Ab Freitag sollen die Waffen in ganz Syrien schweigen. Es ist ein diplomatischer Erfolg der neuen Allianz zwischen Russland, der Türkei und Iran.
Nach bald sechs Jahren Krieg und Zerstörung sollen die Waffen in Syrien schweigen. Darauf haben sich das Regime von Bashar al-Asad und mehrere Rebellengruppen am Donnerstag geeinigt. Nach den militärischen Siegen in den vergangenen Wochen habe die Armee eine «umfassende» Feuerpause verkündet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Die Waffenruhe solle in der Nacht auf Freitag um Mitternacht in Kraft treten.
USA nicht beteiligt
Die Waffenruhe gilt laut der syrischen Nachrichtenagentur allerdings nicht für «Terrororganisationen», unter ihnen der Islamische Staat (IS) und der syrische Kaida-Ableger, die Jabhat Fatah al-Sham. Hochburg der Jabhat Fatah al-Sham ist die Provinz Idlib, die seit der Räumung von Ostaleppo zugleich die letzte Hochburg der Aufständischen in Nordsyrien ist. Das könnte bedeuten, dass das Regime seine Angriffe dort fortsetzt. An ähnlichen Vorbehalten des Regimes waren in der Vergangenheit ausgehandelte Waffenstillstände immer wieder gescheitert. – – An einem vom Fernsehen übertragenen Auftritt sagte Putin, dass drei Dokumente unterzeichnet worden seien: eines über den Waffenstillstand, eines über dessen Überwachung und ein drittes über die Bereitschaft zu Friedensgesprächen. Die Türkei und Russland sollen als wichtigste Verbündete der Aufständischen beziehungsweise des Regimes die Einhaltung der Vereinbarung garantieren. Syrien: Neue Allianz erreicht Waffenruhe weiterlesen →
Die Neue Zürcher Zeitung ist wissenschaftlich zitierbar. Sie verfasste im Sinne von konstruktivem Journalismus einen längeren Beitrag mit der Notiz, dass 2016 nicht alles schlecht war und dass sich das Gute nicht immer auf den ersten Blick zeigt. Zum Jahresende zeigt sie an sieben Ereignissen auf, was gut war. Wir kürzten den langen Text vom 20. Dez. 2016 Online 05:30.
1. «Das grösste Naturschutzgebiet der Welt» mal zwei.
Barack Obama zog per präsidialem Dekret die Grenzen eines geschützten Seegebiets bei Hawaii neu. Am 26. August entstand das grösste Naturschutzgebiet der Welt. Diese Region (….) umfasst 1,5 Millionen Quadratkilometer. Die Schweiz würde 36 Mal auf dieser Fläche Platz finden. Fischen und das Ausbeuten von Rohstoffen sind um die nordwestlichen Hawaii-Inseln seither verboten. Die Natur profitiert davon.
Ende Oktober 2016 konnten Umweltschützer erneut jubeln: Am 27. Oktober einigten sich 24 Nationen und Vertreter der Europäischen Union auf ein noch grösseres Naturschutzgebiet als um Hawai.
Nach 6-jährigem Tauziehen stehen im antarktischen Rossmeer – nach Ende der kommenden Fangzeit im Dezember 2017 – 1,55 Millionen Quadratkilometer unter Schutz. Es wird das grösste Naturschutzgebiet der Erde und das erste in internationalen Gewässern sein. Der Weg zum Schutzgebiet war nicht leicht: Die Antarktis ist ein international verwaltetes Gebiet. Besonders China und Russland sahen ihre Interessen beeinträchtigt. Beide Länder unterhalten grosse Fischfangflotten in der Region. Ihre neuen Fanggründe liegen ab dem kommenden Jahr ferner der Küste. Eine Einigung mit Abstrichen? China und Russland willigten nach zähen Verhandlungen ein, weil sich die Staatengemeinschaft auf ein Verfallsdatum der Zone einigte: Nach 35 Jahren steht das geschützte Gebiet wieder zur Debatte. Ein Erfolg mit Wermutstropfen?
