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Keine Debattenkultur mehr

Der deutsche Politikwissenschafter Michael Lüders ortet „hochgradige Moralisierung in Politik und Medien“. Einer der Gründe, warum es kaum noch eine Debattenkultur gebe.

Udo Bachmair

Der geschilderte Befund lasse sich gut anhand der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg belegen, erklärte der bekannte Politologe und Publizist kürzlich in einem Gespräch mit dem Internetmedium „Telepolis“

Wer sich etwa kritisch zu mehr und immer mehr Waffenlieferungen an die Ukraine äußert oder russische Motive für den ebenso falschen wie völkerrechtswidrigen Angriff auch nur zu erklären sucht (ohne sie gutzuheißen), riskiere seinen Ruf, seine Karriere. Man werde als Putinversteher oder Putin-Propagandist gebrandmarkt.

Lüders wörtlich: „Jede Differenzierung gilt offenbar als „Feindbegünstigung“. Es werde zunehmend schwieriger, differenzierende Standpunkte zu vertreten und damit dem Gut/Böse-Schema nicht zu entsprechen.

Gilt es missliebige Personen mit einem gewissen Bekanntheitsgrad aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, so gebe es nach den Erfahrungen Michael Lüders dafür etwa das bewährte Mittel, die betreffende Person zu ignorieren, ihre Publikationen ebenso wie ihre Meinungsäußerungen.

Als das deutlich brutalere Mittel sieht Lüders den inszenierten und über längere Zeit andauernden Shitstorm, mit dem Ziel, die unliebsame Person einer „character assassination“ zu unterziehen. Besonders betroffen davon sind in Deutschland etwa die Russlandexpertin Gabriele Krone-Schmalz oder die Publizistin Ulrike Guérot.

Auch in Österreich sind manche Journalisten wegen differenzierender Berichterstattung Opfer persönlicher Attacken im Internet, wie etwa der sachlich berichtende ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz. Auch renommierte Politologen, wie etwa Heinz Gärtner, die eine komplexe Causa nicht auf eine Schwarz/Weiß-Malerei reduzieren, sind in unseren Medien, leider auch im öffentlich-rechtlichen ORF, kaum mehr gefragte Interviewpartner.

Dass es inhaltlich auch anders geht, hat die von der Vereinigung für Medienkultur veranstaltete Podiumsdiskussion zum Thema „Ukraine-Krieg und die Berichterstattung westlicher Medien“ gezeigt. Der große Erfolg dieser Veranstaltung (fast 800 Zugriffe bereits auf Youtube) zeigt, dass sich viele Menschen sehr wohl differenzierende Berichterstattung zu dieser Thematik wünschen.

Die Aufzeichnung dieser vielbeachteten Podiumsdiskussion im Presseclub Concordia können Sie über folgenden Link abrufen:

Tiefpunkt des Journalismus

Die jüngste ORF-Pressestunde haben Medienkritiker als journalistischen Tiefpunkt erlebt. Zu Gast war die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ). Dazu als Einleitung das folgende Zitat von Kleine Zeitung-Chefredakteur Patterer, das zunächst einmal keines Kommentars bedarf..

Zitat des Tages ( 6.2.2020) und Reaktionen.
(Ausgewählt von Udo Bachmair)

„Frau Bürgermeisterin, wir haben ja heute den-die selbe Anfahrt gehabt von Graz aus und Sie haben mich leider mit Ihrem rumänischen Flitzer auf den letzten Metern noch-noch abgefangen und überholt, ah, ich lebe selbst in der Stadt und jetzt hat man ja nach diesem Beben von-von Graz, wie es von den Medien bezeichnet worden ist, noch nicht allzu viel mitbekommen an größeren Veränderungen, ähm man, es ist auch noch viel unklar, was Sie mit dieser bürgerlichen Stadt denn eigentlich ähm vorhaben. Was man mitbekommen hat, war, dass Sie Eingriff in die Stilistik vorgenommen haben äh Sie haben zum Beispiel die Designmöbel Ihres Vorgängers äh weggeräumt und haben Ihre abgewohnten Ikeamöbel, was die steirischen Tischler nicht sehr gefreut hat, wie wir mitbekommen haben äh hingestellt mit der mit der Kinderspielecke, jetzt schätz ich Ihre Bescheidenheit, aber unterliegen Sie nicht einem einem Mißverständnis, was das Rollenbild betrifft, Sie sind jetzt nicht mehr die Sozialarbeiterin, Sie sind die Managerin der zweitgrößten Stadt in diesem Land, ist Ihnen das bewusst und nehmen Sie diese Rolle an überhaupt ?“

