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„Fighting chance“ für die Demokratie

Überlegungen zu Hans Rauschers „Einserkastl“ im STANDARD mit dem Titel „Österreich ist ein rechtes Land, oder?“

www.derstandard.at/story/3000000241244/oesterreich-ist-ein-rechtes-land-oder

Ilse Kleinschuster *

Ja, ich glaube mit Hans Rauscher, dass eine faschistoide Grundströmung in Österreich zwar vorhanden, aber längst noch nicht dominant ist. Und ich nehme auch an, dass „viele es noch verdrängen, wohin die Reise geht“. Ich kann schwer zustimmen, wenn er schreibt, dass der Rechtspopulismus in den Rechtsextremismus hinübergleitet, und dass dies wohl noch nicht genug Leute erkannt hätten.

Ich habe aber ein sehr murmeliges Gefühl, wenn Rauscher meint, dass die liberalen Demokraten schließlich erkennen müssten, dass der Faschismus nichts als Bluff – und die „Wir sind unausweichlich“-Rhetorik von Kickl lachhaft sei – solange nicht das eintritt, was die politische Theorie den „Kipppunkt“ nennt. Tja, ich bekomme Gänsehaut, wenn er schreibt, „wenn die Situation danach ist, genügen 30 Prozent, um ein Land in die Autokratie zu drehen“. Ich fürchte, es stimmt, dass es Anzeichen gibt für eine solche Bewegung, und ich bin froh darüber, dass Rauscher offensichtlich seine Leserschaft ernstlich warnen will und mit den abschließenden Worten schließt: „aber die liberale Demokratie in Österreich habe jetzt noch einmal eine „fighting chance“.

Ergreifen wir also die Aufforderung zur fighting-chance! Wie und was können wir tun, um Österreich (wieder) ein Land werden zu lassen, das sich nicht der Tyrannei von Minderheiten beugt, ein Land, in dem die Menschen friedlich miteinander umgehen, weil sie die Tagesordnung mitbestimmen. Ich denke und hoffe, dass nach wie vor soziale Bewegungen die wahltaktischen Überlegungen unserer Politiker beeinflussen (können), indem sie reformwillige Wähler mobilisieren. In Österreich haben wir eine starke soziale Bewegung gegen rechts, die hoffentlich auch bald das derzeitige Rauschen im Cyberspace übertönen kann. Meiner Ansicht nach ist die Arbeit an der Unterdrückung dieses Rauschens nur möglich, wenn wir demokratiefreundliche, konstruktive Informationsvermittlungs-Institutionen so stärken, dass sie existenziell unabhängig arbeiten können.

Kurz: Wir brauchen wieder Institution, denen wir vertrauen können! Eine Institution, die auch Lösungen verbreitet, die oft zunächst als unbequem oder als unsozial abgelehnt werden, weil sie nicht im Sinne des allgemeinen Wohlergehens verständlich genug medial aufbereitet worden sind. Ich meine, das sind doch in erster Linie sg. Qualitätsmedien, die notwendig sind, um die rechtsstaatliche Demokratie vor dem Rauschen zu schützen und ihre Arbeit an einem Wandel, der den Herausforderungen des 21.Jahrhundert gerecht werden kann – z.B. Klimagerechtigkeit! – ermöglichen. Das Vertrauen in Qualitätsmedien ist eine Voraussetzung dafür, dass Bürger*innen teilhabefähig sind. Um aber gute Arbeit leisten zu können, brauchen auch Redakteur*innen und ihre Medien unabhängige Finanzierung und Aufsichtsgremien, die der Unabhängigkeit verpflichtet sind.

• Ilse Kleinschuster ist ein besonders engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft und lebt in Wien

Die Solidarwerkstatt: Eine Würdigung

Man muss inhaltlich nicht mit allem einverstanden sein, um dennoch festzuhalten, dass Vereine und Publikationen, die eine konstruktive Gegenöffentlichkeit darstellen, demokratiepolitisch unverzichtbar sind. Als Beispiel dafür gilt die „Solidarwerkstatt“.

Udo Bachmair

Der besonders engagierte Verein „Solidarwerkstatt“ mit seinen Veranstaltungen, Aktionen, Rundbriefen und dem Werkstatt-Radio sieht sich immer wieder Kritik vor allem rechter Kreise ausgesetzt. Diese lassen kein gutes Haar an der Initiative, die sie im ganz linken Eck verorten. Ein Hauptvorwurf besteht zudem darin, diese Vereinigung würde sich in nichts Anderem als in maßlos überzogener Kritik ergehen.

Was tut und vertritt diese „Solidarwerkstatt nun, die laut Statut ein unabhängiger Verein ist :

>> Sie tritt u.a. ein für eine radikale ökosoziale Wende, für Frieden und Neutralität, für den Kampf gegen Armut
>>Sie übt heftige Kritik etwa daran, dass die Mieten den Löhnen immer mehr davongaloppieren
>>Sie wehrt sich vehement etwa gegen eine Zweiklassenmedizin sowie gegen eine „Schuldenbremse“ als „Investitionsbremse“,
>>Sie sagt ein klares Nein zu einem Abbau der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung,
>>Sie ist auch bekanntgeworden durch ihre Kampagne gegen TTIP und CETA sowie für einen Fairen Handel statt dem Freihandel,
>>Sie will die EU demokratisieren und sie von den Interessen der Großkonzernen befreien
>>Sie kämpft mit Leidenschaft gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Eine recht unvollständige Aufzählung all dessen, was die „Solidarwerkstatt“ an Positionen und Aktivitäten vorweisen kann. Ein Verein, ausgestattet mit geringem Budget, größtenteils auf Basis von Spenden. Ehrenamtliche investieren viel Zeit und Energie.

Die „Solidarwerkstatt“ ist als Initiative zu würdigen, wenngleich einzelne Punkte wie ein eher generelles Nein zur EU oder die Empfehlung an die Grünen, dem „K+K“-Regierungsprogramm kein grünes Licht zu geben, doch ziemlich diskussionswürdig sind.

Die jüngst wieder aufgetauchte Kritik am insgesamt zu kritischen Kurs der „Solidarwerkstatt“ ist aber im Fall besonders engagierter NGOs und Vereine nicht immer fair. Dies ist bedauerlich, denn in Österreichs Vereins- und Medienlandschaft sind Initiativen und Publikationen, die gut recherchierte alternative Informationen anbieten, eine Rarität.

Eine kritische Gegenöffentlichkeit, auch wenn sie im gegenständlichen Fall noch so klein ist, kann demokratischen Diskurs positiv beleben. Im Sinne von Humanität, Menschenrechten, Solidarität.