2. Ein Nationalfeiertag zum Dank – große Erfolge für kleine Staaten bei Olympia: Die Goldmedaillen olympischer Athleten beruhen meist auf einer teuren Sportförderung, die sich viele kleine Staaten nicht leisten können. Doch bei der Olympiade in Rio de Janeiro siegte nicht nur die Sportelite. Fidschis Rugby-Team feiert den Turniersieg. Für Fidschis Einwohner ist dies ein Segen, ist doch ihr Nationalsport die einzige Disziplin, bei der das Inselvolk anderen Staaten die Stirn bieten kann. Premierminister Frank Bainimarama nahm das olympische Gold zum Anlass, seinem Land einen neuen Nationalfeiertag zu schenken: Am 22. August soll auf Fidschi nicht mehr gearbeitet werden.
Außenseiter triumphierten: Auch vier weibliche und vier männliche Einzelsportler holten in Rio erstmals eine Goldmedaille für ihr Land: Monica Puig aus Puerto Rico warf beim Tennis drei Grand-Slam-Siegerinnen aus dem Turnier. Ebenso beeindruckend war die Leistung des Schwimmers Joseph Schooling. Der Sportler aus Singapur stellte über 100 Meter Delphin nicht nur einen olympischen Rekord auf – er verbannte auch Schwimm-Star Michael Phelps auf den zweiten Platz.
3. EU-Länder: Etwas weniger Arbeitslose
Im Oktober fiel die Arbeitslosigkeit im Euro-Raum auf ein Fünf-Jahre-Tief. Auch bei jugendlichen Arbeitslosen sieht es zum Ende dieses Jahres besser aus. In zwanzig EU-Ländern sank die Quote der Unter-25-Jährigen ohne Job.
Spitzenreiter ist die Slowakei. Dort sank die Jugendarbeitslosenquote um 5,8 Prozentpunkte von 24,8 auf 18,8 Prozent seit Jahresanfang. Das krisengebeutelte Griechenland konnte den zweitstärksten Rückgang verbuchen: Nach 51 Prozent im Januar waren es noch 46,5 Prozent im September. Generell fanden wieder mehr junge Menschen im Jahr 2016 Arbeit – vor allem in den Ländern, die die Wirtschaftskrise stärker getroffen hatte.
4. «Die aufregendste Entdeckung seit der Chemotherapie»
Was, wenn die eigenen Gene im Vorhinein verraten, ob eine giftige Chemotherapie anschlagen wird? Es ist dieser Gedanke, der eine neue Behandlungsmethode so vielversprechend macht. Statt wie bisher ein Trial-and-Error-Verfahren anzuwenden, entwickeln Ärzte anhand der DNS eines Patienten eine individualisierte Behandlung. An einer Konferenz in Chicago stellten Mediziner dazu erstmals eine ausführliche Auswertung von 13 000 Patientenakten vor. Mit positivem Ausblick:
Gezielte Therapien brachten eine sechs Mal höhere Tumor-Schrumpfungsrate. Binnen fünf Jahren könnte diese Methode gängige Praxis werden. Eine britische Expertin bezeichnete sie als «die aufregendste Entdeckung seit der Chemotherapie».
5. Baumpflanzrekord in Indien
6. Pariser Klimavertrag tritt in Kraft
Die Pflanzaktion stellte bereits die Weichen für die indische Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens. Im Dezember 2015 hatte Indien in Paris zugestimmt, zwölf Prozent seines Landes wieder aufzuforsten. Anfang Oktober ratifizierte das Parlament in Neu-Delhi das Abkommen offiziell. Nur wenige Tage nach Indien stimmte auch das EU-Parlament dem Vertrag zu. So gab es auch auf globaler Ebene 2016 zum Klimaabkommen Positives zu berichten: Voraussetzung für das Inkrafttreten des Vertrags war die Zustimmung von 55 Staten, die zusammen mindestens 55 Prozent der globalen Emissionen verantworten. Für internationale Verträge bedeutet das ein Rekordtempo.
