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Anschein der Macht im Wahlkampf

Hans H ö g l

Im Buch des emeritierten  Univ. Professors, Rektors und Politikers Manfried Welan: „Ein Diener der Zweiten Republik“ finden sich zeitlose Aussagen, die nicht nur für Phasen des Wahlkampfes gelten. Ein Text auf S. 123 (Wien 2012) lautet:

Auf den höheren Ebenen ist Macht  oft nur ein Schein von Macht und lässt sich nicht lokalisieren. Die Politik des Als–ob ist oft die einzige noch mögliche. Das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern ist aktueller denn je, jedoch es fehlen zumeist die Kinder, die sagen, dass er gar nichts anhat.  Aber es kommt ja allzu oft auf den Schein an, durch den sich die Massen blenden und in der Folge auch bewegen lassen. Dann wandelt sich der Anschein von Macht zu tatsächlicher .“ 

Welan war ein halbes Jahrhundert im Dienst der 2. Republik tätig. Seine Erfahrungen mit Bürokratie, Wissenschaft und Politik werden spannend und unterhaltsam dargestellt. Dazu ein Textbeispiel zum Kapitel: Was ist Politik? „Der teilnehmende Beobachter wurde beobachtender Teilnehmer. Ich empfand mich gleichsam wie ein Dschungelbiologe im Urwald“( S. 122). Das Buch des Politikers ist kein Schnellschuss, sondern der Autor, ein liberaler ÖVP-Mann, arbeitete vier Jahre daran.

Wir leben in einem Land, in dem…

Udo Bachmair

Wir leben in einem Land, das so manch seltsame Blüten treibt. Ein Land, dessen Medienlandschaft eine europaweit beispiellos hohe Konzentration an Boulevardblättern speziell im Großraum Wien aufweist. Ein Land, dessen politisches Spektrum links der Mitte nahezu völlig verwaist ist. Ein Land, das materiell zu den reichsten der Welt zählt, gleichzeitig aber die Zahl der Armen und Amutsgefähdeten in die 100.000e geht.

Ein Land, dessen Eigentümlichkeiten auch in der Innenpolitik zutage treten. Deren Implikationen interessierten NichtösterreicherInnen in allen Facetten verständlich zu machen, erscheint nicht immer ganz leicht. Zusätzlich wird der Wahlkampf für die bevorstehende Nationalratswahl wohl nur wenig zur Klärung der Widersprüchlichkeiten dieses an sich so schönen Landes beitragen.

Der Komplexität der Thematik hat sich die renommierte Journalistin Livia Klingl in einem treffenden Facebook-Kommentar angenähert, der Ihnen nicht verborgen sein soll:

wir leben in einem land, in dem die große mehrheit einigermaßen anständig ist – aber eine partei die umfragen anführt, die die totalüberwachung will.

ein land, in dem bis heute hunderttausende den bedürftigen helfen – aber eine partei vorne liegt, die diese hilfe nicht honoriert und die totalabschottung propagiert.

ein land, das auf dem drittsichersten platz in der statistik liegt, aber von der führenden partei dargestellt wird, als wäre es so gefährlich wie somalia.

ein land, dessen hauptstadt seit jahren die rankings der lebenswertesten städte anführt, aber von der umfragenstärksten partei dargestellt wird wie kibera, der größte slum afrikas.

ein land, in dem die große mehrheit arbeitet, aber eine partei vorne liegt, die tut als gäbe es nur sozialbetrüger.

ein land, in dem die armen immer mehr werden, aber eine partei führt, die so tut, als würde sich leistung zwingend lohnen und wer nichts erreicht, der ist eben selber schuld.

ein land, in dem die mehrheit eine erbschaftssteuer will, aber eine partei, die dauernd nach mehrheiten schielt, strikt gegen verteilungsgerechtigkeit ist.

ein land, in dem der chefdiplomat keine ausbildung hat, sodass er immer neue feinde findet, aber da kann man dann über die reaktionen aus dem ausland beleidigt sein und des österreichers liebste tätigkeit, den schulterschluss, üben.

diese logik wenn mir jemand erklären könnte!“

( Livia Klingl, 1998 – 2007 Außenpolitik-Chefin des KURIER )

Wahlkampf und Qualitätsjournalismus

Udo Bachmair

Nach einer kurzen Zeit innenpolitischer Sommerpause wird der Wahlkampf für die Nationalratswahl am 15. Oktober erneut an Fahrt aufnehmen. In Wahlkampfzeiten als Phasen politischer Unvernunft und polemischer Vereinfachungen wird sachlicher Disput auch dieses Mal Disput weitgehend auf der Strecke bleiben. Propagandasprüche und aufgepeitschte Emotionen werden wieder dominieren.

