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Westliche Meinungsfreiheit..

Mit der Meinungsfreiheit steht es auch im Westen nicht zum Besten. Inhaltlicher Mainstream in vielen Politikfeldern dominiert.

Wolfgang Koppler *

Jüngst in der ZiB 2 ist über die Verurteilung von Hongkonger Regimekritikern zu langen Haftstrafen berichtet worden, zudem über schwindende Meinungsfreiheit dort. Auch die chinesische Wirtschaftskrise würde die einst so florierende Stadt zunehmend erfassen.

Die Wirtschaftskrise erfasst wohl auch uns. Nur was die Meinungsfreiheit betrifft, macht es der Westen geschickter. Offiziell kann man zwar vieles sagen und schreiben, aber nicht in den wirklich relevanten Medien. Man darf sich dafür in irgendwelchen Blogs und in den sozialen Medien austoben oder am Stammtisch. Die wirklich maßgebenden Kreise können dann den so genannten Pöbel umso mehr tabuisieren. Notfalls fangen Protestparteien den Unmut auf, die – wenn sie einmal an der Macht sind, natürlich auch nichts ändern. Vor allem nichts am Neoliberalismus und in jenen Bereichen, die den Eliten wirklich am Herzen liegen: Wirtschafts- und Steuerpolitik. Damit sie weiterhin möglichst ungeniert ihren Wohlstand mehren können, auf Kosten von Mensch und Umwelt. Feindbilder kann man austauschen. Ob man sich an Putin oder an den Islamisten abarbeiten darf, ist nicht so wichtig, solange die unteren Schichten sich ablenken lassen. Von Korruption und unendlichem Gewinnstreben.

Meinungsmanipulation in den Medien und gesellschaftliche Ächtung sind weitaus wirksamer als Haftstrafen. Und Leser sind ja sowieso nur Vollidioten, wie der Herausgeber eines Qualitätsblattes vor längerer Zeit völlig ungeniert durchblicken ließ. Aber die Narzissten an der Macht sind weitaus gefährlicher als die Ohnmächtigen. Und letztere sind wenigstens gezwungen, sich von Zeit mit sich auseinander zusetzen, wenn sie von der Realität gebeutelt werden. Die Mächtigen nicht einmal dann, wenn sie pleite geben. Die gehen nach wie vor auf Kosten irgendwelcher Stiftungen auf die Jagd. In ihrem Anhang Politiker, die auch gerne so reich wären. Was für eine Gesellschaft.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Medien- und Politikanalyst und lebt in Wien

Das Gezerre um die Steuern

„Dreiklang der Macht – Neustart oder Notlösung“ lautete der Titel der jüngsten ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ im Vorfeld der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos. Einig war man sich schon zu Beginn zumindest darin, dass es sich angesichts der mehr als angespannten Budgetsituation und der keineswegs rosigen Wirtschaftslage mehr um eine Sanierungs- als eine Reformkoalition handeln dürfte.

Wolfgang Koppler *

Besonders beim Thema Steuern zeigte sich wieder einmal ein Ungleichgewicht unter den Diskussionsteilnehmern. Einzig Karl Schlögl (früherer SPÖ-Spitzenpolitiker) setzte sich auch für Sanierungsschritte von der Einnahmenseite her ein. Während Karl Ochsner von der Industriellenvereinigung und Jan Kluge von der neoliberalen Agenda Austria und – mit Ausnahme einer Erhöhung der Mineralölsteuer – auch die ehemalige Neos-Abgeordnete Irmgard Griss erwartbar dagegen plädierten. Dies, obwohl das gegenwärtige Budgetloch wohl kaum nur über Ausgabenkürzungen zu stopfen sein wird, was auch Christoph Badelt vom Fiskalrat schon vor längerer Zeit zugestanden hat. Wohl auch deswegen vermied man es in der Diskussion weitgehend, konkrete Zahlen zu nennen.

Dabei hat allein die von den Medien bejubelte – und vom keineswegs „linken“ Christoph Badelt ursprünglich kritisierte- Abschaffung der kalten Progression allein im Jahr 2924 3,65 Milliarden Euro gekostet. Entnehmen kann man dies sogar der Website des Finanzministeriums, das eine diesbezügliche „Ersparnis“ der Steuerzahler bejubelt. Dass diese „Ersparnis“ an Steuern natürlich eine Einnahmenkürzung darstellt, die man jetzt anderswo wieder herein bekommen muss, sagen uns Finanzministerium und Medien natürlich nicht. Ebenso wird verschwiegen, dass eine vernünftige Vermögensbesteuerung auch den Faktor Arbeit entlasten könnte.

Aber genauso wie beim Ukrainekrieg kann man zu diesem Thema überall dasselbe nachlesen: Steuern senken und Ausgaben kürzen. Keine neuen Steuern und wenn noch so viel Geld fehlt. Ohne darüber nachzudenken, wie das in der Praxis funktionieren soll. Als Beispiel möge der nachstehende Standardartikel** zur Abschaffung der Kalten Progression dienen. Es finden sich dort interessanterweise keinerlei Ausführungen zu den Kosten. Und dafür jede Menge Jubel. Der ist uns jetzt hoffentlich vergangen.

Um mich nicht falsch zu verstehen: Selbstverständlich muss ausgabenseitig etwas geschehen. Und selbstverständlich müssen Steuergelder effizienter eingesetzt werden. Dass man auch mit einer Abgabenquote effizient wirtschaften kann, zeigt etwa das sogar von Jan Kluge von Agenda Austria zitierte Beispiel Dänemark. Aber ein derartiges Budgetloch nur ausgabenseitig schließen zu wollen, ohne mehr Schaden als Nutzen zu stiften, scheint mir Schimäre.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

** https://www.derstandard.at/story/3000000236280/kalte-progression-naechste-entlastung-vor-beschluss

Dominanz militaristischen Denkens

Höchst aufschlussreich war das jüngste ZiB2-Interview mit dem Militäranalytiker Franz-Stefan-Gady. Es zeigte, wie eiskaltes militaristisches Denken inzwischen unsere gesamte Gesellschaft erfasst hat. Und somit auch die Medien.

Wolfgang Koppler *

Gady lenkte zunächst geschickt vom Verhandlungsunwillen Selenskyjs ab (welcher diesbezügliche Gespräche erst nach einem vollständigen Abzug der russischen Truppen – also nach einem Sieg der Ukraine in Erwägung zieht), indem er sich – ebenso wie die westlichen Politiker auf den Standpunkt zurückzieht, dass Putin den Krieg ja jederzeit beenden könnte. Wobei er natürlich genau weiß, dass dieser damit sein Gesicht verlieren würde und solches daher völlig illusorisch ist. Putin hat angefangen – Punkt. Immerhin gestand der zu, dass die ukrainische Armee der russischen derzeit durchaus standhalten könne, zumal genug Munition zur Verfügung stünde. Die Unterstützung des Westens dürfe halt nicht nachlassen.

Auch Trumps Präsidentschaft sieht der Militäranalytiker nicht unbedingt als Katastrophe für die Ukraine an, zumal Trump ja auch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan gestoppt hätte, als die Gespräche mit den Taliban nicht so erfolgreich verliefen wie erwartet. Er würde wohl auch die Ukraine nicht völlig im Stich lassen.

Aber die Russen machten doch Fortschritte und man müsste die Ukrainer durch weitere militärische Unterstützung in eine vorteilhaftere Position für allfällige Verhandlungen bringen. Auch dies hat man in den zweieinhalb Jahren Krieg schon all zu oft gehört. Damit wird der Krieg mit seinem ewigen Hin und Her zu einer Endlosschleife. Zumal man sich immer wieder einredet, dass es nur Putin sei, der nicht verhandeln wolle. Während Selenskyj immer wieder dezidiert Verhandlungen ablehnt und die Russen – wenn auch mit Kriegsrhetorik und Maximalforderungen – immer wieder Signale ausgesandt haben.

