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Gewaltbotschaften mit bedenklichen Folgen

Verbale Gewalt kann früher oder später zu reeller Gewalt werden, wie die Geschichte so schmerzlich bewiesen hat. Gerade in Wahlkampfzeiten zeigt sich besonders, wessen Geistes Kind so manche Politiker sind, die sich fahrlässigerweise Gewaltbotschaften bedienen.

Udo Bachmair

Tiefpunkte lieferte jüngst Ex-Innenminister Herbert Kickl mit Äußerungen wie „rechte Haken“ für politische Gegner Gegenstand auch eines Kurzkommentars von mir im heutigen Standard, Seite 19.
Darauf hat neben anderen auch Gewaltforscherin Prof. Rotraud Perner reagiert. Deren „Briefe gegen Gewalt“ sind es wert gelesen zu werden. Im Folgenden Perners Entwurf ihrer jüngsten Analyse :

Ein wirklicher Skandal

Rotraud Perner

Als der freiheitliche Abgeordnete Wolfgang Zanger Ende März dieses Jahres Gewerkschafter als „Beidln“ bezeichnete, empörte sich der Nationalratspräsident wie auch viele Abgeordnete zu Recht (siehe meinen „Brief“ Nr. 26 „Sprachkotzen“ vom 31. 3.) — er selbst hingegen zeigte sich ob der Aufregung verwundert.

Abgeordnete, darin ist sich die breite Bevölkerung einig, sollen Vorbilder sein — vor allem auch in ihrer Sprache. Sie darf ruhig pointiert sein — aber nicht ordinär. In der Intimität der Abgeordnetenzimmer mag es tolerabel sein, wenn sich jemand von seinem Seelenmüll befreit, seine Umgebung wird aber dort davon vermutlich nicht „kontaminiert“, weil sie sich vermutlich an deftiger Wortwahl gegenüber Gegnern köstlich delektiert. Anders ist das dort, wo man Österreich vor der ganzen Welt repräsentiert — immerhin werden Nationalratsdebatten medial übertragen, zitiert und kommentiert.

Wichtiger ist allerdings, dass man weiß: Alle, die sich mit diesen verspotteten Gegnern identifizieren — oder zumindest deren Integrität (so wie auch die eigene) geschützt wissen wollen — werden gesundheitlich geschädigt. (Infolge der Erkenntnisse der computergestützten Gehirnforschung wissen wir seit gut 10 Jahren — manche Richter aber offensichtlich nicht –, dass psychologische Attacken vom Gehirn wie körperliche Beschädigungen verarbeitet werden; nachzulesen bei Joachim Bauer, „Schmerzgrenze“.)

Gezielte verbale Verletzungen sind daher als vorsätzliche Straftaten gegen die Gesundheit, also Leib und Leben, zu werten.

Während unsere wahlkämpfenden PolitikerInnen sich bemühen, subjektive Heimatsbekenntnisse, Entsorgungspraktiken oder vermutliche Hörfehler zu Skandalen hochzustilisieren, passiert im Nachbarland — wo selbsternannte angebliche Satiriker sich über österreichische Politiker lustig machen — wie ich meine ein wirklicher Riesenskandal: Das Berliner Landesgericht findet es „hinnehmbar“, dass eine Grünpolitikerin als „Drecks-Fotze“, „Stück Scheiße“ und „Geisteskranke“ bezeichnet und zu deren Vergewaltigung aufgerufen wird. (Der Standard, 21./22. 9. 2019, Seite17.) Das, so die Bewertung des Gerichts, wäre durch „Meinungsfreiheit“ gedeckt. (Kommentar Seite 48.)

Beschimpfungen sind aber keine „Meinungen“ — sie sind gezielte Schadenszufügungen. (Ich habe in meinen Lehrveranstaltungen „Angewandte Sozialpsychologie für JuristInnen“ genau diese Themen bearbeitet — leider wurde mein Lehrauftrag ab März 2018 nicht mehr verlängert.)

Meinung wäre, wenn formuliert wird: „Ich bin der Meinung, dass XX mit der Ansicht YY falsch liegt, weil …“ plus Begründung.

Bedauerlicherweise finden es nicht einmal die beiden österreichischen Spitzenkandidatinnen der Mühe wert, gerade jetzt im Wahlkampf, wo es die größte Aufmerksamkeit gibt, diese Gewalt gegen Frauen zu ächten. Oder wollen sie nur keine Macho-Stimmen verlieren? (Ex-Grün-Abgeordnete Sigrid Maurer hat auch eine „Kostprobe“ von Männergewalt gegen Frauen erfahren — und auch bei ihr hielt sich zumindest die publizierte Frauensolidarität in Grenzen.)

