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Angst vor Ende des Ukraine-Kriegs?

Ich sehe selbstverständlich den Wahnsinn und die Hybris auf russischer Seite. Aber wir alle haben in einer Demokratie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, auch auf Fehlentwicklungen auf unserer Seite hinzuweisen. Demokratie ist nämlich stets aufs Neue gefährdet. Am allermeisten durch uns selbst.

Wolfgang Koppler *

Die Eskalationsspirale ist längst im Gang. Keine Verhandlungen von Seiten der Ukraine bis Ende August. Weitere Forderungen von russischer Seite. Weitere Waffenlieferungen. Und dem sich wirklich vorsichtig äußernden österreichischen Außenminister Schallenberg wird von ZiB2-Moderator Martin Thür das Argument vom „Diktatfrieden“ entgegen gehalten, als er bloß meinte, es sollte in Zukunft vielleicht doch zu einer diplomatischen Lösung kommen. Obwohl es kreative Lösungen angesichts völkerrechtlich offener Fragen bezüglich Minderheiten und Sicherheitsdebatten genug gäbe, ohne dass irgendwer „kapitulieren“ müsste. Aber im Detail möchte ich das Völkerrechtlern und Sicherheitsexperten überlassen. Waffen sind jedenfalls genug vorhanden, um den Krieg noch sehr lange weiterzuführen und nicht nur den befürchteten „Diktatfrieden“ sondern überhaupt jeden Frieden zu verhindern. Das neueste Argument der Verhandlungsgegner ist die Befürchtung, Putin könnte einen Waffenstillstand anbieten und die Solidarität des Westens bzw. die Bereitschaft zu weiteren Waffenlieferungen könnte dann nachlassen. Angst vor einem Ende des Kriegs ? Angst, die eigene Aggression nicht mehr befeuern zu können ? Warum verhandelt man nicht wenigstens, um herauszufinden, was die Gegenseite wirklich vorhat ?

Die Katastrophe in humanitärer, wirtschaftlicher und umweltpolitischer Hinsicht ist derzeit jedenfalls vorprogrammiert. Ich darf daran erinnern, dass ein nicht unbekannter Journalist schon im ersten Golfkrieg „vom „letzteren bitteren Waffengang“ am Golf gesprochen hat. Und im Irakkrieg wurde im Magazin einer Menschenrechtsorganisation (deren Arbeit sonst durchaus wichtig ist) den Friedensaktivisten unter Verweis auf die Menschenrechtsverletzungen Saddam Husseins seinerzeit entgegen gehalten: „Jetzt sprechen die Waffen“. Was daraus wurde, wissen wir. Der Wiederaufbau dort wurde übrigens bis heute nicht in Angriff genommen. Bis der IS wiederauflebt. Weil das Geld offenbar für Waffen benötigt wird. Und die Auswirkungen des Ukrainekriegs sind noch wesentlich schlimmer. Da hilft es nicht, irgendwelche angeblichen „Extremisten“ beobachten zu lassen, wie es die deutsche Innenministerin tut (die vielleicht auch noch den Kriegsgegner Karl Kraus auf den Index der politisch inkorrekten Literatur setzen wird). Die – im Übrigen äußerst zaghaften und mit jenen der Coronagegner nicht vergleichbaren – Proteste sind nicht das Problem. Sondern die tatsächlichen Auswirkungen des Krieges.

Heute sind wir verbal scheinbar ein bisschen vorsichtiger als Anno 1914 oder auch 1991 und 2003. Aber „Kampf der Werte“. „Verteidigung der Demokratie“ (mit immer mehr Waffen) und „Diktatfrieden“ sowie Beschimpfungen von Andersdenkenden als „Putinknechte“ kommt auf dasselbe hinaus. Und dass durchaus diskussionswürdige Aufrufe wie jener der Schriftstellers Josef Haslinger und der gewiss unverdächtigen Autorin Juli Zeh etwa in der Zib2 des ORF schlicht ignoriert werden, spricht Bände. Auch realistische Experten wie Heinz Gärtner werden kaum wahr genommen. Eigentlich müssten Verhandlungsgegner und Hardliner ja höchst zufrieden sein. Sind es aber nicht. Man hat das Wort „Frieden“ durch „Diktatfrieden“ ersetzt, aber vielleicht könnte man das Wort „Frieden“ ganz aus dem Wortschatz streichen? Ewige Kampfbereitschaft ist das Ziel.

Das ist das Problem: Ist die Aggression erst einmal aktiviert, ist sie nur schwer wieder herunterzufahren. Ob an der Heimatfront. Oder auf dem Schlachtfeld. Auf beiden Seiten.

Wollen wir wirklich warten, bis eine fortgeschrittenere außerirdische Zivilisation einmal eine durch Krieg oder Klimawandel zerstörte Erde vorfindet?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien