauernde Debatte zum überwiegenden Teil in genau jener aggressiven und arroganten Tonalität, die problemlos auch als Synchronisationsspur einer beliebigen Parlamentsdebatte eines westeuropäischen Staates der Zeit vor dem Berliner Mauerfall dienen könnte, die sich mit der Sowjetunion befasste.

„Menschenrechte“ – schon immer das Alibi des Westens für Einmischung in andere Länder

Es ist immer wieder atemberaubend zu erleben, wie viele Abgeordnete im Brüsseler EU-Parlament ihre Masken angeblicher Demokraten abzunehmen bereit sind, wenn es gegen Russland geht. Auch wenn die Namen dieser Damen und Herren regelmäßig auf den Rednerlisten von Debatten auftauchen, in denen angeblich über Menschenrechte und Demokratie in Russland diskutiert werden soll, in Wahrheit aber nur beklagt wird, dass Russland partout nicht nach der Pfeife des Westens tanzen will, überrascht dann doch die brutale Ehrlichkeit, mit der diese „Demokraten“ offenbaren, dass „Menschenrechte“ für sie eigentlich nur ein Vehikel sind, um einen Machtwechsel in Russland zu erzwingen, der dem transatlantischen Verständnis von Demokratie entspricht, was de facto bedeutet, Russland als geopolitischen Akteur auszuschalten, damit der Westen erneut seine selbsternannte Rolle als Hegemon der Welt spielen kann, was als „Export von Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit“ verbrämt wird.“

( Kommentar von Andreas Peter, snanews )

Das politische Geschäft verstehen. Preisgekrönter Film „Borgen“ –

Medientipp: Hans Högl

Kein geringer als der österreichische Bundespräsident Van der Bellen bezeichnete die dänische Filme BORGEN als exzellente Einführung ins politische Geschäft, wie eben große Politik wirklich gemacht wird. Es handelt sich um die vielfach preisgekrönte Serie Borgen um Macht, Intrigen, die Rolle der Medien.

In diesem Sinne verweise ich auf

BORGEN- Gefährliche Seilschaften. Auf die charismatische dänische Ministerpräsidentin warten neue Herausforderungen. Ein schwerer Angriff der Taliban stellt die Afghanistanpolitik in Frage. Am Hindukusch sterben dänische Soldaten. Wie reagiert die Ministerpräsidentin.- Im 2. Teil geht es ferner darum, wer EU-Kommissar(in) wird. Und schließlich um gefährliche Seilschaften.

in: ARTE Do 26.9. ab 22.50

Alle Staffeln sind bis 15.12 in der Arte-Mediathek.

NB, Am Freitag, den 27.9 sendet ARTE um 9.50 die Doku Propaganda. Wie man Lügen verkauft (NB. Als derjenige, der diese Tipps gibt, möchte ich mitteilen, dass ich selbst oft Filme programmiere und erst zu einem späteren Zeitpunkt ansehe. Das erlaubt mit das Kabelfernsehen.

Medien mit „Tunnelperspektive“ ?

Udo Bachmair

Die jüngste Podiumsdiskussion im Presseclub Concordia, veranstaltet von der Vereinigung für Medienkultur, war wieder von großem Publikumsinteresse begleitet. Kein Wunder, gab es zum gestellten Thema „Tendenzen außenpolitischer Berichterstattung“ gleich mehrere spannende Wortmeldungen. Etwa zur Frage, warum denn Kriterien der Ausgewogenheit für Auslandsressorts unserer Medien nicht oder nur eingeschränkt gelten sollten.

Auch in einem öffentlich-rechtlichen Medium wie dem ORF fällt bei noch so komplexen Themenbereichen, wie dem Syrienkonflikt usw. immer wieder unverhohlene Parteinahme für eine Seite der Konfliktparteien auf. Ganz zu schweigen von Informationen über antikapitalistisch geführte Staaten wie Kuba oder Venezuela. Das überrascht nicht. Denn Grundlage für die meisten Auslandsberichte in unseren Mainstream-Medien sind nur wenige große Nachrichtenagenturen, die trotz beteuerten Objektivitätsanspruchs eine bestimmte (USA- und NATO-orientierte) weltpolitische Sicht vermitteln. Beispiele: Assad böse, Opposition gut. Oder: Putin böse, EU und Ukraine gut. Differenzierung bleibt da oft weitgehend auf der Strecke..

Die renommierte Forschungsgruppe Swiss Propaganda Research hat zum Thema kürzlich den Bericht eines Schweizer Journalisten veröffentlicht, der sich gegen von ihm erwarteten Mainstream zugunsten einer Seite des Meinungsspektrums nicht unterwerfen will. Um seine künftige berufliche Existenz nicht zu gefährden, ist der Name des Autors nicht veröffentlicht worden. Unter anderem schreibt er unter dem Titel

Die Tunnelperspektive der Mainstream-Medien

Meine Strategie war immer, drinnen die subtile Gegenstimme zu sein, immer so weit zu gehen wie möglich. Als Redaktionsmitglied und Ressortleiter habe ich über Jahre versucht zu verstehen, wie Entscheide, in diese oder jene Richtung zu publizieren, zu Stande kamen – und wie ich sie beeinflussen konnte, ohne als zu konträr oder destruktiv zu gelten.

Natürlich habe ich riskiert, die rote Linie zu überschreiten und habe sie auch überschritten und dafür gebüßt. Ich habe den Chefredaktoren und anderen Ressortleitern gesagt, wenn ich ihre Thesen falsch fand, ich habe argumentiert, gestritten, resigniert. Für die einen galt ich als Gewissen der Redaktion, an anderen perlte alles ab und weitere versuchten mich zu untergraben. Wenn der Alltag unerträglich wurde, half meistens ein Redaktionswechsel. So arbeitete ich bereits für diverse Schweizer Tages- und Wochenzeitungen, das Fernsehen, Agenturen und weitere Medienformate.

