Westliche Medien: Die Bösen sind meistens die Russen
Udo Bachmair
Sowohl der Ukraine-Konflikt als auch der Krieg um die Vorherrschaft in Syrien hat erneut an Schärfe zugenommen. Und wer trägt die Hauptschuld an dieser Entwicklung ? Dem Mainstream der westlichen Berichterstattung zufolge natürlich „die Russen“. Demnach sind sie es, die im Falle Syriens ebenso eine Friedenslösung „verweigern“ wie sie die „Aggression“ in der Ostukraine unbeirrt fortsetzen. Höchst nötige journalistische Differenzierung in beiden so komplexen Konflikten bleibt auf der Strecke.
Warum eigentlich, fragt der kritische außenpolitische Beobachter, erscheinen auch für Qualitätsmedien, unter ihnen auch der ORF, russische Informationsquellen weniger seriös als jene seitens des Regimes in Kiew ? Und warum werden Stellungnahmen der syrischen Führung keineswegs ernstgenommen, hingegen die Statements der nicht minder propagandistischen oppositionsnahen „syrischen Beobachtungsstelle“ mit Sitz in London als glaubwürdig dargestellt ? Einem seriösen Journalismus entspricht das sicher nicht.
An der Bewertung der außenpolitischen Rolle Russlands wird Schwarz-Weiß-Malerei und Freund-Feind-Denken besonders deutlich. Schon zu Zeiten des Kalten Krieges lauerte der „böse Russe“ überall, während der Westen stolz auf die humanitäre Einzigartigkeit seiner Werte verwies. Gut und böse waren und sind auch heute noch sauber verteilt. Propaganda machen immer jeweils die anderen.
Die renommierte deutsche Russland- und Medienexpertin Prof. Gabriele Krone-Schmalz schreibt dazu in ihrem jüngsten Kommentar :
„Warum wird ohne genauere Prüfung alles, was nicht in die Mainstreamargumentation passt, mit dem Etikett Propaganda versehen? Weil man sich dann nicht inhaltlich damit auseinandersetzen muss? Sobald jemand westlichen Mediennutzern Vorgänge aus russischer Perspektive schildert, gerät er in den Verdacht „im Auftrag“ zu handeln oder bestenfalls ein nützlicher Idiot einer Propagandamaschinerie zu sein, die er in seiner Naivität nicht durchschaut. Informationskrieg, hybride Kriegsführung und ähnliche martialische Begriffe bestimmen den Diskurs statt einer ernsthaften Auseinandersetzung um Inhalte.
Meines Erachtens kommt man der Wahrheit am nächsten, wenn man erstens die Aussage von John Stuart Mill akzeptiert, dass niemand die Wahrheit besitzt und wenn man zweitens versucht Interessen auf den Grund zu gehen. Wem nützt das, was da passiert? Warum wird diese Information gerade jetzt verbreitet? Und es gilt noch einen Punkt zu beachten: sich und andere dafür zu sensibilisieren, nicht mit zweierlei Maß zu messen. Ob das absichtsvoll oder gedankenlos geschieht, macht für die Wirkung keinen Unterschied.
Natürlich gibt es Propaganda! Natürlich können gezielt gestreute Informationen als Waffe dienen. Natürlich funktioniert es, latent vorhandene Feindbilder zu beleben. Aber doch nicht nur von russischer Seite.
Heutzutage spricht man von Narrativ und meint die Strukturierung und Interpretierung von Ereignissen nach bestimmten Mustern. „Die russische Annexion der Krim hat die europäische Friedensordnung ins Wanken gebracht.“ So ist immer wieder zu hören und zu lesen. Das westliche Narrativ eben. Abgesehen von der legitimen Frage, welche Rolle der Krieg in Jugoslawien und die Bombardierung Serbiens 1999 bei der Erhaltung oder Beschädigung der europäischen Friedensordnung gespielt hat, ist die Sache mit der Krim nicht so eindeutig, wie es scheint. Aber „die völkerrechtswidrige Annexion der Krim“ ist zur Standardformel geworden, die in keiner offiziellen Rede fehlen darf. Wenn doch, droht das politische und mediale Abseits. Alle Entscheidungen und Entwicklungen, die der Abspaltung der Krim vorangegangen waren, werden konsequent ausgeblendet. Wer spricht heute noch von dem unwürdigen Gezerre um die Ukraine im Vorfeld des EU-Assoziierungsabkommens? Wen interessiert heute noch, dass Russland im Vorfeld sehr wohl auf die heikle Situation der Krim hingewiesen hat, die sich wegen der dortigen Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte zwangsläufig abzeichnete? Da sei es sinnvoll, sich über einen speziellen Status der Halbinsel zu verständigen, hieß es. Aber der Gedanke, der vereinzelt auch in westlichen Kreisen geäußert wurde, Brüssel, Kiew und Moskau darüber ins Gespräch zu bringen, wurde von den Entscheidungsträgern als absurd vom Tisch gefegt; mit der ignoranten (oder arroganten?) Bemerkung: was hat
Russland damit zu tun?
Eine Auseinandersetzung darüber, wie die Vorgänge auf der Krim völkerrechtlich zu behandeln und damit letztlich auch politisch zu beurteilen sind, findet nicht statt. Wer die vollzogene Sezession der Krim Schritt für Schritt erklärt ohne den Kampfbegriff Annexion zu verwenden, ist im besten Fall der Propaganda Moskaus auf den Leim gegangen.
