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„Fighting chance“ für die Demokratie

Überlegungen zu Hans Rauschers „Einserkastl“ im STANDARD mit dem Titel „Österreich ist ein rechtes Land, oder?“

www.derstandard.at/story/3000000241244/oesterreich-ist-ein-rechtes-land-oder

Ilse Kleinschuster *

Ja, ich glaube mit Hans Rauscher, dass eine faschistoide Grundströmung in Österreich zwar vorhanden, aber längst noch nicht dominant ist. Und ich nehme auch an, dass „viele es noch verdrängen, wohin die Reise geht“. Ich kann schwer zustimmen, wenn er schreibt, dass der Rechtspopulismus in den Rechtsextremismus hinübergleitet, und dass dies wohl noch nicht genug Leute erkannt hätten.

Ich habe aber ein sehr murmeliges Gefühl, wenn Rauscher meint, dass die liberalen Demokraten schließlich erkennen müssten, dass der Faschismus nichts als Bluff – und die „Wir sind unausweichlich“-Rhetorik von Kickl lachhaft sei – solange nicht das eintritt, was die politische Theorie den „Kipppunkt“ nennt. Tja, ich bekomme Gänsehaut, wenn er schreibt, „wenn die Situation danach ist, genügen 30 Prozent, um ein Land in die Autokratie zu drehen“. Ich fürchte, es stimmt, dass es Anzeichen gibt für eine solche Bewegung, und ich bin froh darüber, dass Rauscher offensichtlich seine Leserschaft ernstlich warnen will und mit den abschließenden Worten schließt: „aber die liberale Demokratie in Österreich habe jetzt noch einmal eine „fighting chance“.

Ergreifen wir also die Aufforderung zur fighting-chance! Wie und was können wir tun, um Österreich (wieder) ein Land werden zu lassen, das sich nicht der Tyrannei von Minderheiten beugt, ein Land, in dem die Menschen friedlich miteinander umgehen, weil sie die Tagesordnung mitbestimmen. Ich denke und hoffe, dass nach wie vor soziale Bewegungen die wahltaktischen Überlegungen unserer Politiker beeinflussen (können), indem sie reformwillige Wähler mobilisieren. In Österreich haben wir eine starke soziale Bewegung gegen rechts, die hoffentlich auch bald das derzeitige Rauschen im Cyberspace übertönen kann. Meiner Ansicht nach ist die Arbeit an der Unterdrückung dieses Rauschens nur möglich, wenn wir demokratiefreundliche, konstruktive Informationsvermittlungs-Institutionen so stärken, dass sie existenziell unabhängig arbeiten können.

Kurz: Wir brauchen wieder Institution, denen wir vertrauen können! Eine Institution, die auch Lösungen verbreitet, die oft zunächst als unbequem oder als unsozial abgelehnt werden, weil sie nicht im Sinne des allgemeinen Wohlergehens verständlich genug medial aufbereitet worden sind. Ich meine, das sind doch in erster Linie sg. Qualitätsmedien, die notwendig sind, um die rechtsstaatliche Demokratie vor dem Rauschen zu schützen und ihre Arbeit an einem Wandel, der den Herausforderungen des 21.Jahrhundert gerecht werden kann – z.B. Klimagerechtigkeit! – ermöglichen. Das Vertrauen in Qualitätsmedien ist eine Voraussetzung dafür, dass Bürger*innen teilhabefähig sind. Um aber gute Arbeit leisten zu können, brauchen auch Redakteur*innen und ihre Medien unabhängige Finanzierung und Aufsichtsgremien, die der Unabhängigkeit verpflichtet sind.

• Ilse Kleinschuster ist ein besonders engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft und lebt in Wien

Gute Nacht, Journalismus?

Millionen für Massenmedien ohne journalistisches Ethos schaden der Demokratie! Braucht‘s eine Stärkung der Medienvielfalt?

Ilse Kleinschuster *

Im Südwind-Magazin, einer von mir sehr geschätzten Zeitschrift für internationale Politik, Kultur und Entwicklung – https://www.suedwind-magazin.at/millionen-fuer-die-massenmedien/ – war kürzlich zu lesen: „Einige wenige bekommen sehr viel Geld und bleiben dementsprechend mächtig. Eine Stärkung der Medienvielfalt schaut anders aus.“
Mag sein, dass die Medienkrise zuvorderst eine ökonomische und regulatorische ist! Ich kann mir schwer vorstellen, dass in Folge der Journalismus in Österreich total unterminiert wird, denn, würde das nicht bedeuten, dass mit dem Wegfall sämtlicher öffentlicher Förderungen und Inserate in der Mehrzahl der noch bestehenden Tageszeitungen und in etlichen Verlagen das Licht ausgeht. Und das kann von Seiten der Politik wohl nicht gewollt sein!?!

Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir es in Österreich doch auch irgendwann einmal schaffen, dass – durch den Wegfall öffentlicher Subventionen – die Zahlungsbereitschaft der Menschen für unabhängige Medien beflügelt wird. Zeigt sich nicht bereits der Ansatz zu einem neuen Mäzenatentum im Journalismus an? Werden in den neuen digitalen Medien nicht immer stärker einzelne Personen sichtbar, die geschickt eine riesengroße Anhängerschaft mobilisieren und sie anzusprechen verstehen. Jedoch, Vorsicht! -Wie steht es nun wirklich mit dieser Vertrauenserosion und dem behördlich verfolgten Verdacht gekaufter Berichterstattung?

Ist es nicht das Schlimmste, das einer Massendemokratie passieren kann, Massen-/Leitmedien des Boulevard ohne journalistisches Ethos zu haben? Denn, wenn Demokratie nicht länger nur eine Frage des Systems, sondern auch eine Frage der Haltung und des Charakters der handelnden Personen sein soll, dann Gute Nacht, Demokratie! Und wenn Leitmedien die Komplexität des Zeitgeschehens nicht mehr allgemein verständlich vermitteln können, ohne dabei zu manipulieren, dann Gute Nacht, Journalismus! Es ist ein Teufelskreis! –„Mehr als an Geld fehlt es der Politik am Willen gute Rahmenbedingungen zu gestalten“, so Walter Hämmerle in seiner Publikation „Die unreife Republik – zum Zustand Österreichs“.

Tja, aber wie steht’s denn mit dem Willen der Zivilgesellschaft– Rahmenbedingungen zu schaffen, die sinnstiftenden Journalismus unterstützen, einen Journalismus, der als „vierte Gewalt“ im Staat dazu beiträgt, dysfunktionale Dinge zu verändern?

Diese „vierte Gewalt“ also, die ohne gesetzlich verankerte Gewalt mittels wahrhaftiger Berichterstattung und Vermittlung der öffentlichen Meinung eine Kontrollfunktion über die drei Staatsgewalten, Legislative, Exekutive und Judikative ausüben soll, um Machtmissbrauch zu verhindern. Sind die Österreicher*innen als Medien-Konsument*innen en kritisch oder nehmen sie was ihnen geboten wird -, am liebsten gratis! Das demokratische Selbstbewusstsein der Österreicher hält der ehemalige Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ (heute Chef der Innenpolitik bei der „Kleinen Zeitung“) für unterentwickelt. Er mahnt eine parteiübergreifende Initiative für bessere Verwaltung ein, um dieser „Alibipolitik, wo das Erzählte reicht und nicht das Erreichte zählt“, ein Ende zu bereiten.

Zunächst einmal wäre schon viel gewonnen, wenn die Bürgerschaft fähig wäre, die PRESSE als public service, als einen öffentlichen Dienst, zu sehen, vergleichbar dem Gesundheits- und Bildungssystem, das ja eigentlich nicht marktfähig und deshalb nicht kommerzialisiert ist, sondern als gemeinnützige und öffentlich-rechtliche Einrichtungen zu organisieren wäre (etwa als eine Art Klima- und Umweltjournalismus). Kaum vorstellbar? – ein europäisches, öffentlich-rechtliches Netzwerk, das der algorithmischen Logik der kommerziellen Netzwerke nicht folgt, weil es ihnen nicht folgen muss -, ein öffentlich-rechtlicher Europafunk? – Ein nachhaltiger Aufklärungsjournalismus, der sich seiner eigenen Existenzvoraussetzungen bewusst und diesen verpflichtet ist: ein konstruktiver Journalismus, der sich mit der Demokratie gemein macht?

Nun ja, vielleicht ist das zu hoch gegriffen und wir sollten uns schon mal mit der Forderung nach qualitativen Voraussetzungen begnügen in dem Sinne, dass „der Kern des Journalismus weder darin liegt, Spielwiese für die individuellen weltanschaulichen Vorlieben der Journalistinnen und Journalisten zu sein, noch darin, jedem Ablenkungsmanöver der Politik eine Plattform zu bieten. Sein Ziel muss es sein, Sinn von Unsinn zu trennen, und den Menschen zu ermöglichen, sich ihre eigene Meinung zu den Themen der Zeit zu bilden. Dazu muss die Distanz zur Politik wachsen und die Kommunikationsübermacht regierender Parteien beschränkt werden. Längst arbeiten in den Content-Abteilungen von Ministerien und Landesregierungen mehr Menschen als in den Redaktionen.“ (Zitat Walter Hämmerle aus „Die unreife Republik“).

Nun hat aber in der Öffentlichkeit ein starker Strukturwandel stattgefunden und auch das bestehende Mediensystem befindet sich im radikalen Umbruch. Womöglich müssen wir uns grundsätzlich von der Idee stabiler Rahmenbedingungen im Hinblick auf Massenmedien und Journalismus verabschieden.

Wenn sich nun die Politik hinsichtlich der Ursachen für aktuelle Krisen solchen Fragen nicht wirklich gestellt hat, so haben sich kreative Menschen sehr wohl längst damit auseinandergesetzt und erkannt, dass Innovationen wie Künstliche Intelligenz ständig für neue Chancen, aber auch Gefahren sorgen.

Ich selbst stamme aus einer Zeit, in der Zeitunglesen und Fernsehen genügten, um sich als durchschnittlich gut informierter Mensch zu fühlen. Manchen werde ich nicht viel Neues berichten, aber vielleicht ist doch noch nicht allgemein bekannt, was ich kürzlich über den Newsletter vom Presseclub CONCORDIA aus dem letzten Teil einer 3-teiligen Sende-Reihe #journalimus erfahren habe – www.w24.at/Sendungen – # ZUKUNFT – Medienzukunft in Wien – mit Daniela Kraus, der Geschäftsführerin des Presseclubs Concordia, Andy Kaltenbrunner (Medienforscher) und drei jungen Medienunternehmer*innen, Tatjana Lukas (Gründerin des Happy House Media), Julia Herrnböck, Plattform für investigativen und Datenjournalismus, DOSSIER und Stefan Apfel (#media).
Die Frage ist zunächst, wen erreicht Journalismus noch und wo und mit welchen Ideen und Formaten? Papier sei nur noch bei Älteren beliebt. 2/3 aller Menschen seien online, um klassisch Nachrichten zu hören. Alle anderen wählen verschiedene Kanäle, Podcasts und Videos. Diese Vielfalt sei wohl eine große Chance!

Eine Social Media Plattform in Digitalformat wie #media – erreicht vor allem sehr junge Leute, die Zahl der Rückmeldungen ist stärker als bei Print aufgrund permanenter Interaktionen! D.h. enorme Reichweite durch Livestreams (50.000 Zuschauer, eventuell bis zu einer Million).

‚DOSSIER‘ – eine mediale, gemeinnützige Redaktion, die versucht Leute an investigativen und Daten-Journalismus heranzuführen, zu verschiedenen Themen auf verschiedenen Formaten. Jetzt auch als Print-Format, das Magazin! Die ehrlich kritische Aufbereitung der Inhalte ist dort wichtig, soziale Interaktion auch in der Redaktion werden als ein Beitrag zu Demokratie und Gesellschaft gesehen.

Über Social Media-kanäle werden zunächst viele Menschen erreicht, dann werden Angebote zur Diskussion, Information und Aufklärung gemacht, z.B. per kurzen Videos und Podcasts. Das nennt sich „Trojanischer Journalismus“! Wie aber wird Vertrauen gewonnen? Personalisierung sei dafür wichtig und trage auch zur Transparenz bei. Dafür bedarf es starker Quellenangaben-Tools, um für Verantwortlichkeit zu sorgen.

Wie nun aber kommt Journalismus zum Publikum und wie das Publikum zu den Medien?!? Natürlich braucht es dazu die Medien mit der großen Reichweite und auch analoge Veranstaltungen (diverse Streuungsmittel – z.B. Live-Chats mit Lagerfeuercharakter!)