Schließlich wird von Gady auch noch die Angst geschnürt, Putin könnte nach einem Kompromissfrieden nochmals angreifen. Man brauche Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dass der Westen in den Verhandlungen zu Beginn des Krieges solche abgelehnt und die Gespräche damit zum Scheitern gebracht hat, verschweigt der ORF-Studiogast. Dafür fordert er eine Erhöhung der westlichen Militärbudgets auf 3 – 4 % des BIP. Woher das Geld angesichts überlasteter Budgets kommen soll, sagt er natürlich nicht.

Gegen Ende des Interviews wird schließlich der „Personalmangel“ der ukrainischen Armee beklagt. Sie brauche neue Kräfte. Das Verheizen von Menschenleben derart zynisch zu versachlichen, ist denn doch irgendwie neu.

Zu all dem natürlich keinerlei Widerspruch von ZiB2-Moderator Martin Thür.. Wo soll das noch enden ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Friedensfreunde als „Kriegstreiber“?

„Putin ist ein Krimineller, ein Mörder“ – bekräftigt der oppositionelle russische Politiker und Journalist Wladimir Kara-Mursa in nahezu jedem der zahlreichen Interviews für westliche Medien. Im jüngsten ZiB2-Interview prognostizierte Kara-Mursa einen möglicherweise kurz bevorstehenden Sturz des Putin-Regimes.

Wolfgang Koppler *

Regimewechsel in Russland kämen plötzlich, sowohl das Zarenregime als auch die Sowjetunion seien plötzlich untergegangen. Niemand wäre darauf vorbereitet gewesen. Und so würde es auch das nächste Mal sein. Niemand würde wissen, wann, wo und unter welchen Umständen Vladimir Putin seine Macht verlöre. Aber es werde geschehen, meint Putins schärfster Kritiker Kara-Mursa im gestrigen ORF-ZiB2-Interview.

Da ist wohl etwas dran. Allerdings entstand weder aus dem Untergang des Zarenreichs noch aus dem der Sowjetunion eine dauerhafte Demokratie. Nach Zar Nikolaus kamen nach einem kurzen bürgerlichen Intermezzo Lenin und Stalin an die Macht. Und nach der Wende und Boris Jelzin kam Vladimir Putin an die Reihe. Jener Zar Putin, den Kara-Mursa nun so heftig bekämpft.

Die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Ende der Putin-Ära in Russland eine wirklich dauerhafte und stabile Demokratie entsteht, ist also eher gering. Wobei sogar unsere Demokratien zunehmend unter Druck geraten. Auch unter den Belastungen des Ukrainekriegs, die die Spaltung unserer Gesellschaften weiter vorantreiben.

Dass Kara-Mursa dann am Ende des Interview alle jene, die „Verständnis für Valdimir Putin und seine Positionen“ hätten, also im Endeffekt alle, die nicht für eine Fortsetzung des Krieges ohne jegliche Verhandlungen sind, als „Kriegstreiber“ bezeichnet, spricht Bände.

Bei allem Verständnis für sein persönliches Schicksal. Hier geht es nicht um Sympathien oder Antipathien, auch nicht um die Sanktionen, sondern um einen Krieg, der bis jetzt wohl mehr als halbe Million Menschen das Leben gekostet hat, um unzählige Versehrte und Traumatisierte und um Kollateralschäden in allen Teilen der Welt, wie etwa den zunehmenden Hunger, für dessen Linderung nicht einmal mehr genug Geld zur Verfügung gestellt wird. Im Gegensatz zum Ukrainekrieg, der bis jetzt weit mehr als 100 Milliarden Dollar gekostet hat.

Dass dies von Kara-Mursa nicht erwähnt wird, spricht Bände. Und sein Statement inmitten einer zunehmend aufgeheizten Stimmung ist höchst problematisch.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

„Die da oben“ und „die da unten“

Ratlosigkeit beherrscht die politische Szenerie. Das Wahlergebnis war angesichts der Umfragen zwar nicht wirklich überraschend. Aber ein so deutlicher Abstand zwischen FPÖ und ÖVP und erst zur SPÖ war doch überraschend, für viele auch eine herbe Enttäuschung. das Wahlergebnis beflügelt zudem den Disput um „die da oben“ und „die da unten“.