Gewaltprävention besteht nämlich nicht in Förderbudgets für diejenigen, die sich Beratung / Therapie zum institutionalisierten Beruf gemacht haben, sondern in permanenter Bezugnahme samt Ächtung zur wachsenden Alltagsgewalt (vor allem zu den zunehmenden Frauenmorden). In der Psychologie läuft dies unter „Soziale Bewährtheit“ (nachzulesen bei Robert Cialdini).

Es braucht deutliche Aussagen dazu, was nicht toleriert werden darf. Von uns allen. (Und genau deswegen haben auch gesetzliche Strafverschärfungen Sinn!)

Ich finde es auch beschämend, dass außer den — zur Objektivität verpflichteten — Berufs-Berichterstattern bisher nur Ex-„Kreuz & Quer“-Moderator Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur, deutlich auf die Gewaltbotschaften Herbert Kickls („den ,Linken‘ gebühre ,eine Gerade oder ein rechter Haken‘“, „Panieren wir die Roten und Schwarzen her!“, Der Standard, 23.9., Seite 19) hingewiesen und Lernen aus der Geschichte eingefordert hat.

(Rotraud Perner)

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Alle Briefe gegen Gewalt“ finden sich auf www.haltgewalt.at.

Die laufenden können bei iss@perner.info bestellt werden.

Wehret verbaler Gewalt

Brutalisierte Sprache in Wahlkampfzeiten gehört gleichsam zur Normalität. Mit direkten und indirekten Aufrufen zur Gewalt werden jedoch rote Linien klar überschritten.

Udo Bachmair

Den Linken gebühre „eine Gerade oder ein rechter Haken“. Oder: „Man sollte sie gemeinsam mit Afghanen in ein Loch sperren“. Oder : „Ich beiße zu, wenn sie mir einen Maulkorb umzuhängen versuchen. Kann euch nur sagen, das tut dann weh“. Oder Flüchtlinge, die zu wertloser Ware werden : „Nicht bestellt-Lieferung zurück“.

Einige der Gewaltbotschaften und menschenverachtenden jüngsten Äußerungen eines Ex-Innenministers der Republik. Undenkbar etwa in Deutschland. Ähnliches ist öffentlich bisher nicht einmal von der rechtsextremen AfD zu vernehmen gewesen. Doch Österreich scheint anders. Empörung und Protest halten sich in Grenzen.

Verbale Gewaltbotschaften gehen einher mit Hass, Hetze und Schüren von Ängsten. Vor allem auf lokalpolitischer Ebene benützen vorwiegend FPÖ-Mandatare gerne eine gewaltbetont feindliche Sprache gegenüber politisch Andersdenkenden und Fremden. Beispiel etwa der Aufruf zur Jagd auf Nordafrikaner in Innsbruck.

Der erwähnte Ex-Minister, immerhin amtierender FPÖ-Fraktionschef im Parlament, scheint sich selbst im verbalen Gewaltrausch zu gefallen, indem er vor einer johlenden aufgehetzten Menschenmenge dazu aufrief: „Panieren wir die Roten und Schwarzen her!“ Was heißt das im Klartext ? Ein blanker Gewaltaufruf ?

Bedenklich erscheint zudem, dass der oftmals als „Wolf im Schafspelz“ charakterisierte FPÖ-Chef Norbert Hofer eine klare Distanzierung von den verbalen Gewaltausritten seines Mitkämpfers Herbert Kickl vermissen lässt. Auch der künftige neue alte Kanzler Kurz drückt wieder einmal mindestens ein Auge zu.

Dabei wäre zunehmender Gewalt in der Sprache konsequent zu begegnen. Auch und gerade in Wahlkampfzeiten wie jetzt. Die Geschichte hat immer wieder dramatisch vor Augen geführt, dass gewaltverherrlichen Worten letztlich reelle Taten folgen können. Lehren der Geschichte, die sträflich missachtet werden.

Jemand, der ungestraft Haken austeilen möchte, jemand, dem die Menschenwürde von Flüchtlingen sowie die Menschenrechtskonvention ziemlich egal zu sein scheinen, ist, wie Kritiker meinen, wohl als Regierungspartner untragbar. Doch der Chef der türkisen (früher christlich-sozialen) ÖVP sieht das möglicherweise anders.