Social Media-Plattformen wie Tik Tok, Instagram u.a. werden zusätzlich mit Podcasts und Newslettern verbunden. So entstehen mediale Biotope, die weitgehend kostenlos sind. Das ist zwar ein stark demokratischer Zugang –aber, ist das demokratiepolitisch nicht dennoch ein Problem!?!

Es geht also heute sehr wohl um das Entstehen eines starken medialen Pioniergeists und großer Experimentierlust bei jungen Menschen und Freigeistern, am Rand! Das sei gut so, aber dazu braucht es doch auch unternehmerischen Geist von Menschen, denen es mehr als um Gewinn, um Freiheit geht! Wie also kann Lust am Lernen, an Ausprobieren von Neuem, aber auch Mut zum Scheitern, zu sinnstiftendem Journalismus führen?!? Selbst wenn in großen Media-Unternehmen oft mutige Leute sind, die sich als Innovatoren betätigen wollen, werden ihnen rasch Grenzen gesetzt, weil zu viel auf dem Spiel stehe (Geld/Arbeitsplätze!).

Wovon leben diese unternehmerisch-motivierten Journalisten, denen es meist auch um Kritik an Systemfehlern, um Anstoß zu Verbesserungen (Socialism!) geht – Ein dafür vorbildliches Medienprojekt ist ‚Zetland‘, ein Mitglieder-finanziertes Unternehmen mit Text- und Audiojournalismus – www.zetland.dk

Da Geld also auch hier wieder die große Rolle spielt und investigative, werbefreie Medien davon abhängig sind, hat die Wirtschaftsagentur Wien eine Medien-Initiative eingerichtet – https://medieninitiative.wien/ueber-uns

Erwünscht sind natürlich gewisse Qualitätskriterien für die Fördervergabe. Kritiker meinen, es wäre darüber hinaus wünschenswert, wenn Medienförderung noch weitergedacht würde, dafür bräuchte es aber mehr Zusammenhalt innerhalb der Branche! Förderung vom Staat hat auch Schattenseiten, daher mögen Überlegungen weitergegeben werden, wie etwa jene in Bezug auf das Bewusstsein der Leser*innen (den persönlichen Medienkonsum und seine Steuerung – im Sinne der Demokratie!)

Letzten Endes glaube ich, dass aktueller Journalismus auf jeden Fall in seiner Berichterstattung mutiger werden sollte, ohne fürchten zu müssen, als aktivistisch gescholten zu werden. Es braucht normativen Journalismus mithilfe normativer Wissenschaft – nur das könnte den notwendigen Perspektivenwechsel herbeiführen. Zu behaupten, Journalismus muss neutral sein, ist unsinnig.
Wenn heute für allgemein notwendige sozial-ökologische Veränderungen (eine nachhaltige Entwicklung!) mehr Verständnis gefordert wird, wenn dafür mehr Fürsprecher (gestärkte Vielfalt in den Medien!) gesucht werden, dann muss – sowohl analoge wie digitale – Journalismus-Ausbildung auf Verantwortungsethik fokussiert werden. Ethische Haltung basierend zumindest auf den bereits erkämpften menschen- und verfassungsrechtlichen Grundlagen sollte als roter Faden in den Redaktionen dienen!

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft

Demokratie und Charakter

Einen Kommentar von Heide Schmidt im Standard** nimmt unsere Gastautorin zum Anlass für weitergehende Überlegungen zum Thema „Demokratie als Charakterfrage“.

Ilse Kleinschuster*

Heide Schmied, die ehemals Jörg Haider und seiner FPÖ den Rücken gekehrt und das Liberale Forum gegründet hat, war auch eine Anhängerin des Projekts Weltethos und hat sich für das Konzept eines Bedingungslosen Grundeinkommens interessiert. Es scheint mir daher gut nachvollziehbar, dass sie ob der Aussage der FPÖ „MIT EUCH GEGEN DAS SYSTEM“ schockiert ist, denn: ist nicht ‚unser System‘ Demokratie?

Ich bin keine Juristin, aber soviel weiß ich auch, dass es für unsere demokratische Halt(er)ung eine Grundlage gibt, die „Österreichische Bundesverfassung“, die „denjenigen die Hände bindet, die sich an sie halten, denjenigen aber fast alles ermöglich, die es nicht ehrliche mit ihr meinen“ – ein Satz von Vaclav Havel, den Heide Schmidt gerne zitiert. Sie kommt zu dem Schluss, dass Demokratie nicht nur eine Frage das Systems ist, sondern auch eine Frage der Haltung und damit auch des Charakters der handelnden Personen.

Nun entwickelt sich doch Haltung/Charakter im Laufe unseres Lebens und ich meine, es hängt doch sehr von den Umständen ab, unter denen diese Entwicklung stattfindet. Bereits als Kind habe ich mich – immer, wenn es um Ungerechtigkeit ging – sehr aufgeregt. Spät erst im Laufe meines Lebens habe ich begriffen, wie sehr es auch einer vernünftigen Gesetzgebung zu verdanken ist, soll es in der Gesellschaft halbwegs gerecht und friedlich zugehen.

In der heutigen Zeit eines multiplen Wandels ist es nicht mehr verwunderlich, dass sich auch die Politik wandelt. Wie sehr es an Politiker*innen fehlt, die sich in den Dienst der Rechtsordnung stellen, hat uns die Hochachtung für die verstorbene Kanzlerin Brigitte Bierlein gezeigt, die in schweren Zeiten der Bitte nachkam, „die taumelnde Republik aus Verantwortungsgefühl zu führen“ (Doris Helmberger, Chefredakteurin der FURCHE).

War die Mittelschicht bislang demokratietragend, fiel sie langsam der Globalisierung und der Schwerpunktverschiebung von Real- zur Finanzwirtschaft zum Opfer, was wohl die Frustrierten und Zurückgelassenen (rechte/linke) Populisten wählen lässt. Der Mangel an einer qualitätsvollen und zukunftsorientierten Spitzenpolitik wird immer offenkundiger. Der weltweite Populismus ist also Symptom, nicht aber Ursache der ‚Demokratie-Krise‘.

Und noch eines: Hat ein zugespitzter Stil in der Berichterstattung den Vertrauensverslust in die Politik nicht auch gefördert? Ich frage mich: Könnte mich darin vor allem die Berichterstattung zu den EU-Wahlen bestätigt haben? – Mehr Aufmerksamkeit als nötig wurde meiner Meinung nach dem Stimmenzuwachs für rechts-extreme Parteien gezollt. Ein Relevanzverlust der Medien schlägt sich nieder und vernebelt die ohnedies schon sehr verunsicherte Mittelschicht.