Wolfgang Koppler *

Die Selbsttäuschung vieler über die Ursachen dieses auch in anderen westlichen Ländern sich abzeichnenden politischen Wandels, der vereinfachend als ein Abdriften nach rechts oder gar in Rechtsradikalismus gesehen wird, hält aber nach wie vor an. Immer noch werden solche Wahlergebnisse, aber auch die diesen zugrunde liegende Stimmung als Protest gegen „die da oben“ abgetan, dem gar keine wirklichen Missstände oder ein Fehlverhalten von Politik, Wirtschaft und Medien zugrunde lägen. Man müsse einfach politische und wirtschaftliche Vorgänge und Entscheidungen besser erklären bzw. kommunizieren, heißt es immer. wieder.

Den Ausdruck „die da unten“ verwendet man hingegen nicht. Obwohl sich Politik, Wirtschaft und Medien von Wählern, Konsumenten und Lesern bzw. Zusehern tunlichst abschotten. Kontakt erfolgt nur über Mails, die von dazu geschulten Personen gelesen und beurteilt werden und die Politiker, Unternehmer und Journalisten im Regelfall gar nicht zu Gesicht bekommen. Selbst dann, wenn sich ein ein Wissenschafter oder ein Mensch meldet, der Wissen und Erfahrungen aus der Praxis mitbringt und vielleicht echte Missstände aufzeigen könnte.

Und so lebt unsere „Elite“ – oder wie immer man Politiker, Journalisten und Manager bezeichnen mag – und selbst ihre Umgebung in einer Art Blase. Nicht viel anders als der Stammtisch. Nur eben in einer anderen Vorstellungs- und Erlebniswelt. Wobei es oben und unten dann noch verschiedene Arten von nebeneinander bestehenden Blasen gibt. Bestimmte Redaktionen fühlen sich als etwas Besonderes, ebenso wie Manager verschiedener Großunternehmen sich hie und da besser dünken als ihre Kollegen.

Trotzdem: Bildung, Geld und Macht als das, was bei uns offenbar erst den wirklich „wertvollen“ Menschen ausmacht, scheidet unsere Gesellschaft in die da oben und die da unten.

Und da wir im Westen zur Egozentrik neigen, zu einem sich selbst vergöttlichenden Wesen mit wenig Selbstkritik, dünkt sich unsere Elite oft als mehr oder weniger unfehlbar. Oder verdrängt zumindest Fehlverhalten. Sich zu entschuldigen oder gar in sich zu gehen kommt nicht in Frage. Sie können das gerne ausprobieren, indem sie einen Journalisten auf einen klar ersichtlichen Fehler hinweisen. Eine Entschuldigung oder gar ein Umdenken wird kaum einmal erfolgen.

Der Wahlkampf ist ein Kindergarten, heißt es treffend im Werbespot eines Möbelhauses. Ein wunderbares Bild für jenen infantilen Narzissmus, dem gerade unsere Eliten immer wieder zum Opfer fallen. Ohne dass sie es merken.

Und so werden Migranten zum Opfer der Politik. Auf beiden Seiten. Menschen mit Migrationshintergrund werden nämlich auch von der linken Seite benutzt. Indem sich Intellektuelle zu ihren Schutzgeistern erklären, die wenig mit der Lebensrealität von Zuwanderern zu tun haben. Sondern nur das große Wort führen; Migranten als billige Arbeitskräfte sehen und Angst vor Rechtsextremismus genauso schüren wie manche Politiker der rechten Seite die Angst vor dem Islam.

