Udo Bachmair
Wir leben in einem Land, das so manch seltsame Blüten treibt. Ein Land, dessen Medienlandschaft eine europaweit beispiellos hohe Konzentration an Boulevardblättern speziell im Großraum Wien aufweist. Ein Land, dessen politisches Spektrum links der Mitte nahezu völlig verwaist ist. Ein Land, das materiell zu den reichsten der Welt zählt, gleichzeitig aber die Zahl der Armen und Amutsgefähdeten in die 100.000e geht.
Ein Land, dessen Eigentümlichkeiten auch in der Innenpolitik zutage treten. Deren Implikationen interessierten NichtösterreicherInnen in allen Facetten verständlich zu machen, erscheint nicht immer ganz leicht. Zusätzlich wird der Wahlkampf für die bevorstehende Nationalratswahl wohl nur wenig zur Klärung der Widersprüchlichkeiten dieses an sich so schönen Landes beitragen.
Der Komplexität der Thematik hat sich die renommierte Journalistin Livia Klingl in einem treffenden Facebook-Kommentar angenähert, der Ihnen nicht verborgen sein soll:
„wir leben in einem land, in dem die große mehrheit einigermaßen anständig ist – aber eine partei die umfragen anführt, die die totalüberwachung will.
ein land, in dem bis heute hunderttausende den bedürftigen helfen – aber eine partei vorne liegt, die diese hilfe nicht honoriert und die totalabschottung propagiert.
ein land, das auf dem drittsichersten platz in der statistik liegt, aber von der führenden partei dargestellt wird, als wäre es so gefährlich wie somalia.
ein land, dessen hauptstadt seit jahren die rankings der lebenswertesten städte anführt, aber von der umfragenstärksten partei dargestellt wird wie kibera, der größte slum afrikas.
ein land, in dem die große mehrheit arbeitet, aber eine partei vorne liegt, die tut als gäbe es nur sozialbetrüger.
ein land, in dem die armen immer mehr werden, aber eine partei führt, die so tut, als würde sich leistung zwingend lohnen und wer nichts erreicht, der ist eben selber schuld.
ein land, in dem die mehrheit eine erbschaftssteuer will, aber eine partei, die dauernd nach mehrheiten schielt, strikt gegen verteilungsgerechtigkeit ist.
ein land, in dem der chefdiplomat keine ausbildung hat, sodass er immer neue feinde findet, aber da kann man dann über die reaktionen aus dem ausland beleidigt sein und des österreichers liebste tätigkeit, den schulterschluss, üben.
diese logik wenn mir jemand erklären könnte!“
( Livia Klingl, 1998 – 2007 Außenpolitik-Chefin des KURIER )