Ukraine-Konflikt: Medien und Feindbildpflege

Nachlese zu einer überaus gut besuchten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur

Udo Bachmair

Es gab nicht einmal mehr einen Stehplatz am Abend des 24. 9., der große Saal des Presseclubs Concordia war zum Bersten voll. Mehr als 130 Interessierte waren zur jüngsten Veranstaltung der Vereinigung für Medienkultur gekommen. Ein bisheriger Rekord. Das heikle wie spannende Thema: „Der Ukraine-Konflikt und die Verantwortung von Medien und Politik“ inklusive der bangen Zusatzfrage: „Neue Kriegsgefahr für Europa?“.

Eine Themenstellung, die die Erwartungshaltung voll erfüllte :  Eine streckenweise emotionale, polarisierende, meist jedoch faktenreiche und sachliche Auseinandersetzung über eine Causa, die wohl bald wieder die Schlagzeilen dominieren wird. Geht es doch um nicht mehr oder weniger als um „Krieg oder Frieden“.

So ging es auch in der erwähnten Diskussion um den Gegensatz von Propaganda und Feindbildpflege auf der einen Seite sowie Dialogbereitschaft und Friedenssicherung auf der anderen. Und nicht zuletzt auch um die Frage, warum in westlichen „Mainstream-Medien“ seit eineinhalb Jahren bereits konsequent propagandistisch Stimmung gegen Russland gemacht wird. Profil-Herausgeber Christian Rainer, einer der Podiumsgäste, kritisierte die Gleichsetzung von westlicher und russischer Propaganda. Er ließ auch den Einwand nicht gelten, dass der Westen „subtilere und dadurch vielleicht sogar wirksamere Propaganda“ betreibe. Wortgewaltig und leidenschaftlich entgegnete der langjährige EU-Politiker Johannes Voggenhuber, dass der Westen, allen voran die NATO, sehr wohl massiv Propaganda gegen Russland betreibe. Auch unter Journalisten mangle es weithin an Verständnis für die geopolitische Interessenslage Russlands. Vor allem manche deutsche Spitzen-Journalisten stünden unter intensivem Einfluss von US-Think-Tanks.

Der Medienwissenschafter Jürgen Grimm präsentierte das Ergebnis einer Studie, der zufolge Propaganda und Schwarz-Weiß-Malerei in der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt und Russland zu registrieren sei. Grimm geht sogar davon aus, dass westliche Medien eine Verschärfung des Ukraine-Konflikts bewirkt hätten. Ex-Botschafterin Gabriele Matzner unterstrich in der Diskussion die wichtige Rolle der Diplomatie, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen.

Dem von mir als Moderator zur Debatte gestellten Grundsatz „ Friede in Europa ist auf Dauer nicht gegen, sondern nur im Dialog mit Russland möglich“ konnte schließlich auch Christian Rainer trotz seiner harschen Kritik an Putin etwas abgewinnen.

„Ein so gutes Beispiel an Diskussions- und Streitkultur habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, so lautete das Resumee von Professor Grimm nach der Podiumsdiskussion. Ein Lob auch für positive Medienkultur, deren Förderung sich ja die Vereinigung für Medienkultur zur Aufgabe gemacht hat.

Zur Causa „Ukraine-Konflikt und die westliche Haltung zu Russland“ sei Ihnen eine der offenbar zahlreicher werdenden Stimmen der Vernunft zur Lektüre ans Herz gelegt, die Einschätzung von Günther Verheugen, früherer SPD-Politiker und Ex-Vizechef der EU-Kommission. Zitate des guten Russlandkenners aus einem Spiegel-Interview:

„Alle müssen zunächst einmal rhetorisch abrüsten. Der Ton macht eben doch die Musik. Beide Seiten schränken ihren Handlungsspielraum durch einseitige und plumpe Schuldzuweisungen ein. Das vertieft den Konflikt erheblich.“

„Wir sollten anfangen, wieder in vernünftiger Lautstärke und mit vernünftigen Argumenten übereinander zu reden, besser aber noch miteinander. Und wir sollten anerkennen, dass auch Russland, und nicht nur wir legitime Interessen hat. Da hat der Papst völlig recht.“

„Die Lehre aus der Entspannungspolitik und dem KSZE-Prozess der Siebzigerjahre ist, dass Frieden nur möglich ist, wenn keiner den anderen dominieren will und keiner imperiale Ansprüche erhebt. Das gilt für Russland, das gilt für die USA. Und auch die EU sollte größtmöglichen Abstand zu solchen Gelüsten wahren.“

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