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Alte selbstsüchtige Deppen?

Selbst in Qualitätsmedien wird manchmal verallgemeinert bzw. entsteht dieser Eindruck. Elke Heidenreichs Buch „Altern“ (Hanser-Verlag 2024) wendet sich gegen verbreitete Ansichten zu diesem Thema.

Hans Högl

„Im Moment sind wir Alten ja an allem schuld: am Klimawandel, weil wir zu viel geflogen sind und zu dicke Autos gefahren haben, an der Naturzerstörung“ (zu viel gereist, zu viel Fleisch gegessen), „zu viel Plastikmüll verursacht, wir haben auf Atomkraft gesetzt. Wir haben den Kapitalismus erfunden und den Gedanken, dass nur Wert hat, wer Leistung erbringt. Wir sind die Generation, die auf Kosten der Generation Z. gelebt hat.“ (S.99).

Und auf S. 100 erinnert sie daran: „Aber wir sind doch nicht nur die alten selbstsüchtigen Deppen, die den heute Jungen das alles eingebrockt haben. Wir haben Greenpeace gegründet und Amnesty International, wir haben die Grünen erfunden und gegen Waldsterben gekämpft, und wir zahlen viel Geld an Ärzte ohne Grenzen. Wir haben demonstriert gegen Kriege und Waffen. Wir haben die unterdrückte Sexalität befreit“…

Und Frau Heidenreich fragt (p. 94), ob denn die Probleme der Welt gelöst wären, wenn Frauen das Sagen hätten. Sind alle alten Männern schlecht? „Churchill, Mandela, Gandhi“. Es gibt unseliges Verallgemeinern!

„Der Falter“ als erfolgreiches linksliberales Medium

Der TV-Sender ORF III brachte in André Hellers „Menschenbilder“ am 17. Oktober 2019 ein Porträt von Armin Thurnher, des Gründers der damals so genannten Wiener Stadtzeitung „Falter“. Hier ein Resumé der Hauptaussagen Thurnhers im erwähnten ORF-Beitrag :

Hans Högl

Armin Thurnher besuchte in Bregenz das althumanistische Gymnasium und lernte acht Jahre Latein und sechs Jahre Griechisch. In seiner Jugend spielte er Tennis und Klavier. Wichtig für Armin Thurnher wurde sein Onkel John, der von Vorarlberg in die USA ausgewandert war und als Wohlhabender auf Besuch kam. Dies motivierte Armin T. zu einem Studienjahr in Amerika (1967/68). Aber er fand ein anderes Land vor als in seiner Vorstellung. Es war rassistisch, und die auf Pappkarton schlafenden Armen unweit von Wolkenkratzern forderten das Weltbild des 18-jährigen heraus. Er lernte in New York die Vietnamproteste kennen, die Drogenszene, die Frauen- und Schwulenbewegung und die sexuelle Befreiung.

Beim Studium in Wien (Germanistik, Anglistik, Theaterwissenschaft) entstand die Geschäftsidee zur Programmzeitschrift „Falter“ – mit Besprechungen von Wiener Lokalen. Die Gründer des „Falters“ zielten auf eine Form von Anti-Journalismus. In den Kulturredaktionen der Medien fanden sich blinde Flecken: Schwule, Frauen, Off-Theater kamen nicht vor. Und dazu kam eine gewisse Frechheit. „Wir waren links, aber nicht das Sprachrohr einer Partei.“ „Ich empfand Kreisky als Establishment“. Thurnher hatte keine Beziehung zu ihm.

„Ich habe die antiautoritäre Flagge der Studentenbewegung hochgehalten.“ Thurnher betrachtete die Gründung stalinistischer und trotzkistischer Gruppen als „Totalverrat“. „Ich habe die Illusion verloren, dass diese Gesellschaftsform so leicht durch eine andere zu verändern ist. Aber ich blieb dabei, dass die Gesellschaft verändert werden muss.“ Dies entsprach dem Buchtitel „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“. Die Berliner TAZ wurde ein Jahr nach dem „Falter“ gegründet. Und dies nach den RAF-Exzessen. Es war auch nicht möglich, den „Falter“ im Kollektiv zu gestalten – so dass jeder alles machte.

Auch die ursprüngliche Geldlosigkeit war nicht aufrecht zu halten. Christian Reder war damals Betriebsberater (später Professor). Er wurde der erste Gesellschafter des „Falters“. Wir mussten einen kapitalistischen Betrieb führen. Es trat eine gewisse Normalisierung ein:Ohne Hierarchien zu arbeiten war undurchführbar. Es kam zu flacheren Hierarchien. Die „Kronen“-Zeitung beschuldigte Armin Thurnher, Jörg Haider in Österreich groß gemacht zu haben.