7. McDonald’s wird gesünder
Eine Internet-Petition bewegte die Fast-Food-Kette McDonald’s dazu, antibiotikafreies Pouletfleisch aufzutischen – zumindest in den USA, wo Mastbetriebe Tiere immer noch im grossen Stil mit für den Menschen gemachten Antibiotika behandeln.
Das Unerwartete daran ist der Absender der Petition. Nicht etwa Peta, Greenpeace oder WWF steckten dahinter, sondern 54 institutionelle Investoren, Anlagefonds und Pensionskassen. Sie sorgen sich um das Geld, das sie in die Fast-Food-Kette investiert haben. Ein Eklat bei McDonald’s würde den Wert des Unternehmens drücken. Eine Pandemie, ausgelöst durch Antibiotikaresistenz bei Menschen, wäre nicht nur schlecht für die Erkrankten, sondern eben auch für den Wert ihrer Unternehmensbeteiligungen. Und die Petitionsmacher, die zusammen auf einer Billion Dollar Anlagevermögen sitzen, verlangen weit mehr von McDonald’s: Weltweit soll die Fast-Food-Kette Nuggets und Burger mit antibiotikafreiem Fleisch servieren.
8. Umeltfreundliches Investieren
Die Anekdote zeigt einen Trend: Nachhaltige Anlagen erzielten in jüngster Vergangenheit Renditen, die man sonst nur aus der Technologiebranche kennt. Auch das Abstossen von Beteiligungen an Unternehmen, die fossile Brennstoffe abbauen, weiterverarbeiten oder verbrennen, erhielt 2016 vermehrt Zuspruch. Das für das das sogenannte «Fossil Fuel Divestment» bereitstehende Kapital habe sich laut einer Studie von Mitte Dezember in den vergangenen 15 Monaten verdoppelt:
Über fünf Billionen US-Dollar stehen für Fossil Fuel Divestment bereit
Mythos und Wahrheit – Thema einer Diskussionsveranstaltung zu Syrien
Udo Bachmair
Wir haben es mit einer äußerst komplexen Causa zu tun. Der Syrien-Konflikt bezieht seine Brisanz gleich auf drei Ebenen: Der lokalen mit einer nahezu unüberschaubaren Zahl an Akteuren unterschiedlichster Oppositionsgruppen. Der regionalen Ebene, ohne die die ungelöste Nahostfrage insgesamt kaum zu verstehen ist. Und nicht zuletzt der globalen weltpolitischen Ebene mit einer Art Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und Russland.
Der durchschnittliche Konsument westlicher Medienberichte bekommt in etwa folgendes Bild vermittelt:
Eine bereits gewohnte Schwarz-Weiß-Malerei nach dem Beispiel des Ukraine-Konflikts, des Irakkriegs oder – noch früher – der Berichterstattung über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Damals waren fast ausschließlich die Serben die Bösen, im Falle der Ukraine und Syriens sind es „die Russen“ und der „gefährlichste Mann der Welt“ (profil), Wladimir Putin.
Anhand einer mehrwöchigen Reise eines Schweizer Ehepaares durch Syrien sowie der Erfahrungen eines christlichen Paters aus Damaskus soll bei der Veranstaltung am 2. Dezember Einblick in die Lage im Kriegsland Syrien gewährt werden, inkl. Einschätzungen und Analysen.
