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Auf Augenhöhe

Lob für ORF-Redakteurin Rosa Lyon für eine weitere einfühlsame Reportage aus Afghanistan.

Wolfgang Koppler *

Allen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, egal woher sie kommen, wie sie aussehen oder welchen Status sie haben, ist der Grundsatz von Rosa Lyon. Man spürt das auch in ihren Reportagen und den Interviews, die sie ihren Kolleg:innen dazu gibt.

So wie jüngst in der ZiB2, als sie sich zur derzeitigen Situation in Afghanistan äußerte. Der zweite Jahrestag nach der (erneuten) Machtübernahme der Taliban nach dem eher chaotischen Abzug der US-Truppen hat das Land ja wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Der Westen begnügt sich ja weitgehend damit, Sanktionen zu verhängen und jeden Kontakt mit dem Regime der Taliban zu verweigern unter Verweis auf deren Menschenrechtsverletzungen. Das hat aber die Situation dort nicht verbessert. Weder die Stellung der Frauen noch das Lage jener, die um das nackte Überleben kämpfen. Ebenso wie Eike Gottschalk die Vertreterin der Welthungerhilfe spricht sich Rosa Lyon für einen Dialog mit den Taliban aus und vor allem für Projekte vor Ort, die das Leben der Menschen verbessern können. Auch ohne Anerkennung des Taliban-Regimes, mit dessen Vertretern Rosa Lyon ebenso gesprochen hat wie mit Frauenrechtlerinnen und einfachen Menschen am Land. Auf Augenhöhe.

Da Afghanistan anscheinend nur dann in den Medien vorkommt, wenn sich die Machtübernahme der Taliban gerade jährt, ein alter bis jetzt unveröffentlichter Artikel von mir zu einer Zib2- Sendung vom August 2022:

Wirken die Sanktionen ?

Freitag Abend ZiB2. Ein wunderbarer Beitrag von Rosa Lyon über die Situation der Frauen in Afghanistan, die sich zunehmend verschlechtert. Zuerst wurden die Frauen in den Städten gezeigt, die nur mehr getrennt von den Männern und mit Schleier arbeiten dürfen. Auch sonst ist der Kontakt mit Männern in der Öffentlichkeit verboten. Ein Zurückdrängen der Frauen in den häuslichen Bereich droht. Noch wird nicht gestraft.

Dann die Situation der Frauen auf dem Land. Ihnen ging es auch während der amerikanischen Militärpräsenz in Kabul nicht gut. Vor allem wirtschaftlich. Die Menschen dort draußen wurden schlechterdings vergessen.

Die Frau, die gezeigt wurde, eine Erntehelferin ohne eigenes Land, die ums Überleben kämpft, wurde einfühlsam porträtiert. Die wirtschaftliche Situation Afghanistans ist katastrophal. Dürre. Überschwemmungen. Hunger.

Dann schließlich das Interview der ZiB2-Moderatorin mit der Gestalterin des Beitrags. „Wirken die Sanktionen ?“ Genauso gut hätte die Moderatorin (der das natürlich nicht bewusst war) fragen können: Wann verhungern die Menschen endlich ? Rosa Lyon versuchte zu erklären, dass das Regime in Afghanistan für Kontakte mit dem Westen offenbar – noch – offen ist. Das man auf Hilfe aus dem Westen wartet, wie auch ein Transparent am verödeten Flughafen in Kabul zeigt. Sie sprach auch über den Hunger und dass sich die wirtschaftliche Lage durch die Isolation verschlechtert. Handel und Bankensystem sind weitgehend zusammen gebrochen. Aber humanitäre Organisationen erhalten durchaus Zugang. Auch in entfernten Provinzen.

Ich mache Marie Claire Zimmermann, die ich sonst sehr schätze, gar keinen Vorwurf. Bin ihr sogar dankbar. Sie zeigt auf, wie wir im Westen unsere Wertvorstellungen (und Interessen) in anderen Ländern mit Gewalt oder zumindest Druck implementieren wollen und dabei das genaue Gegenteil von Humanität erreicht wird . Unsere Gesellschaft ähnelt immer mehr der „animal farm“ von Orwell. Four legs good, too legs bad. Vielleicht sollte man statt dessen zu den ganz alten, eigentlich selbstverständlichen Weisheiten zurückkehren: Mit leerem Magen lässt sich schlecht über Moral reden.

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ORF Teletext vom 14.8.2023.

Mehr Pragmatismus mit Taliban ?

Die Welthungerhilfe spricht sich für einen pragmatischen Umgang mit den in Afghanistan herrschenden radikal-islamistischen Taliban aus.

Für die Bevölkerung „kann nur zusammen mit den Taliban etwas erreicht werden, nicht gegen sie“, sagt die Asien-Regionaldirektorin der Welthungerhilfe, Eike Gottschalk, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es sei versucht worden, Druck auf die Taliban auszuüben, ihre menschenverachtende Politik zu beenden. Diese hätten sich davon überhaupt nicht beeindrucken lassen, so Gottschalk. Die humanitäre Hilfe dürfe nicht politisiert werden.

https://www.news.at/a/rosa-lyon

* Gastautor Mag.Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Gewaltsamer Übergriff auf Journalistin

Journalisten und Nahostexperten orten eine „zuletzt deutlich zugenommene gezielte Gewalt der israelischen Polizei gegen Medienvertreter“. Jüngst hat es die Korrespondentin von Al Jazeera in Sheikh Jarrah und ihr Team getroffen.