Und so werden Migranten zum Spielball der rechten als auch der linken Seite. Das aktuelle Wahlergebnis spricht Bände. Und sollte zu Selbstkritik führen, Auf allen Seiten.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Kriegsbegeisterter Ex-Politiker

Boris Johnson, konservativer Ex-Premierminister Großbritanniens, macht in Politik und Medien weiter von sich reden. Allerdings nicht zu seinem Vorteil.

Wolfgang Koppler *

Boris Johnson ist ein unfreiwilliger Narr. Er stellt mit seiner infantil-narzisstischen Art nicht nur sich selbst, sondern auch den Mainstream bloß. Zwar getraut sich sonst kaum jemand, derart offen seine Kriegs- und Tapferkeitsphantasien zur Schau zu stellen, wie es Johnson tut. Was Kriegsbegeisterung und Dämonisierung des Gegners betrifft, stehen Johnson aber auch etliche andere Politiker und Journalisten nicht nach. Ob man Putin – trotz der klar erkennbaren Kapazitätsgrenzen von russischer Armee und Wirtschaft und völlig anders gearteter Interessenlage – Angriffe auf Schweden, Finnland oder das Baltikum zutraut oder ob man immer weiter reichende Waffen statt Verhandlungen fordert – auch hier zeigt sich, dass man den Boden des Rationalen längst verlassen hat.

Da sind Johnsons Träume von der Fremdenlegion, die er am Telefon äußerte, nichts ahnend, dass am anderen Ende Komiker saßen, ja geradezu amüsant. Leider muss man schon bei Fokus Online nachsehen, um sich angesichts der falschen Kriegsbegeisterung bei dem Exzentriker Boris Johnson etwas zu erheitern.

https://www.msn.com/de-at/nachrichten/other/w%C3%BCrde-fremdenlegion-gern-selbst-anf%C3%BChren-boris-johnson-f%C3%A4llt-auf-russen-komiker-herein-und-gibt-wildes-interview/vi-AA1q6gcV?cvid=0d92246d7d8c48dcc71b4bdda0d5b5ac&ei=9

Der ehemalige Premierminister Großbritanniens Boris Johnson wurde erneut von zwei russischen Komikern hereingelegt. Das Gespräch wurde Anfang der Woche auf der russischen Webseite RuTube veröffentlicht. Während des Gesprächs gibt Johnson verschiedene bizarre Aussagen zum besten.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Diplomatie mehr denn je gefordert

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist wie viele andere Kriege auch ein Informationskrieg. Propaganda für die eine oder andere Seite überwiegt je nach Standpunkt und Interessenslage. Westliche Politik und Medien haben sich nach jahrzehntelanger antirussischer Feindbildpflege konsequenterweise voll auf die Seite Kiews geschlagen und plädieren mehrheitlich für die Lieferung immer schwererer Waffen. Dabei überbieten sie einander an Kriegsrhetorik. Friedensrhetorik ist kaum zu vernehmen. Vor diesem Hintergrund ist bzw. wäre eine differenzierte und deeskalierende Annäherung an diese komplexe Causa höchst nötig und sinnvoll. Ein eher positives Beispiel dafür hat nun die Politikwissenschafterin Nina Chruschtschowa geliefert. Sie war jüngst Interview-Gast in der ZiB 2
(Einleitungstext Udo Bachmair)

Wolfgang Koppler *

Nina, Chruschtschowa, die Enkelin von Nikita Chruschtschow, die seit den 90-er Jahren in der USA lebt und zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nach Österreich eingeladen wurde, war mir zwar schon seit längerem bekannt, ebenso ihre auch dem Westen gegenüber kritische Haltung. Trotzdem fürchtete ich angesichts der aufgeheizten Stimmung und des öffentlichen Druckes, dass auch sie langsam mürbe gemacht worden wäre.

Ich war angenehm überrascht. Dass sie den Angriffskrieg ablehnt, hat sie schon früher deutlich gemacht, indem sie betont hat, ihr Großvater hätte diesen Krieg niemals angefangen.

Sie lehnt aber die Kategorien Gut und Böse ab und sieht eine Mitverantwortung der USA und Europas. Die Diplomatie hätte nach den ersten Kriegsmonaten ausgesetzt, obwohl sie gerade in einem Krieg mehr denn je gefordert sei. Den Besuch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba in Peking bzw. die Vermittlungsbemühungen Chinas sah sie positiv und ließ aufhorchen, als sie meinte, dass es nun auch in der Ukraine Erwartungen gebe, den Krieg vielleicht bis Jahresende zu beenden.

Sie zeigte sich aber realistisch genug, die Chancen auf eine Friedenslösung aus heutiger Sicht als gering einzuschätzen. Die Haltung auf beiden Seiten hätte sich (Anm: nach Jahren unablässiger Kriegsführung und Propaganda) verhärtet und Putin sähe sich derzeit im Vorteil, zumal die Sanktionen nicht die vom Westen erhoffte Wirkung gezeitigt hätten.

Trotzdem sah sie Verhandlungen nicht als aussichtslos an, wobei sie es vermied, konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Wohl deswegen, weil man im derzeitigen Stadium nichts präjudizieren sollte. Die Parteien müssen selbst den Kompromiss erarbeiten und ihre Schmerzgrenzen feststellen. Sie ließ aber anklingen, dass weder das Thema Neutralität noch Gebietsfragen unüberwindbare Hindernisse darstellten.

Angenehm wieder einmal die zurückhaltende und nur die wirklich notwendigen Fragen stellende ZiB 2-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann. Mich störte lediglich die Bezeichnung „Kommunistenchef“ für Chruschtschow. Dem verstorbenen Staats- und Parteichef verdanken wir immerhin den Staatsvertrag, der in der sowjetischen Führung gar nicht so unumstritten war. Auch sein letztlich eleganter Kompromiss der zugegebenermaßen von ihm ausgelösten Kubakrise sollte nicht vergessen werden, da er zeigt, wie man mit ein bisschen Kreativität und Flexibilität auch aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herauskommt: Man entschloss sich hinter den Kulissen, nicht nur die russischen Raketen aus Kuba, sondern auch die amerikanischen aus der Türkei abzuziehen. Was im Westen lange Zeit verschwiegen wurde.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

„Menschlicher Müll“

Eine „Friedenmission“ hat Ungarns Premier Victor Orban über Kiew und Moskau bis nach Peking geführt. Politik und Medien der EU lehnen Orbans Vermittlungsgespräche zur Beendigung des Ukrainekriegs jedoch als Alleingang und bloße Ego-Show ab.

Wolfgang Koppler *

Man muss Orban nicht mögen und auch keine Sympathie für seine chauvinistischen Anwandlungen zeigen. Aber man kann – um Sahra Wagenknecht zu zitieren – mit ihm darin übereinstimmen, dass „der Himmel blau ist“. Umso erschreckender die Reaktionen einzelner Leser, die tiefe Einblicke in die menschliche Psyche bieten. Auch in die jener Menschen, die sich als bequeme Vertreter des Mainstream moralisch überlegen wähnen und dabei ihre eigenen Abgründe verdrängen. Als besonders übles Beispiel möchte ich nachstehendes Posting zitieren: „Bis jetzt werden ja nur Kinderkrankenhäuser und Geburtenstationen von russischen Raketen angegriffen. Einfach nur krank dieser Psychopath. Aber genauso pervers ist der menschliche Müll in Österreich, der die russischen Eroberer noch verteidigt! Wie kann ein normal denkender Mensch so eine Partei wählen! Unbegreiflich!“

Das Posting ist sehr aufschlussreich. Zunächst werden Kriegsgräuel geschildert, um die eigene Aggression zu rechtfertigen. Dann werden Andersdenkende, die für Verhandlungen eintreten, als „menschlicher Müll“ verunglimpft und Ihnen dann am Ende noch unterstellt, samt und sonders FPÖ-Wähler zu sein. Der Ausdruck „menschlicher Müll“ ist trotzdem verräterisch und zeigt, welche Aggressionen im ach so intellektuellen und sich moralisch gebenden Mainstream schlummern. Auch die Nazis fühlten sich ihren Opfern moralisch überlegen.

In den US-amerikanischen Experimenten „Die Welle“ und „Prison“ wurden diese unappetitlichen Seiten des westlichen Menschen anschaulich freigelegt. Aber bis heute will sich keiner damit auseinandersetzen. Dabei stand der Satz „homo homini lupus“ uns schon in der Antike Pate. Menschen zu Müll zu erklären, schaffte aber erst unsere moderne Industriegesellschaft.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Jurist und Journalist in Wien

Aggressiver ZDF-Moderator

Die jüngste Ausgabe der ZDF-Diskussionssendung Lanz war geprägt von beispielloser Einseitigkeit und Aggressivität des „Moderators“. Markus Lanz zeigte sich überschießend empört gegenüber der linken Politikerin Sarah Wagenknecht, die sich die „Provokation“ erlaubt hatte, Waffenstillstandsgespräche zur Beendigung des Ukrainekriegs zu fordern. Wagenknecht ihrerseits konterte den Attacken von Lanz beeindruckend brillant.

Wolfgang Koppler *

Wer wissen will, wie es um die Meinungsfreiheit in einem führenden europäischen NATO-Staat bestellt ist bzw. was Österreich diesbezüglich nach dem von vielen Journalisten so sehr herbei gesehnten NATO-Beitritt blüht, der möge einen Blick nach Deutschland werfen. Genauer gesagt, zum öffentlich-rechtlichen Sender ZDF, dessen Moderator Markus Lanz zusammen mit der Journalistin Dunz ein wunderbares Beispiel lieferte, wie man ohne Argumente dem Mainstream widersprechende Meinungen desavouiert. Nämlich gleich dem Boulevard mit dem Holzhammer.

In einem von Lanz geführten Talk wagte es Sahra Wagenknecht, im seit langem festgefahrenen Ukrainekrieg einen Waffenstillstand an der bestehenden Frontlinie und Friedensverhandlungen unter Vermittlung von China und Brasilien zu fordern, was von Lanz und Dunz nur zu Empörung und zur Behauptung führte: Dann wird die Ukraine untergehen.

Weshalb soll ein Waffenstillstand an einer seit langem – abgesehen von einigen Vorstößen der Russen in letzter Zeit – wenig veränderten Frontlinie, auf der sich auf beiden Seiten schwer bewaffnete Armeen gegenüberstehen, zu einem Untergang der Ukraine führen. Wo selbst viele Militärexperten wie der gewiss nicht russenfreundliche Markus Reisner eine eingefrorene Waffenstillstandslinie a la Nordkorea als Endergebnis des Krieges für nicht unrealistisch halten? Was die Möglichkeit der Nachrüstung und Erholung der Truppen während eines Waffenstillstands betrifft, so gilt dieser Vorteil wohl für beide Seiten und erst recht für die erschöpften und an Munitionsmangel leidenden ukrainischen Truppen. Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die Forderung von Bundeskanzler Nehammer verweisen, der sich ebenfalls für Verhandlungen einsetzt. Das Sterben muss ein Ende haben..

Was spräche also gegen einen Waffenstillstand und Verhandlungen, deren Ergebnis angesichts der ja keineswegs nachlassenden Unterstützung des Westens keineswegs feststeht? Insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass es Russland primär um die Neutralität der Ukraine geht, was auch von einigen amerikanischen Generälen vor kurzem angesprochen wurde.

Dass Wagenknecht – als Reaktion auf den Vorwurf ihrer Nichtteilnahme – Selenskyjs Rede im deutschen Bundestag als Jubelveranstaltung bezeichnete, brachte Wagenknecht auch noch die Bemerkung „Ist ja irre“ ein.

Jeden Tage sterben sinnlos hunderte Menschen, ohne dass dies jemandem irgendetwas bringt. Das Niedermachen Andersdenker und drehorgelartige Wiederholung von Phrasen kann man in diesem Zusammenhang wohl nur als zumindest gedankenlos bezeichnen. Um nicht auch noch in den Stil von Lanz zu verfallen.