Teilnehmer sind :
Eva und Markus Heizmann ( soeben von einer Syrienreise zurückgekehrt )
Friedensaktivistin, Drehbuchautorin. Ihr Roman: „Das schöne Lied der Marie Anne Mozart“
Tagaus, tagein kein Medium ohne das Flüchtlingsthema: als Flüchtling von Seite 1 mitunter fremdländisch suspekt, nicht selten als furchterregendes Phantom durchs Netz geisternd. Der wirklich große Schrecken hingegen bleibt zumeist ausgeblendet: das verschärfte Risiko eines unbeabsichtigten oder beabsichtigten Atomschlags, zu dessen Herbeiführung Atom-U-Boote, strategische Bomber und Raketensprengköpfe „modernisiert“ werden. (So erhalten etwa Interkontinentalraketen nunmehr statt bisher je einen Atomsprengkopf atomare Mehrfachsprengkörper mit unterschiedlichen Zielkoordinaten.)
Die USA, Russland und China rittern um militärische Dominanz zu Wasser, Luft und Erde und im Weltraum. Welche Atommacht denkt da noch an die Umsetzung von Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages mit der Verpflichtung zur raschen und vollständigen Abrüstung von Nuklearwaffen? (Bemerkung am Rande: Ist es in Anbetracht der Militarisierung des Weltraums nicht an der Zeit, auch „Weißt Du, wie viel Sternlein stehen…?“ zu modernisieren?) Essay zur Nuklearrüstung. Hiroshima-Tag weiterlesen →
Prof. Karl Schlögel – Historiker und Russland-Experte
Hans Högl
Kürzlich kam ich von der Reise nach Moskau und St. Petersburg zurück und erlebte dieses Land in vielen Punkten sehr überraschend, jedenfalls anders als in der üblichen Mediendarstellung. Da meine Eigenerfahrung punktuell ist, folge ich sinngemäß einer anschaulichen Darstellung von Karl Schlögl, mit der ich mich identifiziere.
Es gibt einen soliden Fundus von Russlandbildern jenseits der tagespolitischen Meldungen. Sie besagen: „Russland besteht nicht nur aus Katastrophen, Havarien, Streiks, Auftragsmorden, demographischem Niedergang. Es gibt ein Russland der großen Ströme, der unermesslichen Weite.“ (p. 182.). Russland, das unermessliche Land, ist das Land der Ungleichzeitigkeit, des Nebeneinanders, Zusammenbrüche stehen neben Boomstädten. Arbeitsmigranten kommen aus Nachbarländern.
Moskau ist die Stadt der 3,4 Millionen Autos. Es gibt einen tosenden, dröhnenden Lärm, der über die Ringe und Boulevards jagenden Autos. Der Automarkt und Autoverkehr explodiert, Supermärkte wachsen in amerikanischem Stil. Das Land hat den Kommunismus längst hinter sich gelassen und ist übergangslos im letzten Stadium des Konsumismus gelandet. (Und es besteht eine ansehnliche Mittelschicht und kleinbürgerliche Mittelständer, auf welche die Oligarchen verächtlich blicken. In den Medien wird die soziale Welt auf Oligarchen und Arme verkürzt. Die Mittelschicht kommt nicht vor. „Mehr als eine Million zur Mittelschicht gehörenden, meist hochqualifizierten Bürgern sind ausgewandert (p. 241 f.). Russland- und Moskaubild eines Experten weiterlesen →
Antirussische Verschwörungstheoretiker haben nun wieder Hochsaison. Wie schon beim Ukraine-Konflikt überbieten einander westliche Medien auch in der komplexen Causa Syrien mit entsprechenden Ressentiments: „Putin hat einen Plan, nämlich die Schwächung Europas, weil er einzelnen Nationalstaaten eher seinen Willen aufzwingen kann…“ urteilt etwa der KURIER -Chefredakteur. Und ein STANDARD-Kommentar hält fest: „Putin gibt den Bösewicht überzeugend…“.