Dafür bietet sich wohl wieder am besten die Flüchtlingscausa an. Da haben einander schon im Vorwahlkampf Regierungsparteien und die rechtspopulistische Oppositionspartei mit einfachen Lösungen überboten. Das gilt vor allem für die Parole „Mittelmeerroute sperren“ als bisheriger propagandistischer „Höhepunkt“, blendend inszeniert vom Chef der „neuen Volkspartei“.

So hat es der voraussichtliche Wahlsieger geschafft, Liebkind des österreichischen Boulevards zu werden. Nicht mehr die xenophoben Freiheitlichen, nein, der Obmann einer früher christlichsozialen Partei hat sich die Themenführerschaft in der Flüchtlingsfrage erworben. Glaubwürdig für viele trotz mangelnder Lösungskompetenz.. Humanität oder Empathie spielen ohnehin keine Rolle mehr..

Welchen Beitrag kann und sollte nun guter und ernsthafter Journalismus leisten, damit auch in Wahlkampfzeiten ein Mindestmaß an Sachlichkeit und Differenzierung auch bei emotional besetzten Themenkomplexen erhalten bleibt. Boulevardblätter wie Kronenzeitung, Heute oder Österreich werden aus Profitgründen dazu kaum etwas beisteuern können oder wollen.

Gefordert sind daher umso mehr die Qualitätsmedien in diesem Land. ORF, Standard, Presse, Wiener Zeitung, Falter, Kleine Zeitung, Salzburger Nachrichten, Oberösterreichische Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, etc. kommen in Wahlkampfzeiten eine besondere Verantwortung zu. Als ein Vorbild für kritischen Journalismus im ORF gilt neben anderen (vor allem in Ö1) ZIB-„Anchor“ Armin Wolf.

Wolfs sollte es mehrere geben in unserer etwas ausgedünnten Medienlandschaft. Das wünscht sich auch der renommierte Medienwissenschafter Maximillian Gottschlich. Nach dessen Einschätzung zählen Wolfs politische Interviews zum Besten, was der ORF zu bieten hat. Wie sich Journalismus insgesamt neu orientieren könnte? Gottschlich dazu in einem Standard-Gespräch:

Inhalt muss wichtiger sein als Inszenierung. Zweitens reicht es nicht aus, Sachverhalte bloß zu beschrieben-sie müssen auch erklärt und in einen Kontext gesetzt werden. Drittens muss Journalismus differenzieren statt zu polarisieren.

Maximillian Gottschlich weiter :

Demokratie lebt nicht vom Kuschelkurs, sondern vom Widerspruch. Journalisten sind keine politischen Stichwortgeber. Sie sollten, so wie Armin Wolf, die Kunst des kontroversiellen Interviews beherrschen. Das ist die eigentlich Domäne des Qualitätsjournalismus, und darin hat er auch – allen Unkenrufen zum Trotz – Zukunft.

Warnung vor „Staatsstreich von oben“

Pläne Hofers und der FPÖ „brandgefährlich“ ?

Udo Bachmair

Im laufenden Wahlkampf für die Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember ist in der Medienöffentlichkeit das Thema „blaue Republik“ weitgehend unterbelichtet geblieben. Auch in den laufenden TV-Wahlduellen hat es Van der Bellen bisher verabsäumt, auf fatale Folgen eines Endes der Erfolgsstory Zweite Republik aufmerksam zu machen. Dabei wäre es gerade auch für junge Menschen so wichtig, über die wahren Absichten des mit allen Manipulationstricks und Verschleierungsmethoden bestens vertrauten FPÖ-Kandidaten Hofer Näheres zu erfahren.