Udo Bachmair

Der wieder aufgeflammte Nahostkonflikt entpuppt sich einmal mehr auch als medialer Propagandakrieg. Angesichts der Komplexität dieser Causa ist differenzierende Berichterstattung schwieriger und seltener denn je. Die meisten westlichen Medien jedenfalls haben sich auf die Seite Israels geschlagen. So auch das offizielle Österreich durch das Hissen der israelischen Fahne auf den Gebäuden des Bundeskanzleramts und des Außenministeriums.

Mit dieser einseitigen Positionierung hat Österreich seine frühere außenpolitische Drehscheibenfunktion endgültig eingebüßt. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat Israels Noch-Ministerpräsident Nethanjahu gegenüber jüngst in einem Brief erneut seine unverbrüchliche Freundschaft bekräftigt. Darüber haben der ORF und andere Medien informiert, nicht jedoch, und wenn, dann nur ganz am Rande, über die jüngste israelische Polizeiattacke auf eine bekannte Al Jazeera- Journalistin und deren Team.

Zum Thema sei Ihnen der folgende Beitrag von Fritz Edlinger aus dem Newsletter der Zeitschrift „International“ nicht vorenthalten :

Israelische Polizei verprügelt Journalistin

von Fritz Edlinger *

„In den letzten Wochen ist es vermehrt zu Übergriffen der israelischen Polizei auf Journalisten gekommen. Davon waren nicht nur lokale palästinensische, sondern auch ausländische BerichterstatterInnen betroffen. Der vorläufige Höhepunkt ereignete sich diesen Samstag im Vorort Sheikh Jarrah. Dort wurde die Korrespondentin des katarischen Senders Al Jazeera gewaltsam an einer Reportage gehindert. Sie selbst wurde verprügelt und verhaftet, ihr Kamerateam wurde ebenfalls verprügelt und die Ausrüstung demoliert. Hier soll nicht nur die lokale Bevölkerung eingeschüchtert, sondern auch die internationale Berichterstattung behindert werden.

Der Auslandspresseverband in Israel hat gegen diese gewaltsamen Übergriffe bereits schärfstens protestiert.

Mit Spannung warten wir auf Berichte und Reaktionen in den österreichischen Medien und in der Politik“.

Fritz Edlinger ist Chefredakteur und Herausgeber der renommierten Zeitschrift „International“ sowie engagiertes Mitglied der Vereinigung für Medienkultur.

Medienkritik – Rudeljournalismus. Analyse

Hans H ö g l

In den USA wurden viele Feld-Reporter eingespart, und die Anzahl von Online-Journalisten aufgestockt. Damit fehlen den Redaktionen die Außenantennen. Es gibt einen Verlust an Volksnähe und Kontakt zu den „kleinen Leuten“. Die Reporter saßen früher selten in den Büros, trieben sich in den Polizeistationen und vor den Gerichten herum und in Bars und Bahnhöfen. Dass der Großteil der ORF-Journalisten in Zukunft auf dem entlegenen Wiener Küniglberg tätig sein wird, verheißt nichts Gutes. Und in den Berichten der Außenpolitik wird man sich noch mehr – abgesehen von den wenigen Korrespondenten – vorwiegend mit angelsächsischen Agenturmeldungen eindecken und Erfahrungsberichte nicht zur Kenntnis nehmen. Ähnliches berichtete gestern ein Schweizer Paar in einem Vortrag über ihre kürzliche Reise in Syrien in Wien 9 im Festsaal der Caritas Sociales. Für ihren in vielen Punkten überraschenden Augenzeugenbericht interessierte sich nur eine einzige kleine Schweizer Zeitschrift.

Ich habe mich hier von den Magazinen Stern und der Schweizer Weltwoche anregen lassen. Zur Weltwoche sagte mir ein Saunafreund: Das ist das einzige Magazin, das sich von allen anderen abhebt. Dieser Automechaniker arbeitete früher in der Schweiz und bei einer Firma in Westafrika, hat ein ZEIT-Abo und wundert sich schon seit Längerem, dass Le Monde, das Pariser Weltblatt (der Handwerker liest auch französische Blätter) als einzige wagte, den Islam zu kritisieren.

Mir ist es wichtig, mich fallweise mit Medien auseinander zu setzten, deren Ansichten ich nicht teile, die mir gegen den Strich gehen. Die Sozialpsychologie nennt dies Bereitschaft zur kognitiven Dissonanz.

Nur so sind die Echoräume wie in Face Book zu vermeiden. Ein Leserbrief nennt es Fake-Book, denn die Falschmeldung, der Papst habe für Donald Trump eine Wahlempfehlung abgegeben, wurde millionenfach abgerufen.