Auch viele deutsche Medien sind wieder eingeschwenkt auf Schwarz-Weiß-Malerei in ihrer Berichterstattung. Entgegen dem Auftrag, differenziert und verantwortungsvoll zu berichten, spielt auch der ORF wieder einmal auf dem Klavier außenpolitischer Einseitigkeit. So wird in den reichweitenstarken ZIB1-Sendungen immer wieder ausschließlich Russland verdächtigt, den Syrienkonflikt weiter zu eskalieren und für neue Flüchtlingsströme zu sorgen.
Willkommene Grundlage für die neue antirussische Kampagne westlicher Medien sind russische Bombenangriffe zur Unterstützung der syrischen Armee. Jedes Bombardement, das einen Blutzoll auch unter der Zivilbevölkerung fordert, ist ausnahmslos zu verurteilen. Es fällt jedoch auf, dass Journalisten da oft mit zweierlei Maßstäben messen : Wenn die USA bombardieren, ist es gut, wenn das Russland tut, eindeutig böse. Das gibt Gelegenheit, auch am Feindbild Putin eifrig weiterzuarbeiten…
Aber wie weit soll die Polarisierung noch getrieben werden? Entspricht das journalistischer Ethik und Verantwortung?
Im Sinne eines Friedens in Europa kann und darf es aber nur einen Dialog mit und nicht gegen Russland geben. Unabhängig von berechtigter Kritik an manchen demokratiepolitischen und menschenrechtlichen Fehlentwicklungen innerhalb Russlands. Ein von Medien unterstützter außenpolitischer Propagandakampf hingegen schürt eine weitere Verhärtung der Fronten auch im Syrienkonflikt.
Eine Erinnerung an dieser Stelle an die
Podiumsdiskussion zum Brennpunkt Syrien
am 3. März 19 Uhr in der Bankgasse 8, A-1010 Wien zum Thema
„Das syrische Drama. Auswege aus dem Dilemma“.
( Details entnehmen Sie bitte der Ankündigung unter „Jüngste Beiträge“ und „Veranstaltungen“ unserer Website www.medienkultur.at )
Nachlese zu einer überaus gut besuchten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur
Udo Bachmair
Es gab nicht einmal mehr einen Stehplatz am Abend des 24. 9., der große Saal des Presseclubs Concordia war zum Bersten voll. Mehr als 130 Interessierte waren zur jüngsten Veranstaltung der Vereinigung für Medienkultur gekommen. Ein bisheriger Rekord. Das heikle wie spannende Thema: „Der Ukraine-Konflikt und die Verantwortung von Medien und Politik“ inklusive der bangen Zusatzfrage: „Neue Kriegsgefahr für Europa?“.
Eine Themenstellung, die die Erwartungshaltung voll erfüllte : Eine streckenweise emotionale, polarisierende, meist jedoch faktenreiche und sachliche Auseinandersetzung über eine Causa, die wohl bald wieder die Schlagzeilen dominieren wird. Geht es doch um nicht mehr oder weniger als um „Krieg oder Frieden“.
So ging es auch in der erwähnten Diskussion um den Gegensatz von Propaganda und Feindbildpflege auf der einen Seite sowie Dialogbereitschaft und Friedenssicherung auf der anderen. Und nicht zuletzt auch um die Frage, warum in westlichen „Mainstream-Medien“ seit eineinhalb Jahren bereits konsequent propagandistisch Stimmung gegen Russland gemacht wird. Profil-Herausgeber Christian Rainer, einer der Podiumsgäste, kritisierte die Gleichsetzung von westlicher und russischer Propaganda. Er ließ auch den Einwand nicht gelten, dass der Westen „subtilere und dadurch vielleicht sogar wirksamere Propaganda“ betreibe. Wortgewaltig und leidenschaftlich entgegnete der langjährige EU-Politiker Johannes Voggenhuber, dass der Westen, allen voran die NATO, sehr wohl massiv Propaganda gegen Russland betreibe. Auch unter Journalisten mangle es weithin an Verständnis für die geopolitische Interessenslage Russlands. Vor allem manche deutsche Spitzen-Journalisten stünden unter intensivem Einfluss von US-Think-Tanks.