In Redaktionen, in denen gespart wird, fehlt es an Wissenschaftsjournalisten, die eine Gatekeeper-Funktion übernehmen könnten. Nicht Zuspitzung, sondern lösungsorientierte Kritik wäre jetzt wichtig, ausgeübt durch gebildete, verantwortliche Persönlichkeiten, deren Umfeld Selbstreflexion zulässt und fördert. -So schreibt Otto Friedrich in der FURCHE über die „Medien und ihre Selbstverzwergung“ zu den Vorwahl-Turbulenzen um Lena Schilling: „Ich ordne die Causa auch als Lehrbeispiel fürs Schlagwort overnewsed but underinformed ein“ und er stellt fest, dass sich für ihn keinerlei Relevanz in Bezug auf die Zukunft Österreichs oder Europas erkennen lasse.

Mehr noch aber als die Relevanz in Bezug auf die Zukunft Österreich und Europas fehlt mir heute jene in Bezug auf die Zukunft der ‚Menschheit‘. Was für eine vernachlässigte, globale Verantwortungsherausforderung für uns alle, die wir sowohl biologisch als auch in unseren Identitäten, Lebensrealitäten und Überzeugungen derart unterschiedlich sind! Wie sollen wir von einer Menschheit schreiben, für die wir Verantwortung tragen (wollen), wenn wir die aus der Natur des Menschen begründbaren, allgemeinen Menschenrechte täglich missachten?

Eine ERDE für Alle – EARTH FOR ALL – der neue Bericht an den CLUB OF ROME, 50 Jahre nach „Die Grenzen des Wachstums“ – könnte eine Antwort geben! Es bietet eine konkrete, bahnbrechende Vision, wie das Wohlergehen aller – in jedem Land – auf unserem begrenzten Planeten sichergestellt werden kann. Das wäre eine wichtige Lektüre auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die das Motto Eine Erde für Alle! lebt.

** Gastautorin Ilse Kleinschuster ist eine wichtige Stimme der Zivilgesellschaft. In ihrem Beitrag bezieht sie sich unter anderem auf einen STANDARD-Kommentar von Heide Schmidt:

* www.pressreader.com/austria/der-standard/20240615/282505778761255

Reiche Gebildete überschätzt

EU-Wahl – ein demokratiepolitischer Lernprozess? Wohin soll die Reise gehen? Bange Fragen rund um die Rolle von Bildung.

Ilse Kleinschuster *

Die Politikwissenschafterin und Demokratieberaterin Tamara Ehz im Ö1-Morgenjournal sieht eine Korrelation zwischen Wahlbeteiligung und dem Ergebnis von Wahlen: Wenn vor allem „die gut Gebildeten“ immer brav wählen gehen, so bildet sich ein verzerrtes Bild, sagt sie (ich vermute, letztlich hat Frau Ehz wohl Menschen gemeint, die sozioökonomische Ungleichheit repräsentieren!) – und, die Politiker richten ihr Wahlprogramm dementsprechend aus. Daraufhin werden diese wahlmäßig Unterrepräsentierten unzufrieden und meinen, die Politiker tun ohnedies nichts für uns, also gehen wir gar nicht zur Wahl. Ein Teufelskreis? – Die wahlpolitischen Folgen sind bekannt. Die Wahlbeteiligung ging in den letzten Jahren zurück, die Nichtwähler*innen sind die größte Gruppe! Eine starke Wahlbeteiligung sei aber wichtig für eine Institution wie das EU-Parlament, so Tamara Ehz im Morgenjournal vom 8.6. 2024.

Tja, zunächst war es für mich irritierend, dass eine akademisch gebildete Demokratieberaterin die Definition „gut Gebildete“ für eine nicht bis schlecht repräsentierte Wählerschicht verwendet. Bildung, so meine ich, ist doch weder ein Patentrezept gegen Armut noch eine Grundvoraussetzung zur Vermögensbildung in größerem Stil, denn weder Firmengründer noch -erben benötigen höhere Bildungsabschlüsse für die Mehrung ihres Reichtums. Ich habe da einer Studie von Ulrich Schneider („Wer sind die Armen! – von falschen Bildern und neuen Daten, in Soziale Sicherheit 12/2018, S.450) entnommen, dass sich das geläufige Vorurteil, die Einkommensarmen seien ungebildet, empirisch widerlegen lässt, denn 56% von ihnen weisen ein mittleres und weitere 7,1% sogar ein hohes Qualifikationsniveau auf, was laut ihm bedeutet: „Bei fast drei Viertel der Armen dürfte das Bildungsniveau nicht die Ursache für die prekäre Einkommenssituation darstellen.“

Bildung wird demnach, hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Ungleichheit zu begrenzen, maßlos überschätzt. Sie ist offenbar kein Wundermittel, um die materielle Unterprivilegierung bestimmter Bevölkerungsschichten auszugleichen. Das hat wohl stark mit dem familiären Migrationshintergrund zu tun (siehe Arbeits- und Ausbildungsplätze, die aufgrund rassistischer und antisemitischer Vorurteile Kindern aus solchen Milieus trotz höherer Bildung oft nicht zu Verfügung stehen). Das mag wohl auch ein wesentlicher Grund für die Erosion unserer Gesellschaft sein. Die Zunahme chronisch unterfinanzierter öffentlicher Bildungsbereiche – hat sie nicht auch zur Herausbildung abgeschirmter Gesellschaftskreise geführt? Bildung, die zu einer Handelsware herabgewürdigt wird, hatte ein Schulwesen zur Folge, geprägt von sozioökonomischer Ungleichheit und einer stärkeren Klassenspaltung der Gesellschaft. Diese wachsende Ungleichheit ist wohl das Kardinalproblem unserer Gesellschaft, wenn nicht der Menschheit insgesamt.

Es ist heute kein Problem mehr von Arm und Reich, sondern es ist ein Problem von Rassismus und Antisemitismus. Das ist auch im sg. Sylter Weckruf stark hervorgehoben, wenn der Slogan „Reichtum schützt vor Dummheit nicht“ bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus in Essen zu lesen war. Für Österreich zeigen die Ergebnisse des Demokratie-Monitors von SORA/FORESIGHT, dass auch im Drittel der Bevölkerung mit den höchsten Einkommen die Zufriedenheit mit dem politischen System seit 2018 deutlich gesunken ist. Auch antidemokratische und autoritäre Einstellungen sind unter den Privilegierten relativ weit verbreitet. So stimmen 14% der Aussage zu, „es sollte einen starken Führer geben. 9% dieser Gruppe sprechen sich für eine „Diktatur auf Zeit“ aus, die uns in den kommenden fünf Jahren aus der Krise führt, zudem sprechen sie sich gegen „unsere parlamentarische Demokratie“ aus. Der Professor für Allgemeine Soziologie, Jörg Flecker dazu: „Es ist zu befürchten, dass uns die Ergebnisse der extremen Rechten bei den Wahlen zum Europäischen Europaparlament anschaulich zeigen, wohin die Reise geht.“ – Werden wir daraus lernen?!?

*Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und ein besonders engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft

https://www.pressreader.com/austria/der-standard/20240608/282200836069013

https://oe1.orf.at/player/20240608/760029/1717823195000nd

Medien-Politik im Abseits?

Die Zukunft von Medien angesichts wachsender Probleme und fehlerhafter Entwicklungen ist eine der drängendsten Fragen, die nicht nur seitens der Politik einer Lösung harren.

Ilse Kleinschuster *

Noch immer, also genau neun Monate nach der „völlig unnötigen Einstellung der der Republik gehörenden Wiener Zeitung“ (Fritz Hausjell) – ‚meiner‘ abonnierten Tageszeitung, vermisse ich sie. Gerne denke ich an die Zeit zurück, in der ihre tägliche Lektüre mir geholfen hat, die Welt in ihrer Schönheit aber auch mit all ihren Widersprüchen besser verständlich zu machen.

Die Frage, die sich Clemens Pig stellt „Muss es denn wirklich eine Vision bleiben, dass Journalismus dazu dient Welterklärungen zu demokratisieren und nicht als Einbahnstraße zu begreifen“ bewegt auch mich (Clemens Pig, u.a. geschäftsführender Vorstand der Austria Presse Agentur (APA) und Autor von „Hat die Wa(h)re Nachricht eine Zukunft?“. Er sieht die APA als „Gedächtnis der Nation und andererseits als medialen Pulsschlag der Republik.“ Er wünscht sich jedoch mehr Selbsterkenntnis im Journalismus, um die Bedürfnisse und Erwartungshaltung der Menschen in Bezug auf die Medien zu verstehen und darauf entsprechend einzugehen. Als Politikwissenschafter und kritischer Journalist ist er Mitbegründer von Media-Watch – Institut für Medienanalysen GmbH, das von der APA 2001 erworben wurde. Dort gibt es seither ein eigenes Ressort für Fact-Checking, d.h. dort werden Versuche unternommen, so nahe als möglich an normative Konzepte wie Wahrheit und Objektivität heranzukommen.)

Nun aber, wo unsere Welt in den letzten Jahren im Zuge der Globalisierung immer komplexer wird, fühlen sich viele Menschen abgehängt. Die Komplexität zu simplifizieren wird immer schwieriger und es erfordert dafür Meister des journalistischen Handwerks. Zeitungen mit Redaktionen, die sich unabhängig nennen, setzen sich unweigerlich einem mörderischen Wettlauf zwischen Schnelligkeit und Richtigkeit aus. Am Ende sollte sich natürlich immer die Richtigkeit durchsetzen. Wenn nun aber Fakten-Check aus Zeitmangel wegfällt, kommt es unweigerlich zu Massenmedien mit „medialer Einigkeit“ – was die Demokratie gefährdet (siehe Richard David Precht und Harald Welzers Buch „Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“).

Wenn es also bei uns in Österreich nicht zu einem totalen Verfall der APA als unabhängiger Nachrichtenagentur kommen soll, dann muss sich diese neue Geschäftsfelder erschließen. Das kann das multimediale Verbreiten von Pressemeldungen sein, aber auch professionelle Medienbeobachtung und damit in Zusammenhang die Erstellung von Qualitätskriterien für neue Medienförderung. Dafür sollte es aber mehr staatliche Unterstützung geben, denn unabhängiger Agenturjournalismus ist ein wesentlicher Baustein für eine freie Medienwelt und damit für eine liberale Demokratie.

In seinem Gastkommentar „Visionen für analogen Journalismus!“ (DIE FURCHE vom 29. Februar 2024) schreibt Fritz Hausjell: „Wie weit nach unten soll die tagesaktuelle Medienvielfalt noch gehen, bis endlich spürbar von Medienwirtschaft und Medienpolitik gegengesteuert wird? Neugründungen von tagesaktuellen journalistischen Digitalmedien sind Mangelware oder aus unterschiedlichen Gründen (Partei- und andere Interessensnähe, journalistische Substandards), sehr mangelhafte Ersatzangebote für die Verluste im Printbereich.“ Nun, Fritz Hausjell ist ein angesehener Medienhistoriker und Medienwissenschaftler an der Universität Wien und ich vertraue seiner Kritik an Österreichs Printmedien: „Die Branche hat kaum in Forschung und Entwicklung investiert. Und Versuche, Journalismus in der digitalen Welt auf eine ausreichend finanzierte Basis zu stellen, blieben bescheiden.“

Offensichtlich, so schließe ich daraus, sind es schwere Versäumnisse im Bereich der Medien-Politik, die zu einem verhängnisvollen Vertrauensverlust in die gesamte Politik geführt haben.

Es seien daher Medienmanager gewarnt,
wenn sie ihre journalistische Tätigkeit nach wie vor gerne als Vierte Gewalt im Staate sehen wollen, dann sollten sie alle Möglichkeiten wahrnehmen und erweitern, um ihre Aufgabe als Watchdogs besser erfüllen zu können. Hier und jetzt – in Anbetracht der Notlage, so denke ich -, wäre es ihre noble Aufgabe im Namen des Gemeinwohls als verantwortungsvolle Whistleblower zu fungieren, d.h. als Verhinderer einer zunehmenden Infragestellung der demokratischen Bedeutung von Parlamenten.

Ich meine, erst wenn Journalisten imstande sind, unseren Volksrepräsentanten zu helfen, Alarm zu schlagen, sich mehr um die Lösung langfristiger Probleme zu bemühen, diese nicht durch kurzfristiges Denken in Wahlzyklen in den Hintergrund zu verdrängen, werden sie verdienterweise als die Vierte Gewalt im Staat und als Meister öffentlicher Machtüberwachung anerkannt werden.

Es wird jetzt von verantwortungsvollen Politikern die Zivilgesellschaft oft zur Hilfe gerufen, wenn es darum geht, vertrackte Probleme ins Visier zu nehmen, wie z.B. in Hinblick auf Künstliche Intelligenz, Steuerparadiese, Umweltverschmutzung, Seuchen, Menschen auf der Flucht, unregulierter Waffenhandel und endlose Zermürbungskriege.

Warum braucht es jetzt immer öfter für jedes Problem außerparlamentarische Initiativen und warum werden Bürgerräte angefordert – statt den Ruf nach Qualitätsjournalismus, nach konstruktivem Journalismus lauter werden zu lassen? Ich glaube, erst wenn diesem Ruf auf breiterer Basis Folge geleistet wird, müsste uns um die demokratische Bedeutung von Parlamenten nicht mehr so bange sein. Dann könnten wir vielleicht eher wieder Demokratie ‚neu‘ denken. Bestenfalls aus der Perspektive von Bürgern, die sich emanzipieren wollen, weil sie darin eine Garantie sehen – die Garantie für ihre Freiheit vor räuberischer Macht in all den abstoßenden Ausprägungen, einschließlich ‚unseres‘ rücksichtslosen Umgangs mit der ERDE, auf und von der wir leben.

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und engagierte Akteurin der Zivilgesellschaft. Sie lebt in Wien

Das Ende der Menschenrechte?

Die ORF-Sendereihe PUNKT EINS des renommierten Radiosenders Ö1 ist zum Fixpunkt interessanten und spannenden Hörerlebnisses geworden. Thema der jüngsten Sendung waren die Menschenrechte.

*Ilse Kleinschuster

Nun, der Zeitpunkt für eine Suche nach den Menschenrechten war schon besser – aber, die Hoffnung stirbt zuletzt! Nach einer „Gemeinsamen Sicherheit“ wird immerhin noch gesucht!
Ist es denn wirklich nicht möglich, aus den UNO-Berichten der 1980-er Jahre, insbesondere dem Bericht der Palme-Kommission, auch für die gegenwärtige Lage Anhaltspunkte für das angemessene Herangehen an die existentiellen Menschheitsprobleme des 21.Jhts. zu finden? Wenn nun die Politik der Weltmächte zunehmend versagt, dann muss heute doch der Druck zur Umsteuerung von unten, aus den Völkern bzw. den Zivilgesellschaften kommen.

Auch wenn der Palme-Bericht II aus dem Jahr 2022 einen konkret formulierten Appell an die Weltgemeinschaft enthält, „die internationale Ordnung in den Griff zu bekommen, um Kriege zu verhindern, die globale Erwärmung aufzuhalten, Pandemien zu bekämpfen und globale Herausforderungen zu bewältigen“, so ist das zwar löblich, aber ohne einen sanktionsfähigen Internationalen Gerichtshof offensichtlich nicht möglich.

Wie wäre es die UNO zu stärken (finanziell z.B. durch Abgaben der großen Konzerne auf die Gemeingüter an die Staaten (Staatendividende) – oder, eine UN-Sonderversammlung zu den Themen Abrüstung, Entspannung und Sicherheit damit zu beauftragen, eine jährliche Senkung der Militärausgaben verbindlich festzulegen, um die freiwerdenden Mittel für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung des Übergangs zu klimafreundlicherem Wirtschaften und der generellen Friedenskonsolidierung zu verwenden?

Ich finde, Europa als Wiege der Aufklärung und der „UN-Menschenrechtserklärung“ käme dabei eine besondere Rolle zu, ich höre aber zumeist nur Kriegsgeschrei, umso mehr möchte ich hier und jetzt auf die Rolle einer starken Friedensallianz aufmerksam machen, der Sie auch beitreten können: www.abfang.org

*Gastautorin Ilse Kleinschuster ist aktives Mitglied der Zivilgesellschaft. Die von ihr erwähnte Ö1-Sendung zum Thema Menschenrechte können Sie unter folgendem Link nachhören:

www.oe1.orf.at/programm/20231103#739105/Das-Ende-der-Menschenrechte

Appell zum Jahreswechsel: Menschenrechte zum Blühen bringen !

Meine Barbarazweige blühen! Es sind nur zwei Zweige von vieren, aber muss man nicht bescheiden werden in Zeiten wie diesen, wo Menschenrechte nicht mehr viel gelten? Ich nehm’s als gutes Zeichen für das neue Jahr!

Ilse Kleinschuster*

Zum einen sind es die Knospen, die Barbara Blaha mit ihren – Gedanken für eine gerechtere Gesellschaft – zum Blühen bringt – https://oe1.orf.at/player/20201227/621928

„MOMENTUM zeigt, was ist und was alles möglich wäre.“ Das von Barbara Blaha gegründete Momentum-Institut ist eine progressive Denkfabrik, die den Anspruch stellt, konkrete und realistische Vorschläge für eine nachhaltigere und gerechtere Gesellschaft zu erarbeiten.

Trotz gern geäußerter gegenteiliger Behauptungen ist unsere Gesellschaft geprägt und zerfurcht von Chancenungleichheiten und Ungerechtigkeiten: Einkommensscheren, Klassenjustiz, Diskriminierungen und Standesdünkel verhindern die Gleichberechtigung und gefährden dadurch auch den sozialen Frieden …

Unabhängig von parteipolitischen Erwägungen – aus der SPÖ ist die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft 2007 aus Protest gegen das Festhalten an Studiengebühren ausgetreten – will Barbara Blaha eine Stimme für jene „Vielen“ sein, von denen sonst höchstens abstrakt die Rede ist? Ihre Aufgabe an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik sieht sie nicht nur darin, konkrete Schwachstellen unseres gesellschaftlichen Gefüges aufzuzeigen, sondern auch Lösungen, von denen am Ende alle profitieren.

In ihren heutigen Gedanken geht es Blaha ganz konkret u.a. um Klassenkampf und Reichenhass, leichte Zugänge zum Seeufer und schwere Klettersteige am Bildungsberg – und um den offenen Umgang mit geschlossenen sozialen Grenzen.

Zum anderen ist es ein Beitrag zu politischem Engagement im Krisenjahr 2020, auch von einer Barbara, Barbara Prainsack. Sie hat heuer ein sehr lesenswertes Buch zum Thema Bedingungslosen Grundeinkommen herausgebracht, dass seither schon viele öffentliche Diskussionen bereichert hat! Tja, und was wäre bedeutender im Verfolgen von moralischen Forderungen, die sich auf wichtige und sozial beeinflussbare Freiheiten beziehen, wenn wir die MENSCHENRECHTE zum Blühen bringen wollen!?! („VOM WERT DES MENSCHEN – Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen“ – erschienen im Verlag Brandstätter)

• Ilse Kleinschuster im Dezember 2020. Die Autorin dieses Beitrags ist in der Zivilgesellschaft engagiert und aktives Mitglied der Vereinigung für Medienkultur.

Von „Zivilgesellschaft“ ist oft die Rede-doch was ist sie?

Kann Zivilgesellschaft die 6. Gewalt im Staat sein, wie ein Medienanalytiker meinte?

Hans Högl

Welche Bedeutung hat „Zivilgesellschaft“? Peter Plaikner, der Direktor von IMPact – dem Institut für Medien und Politikanalyse, nannte sie kürzlich im Presseclub Concordia die 6. Gewalt, die 5. sind demnach die „Social Media“, die 4. die traditionellen Medien.Dies ist Anlass, zu fragen, was „Zivilgesellschaft“ meint.

„Zivilgesellschaft“ ist auf Englisch civil society, auf Französisch société civile. Dies kommt vom Lateinischen “ societas“ = Gemeinschaft, Teilnahme, Genossenschaft, Kameradschaft, (Handels) Gesellschaft, politisch: Bündnis. Vgl. ius civile = bürgerliches Recht, Zivil- oder Privatrecht. civis (lat) = Bürger*in, Mitbürger, Einheimischer. „Burger“ waren Mittelalter Leute, die rund um die Burg wohnten. Vgl. Namen wie: Bürger, Bürgerschaft, Bürger-Meister, Staats-Bürger. Im Französischen: „bourgeois“ .

Im Französischen bedeutet das Wort „citoyen“ den Staatsbürger. Ursprünglich war dies der Bewohner einer cité, also Stadt (!), vom lat. civitas. Später wurde daraus Besitz-Bürger.Davon leitet sich das Wort „bourgeois“ ab. Die Bourgeoisie, verstanden als herrschende Klasse rührt von der die marxistischen Theorie. Zu erwähnen ist die Bezeichnung „bürgerliche Parteien“.

Im Englischen bedeutet „civil society“ seit dem 18. Jahrhundert Staatsbürger-Gesellschaft, also dem von der staatlichen Verwaltung u n a b h ä n g i g e n Bereich, der sich z.B. in berufsständischen Vereinigungen eigene Selbstverwaltungsorgane schafft.

Der Begriff Zivilgesellschaft fand im Deutschen erst durch Schriften von A. Gramsci (1947) Eingang. Bisher unterschied man im Deutschen nicht zwischen den

1. staats-unabhängigen Bereichen der Gesellschaft und
2. der besitz – bürgerlichen Klassenherrschaft in der Bedeutung von Marx und Engels.

Im nordamerikanischen Liberalismus versteht man unter Zivilgesellschaft die von der staatlichen Administration unabhängige Gesellschaft der einzelnen Staatsbürger, aber im Kommunitarismus das soziale Netzwerk staatsunabhängiger Gemeinschaften, die durch diverse kulturelle Traditionen geprägt sind.

In Österreich und Deutschland ist die Gewaltentrennung nicht so ausgeprägt – wie in den USA und Frankreich. In den USA sind Staat und (Frei) Kirchen getrennt. Ähnliches gilt für Parteien, Verbände. Es wird weder in den USA noch in Frankreich ein Kirchenbeitrag eingehoben- wie dies in Deutschland der Fall ist.

Das Problem, staatliche Bereiche von der Zivilgesellschaft zu trennen, rührt in Österreich und Deutschland auch davon, dass der Staat in vielen Bereichen Förderungen leistet.

So widerstrebt unserem Verständnis, Verbände (wie Kammern, Kirchen, Gewerkschaften) unter dem Begriff „Zivilgesellschaft“ zu fassen – während das z.B. in den USA durchaus möglich ist. Zur Zivilgesellschaft in unserem Sinne zählen NGOs, Sport- und Musikvereine, die freiwillige Feuerwehr, zahllose Vereinigungen formaler (Vereine) oder informeller Art ( Initiativen ohne Vereinsstatut). Hilfsorganisation wie Caritas und Diakonie sind nach-sorgend, also wenn Hilfsbedürftigkeit gegeben ist, doch ist die „Initiative Zivilgesellschaft“ (IZ) insofern vor-sorgend, als hier zukunftsgestaltende Überlegungen getroffen werden (Z.B. denkt die des Grundeinkommens künftigen Beschäftigungsproblemen zu begegne ). Wir werden wohl Hilfsorganisationen (wie Caritas….) dazu zählen, obschon wir wissen, dass caritative Initiativen vom Staat gefördert werden.

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Erfolg für 3. Sektor durch „Bündnis für Gemeinnützigkeit“

Franz Neunteufl: Der Sprecher des Bündnisses für Gemeinnützigkeit teilt mit

Mehr als 100 Tage hat es gedauert, bis sich die Regierung nach dem Lock-Down Mitte März auch zu direkten Covid-19 Hilfsleistungen für Gemeinnützige durchringen konnte. Das Ergebnis kann sich – vor allem im europäischen Vergleich – durchaus sehen lassen. Eine Hürde, die genommen werden musste, war, dass so wenig über den Dritten Sektor bekannt ist. Mit der Einrichtung eines NPO Satellitenkontos in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird sich das hoffentlich bald ändern.

Nun gibt es Richtlinien für den NPO Unterstützungsfonds. Vizekanzler Kogler und Landwirtschaftsministerin Köstinger haben die Details des NPO Unterstützungsfonds präsentiert. Dies betrifft Gemeinnützige Organisationen, freiwillige Feuerwehren und gesetzlich anerkannte Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Sie können wegen der Coronakrise um Schadenersatz ansuchen. Die Verordnung trat am 6. Juli in Kraft.

Bundesministerium für Kunst, Kultur,öffentlichen Dienst und Sport Kabinett des Vizekanzlers

Dietmar Seiler: Referent für Kunst, Kultur und strategische Projekte

+43 650 42 24 202. dietmar.seiler@bmkoes.gv.at. www.bmkoes.gv.at

NB. Zähe Bemühungen und Vorsprachen führten zum Erfolg. Das kann ich, Hans Högl, als Vertreter der „Initiative Zivilgesellschaft“ im Bündnis für Gemeinnützigkeit bestätigen.

Für eine aktive und initiative Zivilgesellschaft

Ilse Kleinschuster, langjähriges aktives Mitglied der Vereinigung für Medienkultur, macht sich profunde Gedanken über Ziele und Chancen einer initiativen Zivilgesellschaft.
Hier ihr Gastbeitrag :

Ilse Kleinschuster, im Jänner 2020

Mit dem Anbruch des zweiten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts würden Fragen virulent, wie sie sich bisher in der Geschichte der Menschheit nicht gestellt haben. „Das 20. Jahrhundert war geteilt in eine Zeit der Dunkelheit und in eine Ära der Hoffnung“, so beginnt Eric Frey seinen Essay „Kommen wir noch einmal davon?“ (im ALBUM vom DerStandard vom 28.Dezember 2019) und er meint dann, die ersten zwei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts böten Pessimisten und Optimisten gleichermaßen Stoff – mit Folgen für die Klimapolitik. Gegen Ende seines politik-/ökonomiegeschichtlichen Exkurses wird er sehr nachdenklich: „Die Weltuntergangsuhr, die Mitte der 1990er Jahre bei drei viertel zwölf stand, stehe jetzt seit dem vergangenen Jahr wieder auf zwei vor zwölf. Die Prognosen der Klimaforscher lesen sich immer öfter wie apokalyptische Visionen, die selbst ehrgeizige Klimapläne als sinnlos erscheinen lassen.“ Und er meint, unter Hinweis auf die enttäuschende Weltklimakonferenz in Madrid 2019, es stünden die politischen Realitäten sinnvollen Klima- und Umweltplänen im Wege.

Nicht gerade optimistische Stimmung lässt Frey aufkommen, wenn er zwei Autoren zitiert: den US-Autor Jonathan Franzen, der den Kampf gegen den Klimawandel für verloren erklärt und der die Menschheit aufruft, alles zu tun, damit die Menschheit die Folgen überlebt, sowie den Dänen Björn Lomborg, der erklärt, dass eine wirkungsvolle Eindämmung der Treibhausgasemissionen viel zu teuer sei und man – neben der Lösung anderer sozialer und gesundheitlicher Probleme – stattdessen in die Anpassung investieren müsste.

Und zur Krönung seines zum Pessimismus aufmunternden Essays erzählt Fry von dem von ihm für paradox gehaltenen, Phänomen: „Die radikalsten Klimaaktivisten mit ihren düsteren Warnungen sind heute die größten Optimisten. Sie sind überzeugt, dass die Katastrophe doch noch abgewendet werden kann.“ Im Unterschied zu den „Bremsern“, die in den Hauptstädten der Welt mit ihrem Pragmatismus den Ton angeben, wollten diese sich jedoch nicht darauf verlassen, dass wir schon irgendwie davonkommen würden. Denn, – so Eric Frey abschließend – der Lauf der Geschichte ließe sich zwar nicht steuern, aber er ließe sich beeinflussen.

Lässt sich der Lauf der Geschichte beeinflussen? – und von wem?

Dieser Essay stimmt nachdenklich. Ich frage mich, was kann ich jetzt tun als einfache Bürgerin, die seit vielen Jahren zivilgesellschaftlich aktiv ist – in einer Allianz von Utopisten und Weltverbesserern, der „Initiative Zivilgesellschaft“ -, wo das wiederholte Scheitern des Finanzsystems mit immer dramatischeren Folgen – nicht nur für die Menschen, sondern zunehmend auch für die Lebensgrundlagen unseres Planeten – schon seit vielen Jahren als ein Indiz dafür erkannt worden ist, dass grundlegende Mängel im Systemverhalten existieren müssen, die zu diesem immer dramatischeren periodischen Zusammenbrüchen führen.

Erstaunlich wie lange es gebraucht hat bis sich die Kurzschlüssigkeit aus den vielen wissenschaftlichen Berichten dazu (Club of Rome u) herumgesprochen hat: Symptome wurden zwar erkannt und ihre scheinbaren Ursachen beschrieben, aber die daraus abzuleitenden Therapien wurden kaum (nicht) ergriffen. Kleine Erfolge im Rahmen von großen, internationalen Klimakonferenzen wurden zwar erzielt. Jedoch, erst die seit einigen Monaten aktuellen globalen Protestbewegungen, wo Jugendliche bei den „Fridays for Future“-Demonstrationen Maßnahmen zum Klimaschutz fordern, sind erfolgreich – werden immer stärker in der breiten Öffentlichkeit gehört. Kann das jetzt jene Politisierung bedeuten, von der Herr Frey meint, sie könnte den Lauf der Geschichte beeinflussen?!? Wenn nun immer mehr junge Demonstranten bemerken, dass sie gehört werden, ja dass ihnen teilweise recht gegeben wird, dann könnte dies so manche von ihnen anspornen, weiterzumachen – sei es nun indem sie sich in Parteipolitik engagieren oder auch in Nichtregierungsorganisationen oder in den „Medien“ – wo auch immer, sie werden allemal zur aktiven Bürgerschaft – gesamtheitlich zu einer initiativen Zivilgesellschaft, die den „Lauf der Geschichte beeinflussen kann“.

Für mich wird dieses Jahr 2020 jedenfalls nicht durch dunkle Orakel-Wahrsagungen getrübt, sondern erhellt von der bunten Vielfalt jener Menschen, die für Werte eintreten: menschliche Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaat, soziale Gerechtigkeit, kulturelle und ökologische Vielfalt und Anti-Diskriminierung. Ich sehe am Horizont eine sich von-unten-aufbauende Demokratie, die sich populistischen Trends gegenüber zu wehren versteht. Natürlich braucht es dazu die Stärkung der rechtsstaatlichen Institutionen, und das nicht nur innerhalb unseres Landes. Um diese Institutionen zu erhalten und zu stärken sollte es in den nächsten Jahren der aktiven und initiativen Zivilgesellschaft gehen.

Klimaprotest sollte über 2020 hinaus nicht mehr so sehr Protest gegen diese Politik sein, sondern sollte Fürsprache für die Wiedervereinigung von Ökologie und Ökonomie bedeuten!

Gastkommentar von Ilse Kleinschuster