So leitete der Chefredakteur der Kleinen Zeitung, Patterer, die heutige ORF-Pressestunde mit Elke Kahr ein. Sie ist seit 3 Monaten Bürgermeisterin von Graz und hat sich weit über die Grenzen ihrer Partei, der KPÖ, einen positiven Namen als besonders engagierte und ehrliche Sozialpolitikerin gemacht.

Ein bisher im Zusammenhang mit einer ORF-Pressestunde bisher beispielloser Shitstorm hat in den Social Media als Reaktion auf eine Serie an extrem untergriffigen Fragen an Elke Kahr eingesetzt. Gemeinsamer Tenor der Reaktionen: Patterer und und die ORF-Redakteurin Claudia Dannhauser hätten ein jämmerliches Bild des österreichischen Journalismus gezeigt.

„Selbst auf wirklich dumme und feindliche Fragen gibt es g`scheite Antworten,“ schreibt etwa Martin Margulies. Und Franz Schnabl, nö. Landeshauptmannstv.(SPÖ) mutmaßt: „Das Ende der Ära Kurz muss für manche ja wirklich schmerzhaft sein, wenn man einer gewählten Bürgermeisterin derart arrogant und besserwisserisch begegnet“.

PR-Experte Rudi Fußi spricht von „Fehlleistung des ORF“ und auch Lukas Resetarits ortet einen „Tiefpunkt des österreichischen Journalismus“.

Die Journalistin Cathrin Kahlweit, Österreich-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, resumiert ebenfalls auf Twitter:

„Habe mir die Pressestunde angeschaut: Man kann von Elke Kahr viel lernen: cool bleiben, sachlich bleiben, bei sich bleiben, nicht auftrumpfen, nicht augenrollend verraten, was man denkt.“

Im Spannungsfeld von Politik und Medien

Immer wieder werden Fragen zur „Blattlinie“ des Webauftritts der Vereinigung für Medienkultur laut. Im Folgenden der Versuch einer Einordnung und Kursbestimmung.

Udo Bachmair

Wie der Name der Vereinigung schon sagt, steht Medienkultur im Vordergrund. Da dieser Begriff vielfach als schwammig interpretiert wird, ein paar Gedanken zur Konkretisierung: Das thematische Spektrum umfasst generell das Spannungsfeld zwischen Medien und Politik. In diesem Kontext dominieren konstruktive Medienkritik sowie medienpolitische und medienphilosophische Analysen, im Besonderen Reflexionen über die Verantwortung von Medien. Dabei steht vor allem die demokratiepolitisch so bedenkliche besonders weite Verbreitung von Boulevardmedien im Fokus. Inhaltliche Rahmenkriterien wie Humanität, Demokratie und Menschenrechte sind Leitschnur des Internetauftritts der Vereinigung für Medienkultur (VfMk).

Profundes Aufspüren von Fehlentwicklungen, konsequente Kritik an Halbwahrheiten, Fake-News sind wesentliche Pfeiler der Arbeit der VfMk. Als Vorbilder dafür dienen Plattformen wie „Dossier“, „Kobuk“ oder „Nachdenkseiten“. Sie beziehen ihr Profil aus der investigativen Aufbereitung von Fakten und Hintergründen. Der Anspruch auch der VfMk besteht darin, differenzierenden Qualitätsjournalismus zu betreiben und zu fördern. Sie ist bestrebt, sich inhaltlich vom (rechtspopulistischen) Boulevard-Medien-Mainstream deutlich abzuheben sowie thematische Beliebigkeit von VfMk-Veröffentlichungen künftig zu reduzieren.

Bei emotional besonders besetzten Themen, wie etwa der Migration, ist die VfMk um Zurückhaltung bemüht bzw. um sachlich orientierte Beiträge, um nicht ein weiteres Sprachrohr für Shitstorms und Hasspostings zu sein. Das überlässt die VfMk anderen, auch um den Preis einer geringeren Reichweite. Seriosität gilt als wichtiger Baustein unserer Aktivitäten insgesamt. Diese Grundhaltung durchzieht Analysen wie Kommentare, Rezensionen wie Programmtipps sowie Veranstaltungen gleichermaßen. Letztere werden trotz Corona weiter gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Pressecclub Concordia an Ort und Stelle durchgeführt, natürlich mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen.

( Udo Bachmair ist Hauptverantwortlicher der Vereinigung für Medienkultur )

Soll Strache wegen Verhetzung vor Gericht ?

Udo Bachmair

Gewalttriefenden Worten können früher oder später entsprechende Taten folgen. Die Geschichte hat diese Erkenntnis immer wieder grausam bestätigt. Ungeachtet dessen breiten sich im Internet Hass und Hetze ungehindert aus. Im Sog von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Tendenzen, befeuert von Boulevardmedien, die mit Feindbildpflege und Schwarzweißmalerei ihr fragwürdiges Geschäft betreiben.

Den Gipfel an Verantwortungslosigkeit müssen sich jedoch die Betreiber der Facebook-Seite von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache vorhalten lassen. Unzähligen Hasspostings mit Gewaltaufrufen gegen Flüchtlinge und Asylwerber wird entweder nur zögerlich oder gar nicht Einhalt geboten. Das alles unter den Augen eines Mannes, der allen Ernstes den Anspruch auf das Amt des Bundeskanzlers in unserem Land erhebt…

Deutliche Worte zur immer ungezügelteren Hetze lässt auch Nobert Hofer, meist als Wolf im Schafspelz auftretender FPÖ-Präsidentschaftskandidat, vermissen. Es scheint, als würde eine weitere Vergiftung des Klimas in unserer Gesellschaft bewusst in Kauf genommen werden. Eine Abrüstung der Worte wäre daher dringender denn je. Bevor es zu spät ist..

In der Tageszeitung „Standard“ ist zur Facebook-Seite des FPÖ-Chefs ein engagierter Gastkommentar des bekannten Anwalts Georg Zanger erschienen. Hier ein Auszug:

„Der Shitstorm gegen einen jungen Mann, der sich angesichts des Todes seines Vaters umbringen wollte, ist vorläufiger Höhepunkt. Auf Heinz-Christian Straches Facebookseite wurden hunderte Verhetzungsbeiträge gepostet, die auch zum Teil neonazistischen Inhalt enthielten.

Einige Beispiele:

„Also ehrlich mal, fließt in der Leitung nur Strom von ner R6 Batterie? Dreht mal hoch und lasst ihn nochmal anfassen. Am besten zu Weihnachten als Straßenbeleuchtung!“

„Also ich alls Straßenbahnfahrer hätte meinen Fahrplan eingehalten ich wär da Drüber ge Fahren!!“

Ist es Strache vorwerfbar, dass er das Video über die Verzweiflungstat gepostet hat? Hat er es ernstlich für möglich gehalten, dass Hasspostings folgen werden, bzw. war gerade das sein Ziel?

Strache hat Erfahrung! Seine Seite ist geradezu Marktplatz für Hasspostings. Er weiß, was er bei seinen „Freunden“ auslöst, wenn er aufreizende Bilder, Videos oder Statements verlinkt.

Seit vielen Monaten werden verhetzende Mitteilungen auf seiner und anderen rechtsextremen Facebookseiten festgestellt. Die Poster können sicher sein, dass ihre Postings dort oft mehrere Tage verweilen dürfen. Strache erklärt dann, das Löschen der strafgesetzwidrigen Postings überfordere ihn. Es kann aber nachgewiesen werden, dass jedes Posting, das nicht zur „Linie Strache“ passt, sofort entfernt wird. Soll Strache wegen Verhetzung vor Gericht ? weiterlesen