Der Medienwissenschafter Jürgen Grimm präsentierte das Ergebnis einer Studie, der zufolge Propaganda und Schwarz-Weiß-Malerei in der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt und Russland zu registrieren sei. Grimm geht sogar davon aus, dass westliche Medien eine Verschärfung des Ukraine-Konflikts bewirkt hätten. Ex-Botschafterin Gabriele Matzner unterstrich in der Diskussion die wichtige Rolle der Diplomatie, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen.
Dem von mir als Moderator zur Debatte gestellten Grundsatz „ Friede in Europa ist auf Dauer nicht gegen, sondern nur im Dialog mit Russland möglich“ konnte schließlich auch Christian Rainer trotz seiner harschen Kritik an Putin etwas abgewinnen.
„Ein so gutes Beispiel an Diskussions- und Streitkultur habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, so lautete das Resumee von Professor Grimm nach der Podiumsdiskussion. Ein Lob auch für positive Medienkultur, deren Förderung sich ja die Vereinigung für Medienkultur zur Aufgabe gemacht hat.
Zur Causa „Ukraine-Konflikt und die westliche Haltung zu Russland“ sei Ihnen eine der offenbar zahlreicher werdenden Stimmen der Vernunft zur Lektüre ans Herz gelegt, die Einschätzung von Günther Verheugen, früherer SPD-Politiker und Ex-Vizechef der EU-Kommission. Zitate des guten Russlandkenners aus einem Spiegel-Interview:
„Alle müssen zunächst einmal rhetorisch abrüsten. Der Ton macht eben doch die Musik. Beide Seiten schränken ihren Handlungsspielraum durch einseitige und plumpe Schuldzuweisungen ein. Das vertieft den Konflikt erheblich.“ Ukraine-Konflikt: Medien und Feindbildpflege weiterlesen →
„Die Zeit der Gespräche mit Russland ist vorbei. … Wir müssen klar machen, dass wir für die von uns als existentiell erachteten Prinzipien von Europas Zukunft in den Krieg ziehen werden.“
Roland Freudenstein, stv. Leiter des Martens Centre, eine Stiftung der Europäischen Volkspartei (EVP), der Partei von Angelika Merkel und Jean Claude Juncker; zit. nach www.euractive.com
Die westliche Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt ist vielfach weiterhin geprägt von antirussischer Einseitigkeit. Während sie die Position Moskaus und der ostukrainischen Separtisten ausschließlich als Propaganda erkennen will, wähnt sie sich selbst als unbeeinflußt und faktengerecht.
Eine Selbsteinschätzung dieser Art liefert heute im STANDARD ausgerechnet Hans Rauscher. Er sieht sich als Vertreter eines „prüfenden, einordnenden Journalismus“, die verhassten „Putinversteher“ hingegen betreiben „gezielte Desinformation“. Dabei beteuert der Autor, sich von „Transantlantischen Thinktanks nicht vereinnahmen zu lassen…“
Die immer wieder auch von Medien unterstützte Forderung , die Ukraine im Kampf gegen die russlandfreundlichen Rebellen mit US-Waffen hochzurüsten, heizt den Konflikt weiter an. Erstaunlich, dass auch als seriös bekannte Journalisten, wenn es ums Feindbild Putin und Russland geht, die Fähigkeit zur Differenzierung weitgehend vermissen lassen.
Sogar Franz Kössler, bisher bekannt als jemand, der eher vorsichtig abwägt, der diplomatische Lösungen bevorzugt, outet sich in seiner außenpolitischen Kolumne der Wochenzeitschrift FALTER unter bestimmten Umständen als Befürworter einer militärischen Option.
Das wiederum hat mich motiviert, für den FALTER einen (Gegen-)Kommentar zu verfassen, der in der jüngsten Ausgabe vollinhaltlich abgedruckt worden ist: