Schlagwort-Archive: sogenannte Soziale Medien

Politiker als Freiwild von Medien ?

Politiker*innen pauschal abzuwerten, erscheint fern jeglicher demokratischer Reife. Und doch passiert es immer wieder. Vor allem in den sogenannten Sozialen Medien. Genereller Verurteilung politischer Akteure ist jedoch entschieden entgegenzutreten.

Udo Bachmair

Wer will heute noch Politiker werden ? Eine immer wieder gehörte demokratiepolitisch bange Frage. Doch warum erscheint es für immer mehr Menschen unattraktiv, eine politische Laufbahn einzuschlagen ? Sofern es sich nicht um „Hinterbänkler“ handelt, sondern um politische Persönlichkeiten, die im Focus des Interesses stehen, sind hohe Belastung, viel Stress, ständige Erreichbarkeit unausweichlich. Partei“freunde“ und die meisten Medien danken es ihnen selten.

Permanent auf der Hut sein zu müssen vor innerparteilichen Querschüssen, gleichzeitig sich gegen Attacken von außen immer wieder zur Wehr setzen zu müssen. All das nagt an Energie und Motivation im Politikbetrieb. Die Folgen: Weniger gute und seriöse Politiker*innen. Nicht selten gepaart mit mangelndem Qualitätsjournalismus. Fortschreitende Boulevardisierung von Medien tut ihr Übriges. Ein Teufelskreis.

Wie nun dieser Spirale entkommen ? Indem der Politik insgesamt wieder mehr Verantwortung zugemutet und ihr wieder respektvoller begegnet wird. Und indem Politiker*innen nicht a priori abqualifiziert werden. Sie müssten mehr Zeit und Gelegenheiten haben, sich auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit einzustellen und zu besinnen. Karrieredruck sowie Konkurrenz vornehmlich aus den eigenen Reihen sind da nicht selten hinderlich.

Apropos Besinnung: Vor der konstituierenden Sitzung des neuen Nationalrates haben in der Wiener Hofburgkapelle mehr als 100 Mitfeiernde an einem ökumenischen Gottesdienst teilgenommen, unter ihnen Abgeordnete aus allen Fraktionen.

In seiner Predigt unterstrich der neue evangelische Bischof Michael Chalupka seinen Respekt für all jene, „die sich mit großem Engagement für demokratisch verantwortete politische Überzeugungen einsetzen“. Er kenne viele Politikerinnen und Politiker, die von hohen Idealen angetrieben seien, so Chalupka, der sich gegen eine „pauschale Abwertung“ von Politkern verwahrte.

„Dass Politiker – insbesondere in den sozialen Netzwerken – heute manchmal fast so schon etwas wie Freiwild sind, geht an vielen nicht spurlos vorüber“, gab der frühere Diakonie-Direktor zu bedenken.

Greta Thunberg : Warum der Hass ?

Greta Thunberg scheidet die Geister. Die junge Klima-Aktivistin hat mit einer emotionalen Rede vor der UNO Aufsehen erregt. Begeisterten Bewunderern stehen kritische bis hasserfüllte Gegner besonders in den sogenannten Sozialen Medien gegenüber.

Udo Bachmair

„Wie könnt ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit euren leeren Worten?“ fragte die 16-Jährige in ihrer sehr emotionalen Rede vor dem UNO-Klimagipfel. „Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme brechen zusammen. Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens und alles, worüber ihr reden könnt, ist Geld und die Märchen von einem für immer anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum.“

Viele finden Thunbergs Wut nachvollziehbar und sind voll des Lobes für ihr Engagement zugunsten der Fridays-for-Future-Bewegung. Die hat jüngst allein in Wien 150.000 Menschen motiviert, auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Es war eine gewaltige, aber äußerst friedliche Demonstration, wie die Polizei bestätigt.

Vor allem in den sogenannten Sozialen Medien ist Greta Thunberg jedoch mit teils böser Kritik konfrontiert. Vielfach dominieren Verhöhnung und Gehässigkeiten und es drängt sich die Frage auf: „Woher kommt der Hass gegen die engagierte junge Frau ?

Der deutsche Medienpsychologe Jo Groebel dazu gegenüber „Focus“:. „Natürlich muss Greta Thunberg nicht glorifiziert werden, aber Hass ist im Zweifelsfalle noch viel weniger angemessen. Stellvertretend für die Klimadebatte auf eine Person einzuprügeln, ist immer einfacher, als sich auf Sachargumente zu konzentrieren“.

Viele, die die Klimadebatte generell ablehnen, fänden in Thunberg ein willkommenes Objekt, um ihre Kritik loszuwerden, fügt der Psychologe hinzu. Statt sich unbequemen Wahrheiten zu stellen, suchen Menschen lieber Fehler von Thunberg, um sie zu diskreditieren. So werde sie als zu jung und unerfahren hingestellt.

Sie stelle mit ihrer Jugend und Leidenschaftlichkeit, mit der sie für das Thema eintritt, einen starken Gegensatz dar zu den großen, professionellen und häufig routiniert gewordenen Politikern, erklärt der Psychologe. Dass eine junge Frau sich erdreiste, so wichtig zu sein, um im Konzert der großen Politiker mitzuspielen, passe für viele nicht zusammen.

Der Medienpsychologe weiter: „Leute fühlen sich gestört, weil ihnen Leidenschaft suspekt ist“. Natürlich spiele dabei auch die Sorge vor Veränderung des Status Quo eine Rolle. Einerseits gebe es die Angst vor negativer Veränderung und Verlust. Andererseits sorgten sich viele auch darum, „dass man sich da, wo man sich bequem eingerichtet hat, über eine andere Generation oder die zukünftige Gesellschaft Gedanken machen muss“.