Mediennutzer sind in ihrer Mehrheit keine auf Völkerrecht spezialisierten Juristen, aber sie haben ein Anrecht darauf, dass ihnen die Zusammenhänge so einfach wie möglich erklärt werden, damit sie politische Entscheidungen bewerten können. Anders macht Demokratie keinen Sinn.
Auf dieser Basis kann man darüber streiten, ob es sich um eine „gewaltsame räuberische Landnahme“ handelt – so lässt sich Annexion definieren – oder vielleicht doch um eine höchst komplizierte Angelegenheit, die zu allem Überfluss dem Willen der Mehrheit auf der Krim entsprach. Denn das räumen ja sogar diejenigen ein, die auf dem Begriff Annexion bestehen. Dazu könnte einem der im Völkerrecht verankerte Begriff „Selbstbestimmungsrecht“ einfallen. Also viel Stoff für Diskussion.
Wie soll es weitergehen? „Lasst uns die Probleme in Angriff nehmen, die uns lösbar erscheinen und andere mit gleicher Ernsthaftigkeit angehen, bei denen die Lösung möglicherweise unseren Kindern überlassen bleibt.“ So hat vor ein paar Tagen Rüdiger Freiherr von Fritsch, Deutscher Botschafter in Moskau, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zitiert. Was ist falsch daran? Zu guten deutsch-russischen Beziehungen – so der Botschafter weiter – gibt es keine Alternative. Diese guten Beziehungen müssen wir uns mühsam neu erarbeiten.
Und dazu gehört, Befindlichkeiten des jeweils anderen ernst zu nehmen und sich mit russischen Sichtweisen intensiv zu beschäftigen, bevor man sie mit dem Etikett Propaganda versieht.“
(Gabriele Krone-Schmalz auf „russlandkontrovers.de“)
Interessanter Beitrag, der zum Nachdenken anregen würde, wenn nicht genau die Einseitigkeit, die hier diversen Medien vorgeworfen wird, auch diesen Artikel durchziehen würde. Und dies gleich formal und inhaltlich.
War es nicht Russland, das Grenzen überschritten hat? Mit Truppeneinheiten, die als Separatisten getarnt waren. Kein Bruch des Budapester Memorandums? Ich kann mich auch nicht erinnern, dass es von Seite der Krimrussen irgendwelche Aktionen gab, die man als ‚Freiheitskampf‘ hätte bezeichnen können. Den gab es erst nach der Bewaffnung durch die russischen Truppen, die dort zufällig Urlaub gemacht haben. Da sind eine ganze Reihe von kriegsrechtlichen Normen gebrochen worden. Alles ohne Zutun des Westens.
Es stimmt – die Feinheiten des Völkerrechts auszuloten ist eher etwas für Spezialisten. Aber aus dem ehemaligen Besitz eines Bereichs das Recht für dessen Rückeroberung ableiten zu wollen ist eine etwas naive Vorstellung. Oder anders rum – angenommen, nach dem Völkerrecht bestünde für Russland kein Recht sich die Krim einzuverleiben – glauben sie wirklich, ein Putin würde sich zurückziehen? Er würde dann auf diese geopolitisch enorm wichtige Position für die Einflussnahme auf die Schwarzmeerstaaten bis in den vorderarabischen Raum verzichten? Glauben sie das wirklich?
Die Krim hatte er nicht. Jetzt hat er sie. In bester Tradition. Nicht umsonst ist die Geschichte der Krim seit Jahrhunderten einer der umstrittetensten Flecken dieser Erde.
Wenn sie schon für einen offeneres Verhältnis zu Russland werben (etwas einseitig – finden sie nicht?), dann vergessen sie auch nicht eine Aussage Putin’s, der sagte, dass das Zerbrechen der Sojetunion das größte Übel des vorigen Jahrhunderts gewesen wäre. Größer als zwei Weltkriege. Aber, so sagte er sinngemäß weiter, Russland sei auf einem Weg wieder groß zu werden.
Möglicherweise war das auch ’nur‘ Propaganda. Man kann es auch ’nur‘ als Drohung verstehen.
Was die Gestaltung des Beitrags betrifft, ein kleiner Hinweis – im Web wird mit Großbuchstaben bzw. fett zu schreiben als ’schreien‘ verstanden. Gehe ich davon aus, dann versuchen sie mit der Gestaltung ihres Artikel mir einige ihrer Aussagen regelrecht ins Hirn zu brüllen. Wenn ihre Argumente wirklich gut sind, dann braucht es das nicht. Dann können sie sich auf die normal Klein- und Großschreibung verlassen. Es sei denn….sie machen Propaganda. Was ja nichts anderes wäre als eine gern verwendete Form der Manipulation.
Etwas mehr Feinsinn, eine Prise mehr Distanz und etwas ‚leiser’… Herr Bachmair, und nicht so einseitig. Das kann doch nicht so schwer sein…oder?
Im Übrigen herzliche Grüße
Josh
P.S.: John Suart Mill sagte einige Dinge. Dass niemand die Wahrheit besitze… gut. Er sagte aber auch, dass der Kapitalismus glücklich mache. Oha. .
(Das nur des prinzipiellen journalistischen Anspruchs wegen, Dinge von beiden Seiten zu beleuchten).