Die Entscheidungsprozesse, die zum jeweiligen Fokus und zur Gewichtung von Berichten führen, erscheinen für einzelne Journalisten vielfach beliebig und oft ist unklar, wie sie zustande kamen. Doch die Entscheide basieren auf einer klaren Wertehaltung, die viele Perspektiven ausblendet, sowie einer Quellenlage, die sehr selektiv ist.

Dieses Fahrlässige, dieses Diffuse und Beliebige habe ich immer als Wursterei empfunden. Doch die Würste, die herauskamen, waren immer sehr normiert – konform mit einer Weltanschauung, wo schon immer klar ist, wer der Gute und wer der Böse ist. Schließlich stammen die Quellen, wenn man sich das genau überlegt, vor allem von der „guten“ Seite.

Das Grundproblem des Mainstream-Journalismus ist nicht, dass er bewusst einer Ideologie folgt oder bewusst eine Weltanschauung vertritt, sondern vielmehr seine Beliebigkeit, sein vorauseilender Gehorsam und die Selbstzensur, der wichtige Fragen und Quellen entgehen. Die Tunnel-Perspektive ist selbstauferlegt.

Man kann der breiten Palette der Journalisten und Journalistinnen vieles vorwerfen. Aber, wenn sie merken würden, dass sie offensichtlich gesteuert würden oder einem vorgegebenen Narrativ folgen müssten, dann hätten wohl viele genügend Rückgrat und Know-how, um sich zu widersetzen.

Dass sie bereits Teil eines bestimmten Narrativs sind und gewisse Denkmuster verinnerlicht haben, dieses Bewusstsein fehlt jedoch weitgehend.

Das ist besonders auffällig in der Auslandberichterstattung. Dort herrscht die US-EU dominierte Sicht- und Erklärweise der Weltereignisse vor. Ich fragte mich über die Jahre oft, mit wem die Korres­pon­denten vor Ort sprechen und sich auseinandersetzen.

Bei internationalen Konflikten wie in der Ukraine oder Syrien dominiert die Sicht der USA. Bei Terroranschlägen dasselbe.

Der Propaganda wird nur die „böse“ Seite bezichtigt.

Es besteht keinerlei Bereitschaft/Anlass, die bestehenden Feindbilder zu hinterfragen. Aufgrund der Verarbeitung der Informationsflut, vor allem aus dem Ausland (Agenturen), bleibt keine Zeit für Grundsätzliches.

Es ist nicht so, dass es vor 20 bis 30 Jahren auf den Redaktionsstuben keine Selbstzensur, Gleich­schaltung, vorauseilenden Gehorsam und Tunnelblick gegeben hätte. Doch die Rahmen­bedingungen in den heutigen „Redaktions­fabriken“ der Mainstream-Medien fördern geradezu den ideologielosen, opportunistischen, Klick-orientierten Journalismus, dem die wichtigen Fragen entgleiten.

Desinformation gefährdet Demokratie

Hans Högl – Buchrezension zur Medienforschung

Bedeuten Fake News das Ende der informierten Gesellschaft? Der renommierte Journalistik-Professor und Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl untersucht die digitale Bedrohung der Demokratie und mögliche Lösungen in seinem neuen Buch.

Das Vertrauen in die Medien ist beschädigt. Spätestens seit Pegida-Trupps auf der Straße „Lügenpresse“ skandieren, wird der Glaubwürdigkeitsverlust des Journalismus öffentlich diskutiert. Dabei verbreiten nur wenige Redaktionen absichtlich Falschinformationen.

Stephan Russ-Mohl zeigt auf, warum es sich für bestimmte Akteure lohnt, vor allem über soziale Netzwerke Falschinformationen und Konspirationstheorien zu verbreiten. Immer raffiniertere Propaganda, hochprofessionelle Public-Relations-Experten, aber auch Roboter in sozialen Netzwerken („social bots“), darüber hinaus die Algorithmen und die Echokammern von Google, Facebook etc. tragen ihren Teil dazu bei, dass die Desinformation überhandnimmt. So gibt  es vermehrt Akteure, die aus machtpolitischen Motiven an medialer Desinformation und an einer Destabilisierung unserer Demokratie interessiert sind oder die aus kommerziellen Motiven eine solche Destabilisierung in Kauf nehmen.

Russ-Mohl geht über die Risiken und Nebenwirkungen (un„sozialer“ Medien hinaus und schlägt Lösungen vor. Dessen Hauptfrage lautet, wie sich der wachsende Einfluss der „Feinde der informierten Gesellschaft“ eindämmen lässt, darunter sind Populisten, Autokraten und deren Propagandatrupps. Könnte zum Beispiel eine „Allianz für die Aufklärung“ etwas bewirken, der sich seriöse Journalisten und Wissenschaftler gemeinsam anschließen?

Stephan Russ-Mohl Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde. Warum die Digitalisierung unsere Demokratie gefährdet, Köln, Oktober 2017. 280 Seiten, mit Personenregister.

Über den Autor: Stephan Russ-Mohl ist Prof. für Journalistik (Universität Lugano, Schweiz) und leitet das European Journalism Observatory (www.ejo-online.eu). Von 1985 bis 2001 war er Publizistik-Professor an der FU Berlin. Er studierte Sozial- und Verwaltungswissenschaft an den Universitäten München, Konstanz und Princeton. Der Autor hat zeitweise in den USA (Stanford Univ.) und in Italien gelebt.