Wie schaut meine Zukunft in einem möglicherweise drohenden autoritären Präsidialsystem a la Ungarn aus ? Welche Konsequenzen hätte die Aushöhlung oder Beseitigung der liberalen Demokratie ? Was würde es bedeuten, auf Menschenrechte, Pressefreiheit, freie Meinungsäußerung verzichten zu müssen ? Brennende Fragen, die gerade jetzt im Vorfeld der Wahl bewegen (sollten).

Beim ATV-Duell vergangenen Sonntag hat Norbert Hofer einmal mehr bekräftigt, dass er die Bundesregierung wegen ihrer Flüchtlingspolitik entlassen hätte. Da setzt nun der Historiker und frühere Salzburger ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger an. Er sagte gegenüber dem KURIER:

„Hofers Überlegungen sind brandgefährlich, wenn er als Bundespräsident eine Regierung trotz parlamentarischer Mehrheit entlassen hätte. Davor will ich aus demokratiepolitischen Gründen warnen.“

Wer in die Geschichte zurückblickt, könne feststellen, dass solche „populistischen Kraftmeiereien“ immer zu sehr ernsten Krisen geführt haben. Siehe 1933..

Schausberger weiter: „Wenn man bedenkt, dass 1933 eine Regierung eine kritische Situation ausgenutzt hat, um eine Diktatur zu installieren, dann würde das bedeuten, dass man jetzt versucht, von oben her wieder eine Art Staatsstreich durchzuführen..“

BP-Wahl: Rezepte gegen Kampf-Rhetorik

Udo Bachmair

Nun ist es also wieder soweit. Erneut stehen wir vor einer weiteren Runde der Bundespräsidentenwahl. Und jetzt, knapp ein Monat vor dem Wahltermin am 4. Dezember, tritt auch der Wahlkampf in eine neue alte Phase. Gespickt mit Vorwürfen, Halbwahrheiten, Polemiken. Und wieder einmal ist es vornehmlich die FPÖ, die mit ihrem demagogisch besonders gut geschulten Kandidaten um nahezu jeden Preis zu provozieren versucht.

Norbert Gerwald Hofer ist als früherer Kommunikationstrainer mit Kampf-Rhetorik auf Basis unterschiedlichster Manipulationstechniken bestens vertraut. Je mehr jedoch die Kommunikationsmuster, die die FPÖ seit Jörg Haider erfolgreich anwendet, durchschaut werden, desto deutlicher kommt das auf Hofer gemünzte Bild vom Wolf im Schafspelz zum Vorschein..

Nun sehen wir mehr oder weniger spannungsgeladen den weiteren TV-Duellen Hofer / Van der Bellen entgegen. Sogenannter Höhepunkt des Wahlkampfs wird die ORF-Konfrontation am 1. Dezember sein. Und wieder besteht auch dabei die Gefahr einer verbalen Schlammschlacht, ausgelöst durch Kampf-Rhetorik-Tricks.

Der Kommunikationswissenschaftler Walter Ötsch hat auf die Frage eines Falter-Lesers , wie denn bei solchen Diskussionen Angriffe und Untergriffe pariert werden könnten, u.a. so geantwortet:

Hofer hat Stakkatos von vier, fünf Vorwürfen in wenigen Sekunden parat. Man kann dann jemand anderen, der ansonsten recht besonnen agiert (wie van der Bellen), teilweise auf ein Niveau herunterzerren, das man meisterlich – oft jahrelang – erlernt hat.

Wenn es Ihnen also gelingt, innerlich ruhig zu bleiben, kann man nur eines tun: das eben erfolgte Muster benennen. D.h. ich brauche eine Kenntnis dieser Muster, muss reagieren können und eine geeignete (sachliche) Sprache dazu parat haben.

D.h. einen (sachlichen) Metakommentar über die Art geben, wie eben kommuniziert wird. Z.B. „Sie weichen meiner Frage aus und wechseln sofort das Thema.“ Oder „Mir fällt auf, das immer, wenn ich etwas frage, was Ihnen offenbar unangenehm ist, Sie in die Opferrolle wechseln“, usw. Van der Bellen hat einiges von dem recht gut gemacht. (Gerade die Opferrolle ist eine Spezialität von Hofer bzw. noch besser: der blitzschnelle Wechsel von Angriff/Täter in die Opferrolle. Das hat er gut geübt.) BP-Wahl: Rezepte gegen Kampf-Rhetorik weiterlesen