Gerade in Österreich und Deutschland sollten wir in Sachen Meinungsfreiheit, Respekt und Nachdenklichkeit vielleicht etwas sensibler sein. Ganz gleich, worum es geht.

www.msn.com/de-at/nachrichten/other/tv-kolumne-wagenknecht-sorgt-bei-lanz-mit-ukraine-these-f%C3%BCr-entsetzen-das-ist-irre

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Wohnen als Reizthema

Politik und Medien haben das Reizthema „Leistbares Wohnen“ bisher weitgehend ausgeklammert. Angesichts der Wahlerfolge der KPÖ findet diese Causa nun aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit.

Wolfgang Koppler *

Leistbares Wohnen, ein Thema, das bis jetzt eigentlich fast nur die KPÖ aufgegriffen hat. Es ist von anderen Parteien schlichtweg verschlafen worden. In Wien etwa hat sich die Wohnbauleistung trotz Zuzugs von 2021 bis 2023 von 16000 auf 9000 Wohnungen reduziert. Auch der soziale Wohnbau ging zurück. Und der Bau von Gemeindewohnungen hat offenbar überhaupt nur mehr symbolische Bedeutung, während Hunderte Millionen in Straßenverschönerungen, Musiktheater und Museumsbauten gesteckt werden.

Auch die Medien haben dieses Thema mehr oder weniger ignoriert. Erst die dramatische Lage auf dem Wohnungsmarkt – nicht nur in Österreich – und die Erfolge der KPÖ in Salzburg und Graz scheinen einigen Journalisten bewusst gemacht zu haben, dass es Menschen gibt, die auf eine Mietwohnung angewiesen sind. Und die sich eine Eigentumswohnung schlicht nicht leisten können. Oder den Kredit für den Eigenheimbau (der zudem zur Zersiedelung beiträgt). Unangenehm, dass man sich gelegentlich mit den Bedürfnissen des „Pöbels“ (laut Thomas Schmid) auseinandersetzen muss. Aber unter den Medienkonsumenten und Wählern finden sich halt leider auch viele solcher Menschen außerhalb der Seitenblicke-Gesellschaft. Menschen, die man doch nicht gänzlich ignorieren kann.

Immerhin, der ORF hat jetzt das Grundbedürfnis Wohnen entdeckt. Zunächst in der ersten Folge seines neuen Magazins „Weltweit“. Und nun sogar als Diskussionsthema in der jüngsten Ausgabe von „Im Zentrum“. Da war von wahrhaft erstaunlichen Zahlen die Rede. So sprach die Diskutantin Katharina Rogenhofer von 650.000 leerstehenden Wohneinheiten in Österreich. Was Jan Kluge vom neoliberalen Institut Agenda Austria prompt zu bagatellisieren suchte. Das seien großteils zeitweise Leerstände. Und im Übrigen rentiere sich halt das Vermieten zu wenig. Weil zu viel in den Markt eingegriffen würde.

Dass es im freifinanzierten Neubau (und dazu zählen immerhin Gebäude, die nach dem 30.6.1953 errichtet wurden) keinerlei Mietzinsbeschränkungen gibt, wurde nicht erwähnt. Ebenso wenig etwa, dass in den letzten Jahrzehnten von den privaten Bauträgern ein gewaltiges Überangebot von Büroflächen geschaffen wurde. Weil diese billig zu errichten sind und scheinbar noch mehr Mietertrag bringen. Wenn man sich einredet, sie doch noch anbringen zu können. Tatsächlich besteht schon seit langem kein Bedarf mehr und werden Büros zurückgegeben. Ein Umdenken bei den privaten Bauträgern hat aber nicht eingesetzt. Der Markt wird – nicht nur in diesem Bereich – von unvernünftiger Gier bestimmt. Nicht nur im Fall Benko.

Aber unverständig ist ja nur der Pöbel…

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien